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Nachtwei für eine restriktive Rüstungsexportpolitik

Veröffentlicht von: Webmaster am 26. März 2009 18:43:34 +01:00 (80584 Aufrufe)

Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik setzt sich Winfried Nachtwei in seiner zu Protokoll gegebenen Rede ein:

Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):

Nachdem wir auf Antrag der Grünen im Dezember erstmals in dieser Legislaturperiode eine parlamentari­sche Aussprache über die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung hatten, mussten wir erleben, dass die Koalitionsfraktionen alles dafür taten, dass die Rüstungs­exportpolitik der Bundesregierung nicht öffentlich the­matisiert wird. Die Rüstungsexportberichte und unser Antrag wurden im Eilverfahren und ohne Aussprache durch die Ausschüsse gepeitscht. Und auch heute müssen wir wieder erleben, dass für eine mündliche Aussprache im Parlament keine Zeit ist.

Die Grünen mahnen seit Jahren an, dass sich dieser Bundestag intensiver mit der Frage der Rüstungsexport­politik beschäftigen muss. Leider scheuen die meisten Fraktionen und Abgeordneten das Thema. Insbesondere die Regierungsfraktionen stellen sich taub und blind. Man beklagt im besten Fall, dass man vonseiten der Bun­desregierung zu spät unterrichtet wird, und versteckt sich ansonsten hinter der Behauptung, dass die Bundesrepu­blik eine besonders restriktive Rüstungsexportpolitik be­treibe und von daher alles in Ordnung sei. In der Union, bei SPD und bei der FDP wird sogar offen gefordert, dass Deutschland sich die Rüstungsexportgeschäfte nicht ent­gehen lassen dürfe, dass man eine starke eigene Rüs­tungsindustriekapazität erhalten müsse. Und weil der na­tionale Markt das nicht hergibt und unsere Partner in der NATO und EU ihre Rüstungsmärkte abschotten, wächst der Druck, außerhalb von NATO und EU Absatzmärkte zu finden.

Wir haben uns oft beklagt, dass die deutschen Rüs­tungsexportberichte so spät kommen und andere Regie­rungen ihre Parlamente frühzeitiger und umfassender informieren. Eine vernünftige parlamentarische Behand­lung ist damit unmöglich. Selbst die EU wird von der Bun­desregierung früher und umfassender informiert als der Bundestag. Gegenüber dem Bundestag wird behauptet, die Ressorts müssten den knapp 30-seitigen Text mit den Tabellen und Schaubildern oft mühsam Wort für Wort ab­stimmen. Wenn die Bundesregierung mehr Zeit braucht, um dem Bundestag weniger Informationen zu geben als anderen, dann werden wir in Zukunft verstärkt dafür sor­gen, dass der Bundestag wieder zeitnäher unterrichtet wird.

Wenn wir uns die vorliegenden Zahlen für die vergan­genen Jahren anschauen und auch in Betracht ziehen, was internationale Erhebungen wie die des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI ergeben, dann wird zum wiederholten Mal deutlich, dass von Restriktivität keine Rede sein kann. Obwohl Staaten wie Frankreich, Großbritannien und Russland immer wieder behaupten, sie würden ihre Rüstungsexporte nun weiter und offensiv ausbauen, landet in der Praxis dann doch die Bundesre­gierung mit ihrer vermeintlich restriktiven Exportpolitik regelmäßig unter den führenden Rüstungsexporteuren weltweit. Und selbst wenn Franzosen oder Briten wieder einen spektakulären Export verbuchen können, wie zum Beispiel bei der skandalumwitterten Lieferung des Euro­fighters an Saudi-Arabien, verdient die deutsche Rüs­tungsindustrie an diesem Geschäft. Die Rüstungsunter­nehmen haben inzwischen ein ausgeklügeltes und arbeitsteiliges System entwickelt, wie man über Firmen­sitz, Tochterfirmen, Kooperationsprojekte und Zuliefe­rungen die Schwächen der jeweiligen nationalen Export­politik nutzen kann, um am schnellsten und effektivsten zum Ziel zu kommen.

Alljährlich werden auf direktem Wege Rüstungsgüter im Wert von mehren hundert Millionen Euro in Entwick­lungsländer und in Krisenregionen, 2007 zum Beispiel an Pakistan und Indien, exportiert. Auch Staaten wie Ägyp­ten, Indonesien, Jordanien, Südkorea oder die Vereinig­ten Arabischen Emirate werden fleißig bedient. Wie hoch die Exporte tatsächlich sind, was zu welchen Konditionen geliefert wurde, wissen wir nicht. Denn die Exportstatis­tik erfasst lediglich die tatsächliche Ausfuhr von Kriegs­waffen und nicht die tatsächliche Ausfuhr der übrigen Rüstungsgüter oder Güter mit doppeltem Verwendungs­zweck. Die Genehmigungszahlen, etwa im Kleinwaffen­bereich, sind erschreckend. Im Jahr 2007 hat die Bundes­regierung den Export von Kleinwaffen im Wert von 30 Millionen Euro in Staaten außerhalb der EU und NATO genehmigt. Amnesty International und andere be­klagen zu Recht, dass diese deutschen Kleinwaffen in Staaten wie Ägypten, Indien, Mexiko, Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten nichts verloren ha­ben.

Ich halte nichts davon, jegliche Rüstungsexporte zu verfluchen, und auch eine verstärkte Rüstungskoopera­tion in Europa bedeutet in meinen Augen nicht zwangs­läufig eine Militarisierung der EU. Im Gegenteil, wir Grünen sind sogar der Auffassung, dass wir Überkapazi­täten im Rüstungsbereich nur dann mit Aussicht auf Er­folg abbauen können, wenn wir im Bündnisrahmen und im Rahmen der EU enger zusammenarbeiten und auf na­tionale Alleingänge verzichten. Das heißt aber grund­sätzlich Ja zur europäischen Rüstungskooperation. Das heißt Ja zu einer Europäischen Verteidigungsagentur, so­fern sie endlich in die Lage versetzt werden würde, sich dieses Themas auch ernsthaft annehmen zu dürfen. Und das heißt Ja zu einer restriktiven und verbindlichen ge­meinsamen Rüstungsexportpolitik der EU. Im internatio­nalen Maßstab heißt dies auch Ja zu einem weitreichen­den internationalen Waffenhandelsabkommen, wofür sich nicht zuletzt dankenswerterweise zahlreiche Nobel­preisträger und NGOs wie Amnesty International, OXFAM und IANSA nachdrücklich einsetzen. Viele Ex­porte sind in der Regel und im Grundsatz auch nicht zu beanstanden. Aber es gibt hier eine Reihe von Geschäf­ten, bei denen wir Grüne, Menschenrechtsgruppen und viele andere - frei nach den Worten des Bundespräsiden­ten - sagen: Das tut man nicht.

Eigentlich haben wir mit den Rüstungsexportrichtli­nien und dem Gemeinsamen Standpunkt zu Waffenaus­fuhren gute Grundlagen, anhand derer wir entscheiden könnten. Diese Bundesregierung interpretiert diese Grundsätze aber nicht mehr restriktiv, sondern extensiv. Nachdem Rot-Grün damit Schluss gemacht hat, Länder wie Indonesien den NATO-Staaten gleichzustellen, setzt diese Regierungskoalition immer ungehemmter auf Ex­porte in Krisenregionen. Die Kanzlerin, der Wirtschafts­minister, der Verteidigungsminister und der Außenminis­ter reisen nach Pakistan und Indien und bieten den beiden Kontrahenten mit U-Booten, Jagdflugzeugen und Hub­schraubern das Modernste an, was deutsche Rüstungs­schmieden zu bieten haben. Die Käufer spielen die Ex­portnationen hemmungslos gegeneinander aus. Sie wollen ihre eigene Rüstungsindustrie aufbauen, die dann wiederum exportieren muss, um ökonomisch überleben zu können. Um den Zuschlag zu bekommen, werden nicht selten dubiose Sonderzuwendungen fällig. Importeure wie Pakistan und Indien fordern Technologietransfer und Kompensationsgeschäfte in Milliardenhöhe. Die riskan­ten Geschäfte werden dann auch noch mit milliardenteu­ren Hermes-Bürgschaften abgesichert.

Wir meinen: Damit muss Schluss sein. Dies wider­spricht eindeutig den Politischen Grundsätzen für den Rüstungsexport. Rüstungsexporte sind kein Geschäft wie jedes andere. Wir fordern eine stärkere Parlamentsbetei­ligung. Und wir halten es für die Pflicht des Deutschen Bundestages, bei solchen Exporten genauer hinzu­schauen und die Stimme zu erheben. Es geht nicht an, dass der Bundestag über den Einsatz bewaffneter Streit­kräfte entscheidet, aber bei der Lieferung von Waffen wegschaut und sagt, das ist Aufgabe der Exekutive. Wir Grünen haben im Dezember einen Antrag vorgelegt, in dem wir für mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle und einen Systemwechsel in der Rüstungs­exportpolitik geworben haben. Uns geht es um Export­kontrolle und nicht Exportförderung.

Wir appellieren insbesondere an die Regierungsfrak­tionen: Nehmen Sie Ihre Kontrollaufgabe wahr! Unter­stützen Sie uns dabei, dass der Bundestag in die Lage ver­setzt wird, im Vorfeld von strategisch wichtigen oder kritischen Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Es kann nicht sein, dass dem Bundestag mit dem Hinweis auf Be­triebs- und Geschäftsgeheimnisse Informationen vorent­halten werden, die Rüstungsindustrie aber weiß, wann der Bundessicherheitsrat tagt, was auf der Tagesordnung steht und was entschieden wurde. Anschließend rühmt sich das Unternehmen öffentlich für diese Aufträge. Der Bundestag erfährt dann im besten Fall anderthalb Jahre später offiziell von diesen Exporten, aber nur, wenn er in der Lage ist, die kryptischen und lückenhaften Berichte der Bundesregierung zu entschlüsseln. So kann und darf es nicht weitergehen.

Bedanken möchte ich mich zum Schluss bei der Ge­meinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung - GKKE -, bei Amnesty International, OXFAM und den anderen Nichtregierungsorganisationen, die mit ihrer kritischen Beobachtung, ihren Berichten und ihren Forderungen dazu beitragen, dass das Thema Rüstungsexportpolitik auf der politischen Tagesordnung bleibt. In Zeiten einer Großen Koalition ist dies wichtiger denn je.


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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