Wenn Putin, wie jüngst geschehen, von der „WiederÂauferstehung" der russischen Armee redet, mag man das als Innenpolitik oder Wahlkampfmanöver abtun. Wir fürchten, das ist mehr. Die politische und militärische Führung Russlands hat in den vergangenen Monaten wiederholt Signale gesendet, dass sie gewillt ist, zu einer konfrontativeren Politik gegenüber dem Westen zurückÂzukehren. Die verbale und ideologische Aufrüstung ist vor dem Hintergrund der geplanten Stationierung ameriÂkanischer Raketenabwehrsysteme in Polen und TscheÂchien sowie dem immer weiteren Heranrücken der NATO an Russland in vollem Gange. Auch im militäriÂschen Bereich hat die russische Führung in den verganÂgenen Wochen die Muskeln demonstrativ spielen lassen.
Solche Drohgebärden sind kontraproduktiv. Sie könÂnen das fragile Gebäude der Rüstungskontrolle und AbÂrüstung weiter zum Einsturz bringen. Es ist kein GeÂheimnis, dass es in den USA, bei europäischen NATO-Partnern und in der Bundesregierung durchaus Kräfte gibt, die die vertragliche Rüstungskontrolle und AbrüsÂtung als Fessel empfinden und abstreifen wollen. Die im Dezember 2001 erfolgte ersatzlose Aufkündigung des ABM-Vertrags vonseiten der Bush-Administration war dabei ein Dammbruch. Putin hat sich diesem Ansinnen nicht widersetzt. Im 2002 geschlossenen Moskauer VerÂtrag über den Abbau strategischer Offensivwaffen haben Bush und Putin auf ein Verifikationssystem verzichtet. Die USA haben im Mai dieses Jahres angekündigt, den 1991 unterzeichneten START-Vertrag 2009 auslaufen zu lassen. Russland hat signalisiert, dass es damit keine nennenswerten Probleme hat und sich mit einem weniÂger formalisierten Folgeabkommen abfinden könnte.
Die Drohungen aus Russland, gegebenenfalls auch den Mittelstreckenraketenvertrag aus dem Jahr 1987 zu kündigen, haben auf amerikanischer Seite niemanden beeindruckt. Dort ist man anscheinend bereit, die AufÂkündigung dieses historischen Vertrages in Kauf zu nehÂmen. Das Risiko für die USA wäre - im Gegensatz zu Europa - minimal. Abrüstungspolitisch bewegen wir uns damit in Richtung der Vor-Gorbatschow-Ära. Dies kann nicht das Interesse Deutschlands und der EU sein. Wir dürfen nicht zulassen, dass die multilaterale RüstungsÂkontrolle an die Wand gefahren wird.
Der Antrag der Regierungsfraktionen verspricht, die Krise des KSE-Vertrages durch neue Impulse beenden zu wollen. Diese Impulse bleiben Sie schuldig. Sie schieben den Schwarzen Peter Russland zu. Wir sollten nicht so tun, als wäre der KSE-Vertrag erst per Dekret aus Moskau in die Krise geraten. Wir sollten nicht so tun, als hätte es die NATO-Erweiterung 2004 nicht gegeÂben und als würden Georgien und die Ukraine nicht an der Pforte der NATO auf Einlass warten. Wir sollten auch nicht so tun, als würden Militärbasen in Rumänien und Bulgarien oder die Stationierung von RaketenabÂwehrsystemen in Europa russische Sicherheitsinteressen nicht berühren. Der Westen hat durch das Verschleppen der A-KSE-Ratifizierung an der Krise des KSE-Regimes eine nicht unwesentliche Mitverantwortung. Wir müssen einen wesentlichen Teil der Kritik Russlands ernst nehÂmen und nach Wegen suchen, wie wir zu einer vertrauÂensvollen Zusammenarbeit zurückkehren können.
Es mag im Jahr 2000 gute Gründe gegeben haben, warum man bei der NATO auf die vorherige Erfüllung der sogenannten Istanbul-Verpflichtungen beharrt hat. Die Lage hat sich in den vergangenen sieben Jahren, zum Beispiel durch den 11. September oder durch die NATO-Erweiterung in vielfacher Hinsicht substanziell verändert. Russland hat Schritte zur Erfüllung der IstanÂbul-Verpflichtungen in die Wege geleitet. Die müssen umgesetzt und abgeschlossen werden. Die grundsätzliÂche Blockadehaltung der NATO ist für uns nicht mehr nachvollziehbar.
An der restlichen Implementierung der Istanbul-VerÂpflichtungen darf die Ratifizierung des A-KSE-Vertrages nicht scheitern. Wir sind der Auffassung, der Vertrag muss jetzt unverzüglich ohne Wenn und Aber ratifiziert werden. Gleichzeitig sollte ein Prozess in die Wege geÂleitet werden, wie die seit 1999 neu hinzugekommenen Fragen der konventionellen Rüstungskontrolle im geÂgenseitigen Einvernehmen gelöst werden können. Wir können die Rüstungsobergrenzen ohne SicherheitsverÂlust weiter senken und auf andere Waffenkategorien ausÂweiten. Der NATO-Russland-Rat und die OSZE haben ihr Kooperationspotenzial im Rüstungskontrollbereich noch nicht ausgeschöpft.
Wir haben zur Kenntnis genommen, dass AußenmiÂnister Steinmeier in den vergangenen Monaten Schritte unternommen hat, um den Streit um die Ratifizierung des A-KSE-Vertrags zu entschärfen und den Dialog in Gang zu halten. Wir haben den Eindruck: Dem AußenÂminister und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es ernst. Sie sind daran interessiert, den A-KSE zum Erfolg zu führen. Unsere Unterstützung haben Sie.
Gleichzeitig haben wir Zweifel, ob die UnionsfraktioÂnen tatsächlich an einem Erfolg des Außenministers inÂteressiert sind. Zum wiederholten Male versagt die Union dem Außenminister und dem Koalitionspartner in Abrüstungsfragen die Unterstützung. Wer die BundesreÂgierung nicht dabei unterstützt, unverzüglich den RatifiÂzierungsprozess einzuleiten, nimmt das Scheitern des KSE-Regimes billigend in Kauf. Was die RegierungsÂkoalition als Antrag vorlegt, ist daher ein ArmutszeugÂnis. Viel deutlicher kann man den Außenminister nicht im Regen stehen lassen.
Der Vorschlag der FDP, den Vertrag in Deutschland zu ratifizieren, die Ratifizierungsurkunde aber nicht zu hinterlegen, ist nicht neu. Vor sieben Jahren wäre das eine gute, vor sieben Monaten eine noch denkbare OpÂtion gewesen. Heute, so befürchte ich, hilft uns dieser Trippelschritt nicht mehr weiter. Für solche Spielchen ist keine Zeit mehr. Entweder wird der A-KSE-Vertrag schnellstmöglich ratifiziert und weiterentwickelt, oder das KSE-Regime wird in wenigen Monaten der GeÂschichte angehören und zu Grabe getragen - mit allen Unwägbarkeiten für die Rüstungskontrolle insgesamt.
Der angepasste KSE-Vertrag schafft bessere VerifikaÂtionsbedingungen, senkt die Obergrenzen und ermögÂlicht zum Beispiel auch den überfälligen Beitritt anderer europäischer Staaten. Die Ratifizierung des angepassten KSE-Vertrages war in Russland 2004 nicht unumstritten. Sie war ein Vertrauensvorschuss an den Westen, den wir jetzt, in dieser kritischen Phase, erwidern sollten. Gehen wir einen großen Schritt auf Russland zu. Stärken wir dem deutschen Außenminister bei dieser schwierigen Mission den Rücken. Lassen Sie uns in Deutschland den A-KSE-Vertrag unverzüglich ratifizieren und damit auch ein Zeichen für andere NATO-Partner setzen. Sorgen wir dafür, dass das System der konventionellen RüstungsÂkontrolle in Europa erhalten und weiter ausgebaut wird. Dafür werben wir in unserem Antrag.
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
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