Rund 350 Gäste kamen zum Tag des Peacekeepers am 6. Juni im Weltsaal des Auswärtigen Amtes zusammen, unter ihnen viele militärische, polizeiliche und zivile Friedenspraktiker. Eine ermutigende friedenspolitische Großveranstaltung mit einem Handicap: Tagesmedien ignorieren sie notorisch seit 2013!
Im Einsatz für mehr Frieden in Krisenländern–
VERLÄSSLICH GEMEINSAM!
Festakt zum Tag des Peacekeepers 2019 in Berlin
Winfried Nachtwei, Vorstandsmitglied DGVN (09.06.2019)
(Fotos auf www.facebook.com/winfried.nachtwei )
Beim inzwischen siebten Tag des Peacekeepers kamen wieder so viele Friedenspraktiker in Berlin zusammen wie bei keiner anderen Gelegenheit in Deutschland. Sie stehen für GEMEINSAME Sicherheits- und Friedensförderung der Nationen, Ressorts und Akteure und sind Mutmacher wider nationalistische und populistische Egozentriker und Alleingänge.
Im Weltsaal des Auswärtigen Amtes versammelten sich am 6. Juni rund 350 Gäste, darunter viele militärische, polizeiliche und zivile TeilnehmerInnen an Friedensmissionen, MitarbeiterInnen von Bundes – und Landesministerien, Durchführungsorganisationen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Bei dem von den Vereinten Nationen initiierten (und jährlich am 29. Mai begangenen) Tag des Peacekeepers sollen die Frauen und Männer geehrt und ins Licht der Öffentlichkeit gebracht werden, die im Auftrag der UN in Krisen- und Friedensmissionen der UN, OSZE, NATO und EU in Konfliktändern unter strapaziösen und riskanten Bedingungen für mehr Sicherheit und Frieden arbeiten und sonst hierzulande kaum wahrgenommen werden. Stellvertretend für die zzt. rund 3.500 deutschen Peacekeeper wurden je drei PolizistInnen, SoldatInnen und ZivilexpertInnen aus Missionen in Afghanistan (GPPT), Haiti (MINUJUSTH), Ukraine (EUAM), Südsudan (UNMISS), Libanon (UNIFIL), Kosovo (KFOR), Niger (EUCAP Sahel), Mai (MINUSMA), Albanien (OSZE) vorgestellt und geehrt.
Der heutige 6. Juni ist auch der 75. Jahrestag des Beginns der alliierten Landung in der Normandie, die zu einem Wendepunkt auf dem Weg zur Befreiung Europas von Nazi-Deutschland wurde. Der Tag erinnert daran, welche verheerenden Folgen es haben kann, wenn die Staaten“gemeinschaft“ nicht rechtzeitig und gemeinsam Friedensbedrohungen und -störer erkennt und gegen sie vorgeht (1930er Jahre), und welche immensen Opfer es fordern kann, die Welt wieder von einem so völkermörderischen Regime zu befreien. Vor diesem Hintergrund sind die UN-Friedenssicherung mit ihren 122 beteiligten Mitgliedsstaaten und andere Systeme kollektiver Sicherheit ein historischer Fortschritt sondergleichen. (Im August 2018 arbeiteten weltweit über 165.000 Menschen in multinationalen Friedenseinsätzen. Hinzu kommen Zigtausende Frauen und Männer, die in Hilfsorganisationen, staatlicher und nicht-staatlicher Entwicklungszusammenarbeit für Friedensförderung arbeiten.)
Eingeladen hatten Außenminister Heiko Maas gemeinsam mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Innenminister Horst Seehofer. Mitveranstalter war das Zentrum Internationale Friedenseinsätze (ZIF). Ministerin von der Leyen und Minister Seehofer hatten leider kurzfristig abgesagt und wurden von den Staatssekretären Benedikt Zimmer und Klaus Vitt vertreten. Der Deutsche Bundestag als Mitauftraggeber der Bundeswehreinsätze war von weniger als einer Handvoll Abgeordneter vertreten (gesehen wurden Gabi Weber und Ottmar von Holtz).
Grußworte sprachen die Ressortvertreter, ausführlicher und frei Außenminister Heiko Maas ( https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/maas-peacekeeper/2224746 )
Er berichtet von einem Besuch eines Lagers zur Wiedereingliederung ehemaliger FARC-Rebellen in Kolumbien. „Männer und Frauen, deren Alltag jahrzehntelang nur aus Kampf, Flucht, Gewalt und Gegengewalt bestand. Auf die Frage warum sie vor frei Jahren ihre Waffen niedergelegt haben, deutete einer dieser ehemaligen Kämpfer auf eine Hütte des Lagers. Es war ein Kindergarten. Und in der Tat war das Lager voller Kinder, die meisten sind unter drei Jahre alt gewesen. Der Frieden – bei den FARC-Kämpfern in Kolumbien hat er einen regelrechen Babyboom ausgelöst. Frauen, die dort am Kampf beteiligt waren, durften keine Kinder kriegen, weil die Lager, die man aufgeschlagen hat, alle zwei Tage verlassen und neu aufgeschlagen wurden, damit man nicht gefunden werden konnte. Aber mit einem Mal gab es eine Zukunft für diese Menschen, die vor drei Jahren die Waffen abgelegt haben. Einen Sinn – auch dafür, eine Familie zu gründen.“ (…)
„Ihr Mut sollte uns Ansporn sein, Sie so gut es geht in Ihren Einsätzen vor Ort zu unterstützen. Wir schulden Ihnen nichts anderes als größtmögliche Sicherheit. Deshalb haben wir den Vereinten Nationen zum Beispiel gepanzerte Fahrzeuge zur Verfügung gestellt oder beschaffen Schutzwesten für Peacekeeper in Mali. Das sind vielleicht einfache Dinge, die aber vor Ort in bestimmten Situationen lebensrettend sind.
Ob im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen oder bei Mandatsdebatten im Bundestag, immer schwingt die Gewissheit mit, dass Sie -weit weg von Berlin oder New York - das umsetzen müssen, was wir dort beschließen. (…) Wir arbeiten aber auch im Sicherheitsrat daran, Mandate realistisch zu formulieren. Als die neue VN-Beobachtungsmission in Jemen entstanden ist, haben wir uns zum Beispiel dafür eingesetzt, Fragen der Unterbringung, der Sicherheit und der Logistik von Beginn an mitzudenken. Auch das sind auf den ersten Blick einfache Dinge. Aber es sind Dinge, die bei so vermeintlich großen Entscheidungen niemals unter den Tisch fallen dürfen, wenn wir unserer Verantwortung gerecht werden wollen als diejenigen, die politisch darüber entscheiden. Vielleicht klingt es für den einen oder anderen bürokratisch, solche Dinge zu erwähnen. Aber letztlich wissen Sie doch am besten: Im Feld sind das oft die Hürden, die Sie von Ihrer eigentlichen Arbeit abhalten.
Und diese Arbeit ist, wie sicher nicht nur ich hier im Auswärtigen Amt finde, das beste Markenzeichen unserer Friedenspolitik. Wenn ich mir Ihre Lebensläufe, Ihre Einsatzorte und Arbeitsschwerpunkte anschaue, dann spiegeln sie die ganze Bandbreite dessen, was „Frieden sichern“ tatsächlich ausmacht. Das beginnt bei der Prävention, es reicht über die Konfliktbewältigung und Stabilisierung bis hin zum Peacebuilding.
Diesen ja sehr umfassenden Ansatz haben wir als Bundesregierung in unseren Leitlinien für Zivile Krisenprävention festgeschrieben. Und wir wollen auch dafür sorgen, dass er international gestärkt wird.
Das bedeutet zum Beispiel, Generalsekretär Guterres dabei den Rücken zu stärken, Peacekeeping tärker noch auf Prävention auszurichten. Das ist ein wichtiges Thema, denn wir sitzen ja zur Zeit im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Mittlerweile habe ich an einigen Sitzungen dort teilgenommen und auch gelernt über die Arbeitsweise des Sicherheitsrates. Man hat dort manchmal den Eindruck, dass der Sicherheitsrat nach den traditionellen Kriterien überhaupt dann erst bereit ist, sich mit Themen zu beschäftigen, wenn es Tote gegeben hat.
Im Übrigen war das erste Thema, das wir im Januar auf die Tagesordnung des Sicherheitsrat gebracht haben, das Thema „Klima und Sicherheit“. Und damals haben schon viele etwas verständnislos geblickt. Die Toten, scheint es, müssen auch erschossen worden sein - verhungern oder verdursten zählt nicht zu dem Portfolio, das der Sicherheitsrat für sich in Angriff nehmen will. Und das müssen wir ändern.
Wir müssen auch viel stärker präventiv solche Gremien nutzen, um nicht Konflikte dann erst wieder einzudämmen, wenn sie schon entstanden sind, was uns ja bedauerlicherweise in den letzten Jahren nicht sehr erfolgreich gelungen ist im Sicherheitsrat. Sondern wir müssen uns viel mehr damit auseinandersetzen, sie zu verhindern.
Wir sorgen, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch dafür, dass die Erfolge milliardenteurer Peacekeeping-Missionen nicht durch unterfinanzierte Pläne zur Friedenssicherung zunichte gemacht werden. Auch das ist ein Thema, das dort aufgerufen werden muss. Deshalb waren wir 2018 größter Geber des Peacebuilding Fonds. Deshalb fördern wir Mediation und flankieren unser Engagement auch durch umfassende Stabilisierungsmaßnahmen und investieren dafür viel Geld.
Und auch auf europäischer Ebene wollen wir das zivile Krisenmanagement stärken. Unser zentraler Beitrag wird die Einrichtung eines Europäischen Kompetenzzentrums für ziviles Krisenmanagement hier in Berlin sein. Es soll komplementär zum ZIF Standards und Empfehlungen für zivile Kriseneinsätze entwickeln, die dann von allen Mitgliedstaaten genutzt werden können.
Liebe Peacekeeperinnen, liebe Peacekeeper,
ich hoffe, dieses Engagement kommt dann auch vor Ort, im Feld, an. Was bei uns hier in Berlin ankommt, ist jedenfalls die wirklich außerordentlich große Wertschätzung, die Ihre Arbeit erfährt.
Ob in Afghanistan, in Mali oder auf dem Westbalkan – deutsche Expertinnen und Experten genießen einen wirklich hervorragenden Ruf - das erlebe ich ständig auf meinen Reisen.
So gut, dass die Nachfrage nach ihnen den Nachwuchs deutlich übersteigt. Aber auch daran arbeiten wir, nicht zuletzt mit Hilfe des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze. Das ZIF hat in den letzten Jahren weit über tausend zivile Experten sekundiert. Es entsendet rund 300 Wahlbeobachter pro Jahr. Auch die Einsatzvorbereitung gehört natürlich dazu. Für all das möchte ich Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, liebe Frau Wieland-Karimi, heute ganz herzlich danken.
Danken möchte ich aber natürlich vor allen Dingen auch Ihnen, liebe Peacekeeperinnen und Peacekeeper! Wir mögen zwar noch keine feste deutsche Berufsbezeichnung haben, vielleicht brauchen wir das auch nicht. Aber eines sind Sie in jedem Fall: Mutmacher! Denn wer selber Mut zeigt, der macht auch anderen Mut.
In Ländern, in denen Polizisten nicht als „Freund und Helfer“ empfunden werden, prägen Sie das Bild einer rechtstaatlichen Polizei.
Sie leben vor, was es heißt, als Soldatin oder als Soldat „Bürger in Uniform“ zu sein.
Und Sie halten Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit und Demokratie hoch an Orten, an denen dies oft Fremdwörter sind, auch in deren eigener Sprache.“ Zum Schluss würdigt der Minister persönlich und konkret die Leistungen der drei Zivilexpertinnen und -experten.
Staatssekretär Vitt betonte die Bedeutung der Internationalen Polizeieinsätze und Friedensmissionen auch für die Innere Sicherheit Deutschlands. Gegenwärtig seien 191 Frauen und Männer im Auslandseinsatz (47 GPPT, 13 MINUSMA, je 7 EULEX Kosovo und EUMM Georgien, je 6 UNAMID und EUAM Moldawien/Ukraine, 4 EUCAP Sahel Niger, u.a., bei 6 Missionen vakant; 72 Frontex – die Einordnung bei Peacekeeping ist strittig). Besonderer Dank gelte auch dem Technischen Hilfswerk THW, das seit 2017 die UN-Beobachtermission in Kolumbien unterstützt (Zerstörung von Handfeuerwaffen, Informations- und Kommunikationsnetzwerk). Insgesamt müsse Deutschland seine Entsendungen in internationale Polizeimissionen deutlich erhöhen. Er und
Staatssekretär Zimmer schlossen ausdrücklich die Angehörigen, Familien und Freunde der Peacekeeper in ihren Dank sein. (Die kürzeren Grußworte der Staatssekretäre konnte ich im Netz nicht finden. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen würdigte auf Twitter „die Arbeit der Männer und Frauen, die sich unter der Flagge der UN für den Frieden in der Welt einsetzen. https://twitter.com/BMVg_Bundeswehr/status/1136604945451573248)
Übergabe der Peacekeeper-Symbole durch den Minister und die Staatssekretäre an die Zivilexpertinnen und Zivilexperten
- Kerstin Bartsch, Beraterin für die Bekämpfung des Menschenhandels seit 2017 bei der EU-Mission EUCAP Sahel Niger, Agadez (2002-2012 bei der Internationalen Organisation für Migration IOM in Genf, auf den Philippinen und Jordanien mit dem Schwerpunkt Bekämpfung von Menschenhandel, Opferschutz, Migrations- und Grenzmanagement)
- Sebastian Frowein, Experte für den Schutz von Zivilpersonen bei MINUSMA Mali in Mopti (ab 2011 beim Flüchtlingskommissariat der UN in Bunia, DR Kongo, 2013-2015 Berater und Projektleiter bei Ärzte ohne Grenzen in Berlin und der DR Kongo, dann beim UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten OCHA in Sana`a/Jemen, seit 2018 einer der ersten ZIF-Sekundierten zu einer UN-Mission.
- Dr. Claudia Vollmer, seit 2013 Leiterin der Demokratisierungsabteilung der OSZE-Präsenz in Albanien (2001-2004 in der Abteilung Wahlen der OSZE im Kosovo, dann viele Kurz- und Langzeitwahlbeobachtungen für das das Büro für Menschenrechte und demokratische Institutionen (ODIHR) der OSZE, dann stv. Leiterin der OSZE/ODIHR-Wahlbeobachtungs-missionen in in Ost- und Südosteuropa und Zentralasien, in Albanien Schwerpunkt Unterstützung der Wahladministration des Parlaments, der Medien sowie der Zivilgesellschaft und Frauenförderung)
Polzistinnen und Polizisten
- Polizeihauptmeister Sascha Brunkohl, Deutsches Polizeiprojektteam Afghanistan (GPPT) in Kabul 2018/19 (seit 2002 beim Bundesgrenzschutz/Bundespolizei, ab 2007 Polizeitrainer für Polizeikräfte in Amok-Lagen und andere lebensbedrohlichen Einsatzlagen, seit 2011 Angehöriger der ersten internationalen Einsatzeinheit der Bundespolizei, Einsätze in Afghanistan, Kosovo, Serbien, auf Lesbos, 2016 an der dt. Botschaft in Kabul; 2018/19 bei der Afghanischen Polizeiakademie in den Fachbereichen Sicherheit, Logistik/Führungs- und Einsatzmittel und Schießausbilder für eigene Kräfte; bei einem Lkw-Bombenanschlag am 14. Januar auf das Green Village in Kabul wurde er und ein anderer GPPT-Kollege durch Glassplitter verletzt; bei dem Anschlag wurden vier Afghanen getötet und über 100 verletzt)
- Kriminalhauptkommissarin Karin Hemminger, Ansprechpartnerin für Interpol bei der UN-Mission zur Unterstützung der Justiz in Haiti 2018/19 (ab 1988 LKA Baden-Württemberg, später Polizeipräsidium Tübingen/Bekämpfung Organisierter Kriminalität, 2015 bei UNMIL in Liberia, 2018 bei EUROPOL in Den Haag, in Haiti Unterstützung beim Auf- und Ausbau des haitianischen INTERPOL-Zentralbüros)
- Kriminaloberrat Tassilo Jurna, Leitender Berater für Kriminaltechnik und Erkennungsdienst bei der EU-Beratungsmission EUAM in der Ukraine 2018/19 (ab 2000 beim BKA, dann beim Mobilen Einsatzkommando, 2008 Leiter des Personenschutzkommandos an der deutschen Botschaft in Bogota, dann Führungsfunktionen im Leitungsstab des BKA)
Soldatinnen und Soldaten
- Hauptmann Alexander Blunck, Militärischer Verbindungsoffizier bei der UN-Mission UNMISS im Südsudan 2018 (seit 2007 Bundeswehr, Fallschirmjäger, Zugführer und Kompanieeinsatzoffizier beim FSchJRgt 31 in Seedorf, 2016 bei EUTM Somalia für die Ausbildung von Offizieren der somalischen Armee verantwortlich)
- Fregattenkapitän Boris Bollow, Leiter des deutschen Ausbildungskommandos bei UNIFIL im Libanon 2016 und 2018 (seit 1987 Bundeswehr, u.a. Kommandant der Korvette Braunschweig, seit 2008 fünf Einsätze bei UNIFIL, als Chef des Stabes des dt. Kontingentführers, Verantwortlicher für die Ausbildung der internationalen maritimen Kräfte von UNIFI)
- Feldwebel der Reserve Sarah Reichel, Rechnungsführerin/Zahlstellenverwalterin bei KFOR im Kosovo Jan.-März 2019 (mit ihr wird erstmalig beim Tag des Peacekeepers eine Beamtin der Bundeswehrverwaltung geehrt; Bürosachbearbeiterin, erster Einsatz 2018 im Rahmender Einsatzwehrverwaltung als Rechnungsführerin und Zahlstellenverwalterin bei EUTM Mali)
Im Gespräch mit der Moderatorin Simone von Stosch schildern die neun ausgezeichneten Peacekeeper prägnant und kurzweilig ihre Tätigkeit, ihre Schlüsselerfahrungen und Lehren. (Da heute auf die Einladung eines prominenten internationalen Gastes verzichtet wurde, steht ausreichend Zeit für die Gesprächsrunden zur Verfügung.)
- In Albanien war die größte Herausforderung die Korruption und das viele Gegeneinander-Arbeiten. Sichtbare Erfolge: bei den Kommunalwahlen war die Hälfte der Listenplätze für Frauen reserviert; die starke Frauenbeteiligung.
- Nordniger: Die Projektangebote zu Menschenhandel Migration, Organisierter Kriminalität wurden von der Zivilgesellschaft sehr gut angenommen. Die Kommunikation mit den vielen dortigen Tuareg sei eine besondere Herausforderung: Für sie sei man voll erkennbar; man selbst habe Zugang zu den voll verhüllten Tuareg nur über die Augen.
- Im Malieinsatz seit mehr als einem Jahr, sehr schwere Sicherheits- und Klimabedingungen: Kaum eine Woche vergehe, wo nicht ein Anschlag auf einen MINUSMA-Konvoi erfolge. Ein gutes Erlebnis war z.B., als man die Gewaltspirale zwischen zwei Dörfern unterbrechen konnte.
- Im Südsudan war er im Umkreis von 400 Kilometern der einzige Deutsche. Das habe Nachteile, z.B. bei der medizinischen Versorgung und der Hygiene in der Küche, aber auch Vorteile mit sich gebracht: „wer eine andere Art von Bürokratie kennenlernt, der regt sich auch über die deutsche nicht mehr so auf. .Besonders beeindruckend war im Südsudan die Freundlichkeit und Lebensfreude der Menschen. Bei einer entsprechenden Umfrage dort und in Deutschland würden die Deutschen wohl schlechter abschneiden. In Afrika habe er gelernt, die Menschen nicht zu bemitleiden, sondern wie sie das Beste aus jeder Situation zu machen.
- Im Libanon brauche man ein Netzwerk an Kontakten, Nach mittlerweile fünf Einsätzen habe er das Netzwerk. Als Leiter des deutschen Ausbildungskommandos sei er teils Ausbilder, teils Vermittler zwischen dem deutschen und dem libanesischen Verteidigungsministerium.
- Mehrfach wird berichtet, wie angesehen und beliebt die deutschen Peacekeeper in den verschiedenen Einsatzländern seien.
- Welche Eigenschaften man in den Einsätzen vor allem brauche? Vor allem zuhören können, Motivation, Mut, Herausforderungen annehmen, viel Geduld.
Wie habe der Einsatz die Rückkehrer verändert? Man nehme sich selbst nicht so ernst; man lerne, die Lebensbedingungen in Deutschland ganz anders zu schätzen; mehr Gelassenheit (seine Frau könne das aber noch nicht bestätigen); eine stabile Darmflora.
(vgl. dazu die europaweit einmalige Langzeituntersuchung zum 22. deutsches ISAF-Kontingent (2010) von A. Seiffert/J. Heß, Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Zusammenfassung unter www.nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1576 )
Im Anschluss an den Festakt lud das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) zu einer Begehung der Ausstellung „Weltweit im Friedenseinsatz: Deutschlands zivile Expertinnen und Experten“ im Lichthof des AA.
Besuch im Bundestag: Eine Gruppe einsatzerfahrener Polizistinnen und Polizisten verfolgte anschließend im Bundestag von der Zuschauertribüne aus die Plenardebatte zum „Bericht der Bundesregierung „über das deutsche Engagement beim Einsatz von Polizistinnen und Polizisten in internationalen Polizeimissionen 2017“ (BT-Drs. 19/6540 vom 13.12.2018, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/065/1906540.pdf ). Hierzu hatte die Grüne Fraktion den Antrag „Ausbau des deutschen Polizeiengagements in internationalen Friedensmissionen voranbringen“ (19/9273, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/092/1909273.pdf ) eingebracht. Anschließend begrüßten der Parlamentarische Staatssekretär im BMI, Prof. Günter Krings, die Abgeordneten Susanne Mittag (SPD) und Ottmar von Holtz (Grüne, Vors. des Unterausschusses zivile Krisenprävention) die Gäste. Dass zu ihnen auch der Bundespolizist Christoph Buik mit seinen bisher acht Auslandsverwendungen gehörte, war eine besondere Freude: Als Teilnehmer an der Kosovo Verification Mission der OSZE Anfang 1999 im Kosovo gehört er zu den deutschen Peacekeepern der ersten Stunde, spätere Einsätze bei UNMIK im Kosovo (Mitrovica), im Sudan, Chef der Polizeikomponente bei EUCAP Nestor, zuständig für Polizeiaufbau in Somalia, seit 2018 Director der Standing Police Capacity/Police Division im Rang eines Generalmajors in Brindisi/Italien. Buik wurde 2014 beim 2. Tag des Peacekeepers im Schloss Charlottenburg ausgezeichnet.
(Interview mit C. Buik in Bundespolizei kompakt 06/2018, https://www.bundespolizei.de/Web/DE/04Aktuelles/05Kompakt/2018/kompakt_6-18_file.pdf?__blob=publicationFile&v=3 )
Medienresonanz:
(a) Im Internet (primär für Interessierte und Suchende)
- „Friedensstifter und Mutmacher: Maas ehrt Peacekeeper“, Kurzbericht 6.6.2019, AA,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/krisenpraevention/peacekeeper/2224686
- „Tag des Peacekeepers 2019: Bundesaußenminister Maas ehrt Peacekeeper“, 7.6.2019, ZIF,
https://www.zif-berlin.org/de/ueber-zif/nachrichten-aus-dem-zif/detailansicht/article/maas-ehrt-peacekeeper.html - „Zum International Day of UN-Peacekeepers“ am 29. Mai, ZIF, https://www.zif-berlin.org/de/ueber-zif/nachrichten-aus-dem-zif/detailansicht/article/-4417432117.html
- „Für Frieden und Sicherheit“, ausführlicher Bericht und Gespräch mit zwei Geehrten, von Timo Kather und Friederike Beckh, 7.6.2019, BMVg, https://www.bmvg.de/de/aktuelles/fuer-frieden-und-sicherheit-56128 , https://twitter.com/hashtag/peacekeeper
- Am 6. und 7. Juni auf @bundeswehrInfo (Twitter) vier Tweets: Erklärung der Ministerin, Rede Außenminister, Ehrung der drei Soldaten und der neun Peacekeeper, https://twitter.com/bundeswehrinfo?lang=de
- „Drei Soldaten für ihren Einsatz als Peacekeeper ausgezeichnet“, ausführlicher Bericht auf der Seite des Deutschen BundeswehrVerbandes, 7.6.2019, DBwV, https://www.dbwv.de/aktuelle-themen/blickpunkt/beitrag/news/tag-des-peacekeepers-drei-soldaten-erhalten-besondere-auszeichnung/ („Kritik an geringem medialen Interesse
„Dass dieser Preis verliehen wird zeigt, dass Sicherheitspolitik mehr ist als Militär und wir gemeinsam mit vielen anderen Akteuren erfolgreich sein können“, betonte Andreas Steinmetz, zweiter Stellvertreter des Bundesvorsitzenden des DBwV. Doch in der Berichterstattung finden solche Ereignisse kaum Erwähnung, kritisiert Steinmetz das geringe mediale Interesse an dieser und vergleichbaren Veranstaltungen: „Die geringe Teilnahme von führenden, von den staatlichen Medien ist bedauerlich.“)
(b) Tagesmedien: Nichts gefunden in FAZ, SZ, taz, FR, Tagesspiegel.
Kommentar: Gespaltene Wertschätzung
Die inzwischen siebte Feierstunde zum Tag des Peacekeepers ist erneut eine würdige und herzliche Ehrung der Frauen und Männer, die im Auftrag der Bundesregierung – die Soldaten auch des Parlaments – bei internationalen Friedenseinsätzen arbeiten, sich einsetzen, unter erheblichen Belastungen, Herausforderungen, oft auch Risiken. Der Dank kommt ehrlich über. Der Glaubwürdigkeit der Reden würde es aber nicht schaden, wenn auch mal bestimmte Probleme angesprochen würden.
Die Programmgestalter verzichteten zum zweiten Mal auf das Extra eines spannenden Ehrengastes (zuletzt der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka, davor Martin Kobler) oder eines besonderen Berichts aus einem Einsatzland. Da ließ mehr Zeit für die
Vorstellung der stellvertretend ausgezeichneten Peacekeeper und der Breite und Vielfalt ihrer Expertise, ihrer Aufgaben und Einsatzgebiete. Es sind in den Mühen der Ebenen erfahrene Friedenspraktiker. Seit mehr als 20 Jahren bin ich vielen Hunderten von ihnen vor allem in Krisenregionen begegnet. Für mich sind sie Diamanten der operativen deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, die Friedenspolitik sein soll.
Von daher ist es ein fortgesetztes Trauerspiel, ja ein lautloser politischer Skandal, dass die Tagesmedien seit sieben Jahren (bis auf ganz wenige Ausnahmen) den Tag des Peacekeepers notorisch nicht wahrnehmen, dass die Lichter der Peacekeeper in der Öffentlichkeit unterm Scheffel bleiben. Angesichts der steigenden Flut an Krisenereignissen und sich häufender schlechten Nachrichten, die einen begründet depressiv stimmen können, ist die strukturelle Missachtung der Peacekeeper und ihrer multilateralen Praxis ein demokratie- und friedenspolitisches Versagen in den Reihen der Vierten Gewalt.
Verschärft wird diese faktische Geringschätzung der Peacekeeper von Seiten der Medien durch eine gespaltene Wertschätzung der Peacekeeper von Seiten der Politik: Die Gruß- und Dankesworte der Minister und Staatssekretäre waren sicher ehrlich gemeint, aber immer nur nach innen gerichtet, nie an die breitere Öffentlichkeit. Auch scheint die Ehrung längst keine Chefsache mehr zu sein. Einzig beim ersten Tag des Peacekeepers 2013 waren mit den Ministern Westerwelle, de Maiziere und Friedrich alle Ressortminister vertreten. In den sechs Folgejahren nahmen dreimal die Außenminister teil, zweimal der Innenminister de Maiziere, kein Mal die Verteidigungsministerin. Noch trüber sieht es auf Seiten des Bundestages aus, der doch Mitauftraggeber der Auslandseinsätze der Bundeswehr ist: Über die Jahre war er in der Regel nur spärlich vertreten.
Die Kenntnisse in der deutschen Bevölkerung über die Auslandseinsätze der Bundeswehr sind gering, über die Einsätze von Zivilexperten und Polizisten bei Friedensmissionen noch viel geringer. Einsatzrückkehrer spüren in Gesellschaft und Politik nur wenig Anerkennung für ihre Höchstleistung (vgl. die Langzeitstudie des ZMSBw zu Afghanistan-Rückkehrern).
Vor diesem Hintergrund ist völlig unverständlich, warum die Peacekeeper mit ihrem enormen friedenspolitischen Potenzial und ihrer besonderen Glaubwürdigkeit nicht auch der breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Als aktuelle Zeitzeugen könnten viele von ihnen mit ihren Erfahrungen hervorragend zu einer fundierteren friedens- und sicherheitspolitischen Wahrnehmung und Debatte in der Gesellschaft beitragen.
Meine Berichte zu den bisherigen Tagen des Peacekeepers:
Keine Floskel, sondern Praxis: Einsatz für den Frieden – gemeinsam. Feierstunde zum Tag des Peacekeepersam 26. Juni 2018 in Berlin, Bericht, www.nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1532
Peacekeeping und vernetztes Handeln mit Gesicht: Festakt zum Tag des Peacekeepers am 23. Oktober 2017 in Berlin, Bericht 29.10.2017, mit Gastredner Wole Soyinka, nigerianischer Literaturnobelpreisträger von 1986; anschließend mit ihm Vorstellung des Studienprojekts „Krisenfrüherkennung durch Literaturauswertung“ (Prof. J. Wertheimer) http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1504
Internationale Verantwortung – praktisch und mit Leidenschaft: (4.) Tag des Peacekeepers 2016 1. Juni 2016, Mai, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1402 , http://www.dgvn.de/meldung/tag-des-peacekeepers-2016/ (Fotos auf Facebook)
Bericht vom 3. Tag der Peacekeeper: Starke Frauen, sehr gute Ministerreden - aber wieder fast kein Medienecho! Juni 2015, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1359 , (Fotos auf Facebook)
Gelungener zweiter „Tag des Peacekeepers“: Internationale Verantwortung ganz praktisch – von den Medien leider wieder weitgehend negiert, 15. Juni 2014, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1294
Gelungene Premiere: Drei Bundesminister ehren erstmalig deutsche Peacekeeper in Uniformen und Zivil GEMEINSAM – „Tag des Peacekeepers 2013“, Juni 2013 (http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1220 , auch auf/in Die Bundeswehr/DBwV 9/2013, Denkwürdigkeiten der Politisch-Militärischen Gesellschaft Nr. 86), ADLAS Magazin für Außen- und Sicherheitspolitik 3/2013, „Unauffällige Premiere“ www.adlasmagazin.files.wordpress.com/2013/09/adlas-03_2013.pdf
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: