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Webmaster am 14. September 2004 03:21:30 +01:00 (19377 Aufrufe)
Zu den Ankündigungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, in Reaktion auf die jüngsten Terroranschläge demokratische Rechte in Russland weiter einzuschränken, erklärt Winfried Nachtwei, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und sicherheitspolitischer Sprecher:
Die von Putin verkündeten Veränderungen im Staatsaufbau Russlands bedeuten einen weiteren erheblichen Rückschritt auf Russlands Weg zur Demokratie. Die vom Kreml propagierte Vorstellung von einer „gelenkten Demokratie“ ist paradox. Putin muss begreifen, dass Stabilität und Sicherheit nicht allein durch eine maximale Konzentration von Macht und Kontrolle in Moskau entstehen kann, sondern durch die Teilung von Gewalt, durch die Balance und gegenseitige Kontrolle von zentralstaatlichen und föderalen Elementen in einer demokratischen Gesellschaft. Auch für die dringend notwendige Bekämpfung von Korruption stellt die Zentralisierung kein adäquates Mittel dar.
Die furchtbare Tragödie von Beslan erzwingt einen verstärkten Kampf gegen den Terrorismus. Terrorismus ist eine internationale Herausforderung und deshalb ist es von deutscher und europäischer Seite richtig, Russland die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus anzubieten. Beslan verlangt von der russischen Regierung jedoch ebenso einzugestehen, dass die bisherige russische Kaukasus-Politik erfolglos und verfehlt war. Die Weigerung Putins, den Tschetschenien-Konflikt als eine der Hauptsursachen für Beslan zu erkennen, wird der Problemlage nicht gerecht. Es ist im ureigenen russischen wie auch im europäischen Interesse, dass es zu einer Befriedung und Verständigung im Kaukasus kommt. Ein erster Schritt dorthin kann nicht in der bloßen Ankündigung größerer Härte bestehen, sondern muss vertrauensbildende Maßnahmen einschließen, die den Zulauf junger Menschen in der Region des nördlichen Kaukasus zu terroristischen Organisationen bremsen können. Solche Maßnahmen können beispielsweise in der dringend überfälligen Verfolgung von Straftaten russischer Soldaten und Geheimdienstbeamten an der tschetschenischen Zivilbevölkerung bestehen.
Die tschetschenischen Präsidentschaftswahlen vom 29.08. sind nach Aussagen internationaler Experten weder in freier noch in fairer Weise durchgeführt worden. Die für 2005 geplanten tschetschenischen Parlamentswahlen bieten nun eine neue Chance, die tschetschenische Bevölkerung durch demokratische Wahlen am öffentlichen und politischen Leben partizipieren zu lassen. Die russische Regierung muss alles dafür tun, dass diese Wahlen tatsächlich demokratisch ablaufen. Die internationale Gemeinschaft – EU, Europarat, OSZE – ist jetzt aufgerufen, der russischen Seite Angebote dafür zu machen, eine moderierende Rolle bei der Suche nach einer Lösung im Kaukasus zu spielen.