Los gehts mit dem öffentlichen Debattenprozess zu den künftigen "Leitlinien ziviles Krisenengagement und Friedensförderung", die das Bundeskabinett im Frühjahr beschließen soll. Hier jüngste Meldungen, Berichte, Stellungnahmen.
Debattenprozess „PeaceLab2016 – Krisenprävention weiter denken“ (Leitlinien ziv. Krisenengagement + Friedensförderung) - Aktuelles II, 19.06.2016
W. Nachtwei
Zwölf Jahre nach Veröffentlichung des Aktionsplans „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung der Bundesregierung“ sollen neue Leitlinien für ziviles Krisenengagement und Friedensförderung der Bundesregierung erarbeitet und im Frühjahr vom Bundeskabinett beschlossen werden. Dem Schreibprozess vorgeschaltet sein soll von Juli bis Anfang November ein öffentlicher Debattenprozess („PeaceLab2016“) vorgeschaltet sein. Das German Public Policy Institute (GPPi) koordiniert diesen Prozess, zu dem verschiedene zivilgesellschaftliche Akteure (darunter auch eine AG des Beirats Zivile Krisenprävention) Vorschläge gemacht haben. Der Zeitrahmen ist sehr eng. Die Alternative aber wäre ein Zeitpunkt nach den nächsten Bundestagswahlen, also frühestens in eineinhalb Jahren – wenn möglicherweise noch mehr Frieden weggebrochen ist. Im Vergleich dazu, wie bisher außen- und sicherheitspolitische Grundlagendokumente der Bundesregierung entstanden, scheint mir jetzt die Beratungschance für zivilgesellschaftliche Akteure so groß wie nie zuvor.
(Die AA-Mitteilung http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Friedenspolitik/Krisenpraevention/5_Projektbeispiele/160601_Leitlinien.html?nn=714320
(1) Auftaktveranstaltung des Debattenprozesses „PeaceLab2016 – Krisenprävention weiter denken“ am 5. Juli im Weltsaal des Auswärtigen Amtes, 09.00-12.30 Uhr
(https://twitter.com/peacelab2016 ;
der kommende GPPi-Blog http://www.gppi.net/PeaceLab2016/index.html ;
Aktuelles I: http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1405 )
(2) Fachgespräch „Aktionsplan Zivile Krisenprävention: Stillstand oder Weiterentwicklung?“ am 13. Juni in Bundestag, organisiert von Franziska Brantner, MdB Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzende des Unterausschusses Zivile Krisenprävention. Als Sachverständige sprachen Prof. Tobias Debiel, der an der Erarbeitung des Aktionsplans 2003 beteiligt war, Canan Gündüz, Mediation Advisor beim Europäischen Auswärtigen Dienst in Brüssel, und Prof. Laurent Goetschel, Direktor der Schweizerischen Friedensstiftung Swisspeace, moderiert von Martina Fischer von Brot für die Welt (langjährig Berghof-Foundation). Bericht zu der spannenden Anhörung unter http://www.franziska-brantner.eu/presse/aktionsplan-zivile-krisenpraevention-stillstand-oder-weiterentwicklung/
(3) Die Friedensforscherin Dr. Martina Fischer von „Brot für die Welt“ zu den „Leitlinien der Bundesregierung für (ziviles?) Krisenengagement und Friedensförderung“: Guter Übersichtsartikel zum Leitlinien-Prozess und den Perspektiven, http://info.brot-fuer-die-welt.de/blog/leitlinien-bundesregierung-ziviles
(4) Stellungnahme der Vorsitzenden des Beirats Zivile Krisenprävention,
Dr. Jörn Grävingholt und Winfried Nachtwei, ehem. MdB, im Unterausschuss
Zivile Krisenprävention des Deutschen Bundestags zur Entwicklung von
"Leitlinien für das Krisenengagement der Bundesregierung" (30.05. 2016)
(Bericht von der Anhörung des Unterausschusses insgesamt unter http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/a03/ua_zks/kw22-pa-krisenpraevention/423298 )
Die Initiative des Unterausschusses, den aktuell beginnenden Prozess der Erstellung neuer Leitlinien zum Gegenstand einer öffentlichen Sitzung zu machen, setzt eine gute Tradition des Unterausschusses fort und ist ein wichtiger Beitrag zur Transparenz und zum Austausch zwischen Regierung, Parlament und Zivilgesellschaft.
Der Beirat hat dem Ressortkreis in der vorvergangenen Woche eine Erklärung zum Leitlinienprozess zukommen lassen, in der er das Vorhaben eines neuen Grundlagendokuments ausdrücklich begrüßt und an Festlegungen erinnert, die der Aktionsplan Zivile Krisenprävention von 2004 vorgenommen hat, an die es anzuknüpfen und die es weiterzuentwickeln gilt. Die Erklärung wurde auch dem Unterausschuss zur Kenntnis zugeleitet.
Die heutige Stellungnahme orientiert sich an den Fragen, die Sie uns übermittelt hatten. Sie ist nicht in allen Einzelheiten im Beirat abgestimmt worden, sondern in erster Linie eine Stellungnahme des Vorsitzes, aber im Lichte der vielen Diskussionen, die der Beirat in den vergangenen Jahren geführt hat und der Stellungnahmen und anderen Papiere, die daraus erwachsen sind, insbesondere des Impulspapiers des Beirats von 2014.
Die Ausgangslage für ziviles Krisenengagement und Friedensförderung hat sich seit 2004, dem Jahr des Aktionsplans Zivile Krisenprävention erheblich verändert. Die Zahl der international zu bearbeitenden Krisen hat in den vergangenen Jahren (v.a. seit dem Arabischen Frühling) zugenommen. Zugenommen haben auch die Erwartung an Deutschland und Europa, in diesen Krisen eine konstruktive Rolle zu spielen.
Deutschland musste hierbei nicht bei null anfangen, sondern konnte und kann auf den Strukturen aufbauen, die der Aktionsplan 2004 bereits vorsah. Aber zugleich wurde doch von vielen Seiten eine „Strategieschwäche“ im Umgang mit Krisen und der Förderung von Frieden beklagt.
Vor diesem Hintergrund hat das Auswärtige Amt seinen „Review 2014“ unternommen. Die Gründung der Abteilung S war der richtige Schritt, aus dem indes zwei Herausforderungen erwachsen: Die neue Struktur selbst zunehmend mit Leben füllen, und dies zugleich nutzen, um die Ressortgemeinsamkeit zu stärken.
Überlegungen, die neue ressortübergreifende Steuerungsgruppe auf Abteilungsleiter-Ebene als Struktur zu verstetigen, weisen dazu in die richtige Richtung. Aus unserer Sicht wird es perspektivisch wichtig sein, nicht nur das exekutive Handeln in der Krise zu koordinieren, sondern auch aktive Beiträge zur strukturellen Krisenprävention, zur Krisenfrüherkennung und zur strategischen Orientierung in akuten Krisen mit einem klar erkennbaren ressortgemeinsamen Blick anzugehen.
Der Beirat hat dazu 2014 angeregt, ressort- und akteursübergreifende Plattformen zu schaffen,
Ob dies in Form eines Instituts, einer Akademie oder eines koordinierten Netzwerks von Strukturen am besten geschehen kann, wäre zu diskutieren.
Der Instrumentenkasten, der Deutschland für internationales Krisenengagement zur Verfügung steht, ist vielfältig und facettenreich. Das ist eine Stärke. Verbesserungsbedarf sehen wir vor allem in drei Richtungen:
Die Ressourcen für zivile Krisenbewältigung sind in den letzten Jahren insgesamt deutlich gewachsen, hier und da ist sogar der Eindruck entstanden, die Absorptionsfähigkeit sei überschritten.
Doch dieser Eindruck täuscht. Er ist vor allem eine Folge von Kurzatmigkeit in der Projektförderung, von Fokussierung auf bestimmte akute Krisen und von der daraus resultierenden Notwendigkeit vieler Organisationen, „bedarfsorientiert“ von Krise zu Krise springen zu müssen.
Mehr Nachhaltigkeit im Ressourceneinsatz wäre wichtig, setzt aber insgesamt deutlich mehr Mittel voraus. Effizienz daran zu messen, dass ein möglichst großer Anteil der Mittel in die jeweils gerade als akut wahrgenommene Krise fließt, ist auf jeden Fall der falsche Ansatz.
Gerade bei der strukturellen Krisenprävention müsste mehr getan werden. Rechtsstaatsförderung wird gern als Aushängeschild deutschen Engagements betrachtet, ist aber etwa quantitativ mit deutschen Justizexperten schwach aufgestellt. Friedensförderung ist ein fester und etablierter Bereich der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ), spielt aber als Schwerpunkt bilateraler EZ kaum eine Rolle.
Worauf sollten wir uns konzentrieren? Der Aktionsplan Zivile Krisenprävention benannte 2004 strategische Ansatzpunkte, die bis heute nichts von ihrer Relevanz verloren haben, und auf die tatsächlich das Gros unserer Anstrengungen gerichtet sein sollte: Verlässliche staatliche Strukturen stärken (die konstruktive Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft fördern), Friedenspotenziale fördern und Lebenschancen verbessern.
Eine solche Orientierung wäre ganz im Sinne der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030, auf die sich die Vereinten Nationen im September 2015 verständigt haben. Sie entspräche einer zentralen Forderung des Humanitären Weltgipfels vom Mai 2016: Die Zahl der Krisen verringern! Was sie erfordert, ist – bei allen akuten Krisen, die nach unserer Aufmerksamkeit verlangen – wieder mehr Mut zum langfristigen Investieren in Strukturen und Chancen.
Dabei kann an bewährte Stärken deutschen Engagements angeknüpft werden (etwa Unterstützung für Staat und Verwaltung, Mehrebenengovernance). Zugleich kommt es darauf an, „neue Fähigkeiten“, wie etwa im Bereich Mediation, auf- und auszubauen.
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: