Das Wort hat der Kollege Winfried Nachtwei, Bündnis 90/Die Grünen.
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu 90 Prozent dieses Hauses sind wir uns in der SchlüsÂselfrage einig: Wie kann die internationale Gemeinschaft und dabei unverzichtbar ISAF in diesem sehr kritischen Jahr für Afghanistan zum Erfolg kommen? Wer jetzt von Exit-Strategie redet, vermittelt völlig kontraproduktive Botschaften: Entmutigung für diejenigen Menschen, die Aufbau und Frieden in Afghanistan wollen, und ErmutiÂgung für diejenigen, die genau das Gegenteil vorhaben.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
Nun komme ich aber zum Thema. Aus militärischer Sicht ist ein Tornado in Afghanistan nützlich für mehr Flexibilität bei der Aufklärung; je flexibler und präziser die Aufklärung, desto besser. Allerdings muss man ehrliÂcherweise dazusagen, dass auch in Militärkreisen die Dringlichkeit des Tornados für die Sicherheit von ISAF, gelinde gesagt, strittig ist. Es ist aber eine VerharmÂlosung, wenn der Tornadoeinsatz nur als Hilfs- und Schutzeinsatz beschrieben wird. Natürlich hat er diese Teilfunktion. Vor allem im Süden hat er aber selbstverÂständlich auch die Teilfunktion der KampfunterstütÂzung. Das lässt sich nicht bestreiten.
Für mich und meine Fraktion ist klar - das ist keine Grundsatzfrage -, dass in Afghanistan an verschiedenen Stellen gekämpft werden muss. Die Frage ist allerdings, wie und nach welcher Strategie die Kämpfe dort ablauÂfen. Dazu muss man zur Kenntnis nehmen, was ein hochangesehener Thinktank aus London, das Senlis Council, zweimal in Studien gesagt hat, zuletzt in dieÂsem Februar: Es habe im Süden - bezogen auf die ProÂvinzen Helmand und Kandahar - „mehr Zerstörung als Aufbau" gegeben, und es wurden „Freunde verloren und Feinde gewonnen". - Hierzu muss die Bundesregierung etwas sagen. Bis heute Vormittag konnte die BundesÂregierung dazu nichts sagen. Ich möchte sehr, dass sie diese Aussagen widerlegen kann. Das ist ein wichtiger Kontext für den Einsatz der Tornados.
Ein anderer Punkt ist der Strategiewechsel. Seit mehr als einem halben Jahr wird dieser gefordert. Es geht um die Gewichtung der militärischen und der zivilen Säule, es geht um Koordination und Kohärenz. Auf dem NATO-Gipfel wurde dies ebenfalls beschworen. Wenn man genauer hinschaut, muss man feststellen, dass die Umsetzung dieses Strategiewechsels in Trippelschritten erfolgt, wo die Zeit enorm drängt.
(Beifall bei Abgeordneten des BÃœNDNIS-SES 90/DIE GRÃœNEN)
Es ist gut, dass das Schlüsselprojekt Polizeiaufbau jetzt mit der EU läuft. Aber wir müssen - anders als bisÂher - den Anspruch an den Herausforderungen messen. Bezogen auf die Herausforderungen geschieht hier noch viel zu wenig.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN und bei der FDP)
Die Drogenbekämpfung läuft ungebremst kontraÂproduktiv mit dem Vorrang für die Felderzerstörung. SoÂlange in diesen Fragen keine Klarheit über die richtige Richtung herrscht und solange kein deutlicher StrategieÂwandel glaubwürdig gemacht wird, so lange kann ich eine Zustimmung nicht empfehlen.
Vor fünf Monaten hatten wir 14 Parlamentarierinnen aus Afghanistan hier. Ich wiederhole, was ich denen daÂmals gesagt habe: Erstens. Wir wissen, warum wir in Afghanistan sind. Zweitens. Wir lassen Sie nicht im Stich. Drittens. Wir versprechen, dass wir die notwendiÂgen Strategieänderungen forcieren. - Sie haben gehört, dass wir in unserer Fraktion bezogen auf den Einsatz der Tornados uneinig sind. Aber bezogen auf diese BotÂschaft - und das ist unser Wille - sind wir uns sehr einig, ich glaube, auch mit dem größten Teil dieses Hauses.
Danke.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Christian Ruck [CDU/CSU])
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: