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Münsteraner Ratsherr nennt Ehrung des Widerstandskämpfers von Tresckow "mehr als fragwürdig". Dazu mein Leserbrief (vollständig)

Veröffentlicht von: Nachtwei am 24. Juli 2018 07:25:38 +01:00 (55123 Aufrufe)

Dass der Generalstabsoffizier Henning von Tresckow "Kopf und Herz des militärischen Widerstandes gegen Hitler" war, dessen menschenverachtenden und Kriegskurs vergleichsweise früh durchschaute und diesen mit enormer Entschlossernheit bekämpfte, ist in der deutschen Bevölkerung recht wenig bekannt, offenbar auch nicht bei dem Fraktionssprecher der Linken im Rat der Stadt Münster. Mit selbstbewusster Unkenntnis und moralischer Arroganz diffamiert er von Tresckow. Hier mein Leserbrief zu einem, wie ich meine, beschämenden Vorgang.

Ehrung des Widerstandskämpfers von Tresckow

„mehr als fragwürdig“ – so der Linke-Ratsherr R. Sagel

in Münster am 20. Juli in den Westf. Nachrichten

Dazu mein Leserbrief (vollständig)

Winfried Nachtwei

(Der Leserbrief wurde am 24.07.2018 veröffentlicht, die gekürzten Passagen kursiv.)

Ehrung von Widerstandskämpfern

Abwertung zeugt von moralischer Überheblichkeit

Rüdiger Sagel, Linke-Fraktionsprecher, kritisiert meine Gedenkrede für den Widerstandskämpfer Henning von Tresckow beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr bei Potsdam als „mehr als fragwürdig“.

Es ist eine Fernkritik ohne jede Kenntnis meiner Rede[1] und der Person Henning von Tresckows, der am 21. Juli 1944 in den Freitod ging.

Der fachlich herausragende Generalstabsoffizier von Tresckow war keineswegs ein „glühender Nationalist und Militarist“, wie Sagel behauptet, der „Hitler und die Nationalsozialisten bis weit in die 1930-er Jahre hinein unterstützte“ habe. Seine anfängliche Hoffnung auf Hitler wurde erschüttert durch die staatlichen Morde beim sog. Röhm-Putsch 1934 und verkehrte sich in Ablehnung, dann Widerstand. Er gehört zu den Offizieren, die den wahren Charakter des Hitler-Kurses vergleichsweise früh erkannten und der mit einer Entschlossenheit für den Tyrannenmord und Staatsstreich wirkte wie kaum jemand sonst.

(Er war ungewöhnlich weltoffen, lebte die Grundwerte Freiheit, Recht und Menschenwürde und gilt als „Kopf und Herz des militärischen Widerstandes.“ Seine Position war, dass Deutschland als Macht der Mitte auszugleichen habe. „Nur ein Reich, das den Frieden garantierte, konnte gedeihen. Er selbst bekannte sich nicht allein als von Preußen geprägter Deutscher, sondern auch (…) als bewusster Europäer.“ (Bodo Scheurig, Tresckow-Biographie, S. 69))

Dem militärischen Widerstand insgesamt wirft Sagel pauschal vor, das NS-Regime nicht grundlegend abgelehnt zu haben, sondern dass bei ihm moralische Entrüstung über begangene Kriegsverbrechen, das Ansehen der Armee und die Abwendung einer Niederlage im Mittelpunkt gestanden habe. Sagel knüpft damit an eine dumme und schädliche Tradition an, die verschiedenen Widerstandsgruppierungen gegeneinander auszuspielen und eine „Richtung“ zum einzig wahren Widerstand zu erklären.

(Rüdiger Sagel diffamiert mit seinen Vorwürfen gegen von Tresckow eine herausragende Persönlichkeit des deutschen Widerstandes gegen Hitler und den Nationalsozialismus.)

Seine Abwertung des militärischen Widerstandes insgesamt zeugt von moralischer Überheblichkeit gegenüber tapferen Menschen, die von sehr unterschiedlichen Herkünften in schmerzhaften Erfahrungsprozessen zu Widerspruch und Widerstand fanden.

(Sagels Grundbotschaft ist, dass Henning von Tresckow und der militärische Widerstand gegen Hitler insgesamt nicht ehrwürdig sind (dass also auch die Beflaggung öffentlicher Gebäude am 20. Juli in Münster falsch war).

Dass sich ein Mitglied des Rates der Stadt Münster so äußert, ist zutiefst beschämend.)

Winfried Nachtwei, Vorstandsmitglied „Gegen Vergessen – Für Demokratie“

Aus den Westfälischen Nachrichten vom 20. Juli 2018, Lokalteil Münster

„Sagel: Von Tresckow nicht ehren

Münster. Die Ehrung, die der ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Winfried Nachtwei zum Gedenken an den 20. Juli 1944 und auf Einladung des Einsatzführungskommandos in Münster vornimmt, sei „mehr als fragwürdig“, kritisiert Linke-Fraktionssprecher Rüdiger Sagel die Veranstaltung. Sagel stört sich an Henning von Tresckow, einer zentralen Figur bei den Attentatsplänen auf Hitler. „Von Tresckow war glühender Nationalist und Militarist, der Hitler und die Nationalsozialisten bis weit in die 1930er Jahre hinein unterstützte.“ In ihrer Pressemitteilung würden die Einlader, so Sagel, nicht erwähnen, dass der Widerstand des Militärs gegen Hitler „vor allem national-konservativ geprägt war und diese Militärs moralisch vor allem über die begangenen Kriegsverbrechen entrüstet waren“. Es habe „das Ansehen der Armee und die Abwendung einer Niederlage im Mittelpunkt des Anschlags“ gestanden, nicht die grundlegende Ablehnung des NS-Regimes. Dies im Gegensatz zu Georg Elser oder Mitgliedern der Weißen Rose, „die teils schon deutlich früher auch die Vielzahl der Verbrechen der Nazis zum Anlass ihres Handelns nahmen“.

Weitere Beiträge zum Thema

- W.N., Rede „Anstöße zum Erinnern und Nachdenken: Münster, Riga, Stalingrad, München“ beim 3. Forum Sanitätsakademie (der Bundeswehr) im Gedenken an die Medizinstudenten und Sanitätsfeldwebel Hans Scholl, Alexander Schmorell und die „Weiße Rose“ unter dem Oberthema „Freiheit, Gewissen, Zivilcourage“ am 5. Juli 2018 in München http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1535

- W.N. Bericht von der Eröffnung der Gedenkstätte Malyj Trostenez bei Minsk/Weißrussland am 29. Juni 2018 (größte NS-Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion)  http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1534

- W.N., Fast gelungene Kriegsprävention: „ELSER – Er hätte die Welt verändert“, zum Film über Georg Elser, der am 8. November 1939 Hitler beinahe ich Münchner Bürgerbräukeller getötet hätte, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1349

- W.N., Gedenken an Henning von Tresckow, „Kopf und Herz des militärischen Widerstandes gegen Hitler: Vorbild für Staatsbürger in Uniform wie in Zivil, Bericht von der Gedenkveranstaltung 2012, www.nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1149  

- Henning von Tresckow – Ich bin, der ich war, hrsg. von Sigrid Grabner und Hendrik Röder, Texte und Dokumente, Berlin 2001

- Bodo Scheurig, Henning von Tresckow – ein Preuße gegen Hitler, Biographe, Berlin 2004 (unverändert gegenüber der Erstauflage 1973)

 


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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