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Informationen zur 2. Verlängerung des UNMIS-Mandats (Süd-Sudan)

Veröffentlicht von: Webmaster am 4. April 2006 18:37:02 +01:00 (73423 Aufrufe)
Winfried Nachtwei hat die Bundestagsdebatte über den Antrag der Bundesregierung auf eine zweite Verlängerung der deutschen Beteiligung an UNMIS zum Anlass genommen, im Folgenden seine Position und die der grünen Bundestagsfraktion noch einmal zusammenzufassen:

 

Informationen zur 2. Verlängerung des UNMIS-Mandats (Süd-Sudan)

(Winni Nachtwei, 4.4.2006)

Die Bundesregierung wollte wie schon im Oktober 2005 die nun zweite Verlängerung der deutschen Beteiligung an UNMIS vom Bundestag nach dem vereinfachten Verfahren genehmigen lassen. Das wäre angesichts des geringen Umfangs des deutschen Anteils und des unveränderten Mandats in Ordnung gewesen. Auf Verlangen der Linksfraktion wird der Antrag am 7. April im Bundestag diskutiert und abgestimmt. Dass damit nach einem Jahr der wichtige Friedensprozess im Süd-Sudan im Parlament zur Sprache kommt, ist gut. Zugleich wird die Bundestagsdebatte ein erneuter Testfall für die UN-Treue und Friedensfähigkeit der Linksfraktion. Der letzte Testfall war die Debatte um die deutsche Beteiligung an der zweiten Friedensmission im Sudan (AMIS in Darfur) am 16. Dezember, als sich immerhin 14 Mitglieder der Linksfraktion der Stimme enthielten und Lafontaine nicht teilnahm.

(1) Völkerrechtliche Grundlage der UN-Mission im Sudan (UNMIS) sind die UN-Sicher-heitsratsresolutionen vom 24.3.2005 und 24.3.2006. Die UNMIS-Friedensmission soll die Umsetzung des Friedensvertrages von Nairobi absichern und unterstützen, der am 9. Januar 2005 zwischen den Konfliktparteien geschlossen wurde. Damit soll der längste, mit Unterbrechungen seit 1956 (!) dauernde Bürgerkrieg Afrikas, dem ca. 2 Millionen Menschen zum Opfer fielen, nachhaltig beendet werden. Im Süd-Sudan wütet auch die berüchtigte „Lord Resistance Army" aus Nord-Uganda. Die Mission ist auf sechs Jahre bis zu einem Referendum über Sezession oder Verbleib in einem Gesamtsudan angelegt. Das Mandat wird alle sechs Monate überprüft.

(2) Aufgaben von UNMIS sind: Überwachung des Friedensabkommens, Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration ehemaliger Kämpfer; Unterstützung anderer UN-Projekte; Unterstützung der ehemaligen Konfliktparteien beim humanitären Minenräumen; Hilfe beim Aufbau einer Zivilpolizei; Beratung und Unterstützung der AU-Mission AMIS in Darfur. UNMIS ist für den ganzen Sudan mandatiert, Schwerpunktgebiet ist der Süd-Sudan. Aufgabe der unbewaffneten Militärbeobachter ist die Überwachung militärischer Bewegungen und des Friedensabkommens. Sie werden von UNMIS-Truppen geschützt.

Die Afrikanische Union hat am 10. März einem Übergang der AU-Mission AMIS in Darfur zu UNMIS „im Prinzip" zugestimmt.

(3) UNMIS ist nach Kapitel VII der UN-Charta „robust" mandatiert: Damit ist UNMIS grundsätzlich befugt, über bloße Selbstverteidigung hinaus unter klar festgelegten Bedingungen der Rules of Engagement Zwangsmaßnahmen auch einzusetzen zum Zweck der Nothilfe oder zur Durchsetzung des Auftrags (defence of mission). „Robuste" Mandatierung und Ausstattung von Friedensmissionen ist die Konsequenz vor allem aus den Erfahrungen von Bosnien und Ruanda, wo UN-Blauhelme sich nicht durchsetzen konnten, ja vergeiselt wurden und nicht zur Nothilfe in der Lage waren. Diese Konsequenz wurde ausdrücklich im „Brahimi-Report" an den UN-Generalsekretär im Jahr 2000 bekräftigt. Inzwischen sind robust mandatierte Friedeneinsätze die Regel (seit 1999 sieben der acht mandatierten Einsätze). Insgesamt stabilisieren die UN-Missionen einen Lebensraum von mehr als 200 Millionen Menschen.

Wer wie die Linksfraktion grundsätzlich UN-Mandate nach Kapitel VII ablehnt (Grundsatzbeschluss des Münsteraner Parteitags von 2000), verweigert sich damit der Grunderfahrung von UN-Peacekeeping und klinkt sich aus dem zentralen Feld der UN-Friedenssicherung aus. Konsequenterweise müsste dann aber auch der deutsche Beitrag zu UNMIS (in 2006 71,844 Mio. Euro) gestrichen werden.

(4) UNMIS besteht aus bis zu 10.000 Soldaten incl. 750 Militärbeobachtern, 715 Polizisten, 1.018 internationalen und 2623 nationalen Zivilangestellten sowie 214 UN Volunteers. Bisher hat die Mission 80% ihres Soll erreicht. Zur militärischen Komponente tragen 61 Länder bei (Indien, Pakistan, Bangladesh jeweils mit über 1.000 Mann; außerdem z.B. Australien, Benin, Brasilien, Kambodscha, China, Finnland, Indien, Kirgistan, Mali, Mongolei, Mozambik, Namibia, Russland, Sri Lanka, Schweden, Schweiz, Jemen, Zimbabwe), zur polizeilichen tragen 30 Ländern bei. Die politische Führung von UNMIS besteht aus einem Niederländer, einem Äthiopier und einem Mozambiquaner. Militärkommandeur ist ein Inder, Polizeikommandeur ein Brite.

(5) Der deutsche Beitrag besteht aus bis zu 75 Soldaten (Mandatshöchstgrenze), die Regelstärke soll bei 50 Militärbeobachtern liegen. Zzt. sind 22 deutsche Militärbeobachter und 6 Stabsoffiziere bei UNMIS. Deutschland liegt damit an der 16. Stelle der UNMIS-Truppen-steller - hinter Zimbabwe, Nigeria, China, Russland. (Bei UN-geführten Missionen liegt Deutschland insgesamt an 37. Stelle!)

(6) Die Position der PDS/Linksfraktion: Der Bundestag billigte am 22. April 2005 bei Einstimmigkeit der Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen, bei drei Gegenstimmen aus der FDP und zehn Enthaltungen die deutsche Beteiligung an UNMIS.

Der PDS-Parteivorstand billigte die - erstmalige - Enthaltung der PDS-Abgeordneten bei einem Auslandseinsatz der Bundeswehr. Bisky: „Der Blauhelmeinsatz im Süd-Sudan ist völkerrechtlich abgesichert, politisch begründet und moralisch geboten. Einen solchen Einsatz wird und kann die PDS nicht ablehnen. Diese Entscheidung entspricht dem PDS-Verständnis, Gewalt und Abdrohung von Gewalt aus der Politik zu verbannen." In der PDS stieß diese Position auf scharfen Widerspruch - angeführt von Sarah Wagenknecht und Tobias Pflüger. Deren Hauptargumente sind (a) die grundsätzliche Absage an Kapitel-VII-Einsätze, (b) der Vorwurf, der „Friedensprozess" in seiner jetzigen Form sei zwangsläufig zum Scheitern verurteilt, er habe einzig das Ziel, „im Sudan optimale Bedingungen für die Wahrung deutscher und US-amerikanischer Interessen zu schaffen." (Jürgen Wagner/IMI: Deutsche Sezessionshilfe im Sudan schürt Bürgerkrieg, August 2005) Als „Beleg" wird dabei vor allem der Großauftrag für die Firma Thormählen Schweißtechnik/Bad Oldesloe genannt, die eine 4.100 km lange Eisenbahnlinie von den Ölfeldern des Süd-Sudan mit Abzweigungen nach Uganda und Kenia bauen soll und außerdem beim Aufbau der Energieerzeugung, der Nilschifffahrt, der Telekommunikation, einer Fluggesellschaft, einer neuen Hauptstadt für den Süd-Sudan Großprojekte leiten soll.

Gesine Lötzsch begründete in der Bundestagsdebatte, warum die beiden PDS-Abgeordneten dem Mandat nicht zustimmen konnten: Die Aufgabenbeschreibung der Soldaten sei zu ungenau, die PDS sei - weil nicht in der Obleuterunde vertreten - bezüglich einer eventuellen Entsendung der dt. UNMIS-Soldaten außerhalb des Schwerpunktgebietes (nach Darfur) aus der Kontrolle ausgeschlossen. Diese Hinderungsgründe sind inzwischen nicht mehr gegeben, die Linksfraktion sitzt jetzt mit in allen Kontrollgremien. Einer Zustimmung zu UNMIS dürfte jetzt eigentlich nichts mehr im Wege stehen.

Gerade Lafontaine tut sich seit Monaten mit demagogischen Angriffen auf die „völkerrechtswidrigen Kriege von Rot-Grün" hervor und betont immer wieder die Ablehnung völkerrechtswidriger Kriege durch die Linksfraktion. Abgesehen davon, dass Lafontaine als Mitglied der Bundesregierung und SPD-Vorsitzender 1998/1999 allen Kabinettsbeschlüssen zum Bundeswehreinsatz im Kosovo zustimmte - jetzt muss er sich zu einer Friedensmission verhalten, die völkerrechtlich völlig korrekt und politisch wie humanitär äußerst dringlich ist.

Die Debatte und Abstimmung am Freitag wird somit zu einem Testfall für die UN- und Friedensfähigkeit der Linksfraktion!


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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