Die Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik - Parlamentarische Kontrollmöglichkeiten verbessern" nahm Winried Nachtwei zum Anlass für folgenden Redebeitrag:
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Fragen der militärischen Sicherheitspolitik ist die ParÂlamentsbeteiligung in Deutschland so weit fortgeschritÂten wie in kaum einem anderen Land der Welt. Darauf können wir zu Recht stolz sein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Umso unverständlicher ist, dass die RüstungsexportbeÂrichte der Bundesregierung - immerhin jedes Jahr veröfÂfentlicht - zum ersten Mal überhaupt in dieser LegislaÂturperiode hier debattiert werden, und dann nicht einmal auf Initiative der Koalitionsfraktionen - das wäre eine Selbstverständlichkeit gewesen -, sondern auf unsere Ini-tiative.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE])
Dies betrifft außerdem einen Bereich, der wie kein andeÂrer Bereich der Sicherheitspolitik der parlamentarischen Kontrolle und Einsichtnahme entzogen ist. Daher habe ich an dieser Stelle umso mehr der Gemeinsamen KonfeÂrenz Kirche und Entwicklung, GKKE, zu danken, die inÂzwischen zum zwölften Mal einen Bericht zu dieser ProÂblematik vorgelegt hat, der informativ, seriös und differenziert ist und wirklich eine friedens- und sicherÂheitspolitische Orientierungshilfe in dieser Materie darÂstellt.
Ich habe es nicht vergessen: Die Zeit der rot-grünen Regierung war nicht die heile Welt der restriktiven RüsÂtungsexporte.
(Beifall bei der FDP - Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Das habt ihr aber früher anders gesehen!)
Immer wieder hat es zwischen den Ressorts Streit gegeÂben, und immer wieder stand weitsichtige SicherheitsÂpolitik mit kurzfristiger Interessenpolitik im Konflikt. Immer wieder hat es Streit zwischen unserer Fraktion und Teilen der Bundesregierung gegeben. Spektakulär war - Sie alle können sich noch daran erinnern - die Auseinandersetzung über das EU-Waffenembargo, als der eigene Bundeskanzler Schröder dieses aufheben wollte, es uns aber durch eine Koalition in der Koalition gelungen ist, dieses unsinnige Vorhaben zu stoppen.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)
Damals gab es einige problematische Trends. Diese haÂben sich in dieser Koalition enorm verstärkt.
Ich nenne drei Felder. Erstens: die sogenannten SamÂmelausfuhrgenehmigungen für den Export von RüsÂtungsgütern. Ihr Wert ist enorm gewachsen, von 2,4 MilÂliarden Euro in 2004 über 3,5 Milliarden Euro in 2006 auf 5,1 Milliarden Euro in 2007. Was ist daran das ProÂblem? Diejenigen, die letztendlich die Empfänger von Rüstungsexporten sind, sind im Grunde - es geht hier um Komponenten in Rüstungskooperationen - völlig auÂßer Kontrolle.
Zweitens: Einzelgenehmigungen für den Export von Kleinwaffen an Drittländer. Ihr Wert stieg von 8,2 MilÂlionen Euro im Jahre 2004 über 15,6 Millionen Euro im Jahre 2006 auf 30,2 Millionen Euro im Jahre 2007. Hauptempfänger der Kleinwaffen - Gewehre, MaschiÂnenpistolen - waren Saudi-Arabien und Ägypten. AuÂßenminister Steinmeier betont zu Recht die NotwendigÂkeit der Kontrolle der Ausfuhr von Kleinwaffen. Diese Haltung wird durch den immer exzessiveren Export dieÂser Kleinwaffen konterkariert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE])
Drittens: Einzelgenehmigungen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern. In welche Gebiete wurde exportiert? Auf diesem Gebiet sind bei den sogenannten Drittländern führend: Pakistan und InÂdien. In Konfliktfällen ist es natürlich „richtig" - ausÂgleichende Gerechtigkeit -, beide Seiten zu beliefern.
Nun komme ich auf Pakistan zu sprechen. An PakisÂtan wurden bis 2004 keine Kriegswaffen geliefert. Im April 2007 erfuhr der Haushaltsausschuss des BundestaÂges, dass von der Bundesregierung inzwischen eine VorÂanfrage zur Lieferung von drei U-Booten an Pakistan positiv beschieden war und dass die Bundesregierung dafür eine Hermesbürgschaft von über 1 Milliarde Euro zugesagt hatte. Genauere Informationen zum jetzigen Stand haben wir nicht.
Aber erinnern wir uns: Lieferungen von Kriegswaffen an sogenannte Drittstaaten sind grundsätzlich untersagt, außer es sprechen besondere deutsche außen- und sicherÂheitspolitische Interessen dafür. Solche kann ich hier nicht erkennen.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)
Vor allem in den Westprovinzen Pakistans toben bewaffÂnete Auseinandersetzungen der krassesten Form. In etliÂchen Distrikten haben die pakistanischen Taliban die Macht übernommen. Das pakistanische Militär und vor allem der pakistanische Geheimdienst gelten wahrhaftig nicht als zuverlässig. Sehr gut belegt sind Vorwürfe, dass Teile des pakistanischen Geheimdienstes bis heute den Terror unterstützen. Das pakistanische Militär dokumenÂtiert das Interesse, sich Trägersysteme für die eigenen Atomwaffen zuzulegen. Das bezieht sich eindeutig auf diese U-Boote.
(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Ihre Zeit ist jetzt um!)
Außerdem befindet sich Pakistan historisch im Konflikt mit Indien. Es veranstaltet ein Wettrüsten, gerade was den maritimen Bereich angeht, und ist in Konflikte mit vielen anderen Ländern verwickelt.
Es wird immer wieder das deutsche Interesse an Stabilisierung, an Rüstungskontrolle und an FriedensÂförderung gerade in diesem Raum beschworen. Solche U-Boot-Lieferungen sind damit allerdings in keiner Weise zu vereinbaren.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Ja, ich komme jetzt zum Schluss.
Lieber Kollege Polenz als Vorsitzender des AuswärtiÂgen Ausschusses, lieber Kollege Mützenich und andere in der SPD, ich weiß um Ihre massiven Bedenken gegen dieses Rüstungsexportvorhaben. Bitte, begleiten Sie die Bundesregierung in diesem Fall wieder nicht nur kriÂtisch, sondern stehen Sie jetzt wirklich einmal zu Ihrer Position!
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)
Bei der Behandlung dieses Themas reicht es auch nicht, die Politik der Bundesregierung ab und zu einmal zu kommentieren.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege!
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Wenn wir den notwendigen Primat weitsichtiger SiÂcherheitspolitik durchsetzen wollen, dann ist zweierlei notwendig - das erläutere ich in zwei Sätzen -:
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das ist zu viel.
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Erstens. Die Federführung muss vom WirtschaftsÂministerium auf das Auswärtige Amt übergehen. ZweiÂtens. Wir als Parlament müssen Beteiligungsrechte in geÂeigneter Form bekommen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Für ein selbstbewusstes Parlament müsste das selbstÂverständlich sein.
Danke schön.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: