In der Fachwelt (auch international) hoch gelobt, in der Öffentlichkeit praktisch unbeachtet - so waren 2004 die Reaktionen auf den vom Bundeskabinett beschlossenen Aktionsplan "Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung". Nach zehn Jahren ist eine ehrliche Bilanzierung des Aktionsplans und eine Weiterentwicklung und Stärkung des Politikfeldes überfällig. Hier Näheres zur Öffentlichen Sitzung des Unterausschusses ...
Lehren aus 10 Jahren Aktionsplan Zivile Krisenprävention –
WIE WEITER?
Öffentliche Sitzung des Bundestags-Unterausschusses mit Sachverständigen am 5. Mai in Berlin
Am 12. Mai 2004 beschloss das Bundeskabinett den Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“. Er wurde damals als großer konzeptioneller Fortschritt zu mehr Friedensfähigkeit gewertet. Am 5. Mai berät der neu gebildete Unterausschuss „Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln“ über die Lehren aus 10 Jahren Aktionsplan. In öffentlicher Sitzung (16.00 Uhr Paul-Löbe-Haus E.300, Anmeldung erforderlich) nehmen als Sachverständige Stellung: Dr. Martina Fischer, Berghof-Foundation, Cornelia Brinkmann, Geschäftsführerin von „Steps for Peace“/Institut für Peacebuilding, Dr. Hans-Dieter Heumann, Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Ex-MdB Winfried Nachtwei (Mitinitiator des Aktionsplans). (http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/a03/ua_zks/tagesordnungen/index.html
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Als stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen und außenpolitischer Koordinator richtete ich am 19. Mai 2004 folgendes Schreiben an Dr. Klaus Scharioth, Staatssekretär im Auswärtigen Amt:
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, lieber Herr Dr. Scharioth,
(…) Am 12. Mai billigte das Bundeskabinett den Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“.
Wie Sie sich erinnern, hatte ich mich bei den Koalitionsverhandlungen für dieses Vorhaben eingesetzt. Das Auswärtige Amt machte sich sofort an die Umsetzung – und schaffte gemeinsam mit den vielen anderen Ressorts sowie zivilgesellschaftlichen Experten ein Dokument, das die Querschnittsaufgabe Krisenprävention in ihrer ganzen Breite entfaltet, eine beeindruckende Bestandsaufnahme liefert und konkrete Aktionen zur Förderung effektiver Krisenprävention benennt. Mit dem Aktionsplan ist der Bundesregierung unter Federführung des Auswärtigen Amtes ein großer Wurf gelungen, der international wohl einmalig ist.
Hierfür möchte ich Ihrem Haus und den beteiligten Mitarbeitern, angefangenen bei Herrn Martin Fleischer als dem verantwortlichen Projektkoordinator, auch im Namen meiner Fraktion meine hohe Anerkennung und herzlichen Dank aussprechen.
Im nächsten Schritt wird es Aufgabe des Parlaments sein, die Umsetzung und Weiterentwicklung des Aktionsplans zu unterstützen und zu fördern. Mir ist die düstere Haushaltslage sehr wohl bewusst. Zugleich bin ich aber der festen Überzeugung, dass etliche wichtige Aktionen ohne einen Zuwachs an Personal und Ressourcen nicht umzusetzen sind. Als „Verteidiger“ sehe ich zudem eine strategische Lücke: Während mit der Transformation der Bundeswehr umfassende Fähigkeiten für Stabilisierungseinsätze definiert werden (bis zu 14.000 Soldaten in bis zu fünf parallelen Operationen über mehrere Jahre), fehlt uns für solche in der Regel multidimensionalen Einsätze eine adäquate Kräfteabschätzung auf der polizeilichen und zivilen Seite. Hier sehe ich erheblichen Klärungs- und Handlungsbedarf.
Wir wollen dazu unseren Beitrag leisten.
Vor etwas mehr als einem Jahr trafen Sie auf meine Bitte hin mit dem Journalisten Michael Gleich zusammen, der sein Medienprojekt „Peace Counts“ vorstellte: attraktive und spannende Friedensberichterstattung angesichts der Dominanz von Gewalt- und Kriegsberichterstattung. Dank der Förderung durch das AA konnten etliche Einzelvorhaben mit großem Erfolg umgesetzt werden. Die Berichterstattung über „Friedensmacher“ vervielfachte sich meiner Schätzung nach und erreichte auch Medien, die ein breiteres „Normalpublikum“ ansprechen. In vielen Fällen war es beste Öffentlichkeitsarbeit für vom AA im Rahmen des FEM-Titels geförderte Projekte. Das ist umso bedeutsamer, als diese Projekte ja sonst ohne eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit auskommen müssen und deshalb wie Lichter unter dem Scheffel wirken.
Mit Erleichterung und Freude hörte ich, dass auch für 2004 eine Förderung bewilligt wurde.
Schließlich noch zum Projekt „Friedenserhaltende Dialoglinie mit gemäßigten Islamisten Zentralasiens und Tadschikistans“, über das Sie mich im März 2002 ausführlich informiert haben. Begonnen lange vor dem 11. September zeugt dieses Projekt von ausgesprochener Weitsicht. Am 11. Dezember 2003 konnte in Duschanbe ein Dokument über vertrauensbildende Maßnahmen unterzeichnet und dem Präsidenten Rahmonov zugeleitet werden. Damit konnte erstmalig im zentralasiatischen Raum eine Vertrauensbildung zwischen führenden Islamisten und säkularen Politikern vermittelt werden. Eine im Rahmen von zivik durchgeführte Evaluation bescheinigt dem Projekt, ausgesprochen erfolgreich zu sein.
Angesichts der ernüchternden Bilanz des „Krieges gegen den Terror“ und der Konfliktverschärfung zwischen der muslimisch geprägten Welt und „dem Westen“ kann dieser konstruktive Ansatz gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Umso mehr bin ich über die Nachricht beunruhigt, dass aus haushaltsrechtlichen Gründen das Projekt nicht länger als drei Jahre gefördert werden darf. Ein Ausstieg der deutschen Seite zum jetzigen Zeitpunkt käme zu früh, da der Dialogprozess noch für eine begrenzte Zeit auf ausländische Begleitung angewiesen ist. Nach den Erfolgserfahrungen der letzten Jahre und dem Durchbruch von Dezember 2003 würde der Abbruch der deutschen Unterstützung den ganzen Prozess infrage stellen und zurückwerfen. Das kann und darf nicht sein!
Mit meinem Kollegen Gernot Erler bin ich in der Sache im Kontakt. Wir sind uns einig, dass die Bundesregierung insgesamt hier einen Weg finden muss, die deutsche Begleitung des Dialogprojektes aufrechterhalten zu können. Wir werden dies auch anderen Verantwortlichen der Bundesregierung gegenüber deutlich machen. (…)
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: