"Wir haben es doch erlebt - Das Ghetto von Riga": Erstaufführung des Dokumentarfilms von Jürgen Hobrecht am 14. Mai mit 200 Besuchern in Münster. Hier der Bericht, weiterführende Links und das Spendenkonto für Holocaust-Überlebende im Baltikum.
„Ein lebendes Denkmal": Erstaufführung des Films
„WIR HABEN ES DOCH ERLEBT - DAS GHETTO VON RIGA" von Jürgen Hobrecht am 14. Mai 2013 in Münster
von Winfried Nachtwei, MdB a.D., Vorstandsmitglied „Gegen Vergessen - Für Demokratie"
Bis Ende der 80er Jahre war in Deutschland weitestgehend vergessen und unbekannt, was im Baltikum, in Riga während der deutschen Besatzung geschehen war und dass das Ghetto Riga zum „Auschwitz der westfälischen Juden" wurde. 1991 entstand „Verschollen in Riga - Bilder einer Erinnerungsreise", ein Film über die Deportation aus Münster, Osnabrück und Bielefeld nach Riga von Jürgen Hobrecht. 50 Jahre nach der Verschleppung wurde derFilm möglich mit den demokratischen Umwälzungen und der Öffnung in Osteuropa. Es  war der erste Dokumentarfilm (48 Min.) zu den Riga-Deportationen überhaupt.
Der neue Film zum Ghetto Riga (98 Min.) des Berliner Filmemachers Jürgen Hobrecht weitet und aktualisiert den Blick. Er schildert den Untergang des lettisch-jüdischen Ghettos von Riga. Margers Vestermanis berichtet, wie er als 16-Jähriger den 30. November 1941, den „Rigaer Blutsonntag" erlebte. Der Film folgt den Spuren etlicher anderer Transporte (u.a. Stuttgart, Hamburg, Berlin, Kassel, Hannover) und lässt neun Überlebende zu Wort kommen, darunter Marga Griesbach aus Witzenhausen, Hannelore Marx aus Stuttgart, Max Michelson und Sergej Svilpis aus Riga, Irmgard Ohl aus Osnabrück, Hertha Terhoch aus Münster. Bernhard Press, der in Riga drei Jahre zusammen mit seinem Vater Unterschlupf bei einem Professor fand, berichtet, dass die Verfolgung jüdischer Menschen nach der Befreiung in der Sowjetzeit nicht aufhörte, sondern sich wandelte. Als überlebender lettischer Jude kam er ins Arbeitslager. Von den interviewten ehemaligen Häftlinge sind inzwischen verstorben: Wilhelmine Süßkind aus Coesfeld, Bernhard Press aus Riga/Berlin, kürzlich Ewald Aul aus Osnabrück.
Der Zusatzfilm (18 Min.) berichtet von Janis Lipke, der 55 Menschen aus dem Ghetto rettete. Gezeigt werden die über Jahrzehnte verwahrlosten Massengräber im Wald von Bikernieki, wo mit Hilfe des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge und des Deutschen Riga-Komitees 2001 eine würdige Gedenkstätte eingeweiht wurde. Seitdem wird sie alljährlich von deutschen, auch lettischen und österreichischen Jugendlichen im Rahmen der Workcamps des Volksbundes gepflegt. Bewegt und eindringlich sprechen die Jugendlichen über ihre Eindrücke und Gefühle.
Über 200 Besucher kamen zur Erstaufführung des Films am 14. Mai im Programmkino CINEMA, unter ihnen viele frühe Unterstützer der Erinnerungsarbeit wie Gisela Möllenhoff, Andreas Determann, Ex-Oberbürgermeister Jörg Twenhöven, Matthias Ester, Christoph Spieker, Horst Wiechers u.v.a. Schon bei der Eröffnung der Ausstellung „Bikernieki - Wald der Toten" des Volksbundes am 2. Mai im Stadthaus I von Münster waren ca. 80 Personen zusammengekommen. Seit 1989 habe ich mit der Erinnerung an das Ghetto Riga und seinen wenigen Überlebenden zu tun. Ich erlebte, wie nach Jahrzehnten des Vergessens hie und da steinerne Erinnerungen, Denkmäler entstanden. Als ich jetzt den Film bei der Erstaufführung sah, da spürte ich, dass mit dem Film ein LEBENDES DENKMAL gelungen war.
Der Film ist als DVD erhältlich. Das 21-seitige, vom Geschichtsort Villa ten Hompel und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Münster mitherausgegebene Begleitheft beinhaltet u.a. einen umfassenderen Beitrag von Andreas Determann zum Ghetto Riga. ERSTMALIG ist jetzt mit der DVD die Geschichte des Rigaer Ghettos und der dorthin deportierten früheren Nachbarn von nebenan ALLGEMEIN UND FREI ZUGÄNGLICH.
Der Film besteht aus elf Kapiteln und einem Zusatzfilm, die einzeln ausgewählt werden können:
-Â Â Â Â Â Â Â Â Berliner Waisenkinder - in Riga erschossen
-Â Â Â Â Â Â Â Â Das Ghetto von Riga und das Massaker von Rumbula (Ermordung der Rigaer Juden am 30. November + 8. Dezember 1941)
-Â Â Â Â Â Â Â Â 1933-1940 - Die Verfolgung beginnt
-        „Zum Arbeitseinsatz in den Osten" - Die Vorbereitung der Deportation
-        Das Außenlager Jungfernhof und der Oberrabiner Joseph Carlebach (aus Hamburg)
-        „Ich hätte nie gedacht, hier noch einmal zu stehen." Spurensuche in Riga (mit zwei Überlebenden des „Bielefelder Transports" 1991 für den ersten Film von J. Hobrecht zum Ghetto)
-        Zwangsarbeit für den „Endsieg". Die Arbeitskommandos im Ghetto
-        Die Aktion „Dünamünde". Tod in Bikernieki und Salaspils
-        „Nicht wie die Schafe zur Schlachtbank" - Ein Aufstand wird geplant
-        Der letzte Appell - Befreiung durch die „Rote Armee"
-        „Kein Tag, an dem ich nicht daran denke" - Vom Leben mit dem Trauma
-        Zusatzfilm: Der Zukunft ein Gedächtnis - Erinnerung an das Ghetto von Riga (Judenretter Janis Lipke, Gedenkstätte Bikernieki, Jugendliche eines Workcamps im Sommer 2012, W. Nachtwei bei Riga-Vorträgen, Miriam Gilles-Carlebach)
Produzent: Jürgen Hobrecht. Produktion Phönix-Medienakademie e.V. in Kooperation mit Polis GmbH und dem LWL-Medienzentrum für Westfalen. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, zehn Mitgliedsstädte des Riga-Komitees und weitere Institutionen trugen zur Finanzierung des Films bei.
Die DVD ist erhältlich bei der Phönix-Medienakademie, info@phoenix-medienakademie.com , 030-484 963 46 (12 Euro plus 3 Euro Versand), und beim LWL-Medienzentrum für Westfalen, Fürstenberstr. 14, 48147 Münster, medienzentrum@lwl.org. Genauere Informationen zum Film  www.lwl.org/pressemitteilungen/mitteilung.php?urlID=29654#,UZM518p2H1I
Filmausschnitte unter www.phoenix-medienakademie.com/Riga/
Spendenkonto zur Unterstützung der Holocaust-Überlebenden im Baltikum: Middelmann, Hanna + Wolf, Sparkasse Göttingen, BLZ 260 500 01, Kto.-Nr. 100 499 433, Stichwort „Riga" (Das befreundete, pensionierte Lehrerpaar Middelmann unterstützt die ehemaligen Häftlinge verlässlich und herzlich seit inzwischen 20 Jahren! Das Engagement der Middelmanns wurde angestoßen von dem Skandal, den 1993 das NDR-Magazin Panorama enthüllte: Ehemalige Angehörige der lettischen Waffen-SS erhielten vom deutschen Staat eine Kriegsversehrtenrente - ehemalige Ghetto- und KZ-Häftlinge im Osten erhielten keinen Pfennig! Dr. Alexander - Sascha - Bergmann, der Vorsitzende der ehemaligen jüdischen Ghetto- und KZ-Häftlinge Lettlands, wurde zu d e m Botschafter und Vorkämpfer seiner Leidensgefährten und zu einem äußerst bewegend-überzeugenden Zeitzeugen. 2002 wurde er zusammen mit Steven Springfield, dem Präsidenten der Jewish Survivors of Latvia, von Heike Gläser in dem Dokumentarfilm „Die Präsidenten" portraitiert. 2009 erschienen seine „Aufzeichnungen eines Untermenschen" in der Edition Temmen auf Deutsch. Im Sommer 2012 durften wir noch ein mehrstündiges Filminterview mit Sascha Bergmann miterleben.)
Â
Â
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: