Mit folgendem Schreiben hat sich Winfried Nachtwei aufgrund äußerst beunruhigender Hinweise bezüglich der EUPOL-Mission in Afghanistan an die Minister Steinmeier und Schäuble gewandt:
Winfried Nachtwei
Mitglied des Deutschen Bundestages
Obmann im Verteidigungsausschuss
Sicherheits- und abrüstungspolitischer Sprecher
Bundesminister des Auswärtigen
Herrn Frank-Walter Steinmeier
Bundesminister des Innern
Herrn Dr. Wolfgang Schäuble
Münster/Berlin, 23.07.2007
EUPOL Afghanistan
Sehr geehrter Herr Minister Steinmeier,
Sehr geehrter Herr Minister Dr. Schäuble,
die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland steht mit ihrer Beteiligung an dem multinationalen Stabilisierungs- und Statebuilding-Projekt Afghanistan in einer so breiten, komplexen, andauernden und riskanten Herausforderung, wie wir es bisher nicht kannten. Auch wenn die öffentliche und auch parlamentarische Aufmerksamkeit immer wieder von der Diskussion über die militärische Komponente dominiert wird, so ist uns bewusst, dass die Entscheidung über Erfolg bzw. Misserfolg auf dem Feld von Aufbau und Entwicklung fällt. Hierbei kommt dem Polizeiaufbau eine strategische Schlüsselrolle zu.
Ich bin über den qualitativen und quantitativen Auf- und Ausbau der afghanischen Polizeikräfte zutiefst besorgt und beunruhigt. Die Herausforderungen sind immens. Sie überschritten und überschreiten bei weitem die Mittel und Fähigkeiten, die Deutschland, als verantwortlicher Schlüsselpartner, für den Polizeiaubau bereitstellen konnte und wollte. Deshalb war und ist es grundsätzlich richtig, dass die EU mit EUPOL Afghanistan die Aufgabe übernommen hat. Angesichts des Bedarfs und des Ressourceneinsatzes der USA sind die EUPOL-Mittel und Fähigkeiten jedoch unzureichend.
Ich wende mich heute direkt an Sie, als die für den deutschen Polizeibeitrag verantwortlichen Minister, weil ich im Zuge meiner Reisen und Gespräche äußerst alarmierende Hinweise zum Stand der Polizeimission erhalten habe. EUPOL war gestartet worden, um die Polizeiaufbauhilfe auf mehr Schultern zu verteilen und erheblich, vor allem auch in die Fläche, ausweiten zu können. Auf EUPOL richten sich besondere Erwartungen sowohl auf afghanischer wie auf US-Seite. Nach meinen Informationen besteht die akute Gefahr, dass auch EUPOL dieser Aufgabe nicht gewachsen ist und damit ein Eckpfeiler des internationalen und deutschen Afghanistanengagements bricht. Das würde die anderen Komponenten der Afghanistanpolitik mittelfristig aussichtslos werden lassen.
Als sicherheitspolitischer Sprecher bitte ich Sie um Aufklärung in den folgenden Bereichen:
Sehr geehrter Herr Minister Steinmeier,
sehr geehrter Herr Minister Dr. Schäuble,
angesichts der mit diesen Fragen angedeuteten Probleme werden Sie meine Besorgnis nachvollziehen können. Ich bin umso mehr beunruhigt, als sich Hinweise häufen, dass die von mir bisher immer - auch öffentlich - so hoch gelobte qualitative Arbeit des Deutschen Polizeiprojektbüros in der Praxis und auf der Zeitachse erheblich nüchterner zu bewerten ist. Damit stellen sich mir grundsätzliche Fragen der Führung und - gerade auch parlamentarischen - Kontrolle solcher Einsätze. Hier sehe ich erheblichen Handlungsbedarf.
Es ist von hohem Interesse, für die von uns gemeinsam getragene deutsche Afghanistanpolitik, dass die bestehenden Defizite im Polizeibereich so rasch wie möglich beseitigt werden. Eine breite Zustimmung zur Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan hängt auch davon ab, dass die Bundesregierung, die internationale Staatengemeinschaft und die afghanische Regierung im zivilen und polizeilichen Bereich erkennbar alles unternehmen, um einen Militäreinsatz überflüssig zu machen.
Ich bin mir sicher, dass viele Abgeordnete meiner Fraktion und im Bundestag gerne bereit sind, das Auwärtige Amt und das Bundesinnenministerium dabei zu unterstützen, die deutschen und europäischen Fähigkeiten im Bereich internationaler Polizeimissionen substanziell zu verbessern.
Mit besten Grüßen
Winfried Nachtwei
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: