1989 trafen wir uns mit 64, 43 Jahren zum ersten Mal.
Westfälische Nachrichten 12. August 2019, Lokalteil Münster (https://www.wn.de/Muenster/3912069-KZ-Ueberlebender-in-Riga-Auch-mit-94-kaempft-er-fuer-die-Erinnerung )
Winfried Nachtwei traf in Riga einen ehemaligen KZ-Häftling
Auch mit 94 Jahren kämpft er für die Erinnerung
Mit dem 94-jährigen ehemaligen Ghetto- und KZ-Häftling Margers Vestermanis traf Winfried Nachtwei, Ex-MdB aus Münster, im Rahmen einer Delegationsreise des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Riga zusammen. Kennengelernt hatten sich die beiden vor 30 Jahren im Sommer 1989, als Nachtwei bei einer ersten Riga-Reise den Aufbruch der baltischen Unabhängigkeitsbewegung erlebt hatte und auf die Spuren des früheren Ghettos gestoßen war. In das „Reichsjudenghetto“ waren 1941/42 390 jüdische Menschen aus dem Münsterland und viele Tausende aus dem Deutschen Reich deportiert worden. Die meisten wurden im Wald von Bikernieki erschossen oder starben an den Haftbedingungen. Damals erinnerte vor Ort, aber auch an den deutschen Herkunftsorten, nichts an das Schicksal der Verschleppten. Nach jahrzehntelangem Verschweigen des Holocaust unter der Sowjetherrschaft öffnete sich mit der friedlich erkämpften Unabhängigkeit der baltischen Staaten die Erinnerung. Der Historiker Vestermanis konnte endlich frei forschen, publizieren und mit dem Aufbau des Museums „Juden in Lettland“ beginnen. Mit Hilfe des Volksbundes und des Deutschen Riga-Komitees, zu dessen 13 Gründungsstädten auch Münster gehörte, konnte am 30. November 2001 an den 55 Massengräbern von Bikernieki eine würdige Gedenkstätte eingeweiht werden. Inzwischen gehören 61 Städte zum Riga-Komitee, davon allein 26 aus dem Regierungsbezirk Münster. Alljährlich organisiert der Volksbund internationale Workcamps mit Jugendlichen in Riga. Dutzende Gedenkreisen führten dorthin, viele geleitet von dem Münsteraner Historiker Matthias Ester. Die meisten trafen mit Margers Vestermanis zusammen. Es waren immer unvergessliche Begegnungen.
Sein Kampf für die Erinnerung geht auch in seinem 95. Lebensjahr weiter; Seit Jahren arbeitet er an einem großes Buch über die fast 600 „Judenretter“ in Lettland. Bald soll es erscheinen.
Im November 2017 war ein Portrait über ihn in der FAZ überschrieben „Der letzte jüdische Partisan“ (in Lettland). Jetzt eröffnete er seinem Münsteraner Freund, am Ende des Zweiten Weltkrieges sei er der letzte lettische Jude mit der Waffe in der Hand gewesen.
Ergänzende Information: (Fotos auch auf www.facebook.com/winfried.nachtwei )
Am 9. Dezember 1989 erschien in den Westfälischen Nachrichten der erste Artikel über unsere Spurensuche in Riga: „Auf der Spur von 390 Verschollenen“ von Karin Völker. Drei Tage danach hielt ich am 12. Dezember, dem 48. Jahrestag der Deportation aus Münster, den ersten Vortrag „Nachbarn von nebenan – verschollen in Riga“ im „Regenbogensaal“ der Münsteraner Grünen. Daraufhin entstanden Kontakte zu deutschen Juden, die die Deportation nach Riga, Ghetto- und KZ-Haft überlebt hatten, zuerst zu Irmgard Ohl und Ewald Aul aus Osnabrück, die zuletzt die Jüdische Volksschule in der Marks-Haindorf-Schule in Münster besucht hatten. Bei meinen inzwischen 200 Vorträgen zu den Riga-Deportationen und zwei Dokumentarfilmen von Jürgen Hobrecht war Margers Vestermanis immer ein zentraler Zeitzeuge.
Besonders stark sind die Beziehungen zu dem Thema im Münsterland. Nirgendwo sonst in Deutschland wurden so viele Orte Mitglieder des Riga-.Komitees, eines bundesweit einmaligen Erinnerungsnetzwerkes: nach Münster Bocholt, Steinfurt, Warendorf, Billerbeck, Vreden, Coesfeld, Recklinghausen, Haltern, Marl, Stadtlohn, Dülmen, Drensteinfurt, Ahlen, Werne, Gescher, Rheine, Telgte, Herten, Ahaus, Borken, Südlohn.
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
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