Teil 2:
Vorschlag des Regionalkommandeurs Brigadegeneral Vollmer:
Bisherige Operationen zur Rückgewinnung der Kontrolle über Gebiete mit Aufständischen-Einfluss/Dominanz wirkten wie ein Scheibenwischer. Die Militanten wurden rausgedrängt und kehrten nach Abzug von ISAF und ANSF wieder schnell zurück. Um Gebiete auch halten zu können, seien mehr Polizeikräfte unabdingbar. Zzt. hat die Provinz mit ihren 770.000 Einwohnern knapp 1.200 Polizisten. Das Soll liegt 200 Polizisten höher. Im Vorjahr hatte die Zentralregierung schon 537 Polizisten von Kunduz abgezogen, gegen den Protest des Provinzpolizeichefs. Ergebnis: Es gab Distrikte praktisch ohne Polizei.
Ausgehend von der Bevölkerungsdichte und Bedrohungslage berechnete ISAF einen Mehrbedarf von 2.500 Polizisten. Weil Kabul aber keine Aufstockung im Norden finanzieren will bzw. kann, schlägt Vollmer vor, Deutschland solle für zwei Jahre die Polizeigehälter direkt zahlen - bei 140 $ pro Polizist und Monat wären das 9 Mio. $. Großbritannien habe das in Helmand mit 3.500 Polizisten gemacht. Die ruhigeren Wintermonate müssten für die Rekrutierung und Ausbildung genutzt werden. Ausreichend Ausbildungskapazitäten habe man dafür. JETZT müsse damit begonnen werden.
In der Bundespressekonferenz von Stefan Löwenstein/FAZ darauf angesprochen, wischten die Pressesprecher des AA, BMVg, BMI und BMZ den Vorschlag mit lakonischen Bemerkungen zur Seite: Deutschland zahle schon in den LOFTA-Fond ein. Außerdem sei eine Polizeiaufstockung Sache der afghanischen Regierung.
(Anmerkung: Es ist der Gipfel der Ignoranz, den Vollmer-Vorschlag so abzutun. Das umso mehr, als die Bundesregierung bis zur Stunde keinerlei Aussagen macht, wie die äußerst bedrohliche Entwicklung in der Provinz gestoppt und gedreht werden kann.
Nach mehreren erfolglosen Fragen dazu im Verteidigungsausschuss an die Bundesregierung stellte ich deshalb noch die Kleine Anfrage „Zur aktuellen Lage in AFG", Drs. 16/14057. Die am 5.10. eingetroffene Antwort weicht den Schlüsselfragen aus und offenbart erneut eine Realitätsverleugnung sondergleichen. Wer so in der jetzigen Situation auf Parlamentarierfragen antwortet, verwirkt jedes politische Vertrauen.)
21.9. in Chahar Darreh/Kunduz Steilfeuer der ANA gegen eine Gruppe von 25 OMF, Ergebnis unbekannt.
25.9. Beschuss eines Konvois von 12 zivilen Lkw`s für die PRT Kunduz und Feyzabad mit Handfeuerwaffen; 2 Verletzte, 2 Lkw`s beschädigt.
26.9. in Archi/Kunduz gegen 2.00 Uhr morgens 18 Taliban durch ANP getötet, als ca. 250 Militante das Distrikt Hauptquartier mit Handfeuerwaffen angriffen. Ein Polizist wurde dabei getötet. In Imam Shahib/Kunduz 6 OMF getötet bei einem Angriff auf einen ANP Checkpoint getötet.
28.9. Ãœbergabe Kommando PRT Kunduz von Oberst Klein an Oberst Kai Rohrschneider.
29.9. OMF-Angriff auf das Polizei-HQ im Distrikt Chahar Dareh mit Handfeuerwaffen, Abwehr auch mit Mörsern. (Keine Angaben über Personenschäden)
30.9. 2 dt. CH-53 Hubschrauber 3 km nördlich des PRT Kunduz mit Handwaffen beschossen, einer getroffen, keine Personenschäden. In Darzab/Jozjan bei OMF-Überfall 1 ANA Soldat getötet, 2 verwundet.
2.10. in Ali Abad/Kunduz zwei Tanklaster für ISAF mit RPG in Brand geschossen, anschließend Feuergefecht zwischen ANP und OMF, keine Bundeswehrbeteiligung.
3.10. in Imam Shahib/Kunduz 3 Zivilpersonen bei Selbstmordattentat getötet, 17 verletzt. Bei Mazar Luftnahunterstützung (show of force).
Kommandoübergabe RC North von Brigadegeneral Vollmer an BG Jürgen Setzer. In Chemtal/Balkh 40 km westlich Mazar 4 finnische Soldaten durch IED z.T. schwer verwundet.
4.10. stirbt der 24-jährige Stabsgefreite Patric Sauer an den Folgen einer Verwundung, die er am 6.8.2008 durch ein Selbstmordattentat erlitten hatte. Er ist der 6. Afghanistan-Tote des Fallschirmjägerbataillons 263 aus Zweibrücken.
5.10. mittags Beschuss einer dt. Patrouille 8 km westlich des PRT Kunduz mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten, Feuergefecht, Verstärkungskräfte des PRT und der ANSF. 3 Stunden später Beschuss des Distriktpolizei-HQ mit Mörsern und Raketen. Keine eigenen Personenschäden. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz durch F-15E, show of force.
8.10. in Balkh/Balkh Überfall auf eine schwedische Patrouille mit IED und Handfeuerwaffen, 2 schwedische Soldaten verwundet, 4 Angreifer getötet. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz durch B-1B mit Präzisionsmunition.
9.10. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz durch F-16C, show of force und Präzisionsmunition.
10.10. bei IED-Angriff in Kunduz auf das Polizeihauptquartier einm Polizist getötet. In Aliabad/Kunduz Beschuss einer dt. Patrouille mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten, keine eigenen Verwundeten, Dingo beschädigt. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz durch F-15E, show of force. In Sayyad/Sar-e Pol Beschuss einer schwedischen Patrouille mit Handfeuerwaffen, 1 Soldat schwer verwundet. Verhaftung von 6 Taliban Kämpfern in Kunduz. 50 Taliban Kämpfer legen in der Provinz Kunduz ihre Waffen nieder und ergeben sich den Behörden.
13.10. Kommandoübergabe im PRT Feyzabad an Oberst Martin Lütje. Verhaftung von 2 Taliban in der Provinz Takhar.
14.10. in der Provinz Takhar ein Taliban Kommandeur durch ANA getötet, 3 weitere verhaftet.
18.10. in der Provinz Badghis 6 Militante durch ANSF und Koalitionskräfte getötet. Verhaftung von 3 Taliban Sub-Kommandeuren in Baghlan.
20.10. über 30 km nordwestlich von Kunduz Beschuss von Bundeswehrkräften mit Handfeuerwaffen und RPG. Die Angreifer fliehen auf Motorrädern, keine Personenschäden.
21.10. bei einem Angriff auf eine ANP Patrouille in Pul-e Alchhi/Kunduz 2 Taliban getötet und 3 Polizisten verwundet. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz durch A-10, Präzisionsmunition. In Baghlan 2 Taliban Kommandeure und 9 Kämpfer durch Polizei verhaftet.
25.10. in Baghlan 11 US-Soldaten und 3 US Zivilisten bei Absturz eines CH-47 getötet.
28.10. in der Provinz Kunduz Luftnahunterstützung gegen mögliches IED-Team, show of force.
29.10. in Qadis/Badghis 25 Taliban durch Polizei getötet. In Baghlani Jadid/Baghlan Straßensperre von OMF auf einer Hauptstraße in mehrstündigem Feuergefecht von afghanischen Kräften beseitigt. In Tala Wa Barfak/Baghlan ein ANP Polizist durch RPG Beschuss getötet. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz durch F-16`s, show of force und Waffeneinsatz.
Schweres Erdbeben (Stärke 6,0) in Yamgan/Badakhshan 75 km südlich Feyzabad, bisher keine Informationen zu Personen- und Sachschäden.
31.10. in Darzab/Jowzjan 12 Militante durch ANSF mit ISAF Unterstützung getötet.
1.11. 8 Aufständische in der Provinz Kunduz durch ANSF getötet, 4 verhaftet.
2.11. in der Provinz Kunduz 7 Taliban durch ANSF und ISAF getötet, 8 verhaftet. In Chahar Dareh/Kunduz Beschuss eines belgischen OMLT mit Handfeuerwaffen und RPG, keine Personen- oder Sachschäden. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz durch F-16E und F-15E, show of force und Präzisionsmunition. An einem Checkpoint in Charbolak/ Balkh 3 Polizisten getötet. In Muqur/Badghis 10 Polizisten mit Waffen zu den Taliban übergelaufen, darunter ein Offizier.
3.11. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz durch F-16E`s, show of force und Waffeneinsatz.
4.11. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz: A-10 bekämpft Mörserstellung; Drohne MQ-9A Reaper: „The aircraft operator observed enemy forces massing for possible attack on frieendly forces. Precision guided munitions and missiles were deployed on the enemy position elimenateing the threat to friendly forces." (Airpower Summary 4.11.)
5.11. in Kunduz Selbstmordattentäter durch eigene Bombe getötet. Großeinsatz Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz durch zahlreiche Kampfmaschinen F-16C`s, F-15E`s und eine MQ-9A Reaper: „When anti-Afghan forces activity was observed at several known enemy fighting-positions, numerous munitions were expended on various locations. These munitions included precision-guided munitions, strafing runs and missiles. They were released once confirmed coordinates were obtained. The targets were destroyed. Shows of force were also performed to deter any potential enemy action. The shows of force were successful." (Airpower Summary 5.11.)
In der FAZ berichtet heute Friederike Böge über den Milizenführer und ehemaligen Mudschaheddin-Kommandeur Miralam Khan, der mit seinen Männern „im Alleingang zahlreiche Dörfer in der nordafghanischen Provinz ´befreit`" haben soll. ER verfüge aus der Zeit des Bürgerkriegs noch über mehrere hundert bewaffnete Anhänger. Er sei der „neue Held von Kunduz". Nach eigenen Angaben sei er von US-Spezialeinheiten unterstützt worden. Das dt. PRT hat nach eigenen Angaben keinen Kontakt zu ihm. Es gibt „erste Berichte von Scharmützeln zwischen verschiedenen Dorfmilizen, die alte Rechnungen aus dem Bürgerkrieg begleichen wollen. Und von einzelnen marodierenden Kämpfern, die ihre Macht für ethnische Feindseligkeiten missbrauchen. ´Sie halten vor allem Paschtunen an, durchsuchen sie und nehmen ihnen die Mobiltelefone ab`, berichtet ein Bewohner aus dem (nördlichen) Distrikt Imam Shahib."
6.11. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz, show of force.
7.11. ergeben sich in Qalai Zal/Kunduz 10 Aufständische samt Waffen den Behörden.
3.-7.11. (1.-6.11.) Großoperation von lt. Spiegel Online 800 ANA Soldaten, ca. 300 Spezialkräfte von OEF und ANA, 130 ANP Polizisten und mehreren Dutzend NDS-Agenten (lt. ISAF 700 afghanische und 50 internationale Kräfte) im Distrikt Chahar Dareh/Kunduz um Gul Tepa, das als Rückzugsgebiet von Aufständischen gilt und nicht weit vom PRT Kunduz entfernt ist. Massive und andauernde Bombardements aus Jagdbombern und Drohnen; lt. Gouverneur 133 Taliban getötet, darunter angeblich 8 hochrangige Kommandeure, 13 verletzt, 25 verhaftet. Lt. Spiegel Online v. 8.11. wurden allein 2009 gut ein Dutzend OEF-Einsätze im Einsatzgebiet der Bundeswehr bekannt. Wegen unangekündigter und teils sehr harter Zugriffe oder gezielter Tötungen habe es mehrfach Reibereien zwischen dt. und US-Militärs gegeben. Dieses Mal hätten die USA vorab informiert. Der dt. ISAF-Regionalkommandeur Nord habe aber eine Beteiligung abgelehnt.
Wechsel vom 20. zum 21. deutschen Einsatzkontingent ISAF im November. Verstärkung des PRT Kunduz ab Januar 2010  durch eine zusätzliche Infanteriekompanie (120 Mann).
11.11. in Kunduz 5 km vom PRT je ein Soldat von Bundeswehr und ANA bei einstündigem Feuergefecht verwundet. In Khanabad/Kunduz ein Zivilist durch IED getötet, 2 verwundet. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz, show of force. In Mazar zwei dt. Hubschrauber nach dem Start mit Gewehren beschossen, leichte Sachschäden.
14.11. in Balkh/Balkh 5 mutmaßliche Militante von afghanischen und ISAF Kräften verhaftet. In Chemtal/Balkh 5 schwedische Soldaten durch IED z.T. schwer verwundet, ein Sprachmittler getötet. Zwei dt. MEDEVAC-Hubschrauber, die schwedische Verwundete nach Mazar bringen sollten, bei Aliabad /Kunduz mit Handfeuerwaffen beschossen. Flug zur technischen Überprüfung in Kunduz abgebrochen. In einer anderen Polizeiaktion in Balkh, Chamtal und Charboldak/Balkh 7 Taliban Kämpfer verhaftet und einer getötet.
15.11. im Christian Science Monitor „Taliban make gains in Afghanistan`s forgotten north"
Formal Ãœbergabe an das 21. dt. Einsatzkontinent.
16.11. bei Kunduz Angriff mit Handfeuerwaffen und Panzerfäusten auf die zivile Bewachung der im Bau befindlichen „Mischa-Meier-Brücke", Rückzug der Wachleute, Rückgewinnung der Brücke durch ANP, 3 Wachleute und 5 Angreifer getötet. In Khanabad/Kunduz durch ANSF 2 Taliban Gruppenkommandeure getötet und 6 Militante gefangen genommen.
18.11. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz, show of force.
22.11. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz, show of force. In Imam Shahib/Kunduz bei Angriff auf Polizei Checkpoint 3 Taliban getötet.
23.11. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz durch 2 Kampfflugzeuge, show of force und Präzisionsmunition.
25.11. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz, show of force.
27.11. in New York Times „Taliban Open Northern Front in Afghanistan": Lt. afghanischen Offiziellen wurde im Frühjahr die Polizei der Provinz Kunduz duch die Zentralregierung um ein Drittel von 1.500 auf 1.000 reduziert. Anfang 2009 wurden weitere 200 Polizisten nach Kabul abgezogen. Ein Distrikt wie Khanabad mit 350.000 Einwohnern habe gerade 80 Polizisten, der Distrikt Chahar Darreh 56. Diese würden gerade reichen, um das Distriktzentrum und die Hauptstraße zu bewachen.
28.11. in Farkhor/Takhar Direktor des Roten Halbmonds nach Freitagsgebet erschossen.
29.11. in Pakhtun Kot/Faryab 2 Taliban bei Angriff auf Polizeiposten getötet.
1.12. in Archi/Kunduz bei Angriff auf ANP Kontrollposten ein Polizist verwundet.
6.12. in Ghormach/Faryab 4 Taliban, darunter der Kommandeur Mullah Amruden, durch ANP getötet.
7.11. Luftnahunterstützung in der Provinz Kunduz, show of force.
8.12. in Ghormach/Faryab 10 Taliban durch ANP getötet.
9.12. in Kunduz 5 Taliban durch ANSF und Koalitionstruppen getötet.
10.12. in Kunduz der ehemalige Mudschaheddin-Kommandeur und Bürgermeister von Kunduz, Hajji Khaluddin (Vor-Talibanzeit), bei Verlassen einer Moschee erschossen. In Pul-e Hisar/Balkh Waffenübergabe von 50 OMF unter Kommandeur Abidudin an die staatlichen Autoritäten. Tags zuvor hatten sich in Andarab/Baghlan 30 OMF den Behörden ergeben. Lt. offiziellen Angaben sollen seit Beginn des Jahres im Nordosten mehr als 1.300 Militante, darunter 150 in der Provinz Baghlan, in ihr normales Leben zurückgekehrt sein. (Xinhua 10.12.09)
13.12. in Baghal-e Markazi/Baghlan bei OMF-Überfall auf Polizei Checkpoint 7 Polizisten getötet.
(2) Kommentar zur Lageentwicklung in der Provinz Kunduz
Die Provinz Kunduz ist inzwischen für die regierungsfeindlichen Kräfte der strategische Angriffspunkt im Norden: Hier war eine Hochburg der Talibanherrschaft, von hier stammt Heckmatjar, hier bilden die paschtunischen Siedlungsgebiete (35% der 770.000 Provinzbevölkerung) einen Resonanzboden. Mit der Zunahme des US-/ISAF-Nachschubs aus Norden Richtung Kabul wächst die Bedeutung von Kunduz. Die Reduzierung der Polizeistellen in der Provinz um 537 im vorigen Jahr durch die Zentralregierung schwächte die sowieso schon schwachen Sicherheitskräfte. Es gibt Distrikte praktisch ohne Polizeipräsenz! Zum großen Teil eingesickerte Militante führen einen Terrorkrieg gegen afghanische Sicherheitskräfte und ISAF. (Vgl. W.N.: „Sicherheitsvorfälle in der Region Nord 2007 bis heute")
Nachdem er zunächst vor allem mit Raketenbeschüssen, IED-Anschlägen und hit-and-run-Attacken geführt wurde, erreichte er am 29. April 2009 eine neue Intensität: Seitdem führten die Aufständischen komplexe Hinterhalte und Angriffe durch, die militärische Führung und Ausbildung verraten und auf die Vernichtung ganzer Einheiten zielten. Die deutschen ISAF-Soldaten standen dabei erstmalig während des AFG-Einsatzes über Stunden in Gefechten und töteten dabei allein am 4. Juni mehr als zehn Gegner. (7 Gefechte zwischen 29.4. und 12.6.) Erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik fiel am 29.4. ein Bundeswehrsoldat im Kampf. Bisher hatten sich deutsche ISAF-Soldaten darauf beschränkt, bei Beschuss zurückzuschießen und sich aus dem Konflikt zu lösen. Am 15.6. kam es zu einem Luft-Bodeneinsatz, bei dem erstmalig im Einsatzgebiet der Bundeswehr Bordkanone und Raketen eingesetzt wurden. (Bis dahin blieb es maximal bei show of force.) Jetzt waren Hinterhalte als Mehrfachfallen aufgebaut. Vor Ort in Kunduz herrscht die Einschätzung, dass die Bundeswehr nur dank der guten Ausbildung und angemessenen Operationsweise ihrer jungen Soldaten einer Katastrophe mit vielen eigenen Toten entkommen ist. Zugleich behielt man lange in dem relativ dicht besiedelten Umfeld die Umsicht, zivile Opfer strikt zu vermeiden.
Der Luftangriff vom 4. September gegen zwei entführte Tanklaster südlich Kunduz mit lt. COMISAF-Bericht bis zu 142 Toten, darunter vielen Zivilisten, war eine menschliche und politische Katastrophe - auch wenn er in nichtpaschtunischen Teilen der Provinzbevölkerung sogar Zustimmung fand. Rund um Kunduz ist inzwischen ständig mit illegalen Checkpoints zu rechnen, ist Aufbauarbeit zzt. nicht mehr möglich. Im Oktober hieß es, 5 der 7 Distrikte der Provinz seien unter dem Einfluss der Taliban.
Der Vorschlag des RC North Brigadegeneral Vollmer im September, 2.500 zusätzliche Polizisten auszubilden und für zwei Jahre von Seiten der Bundesrepublik zu besolden (ca. 9 Mio. US-$), ähnliches hatte Kanada in Kandahar getan), wurde von der Bundesregierung abgelehnt. Die frühere Hoffnungsprovinz Kunduz rutscht weg!
Verstärkt führen ANSF und OEF-Spezialkräfte in der Provinz eigenständige Operationen durch, über die Bundeswehr/ISAF anfangs nicht einmal informiert wurden. (vgl, Vorfall von Imam Shahib im März)
Der bisherige Höhepunkt war in der ersten Novemberwoche 2009 eine fünftägige Großoperation im Distrikt Chahar Darreh mit massivem Luftwaffeneinsatz , bei der über 130 Taliban getötet worden sein sollen. Inzwischen sollen auch ehemalige Mudschaheddin-Kommandeure die Initiative übernommen haben.
Im Unterschied zu diesen Paralleloperationen bleibt bei ISAF/Bundeswehr im Norden die Grundlinie, sich nicht in eine Gewalteskalation hineinziehen zu lassen, den Guerillakrieg wohl mit militärischer Gewalt, aber nicht generell mit Krieg zu beantworten.
In der öffentlichen Diskussion in Deutschland geraten die taktische Ebene (Kriegssituation in einzelnen Distrikten) und strategische Ebene (Stabilisierungsunterstützung) immer wieder durcheinander. Die Grunderkenntnis bleibt: Mit Krieg sind die Konflikte in Afghanistan nicht zu lösen.  Deutscher Afghanistanpolitik und Bundeswehroffizieren war das entgegen manchen heutigen Unterstellungen von Anfang an klar. (Vgl. meine Stellungnahme „Krieg in Afghanistan - Bundeswehr im Krieg!?" 10/2008, aktualisiert 11/2009)
(3) Sicherheitsvorfälle im regionalen Vergleich
Sicherheitsvorfälle in den Regionen Capital, Nord, West, Süd, Ost; nach Schusswechsel/Gefecht, Sprengmittel (Selbstmordattentate), indirekter Beschuss; getötete und verwundete ISAF-Soldaten:
-         1. (29.12.-4.1.2009): 168, davon C 0, N 0, W 9, S 114, O 45; davon 108, 26 (in Parvan), 31; 4 ISAF-Soldaten getötet, 22 verletzt.
-         2. (05.01.): 149, davon C 1,. N 1, W 9, S 94, O 44; davon 99, 28 (2 in Kandahar + Nimruz), 20; 8 ISAF-Soldaten getötet, 23 verletzt.
-         3. (12.01.): 135, davon C 1, N 3, W 2, S 92, O 37; davon 84, 18 (1 in Kabul), 24; 5 ISAF-Soldaten getötet, 22 verletzt.
-         4. (19.01.): 165, davon C 1, N 3, W 14, S 90, O 57; davon 104, 29 (3 in Baghlan, Herat, Khost), 26; 2 ISAF-Soldaten getötet, 19 verletzt.
-         5. (26.01.): 174, davon C 1, N 6, W 11, S 95, O 61; davon 114, 26 (1 in Kabul), 30; 4 ISAF-Soldaten getötet, 15 verletzt.
-         6. (02.02.): 141, davon C 0, N 3, W 7, S 82, 0 49; davon 90, 23 (3 in Nangarhar, Uruzgan, Herat), 24; 2 ISAF-Soldaten getötet, 9 verletzt.
-         7. (09.02.): 170, davon C 1, N 6, W 3, S 107, 0 53; davon 104, 30 (4 in Kost, Paktika, Nimruz, Kabul), 30; 6 ISAF-Soldaten getötet, 12 verletzt.
-         8. (16.02.): 156, davon C 2, N 4, W 9, S 90, O 51; davon 107, 20, 21; 5 ISAF-Soldaten getötet, 14 verletzt.
-         9. (23.02.): 184, davon C 0, N 7, W 7, S 112, O 58; davon 126, 29 (5 in Nangarhar, Kandahar, Nimruz, Helmand), 29; 9 ISAF-Soldaten getötet, 11 verletzt.
-         10.(02.03.): 206, davon C 0, N 1, W 4, S 111, O 90; davon 125, 30 (2 in Nimruz), 49; 5 ISAF-Soldaten getötet, 17 verletzt.
-         11.(09.03.): 241, davon C 5, N 8, W 5, S 129, O 94; davon 140, 35 (1 Kabul), 66; 8 ISAF-Soldaten getötet, 17 verwundet.
-         12.(16.03.): 214, davon C 3, N 2, W 10, S 115, O 84; davon 140, 38 (2 in Khowst + Nangarhar), 35; 9 ISAF-Soldaten getötet, 32 verwundet.
-         13.(23.03.): 197, davon C 1, N 18, W 9, S 107, O 62; davon 136, 24 (einer in Herat), 35; zwei ISAF-Soldaten getötet, 18 verwundet.
-         14.(30.03.): 194, davon C 0, N 6, W 5, S 98, O 85; davon 104, 36 (2 in Kandahar), 50; 2 ISAF-Soldaten getötet, 17 verwundet.
-         15.(06.04.): 187, davon C 2, N 7, W 5, S 90, O 83; davon 117, 33 (2 in Helmand), 34; 3 ISAF-Soldaten getötet, 17 verwundet.
-         16.(13.04.): 144, davon C 2, N 9, W 5, S 50, O 78; davon 82, 29 (3 in Kabul, Balkh, Kandahar), 31; 3 ISAF-Soldaten getötet, 24 verwundet.
-Â Â Â Â Â Â Â Â Â 17.(20.04.): 165, davon C 1, N 11, W 7, S 64, O 82; davon 91, 43 (3 in Kandahar + Herat), 31; 13 ISAF-Soldaten verwundet.
-         18.(27.04.): 231, davon C 5, N 7, W 11, S 103, O 105; davon 133, 37 2 in Kunduz, Kandahar), 61; 7 ISAF-Soldaten getötet, 36 verwundet.
-         19.(04.05.): 240, davon C 1 (0,4%), N 6 (2,5%), W 11 (4,6%), S 119 (49,6%), O 103 (43%); davon 138, 41 (3 in Helmand, Laghman), 57; 4 ISAF-Soldaten getötet, 18 verwundet.
-         20.(11.05.): 295, davon C 4, N 8, W 18, S 128, O 137; davon 186, 39 (4 inKandahar, Khowst, 64; 3 ISAF-Soldaten getötet, 29 verwundet.
-         21.(18.05.): 252, davon C 3, N 7, W 22, S 124, O 96; davon 142, 50 (ein in Kandahar), 57; 3 ISAF-Soldaten getötet, 34 verwundet.
-         22.(25.05.): 313, davon C 1, N 17, W 24, S 143, O 128; davon 187, 66 (2 in Ghazni + Herat), 53; 6 ISAF-Soldaten getötet, 37 verwundet.
-Â Â Â Â Â Â Â Â Â 23.(01.06.): 313, davon C 1, N 14, W 14, S 158, O 126; davon 172, 84 (2 in Helmand, Paktika), 53; 10 ISAF-Soldaten gefallen, 45 verwundet.
-Â Â Â Â Â Â Â Â Â 24.(08.06.): 381, davon C 5, N 8, W 23, S 187, O 158; davon 224, 73 (1 in Helmand), 70; 4 ISAF-Soldaten gefallen, 57 verwundet
-         25.(15.06.): 367, davon C 3, N 10, W 17, S 205, O 132; davon 243, 71, 47; 10 ISAF-Soldaten getötet, 60 verwundet.
-         26.(22.06.): 404, davon C 2, N 8, W 25, S 257, O 112; davon 255, 90 (je 1 in Herat, Khost, Nangarhar), 54; 4 ISAF-Soldaten getötet, 46 verwundet.
-         27.(29.06.): 460, davon C 3, N 9, W 18, S 280, O 150; davon 283, 85 (je 1 in Nangarhar, Balkh, Herat, Helmand, Kandahar), 78; 11 ISAF-Soldaten getötet, 97 verwundet.
-         28.(06.07.): 444, davon C 0, N 15 (3,4%), W 22 (4,9%), S 286 (64,4%), O 121 (27,3%); davon 295, 79 (1 in Kandahar), 65; 25 ISAF-Soldaten getötet, 96 verwundet.
-         29.(13.07.): 399, davon C 2, N 16, W 19, S 203, O 159; davon 232, 85 (3 in Ghazni, Nangarhar, Kandahar), 68; 12 ISAF-Soldaten getötet, 56 verwundet.
-         30.(20.07.): 405, davon C 5, N 26, W 17, S 203, O 154; davon 245, 77 (4 in Paktia, Nimruz, Herat, Kowst), 76; 14 ISAF-Soldaten getötet, 62 verwundet.
-         31.(27.07.): 404, davon C 3, N 9, W 17, S 234, O 141; davon 257, 76, 69; 15 ISAF-Soldaten getötet, 76 verwundet.
-         32.(03.08.): 407, davon C 3, N 7, W 11, S 231, O 155; davon 258, 81 (ein in Zabul), 65; 13 ISAF-Soldaten getötet, 85 verwundet.
-         33.(10.08.): 463, davon C 13, N 32, W 15, S 226, O 177; davon 286, 93 (3 in Kunduz, Helmand, Kabul), 75; 13 ISAF-Soldaten getötet, 105 verwundet.
-         34.(17.08.): 933, davon C 23, N 49, W 51, S 439, O 371; davon 534, 131 (2 in Kabul + Paktia), 266; 14 ISAF-Soldaten getötet, 95 verwundet. (Präsidentschafts- und Provinzratswahlen am 20.8.)
-         35.(24.8.): 390, davon C 2, N 6, W 15, S 227, O 140; davon 252, 86 (1 in Kandahar), 49; 10 ISAF-Soldaten getötet, 87 verwundet.
-         36.(31.8.): 478, davon C 3, N 15, W 24, S 269, O 167; davon 323, 97 (5 in Kunduz, Jowzjan, Farah, Herat, Kaghman), 58; 19 ISAF-Soldaten getötet, 122 verwundet.
-         37.(7.9.): 524, davon C 4, N 16, W 26, S 307, O 171; davon 326, 116 (3 in Kabul, Helmand, Kandahar), 66; 13 ISAF-Soldaten getötet, 95 verwundet.
-         38.(14.9.): 414, davon C 2, N 11, W 15, S 250, O 136; davon 252, 101 (4 in Kabul, Baghlan, Helmand, Kandahar), 54; 16 ISAF-Soldaten getötet, 97 verwundet.
-         39.(21.9.): 328, davon C 2, N 7, W 18, S 185, = 116; davon 199, 72 (1 in Herat), 57; 9 ISAF-Soldaten getötet, 57 verwundet.
-         40.(28.9.): 448, davon C 0, N 18, W 27, S 234, O 169; davon 279, 85 (2 in Kunduz, Kandahar), 75; 19 ISAF-Soldaten getötet, 56 verwundet.
-         41.(5.10.): 423, davon C 6, N 11, W 28, S 234, O 144; davon 254, 91 (1 in Kabul), 68; 7 ISAF-Soldaten getötet, 90 verwundet.
-         42.(12.10.): 411, davon C 5, N 6, W 29, S 243, O 128; davon 280, 83, 44; 8 ISAF-Soldaten getötet, 55 verwundet.
-         43.(19.10.): 368, davon C 4, N 13, W 5, S 225, O 121; davon 240, 75, 43; 9 ISAF Soldaten getötet, 35 verwundet.
-         44.(26.10.): 374, davon C 5, N 15, W 10, S 218, O 126; davon 232, 81 (1 in Kandahar), 51; 27 ISAF-Soldaten getötet, 62 verwundet.
-         45.(2.11.): 369, davon C 5, N 14, W 17, S 212, O 121; davon 255, 58 (1 in Kunduz), 51; 13 ISAF-Soldaten getötet, 52 verwundet.
-         46.(9.11.): 360, davon C 5, N 12, W 12, S 225, O 106; davon 238, 72 (je 1 in Kabul, TZabul), 45; 4 ISAF-Soldaten getötet, 64 verwundet.
(4) Trends
Die Taliban/AGE-Attacken stiegen im Vergleichszeitraum 1. Januar bis 28. September 2007-2008 insgesamt um 51% auf 5.601,
-Â Â Â Â Â Â Â Â Â in Kandahar um 54% auf 820, in Helmand um 188% auf 490, Zabul um 20% auf 251, Uruzgan um 165% auf 130, Nimroz um 139%Â auf 79;
-         in den Ostprovinzen Khost um 39% auf 446, Ghazni um 134% auf 398, Paktika um um 27% auf 229, Paktia um 37% auf 305; in Nangarhar um 20% auf 292, in Kunar um 0% auf 536,
-         in den Kabul-Anrainern Wardak um 47% auf 241, Laghman um 74% auf 162, Logar um 33% auf 170, Kapsia (nördl. Kabul) um 162% auf 123, Kabul um 48% auf 157, in Bamyan um 167% auf 8;
-         im Norden/Westen Badghis um 163% auf 121, Kunduz um 291% auf 125, Takhar um 5% auf 23, Badakhshan um 67% auf 50.
-         Rückgänge gab es nur in Balkh (Mazar) um -7% auf 41, in Samang um -56% auf 4 und in Sari Pul um -87% auf 2. (Afghanistan Index, Stand 10.2.2009)
Sicherheitsvorfälle nach Provinzen Jan.-Sept. 2009 (ANSO Quarterly Report Sept. 2009)
-Â Â Â Â Â Â Â Â Â Kabul 149
-Â Â Â Â Â Â Â Â Â Nord: Badakhshan 34, Takhar 57, Baghlan 68, Kunduz 205, Samangan 9, Balkh 54, Sar-e Pul 16, Jawzjan 34, Faryab 91
-Â Â Â Â Â Â Â Â Â West: Badghis 180, Herat 200, Farah 137, Ghor 71
-         Süd: Nimroz 100, Helmand 402, Kandahar 721, Uruzgan 146, Zabul 221
-         Ost: Paktika 315, Khost 376,  Paktia 143, Nangarhar, 241, Kunar 987 (alle an der pakistanischen Grenze), Ghazni 403, Wardak (westl. Kabul) 324, Logar 160, Laghman 120 ..
-Â Â Â Â Â Â Â Â Â Zentral: Panshir 2, Parwan 45, Bamyan 15, Daykundi 17
Räumliche Verteilung von Verlusten bei der Polizei ANP Januar bis 11. Juni 2009 ("Killed in Action, Wounded in Action, Missed in Action", Region Nord):
-         Provinzen Sar-i-Pul, Samangan, Badakhshan (Norden), Panjshir, Bamyan (Central), Daykundi (Süd): keine KiA, 4 WiA
-         Provinzen Faryab 5/12/6, Jawzjan 15/3, Balkh 4/5, Kunduz 8/30, Baghlan 3/3, Takhar 1/3 (alles Nord), Herat 13/43, Badghis 6/13/17, Farah 29/14 (West), Kabul 15/25, Kandahar 121/166/17, Helmand 100/113/11, Uruzgan 29/22, Zabul 19/36, (alles Süd), Nangarhar 22/44, Kunar 5/21, Paktika 19/38, Ghazni 27/44/12, Khost 13/19/3, Paktia 8/38/2
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Zum Teil 1.
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: