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Internationale Politik und Regionen + Afghanistan + Bericht von Winfried Nachtwei
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Feierstunde 25 Jahre Internationale Polizeimissionen NRW im Haus der Geschichte: Friedenspraktiker in Polizeiuniform

Veröffentlicht von: Nachtwei am 4. Oktober 2019 20:55:47 +01:00 (30304 Aufrufe)

1994 nahmen erstmalig deutsche Länderpolizeien an Internationalen Polizei- und Friedensmissionen (IPM) teil - in Mostar. Das war keine Eintagsfliege, sondern wurde ein immer wichtigeres Instrument im Rahmen der UN-Friedenssicherung und -förderung. Die Polizei NRW war seitdem der größte und verlässliche Personalsteller unter den Bundesländern und stellte immer den Vorsitzenden der AG IPM. In letzter Zeit bleiben die deutschen Beiträge zu IPM zunehmend hinter dem internationalen Bedarf zurück. Wo in Berlin inzwischen gern + viel über Krisenprävention gesprochen wird, muss die IPM-Komponente endlich gebührend politisch beachtet und gestärkt werden.   

Feierstunde 25 Jahre Internationale Polizeimissionen NRW,

Haus der Geschichte: Friedenspraktiker in Polizeiuniform, 2. Oktober 2019

Winfried Nachtwei, MdB a.D.[1] (04.10.2019)

(Fotos auf www.facebook.com/winfried.nachtwei )

Der Konferenzsaal im Haus der Geschichte war bis auf den letzten Platz besetzt, als 25 Jahre Beteiligung der Polizei NRW an Internationalen Polizeimissionen (IPM) gefeiert wurde. Da ich diese internationalen Einsätze seit 1996 (WEU-Mission Mostar) bei zig Besuchen auf dem Balkan und in Afghanistan kennen und hoch schätzen gelernt habe, nahm ich besonders gerne an der Feierstunde teil, wie auch 2004 zum 10-jährigen und 2014 zum 20-jährigen Jubiläum.[2] Noch vor sechs Woche hatte ich das Trainingszentrum der NRW-Polizei in Brühl besucht.[3]

Bei dem Vorempfang viel herzliches Wiedersehen von Polizistinnen und Polizisten, die sich aus einem oder mehreren Einsätzen kennen und gemeinsam viel durchgemacht, erlebt, geleistet haben. So bekommen die verschiedenen Einsätze dieser 25 Jahre sofort Gesichter, kommen Erinnerungen hoch.

Zu Beginn spielt das Landespolizeiorchester „Friends will be Friends“ von Queen. Prof. Dr. Hans Walter Hütter, Präsident des Haus der Geschichte, spricht ein Grußwort.

Eröffnungsrede von NRW-Innenminister Herbert Reul

(https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/feier-nrw-polizisten-auslandseinsatz-100.html )

Der Anschlag vor vier Wochen auf „Green Village“ (das Camp für internationale Polizisten und Helfer in Kabul) bedeutete für das deutsche Engagement einen deutlichen Dämpfer. Beschlossen wurde die Fortsetzung des bilateralen German Police Project Teams, auch weil die Politzisten weiter bereit seien, nach Afghanistan zu gehen. Auch die meisten Kollegen, die den Anschlag erlebten, wollen vor Ort bleiben. „Wir wollen uns der Verantwortung nicht entziehen.“

Die NRW-Landesverfassung verpflichte uns, dem „inneren und äußeren Frieden zu dienen“, ebenso der Friedensauftrag des Grundgesetzes. Internationale Verantwortung für den Frieden bedeute, die UN-Charta zu befolgen, die Kräfte der UN zu vereinen. Referenzrahmen sei die Agenda 2030, wo Frieden einer der fünf Grundpfeiler sei. Es sei auch im nordrhein-westfälischen Interesse, die offene Gesellschaft zu schützen, mit NRW-Hilfe in Krisengebieten Gewalt abzubauen und langfristig rechtsstaatliche Verhältnisse aufzubauen.

Internationale Polizeimissionen sollen Vertrauen in örtliche Polizei fördern, für die Stärke des Rechts statt das Recht des Stärkeren. Zivile Instrumente seien unverzichtbare Bestandteile von Kriseneinsätzen, oft prioritäre.

1994 begann die erste internationale Polizeimission unter Beteiligung der deutschen Länderpolizeien. Am 10. Oktober starteten die ersten 20 NRW-Polizisten und trafen am 12. Oktober in Mostar ein. Das erste Teilkontingent der Länder umfasste 35 Beamte, NRW war damit der größte Personalsteller. Insgesamt wurden in den 25 Jahren 1.353 Beamte in IPM (und bilaterale Projekte) entsandt, im Durchschnitt 54 pro Jahr.

Stellvertretend für all Entsandten verdienen die heute anwesenden Missionsteilnehmer Dank und Anerkennung.

An Dienststellen- und Behördenleiter: Sie unterstützen diese Einsätze, die einen mehr, die anderen weniger. Wir haben erhebliche Probleme zu meistern. Aber bei Entsendungen gebe es noch Luft nach oben. Er wisse, dass das nicht einfach sei. Aber Sie kriegen auch Menschen mit besonderen Erfahrungen zurück. Die Unterstützung Internationaler Polizeimissionen sei eine der wichtigen Aufgaben der Polizei! Ich ermuntere Sie für den Einsatz!

(Anm.: Der Minister spricht überzeugt und mit Herzblut für die Teilnahme an IPM. Klare Worte findet er zur Abkömmlichkeit von Polizeibeamten. Damit die Freiwilligen auch von ihren Dienststellen- und Behördenleitern grünes Licht bekommen, bedarf es meist der Intervention des Ministeriums.)

Film „Our Mission for Peace“ (5 Min.)

„Visitenkarte“ des Dezernat 13 Auslandsverwendungen im Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW in Brühl. Die Musik wurde extra für den Film komponiert.

Der Film beginnt mit Zitaten: „Der Frieden muss gestiftet werden. Er kommt nicht von allein“  (Immanuel Kant), „Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der Menschheit ein Ende“ (John F. Kennedy), „Wenn wir wahren Frieden in der welt erlangen wollen, müssen wir bei denKindern anfangen“ (Mahatma Gandhi).

Es folgen Impressionen aus Krisenländern (Kinder, Straßenhändler …), aus dem Trainingszentrum in Brühl und der Einsatzvorbereitung der IPM-Teilnehmer, von den Missionsträgern UN, EU, OSZE, vom Training im Gelände, einer Zertifizierung, vom Einsatz. Alles wirkt durch Bilder und Musik, ohne Sprechtext

Rede des Vorsitzenden der AG IPM und ehemaligen Inspekteur der Polizei NRW Dieter Wehe (seit 2002 AG-Vorsitzender)

Er begrüßt zu einem Silberjubiläum. So lange würden Beziehungen oft nicht halten. Diese Beziehung habe gehalten.

NRW sei von vorne herein in Verantwortung gewesen, habe von Anfang an den Vorsitzenden gestellt.

Er danke allen Mitverantwortlichen für diese Erfolgsgeschichte – und den Kolleginnen und Kollegen im Ausland. Sie alle seien Teil einer Mission – im funktionalen, aber auch im ideellen Sinne: Frieden und Aufbau schaffen nach den bzw. trotz der Waffen.

Das alles verlange Frustrationstoleranz. Siehe Afghanistan. Da sei es wichtig, auf das Kleine zu blicken. Zum Beispiel das Projekt eines Deutsch-Afghanen, der als erster Afghanistan im Surfen bei der Olympiade 2022 in Tokio vertreten will. (Artikel von Marco Seliger zu Afridun Amu in Frankfurter Allgemeine Quarterly 11.07.2019 mit dem Video „Unsurfed Afghanistan“, https://www.faz.net/aktuell/stil/quarterly/surfen-in-afghanistan-was-halten-die-taliban-davon-16275858.html ) Nach dem Angriff auf Green Village sei die die Botschaft der Missionsteilnehmer von größter Bedeutung gewesen. Die Frage bei einer Telefonkonferenz: Ziehen wir alle ab? Die allermeisten wollten da bleiben. Green Village wird nicht wiederaufgebaut, der Beschluss erfolgte einvernehmlich.

Einige kritische Worte (im Juli nächsten Jahres wird Dieter Wehe den AG-Vorsitz abgeben):

Polizeimissionen müssen raus aus dem Schattendasein. Es gehe nicht um Privilegierung, aber um Anerkennung. Er erinnert an die letzte Begegnung der Bundeskanzlerin mit Frauen von Soldaten und Polizisten im Auslandseinsatz. Bei Auslandsreisen erfahre sie, dass deutsche Polizisten einen „Ruf wie Donnerhall“ hätten. Im Inland sei davon nichts zu hören.

Anerkennung sei von zentraler Bedeutung. Es funktioniere, wenn Minister es zur eigenen Sache machen, bei Minister Reul mit Herzblut.

Es brauche ein systematisches Personalkonzept. Bestes Beispiel sei Stefan Feller, bis vor kurzem leitender Polizeiberater des UN-Generalsekretärs. Wenn wir solche Karrieren fördern wollen, darf man das nicht dem Zufall überlassen. NRW habe ein Konzept zur Besetzung solcher Stellen.

Es wird manchmal von einer Freistellung abgeraten, weil angeblich ohne den entsprechenden Beamten die Behörde zusammenbrechen würde. Und als er dann aus dem Einsatz zurückkehrte, gab es keinerlei Interesse.

Zum wegweisenden Bundestagsbeschluss von 23.09.2016[4] und der Koalitionsvereinbarung, wo eine Stärkung der deutschen Beiträge zu IPM gefordert bzw. angekündigt wurde. Ein Stellenpool sei schwierig. Der Bund sei inzwischen bereit, die Inlandsbesoldung zu übernehmen. Für die Länder sei aber das Geld nicht das Entscheidende („das brauchen wir nicht“). Sondern Stellen, Menschen. Da stehen sich zwei unterschiedliche Programme gegenüber.

(Anm.: Die Übernahme der Inlandsbesoldung ist nur eine reaktive Maßnahme, die nichts an der mangelnden Abkömmlichkeit/Verfügbarkeit ändert. Wenn man die IPM-Beteiligung stärken will, braucht man einen quantifizierten level of ambition. Den gibt es: Wenn alle vom Bundeskabinett beschlossenen Polizeientsendungen bis zur jeweiligen Obergrenze ausgeschöpft würden plus 50 für das bilaterale GPPT(Afghanistan, dann gäbe das eine Größenordnung von 310 IPM-Beamten insgesamt - zzt. sind knapp 100 in IPM. Zwei Drittel müssten davon die Länder stellen, der NRW-Anteil liegt bei 20%, also etwas über 60 Beamten. Die Länder müssten also zusätzliche, ihrem Anteil entsprechende Stellen finanziert bekommen, über die sich dann Vertretungen „indirekt“ organisieren ließen. In Hessen und Bayern soll es solche Modelle geben.)

Es gebe Kollegen, die sich über ihre Einsatzaufgaben hinaus in Krisengebieten humanitär engagieren. Ihnen und „Lachen Helfen“ danke er sehr dafür.

Zum neuen Fachgebiet „Internationale polizeiliche Beziehungen“ an der Deutschen Hochschule der Polizei/DHPol in Münster: Hierüber erfahren die künftigen Führungskräfte von der Notwendigkeit der IPM. Bis 2022 sei die Finanzierung des Fachgebiets durch Projektmittel des BMI gesichert. Wie gehe es aber dann damit weiter?

(Anm.: Das neue Fachgebiet als wissenschaftsgestütztes Kompetenzzentrum ist ein dringend notwendiger Fortschritt und mit seinem Fokus auf Evaluierung europaweit einzigartig. Damit die Kolleginnen und Kollegen auch möglichst wirksam in Missionen arbeiten können, hat ein solches Fachgebiet fundamentale Bedeutung. Das muss der Bundestag, der die Einrichtung in seinem Beschluss von 2016 gefordert hat, politisch dauerhaft klären. https://www.dhpol.de/departements/departement_II/FG_II.6/fg-II_6.php )

(Kräftiger und anhaltender Beifall)

Polizeidirektor Achim Raupach, Leiter Dezernat 13, über Historie und Gegenwart der Mission

Eine Zeitreise von 1994 bis heute.

Das Trainingszentrum in Brühl ist eines der größten europaweit. 90% der Ausbildung lief im Auftrag des Bundes. Insgesamt durchliefen 14.000 TeilnehmerInnen die verschiedenen Seminare: 4.304 TeilnehmerInnen in 211 Seminaren Basistraining, 4.013 in 255 Vorbereitungsseminaren (zu Bosnien, Kosovo, Georgien, Sudan, Südsudan, Niger, Mali), 4.897 in 294 Nachbereitungsseminaren (zu Bosnien, Kosovo, Afghanistan, Georgien, Sudan, Südsudan) sowie 113 Interviewtrainings.

Internationale TeilnehmerInnen kamen aus 21 Ländern, die meisten aus den Niederlanden (264, inzwischen eigene Ausbildungsstätte), Belgien (79), Luxemburg (38), Schweiz (52), Ghana (11). Mit dem Kofi Annan Peacekeeping Center in Accra besteht auch eine Kooperation.

Seit 1994 gab es knapp 1.400 Entsendungen aus NRW, realisiert durch 770 MissionsteilnehmerInnen (wg. Mehrfachverwendungen), zzt. sind 23 aus NRW im Einsatz (2018 nur 14 Erstverwender!!). Zu Tode kamen drei Polizisten: einer in Bosnien, zwei nach den Einsätzen durch Suizid im Zusammenhang mit dem Einsatz).

Gewinn und Nutzen der IPM für die Polizei: Interkulturelle Kompetenz (insbesondere im Hinblick auf Flüchtlinge), kommunikative und Sprachkompetenz, Stresstoleranz und Flexibilität.

Zur Einsatzgeschichte:

Am 10.10.1994 starteten 20 NRW-Polizisten unter der Leitung von Gerd Ax[5] per Bus nach Mostar, Im ethnisch gespaltenen Mostar sollte eine Mission der Westeuropäischen Union (WEU) eine funktionsfähige Verwaltung aufbauen. Dafür brauche es laut Missionsleiter Hans Koschnik, vormals Regierender Bürgermeister von Bremen, auch Länderpolizisten.

An UN-Missionen beteiligten sich deutsche Polizisten in Namibia (51 nur vom BGS plus Nationale Volkspolizei der DDR), Kambodscha (105), Georgien (22), Bosnien 1.399), Kosovo (2.625), Westsahara (13).

An EU-Missionen in Bosnien (WEU 212, EUPM 1.786), auf der Donau (WEU, einziger Wasserschutzpolizeieinsatz, 173), Mazedonien (3, 36), Albanien (91), Südsudan (64), Darfur (16), an OSZE-Missionen in Kroatien (20), Donauregion (31), Kosovo (KVM 16).

In den  1990er Jahren lag der Schwerpunkt auf dem Balkan bei wenigen personalstarken Einsätzen. In den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts weiteten sich die Einsatzgebiete erheblich aus, heute mit einer Vielzahl von Kleinstbeteiligungen. Und wo die nächsten Einsätze – Syrien, Algerien, Zentralafrikanische Republik, Ägypten?

Zu Frontex (Griechenland, Italien, Bulgarien, Spanien): Die Einsatzdauer beträgt acht Wochen, Die Einsatzvorbereitung hat denselben Umfang wie bei anderen Missionen. Die Obergrenze liegt bei 300, aus Deutschland sind dort zzt. 84 Polizisten eingesetzt.

Interview mit Missionsteilnehmer der ersten Stunde und einer aktuellen Missionsteil-nehmerin (mit Polizeihauptkommissarin Laura von der Bank/LAFP NRW)

Polizeikommissarin Julia Sabass vom Polizeipräsidium (PP) Hamm, 30 Jahre, Mai 2018 bis Juni 2019 in Mali (MINUSMA)

Heinz Kurscheidt, 63, Jahre, > 30 Jahre beim PP Bonn, dann sieben Jahre beim Dezernat 13 in Brühl, 1995/96 bei WEU-Mission in  Mostar. Er habe dort das „Licht an- und ausgemacht“, weitere Einsätze in Bosnien, Albanien. Hilfreich war, dass er in Bonn immer wieder auf dieselbe Position zurückkam. Auf die Idee, in einen Einsatz zu gehen, kam er angesichts einer Anfrage des BMI. Nach 14 Jahren Schichtdienst wollte er mal was ganz anderes machen. Was andere abschreckte, faszinierte ihn.

J. S.: Bei einem Familienfest in Brühl ergab sich ein erster Kontakt, das gefiel ihr. Nach Beratungen folgten erste Trainings- und verschiedene Vorbereitungsmaßnahmen. Am Schluss stand eine Telefonkonferenz zwischen Ney York und Bamako auf Französisch. Das ganze ging über ein Jahr.

H. K.: Vorbereitung? Wunder Punkt damals. Mit 50 Kollegen ging es nach Essen. Vor einem Auditorium hatten sich die Bewerber in drei Minuten auf Englisch zu präsentieren. 20 wurden ausgesucht. Die 30 anderen kamen beim nächsten Kontingent dran.

Am 10. Oktober 1994 ging es mit „NRW-Bussen einfach“ (womit man sonst zum Schwimmbad fuhr) und je 100 kg Gepäck nach Rosenheim. Dort traf das ganze Kontingent zusammen. Weiter ging es mit einem Bus des BGS durch Kroatien an der Küste entlang nach Mostar. Die deutsche Presse war schon vor Ort, fragte nach ersten Eindrücken, die es aber noch gar nicht gab.

J. S.: Nach Mali ging es normal per Flugzeug. Vor Ort vor allem Streifendienst, viele Bürgergespräche und Informationsgewinnung. Untergebracht war man im Camp in Container. Die Hygienemaßstäbe der nationalen Kontingente waren unterschiedlich.

Verpflegung hauptsächlich aus Konserven. Bei Heimaturlaub war ein Koffer für Lebensmittel reserviert. Die medizinische Versorgung war spärlich. Notfalls wurde man ausgeflogen.

H. K.: Die Mission war auf Militär angewiesen. Von der lokalen Polizei wurden einige in die WEU-Streifen aufgenommen. Mit der Zeit waren Polizisten von der (verfeindeten) West- und Ostseite dabei. Nach zwei Jahren gab es eine deutliche Annäherung.

Nachbereitung war selbstverständlich. Schnell gab es Probleme, unterschiedliche Auffassungen zwischen BGS und Länderpolizeien. NRW-Innenminister Schnoor blieb einmal statt weniger Stunden einen ganzen Tag beim Kontingent.

J. S.: Die Nachbereitung komme noch, sie wird eine Woche dauern. Besonders in Erinnerung sei eine Begegnung mit einem Kind, das aus Dankbarkeit weinte. Sie konnte auch ein von „Lachen Helfen“ gefördertes Schulprojekt unterstützen.

(In Takoti wurden bisher 40 Kinder in einem  Ziegenstall unterrichtet. Jetzt entsteht dort eine Schule für 200 Mädchen und Jungen zwischen 6 und 15 Jahren. Bericht und Fotos: https://www.lachen-helfen.de/2019/08/zukunftsperspektiven-fuer-200-schueler-in-mali/ )

H. K.: Bleibend in Erinnerung sei ein Granateinschlag ganz in der Nähe. Da habe er sich grundsätzliche Fragen gestellt.

Schlusswort des Inspekteurs der NRW-Polizei, Bernd Heinen

Bei den IPM gehe es um Krisenbewältigung, um ganz unterschiedliche Aufgaben mit unterschiedlichen Menschen. Da sei hohe Flexibilität gefordert.

Verzicht auf Familie und Freunde. Am besten bleibe man gesund.

Warum? Darüber habe er Gespräche mit Missionsteilnehmern geführt, vorher und nachher.

Die Einsätze zielen auf langfristig rechtsstaatliche Strukturen. Da gehe es um Beruf, um Berufung. Ihm sei da ein besonderer Spirit begegnet, um mehr Sicherheit zu schaffen, Menschenrechte zu fördern.

Dabei seien die Werte einer Gesellschaft, die Werteorientierung, die innere Haltung zentral.

Eine werteorientierte Grundhaltung sei ausschlaggebend bei einer Entscheidung zu einer Mission.

Mit der Europahymne endet die Feierstunde.

Begegnungen am Rande mit etlichen sehr einsatzerfahrenen und –freudigen Polizisten, darunter einigen der „ersten Stunde“ und der Schwerpunkteinsätze in Bosnien, Kosovo und Afghanistan. Besonders in Erinnerung ist mir gerade heute das Zusammentreffen mit Stefan Feller, dem damaligen UNMIK-Police-Chef, am 16. März 2004 in Pristina/Kosovo. Aus meinem Reisebericht: „Sofort nach Eintreffen in Pristina erfahren wir von den sich seit Wochen häufenden gewalttätigen Zwischenfällen. Im Gang zum UNMIK-Polizeichef hängen vor dem Büro eines Mitarbeiters Kleinplakate, die Martin Luther King vor einem Foto mit Mahatma Gandhi zeigen und zwei Zitaten von ihnen in Englisch und Albanisch:„ (…) Intolerance is violence to the intellect and hatred in violence to the heart.” (Gandhi 1942) “World peace through nonviolent means is neither absurd nor unattainable. All other methods have failed. Thus we must begin anew. Nonviolence is a good starting point. Those of us who believe in this method can be voices of reason, sanity, and understanding amid the voices of violence, hatred, and emotion. We can very well set a mood of peace out of which a system of peace can be built.“ (King 1964) ...." Es war der Vorabend der „Märzunruhen“. Dass die heutige Feierstunde am 150. Geburtstag von Mahatma Gandhi stattfindet, ist wahrscheinlich zufällig, aber keineswegs unpassend.

Der 1996 von Bundeswehrsoldaten auf dem Balkan gegründete Verein „Lachen Helfen“ wird seit 2009, also genau seit zehn Jahren, auch von Polizisten mitgetragen und ist seitdem eine „Initiative von Soldaten und Polizisten für Kinder in Krisen- und Kriegsgebieten“. Neben Roderich Thien, dem Vorsitzenden und der Seele des Vereins,  sind Tom Litges (BOS, ALB, KOS, AFG) und Uwe Mainz (KOS, AFG) als Pioniere der Polizisten bei Lachen Helfen vor Ort. Und toll ist, was Heiko Lammertz (zusammen mit seinem Kölner Kollegen Toni Kirchmair) in seinem letzten Einsatz in  Darfur alles auf dem Weg gebracht hat. (https://www.lachen-helfen.de/2019/03/die-zwei-neuen-helden/ )

Vom neuen Fachgebiet „Internationale Polizeiliche Beziehungen“ der DHPol nimmt Dr. Thorsten Stodiek an der Feierstunde teil. Er ist wohl der Wissenschaftler in Deutschland, der am längsten zu IPM und ihrer Praxis arbeitet. Schon im Oktober 2001 war er zu einem Fachgespräch meiner Fraktion als Sachverständiger für Polizeimissionen eingeladen.[6] Viele Jahre wirkte er bei der OSZE in Wien.

Neu lerne ich den pensionierten Leitenden Polizeidirektor und langjährigen Essener Polizeichef Helmut Janiesch kennen, der 1995/96 im Stab der WEU-Mission mit Hans Koschnik zusammenarbeitete und später zum „Brahimi-Report“ zu UN-Friedensmissionen aus dem Jahr 2000 beitrug.

Neben einem Mostar-1994 Plakat warten vor Beginn der Feierstunde sieben PolizistInnen in Einsatzanzügen „Wüste“ auf ihre Chefs und Fotografen. Die zwei Frauen und fünf Männer sind Ausbilder in Brühl. Ich spreche sie an, berichte von vielen Begegnungen mit ihren Kollegen in Konfliktländern seit 1996 und meinem bleibenden Eindruck, dass sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen „Diamanten deutscher Außenpolitik“ seien. Ich danke Ihnen überzeugt und von Herzen.

Nachbemerkung: Bei der Erstellung dieses Berichts stoße ich auf die Kurzstudie des hochrangig-einsatzerfahrenen, inzwischen pensionierten Bundespolizisten Detlef Buwitt, „Internationale Polizeieinsätze bei UNO-Friedensmissionen: Erfahrungen und Lehren aus Bosnien-Herzegowina und im Kosovo“, BITS Research Report Dez. 2001. Nach den Beschlüssen des EU-Gipfels zu Planzielen im zivilen Krisenmanagement von 2000 sollte Deutschland 910 Polizisten für EU-Missionen Verfügung stellen können. Laut BMI hätten dafür rund 2.500 Polizisten vorgehalten werden müssen. Die Studie ist auch 18 Jahre später ganz und gar nicht überholt. Sie offenbart den Schneckengang bei der Entwicklung neuer Instrumente der (zivilen) Krisenprävention. ( https://www.bits.de/public/pdf/rr01-1.pdf )



[1] Mitglied im Beirat Zivile Krisenprävention und Friedensförderung der Bundesregierung, im Beirat Innere Führung/BMVg (Leiter AG „Einsatzrückkehrer, -folgen und Soziales“), im Vorstand von „Lachen Helfen“ und der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen/DGVN

[5] Leitender Polizeidirektor, Chef des internationalen Stabes der WEU-Mission und Leiter des deutschen Polizeikontingents. Nach Rückkehr Leiter der Höheren Landespolizeischule „Carl Severing“ in Münster.


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

Tagebuch