Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Winfried Nachtwei von Bündnis 90/Die Grünen.
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Jahren beschloss der UN-Sicherheitsrat die StärÂkung der schon bestehenden Libanon-Mission UNIFIL. Dieses war damals unbedingt notwendig, um den WafÂfenstillstand abzusichern und die israelische See- und Luftblockade aufzuheben. Damals gab es - daran wurde heute auch schon von einigen erinnert - erhebliche BeÂdenken. Heute können wir feststellen - das hat sich im letzten Jahr schon angebahnt -:
Erstens. Die Libanon-Mission UNIFIL hat ihren AufÂtrag der Waffenstillstandsabsicherung voll erfüllt.
(Beifall bei Abgeordneten des BÃœNDNIS-SES 90/DIE GRÃœNEN und der SPD)
Auf der Seeseite hat sie ebenfalls ihren Auftrag erfüllt: Seit einiger Zeit können wieder Seeverkehr und SeehanÂdel wie vor dem Krieg stattfinden. Die Bedenken, die es damals gegeben hat, haben sich nicht bewahrheitet; das kann man überprüfen. Deutschland hat sich nämlich sehr wohl als neutraler Beteiligter dieser UN-Mission erwieÂsen. Die Reaktionen von allen Konfliktparteien belegen das eindeutig.
Zweitens. Provokative Ãœberflüge seitens der israeliÂschen Luftwaffe, die es anfangs immer wieder gegeben hat, sind seit vorigem Jahr auf der Seeseite nicht mehr vorgekommen. Die entsprechenden WaffenstillstandsÂbrüche auf Landseite gibt es allerdings weiterhin.
Drittens. Die Einsatzregeln, mit denen sich Kollegin Homburger damals ja sehr intensiv vom Feldherrnhügel des Parlaments aus beschäftigt hat, haben sich eindeutig bewährt. Sie waren richtig für den Ansatz der UnterstütÂzung, den wir verfolgten. Es handelte sich ja nicht um eiÂnen Protektoratseinsatz.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
Viertens. Bezüglich der Befürchtungen in Richtung Iran, die auch bei uns im Hintergrund standen, kann man eindeutig festhalten: Es gab keinen militärischen FlankenÂschutz für irgendwelche Drohgebärden oder Aufmärsche gegen den Iran. Im Gegenteil: Wir können feststellen, dass im Laufe dieser zwei Jahre eine schrittweise ReduÂzierung unseres Marinekontingentes möglich wurde.
Zugleich ist die zweite Aufgabe, die in der ÖffentlichÂkeit kaum wahrgenommen wird, nämlich die AusbilÂdungs- und Ausrüstungshilfe, um die Libanesen selbst in die Lage zu versetzen, ihre Territorialgewässer zu schütÂzen, sehr gut gelaufen. Diese Aufgabe spielte für unsere Marineeinheiten bei der UNIFIL-Mission eine so große Rolle wie bei noch keinem anderen Einsatz bisher. Das heißt, solche Maßnahmen haben dazu beigetragen, dass es hier tatsächlich eine reale Exit-Perspektive gibt.
(Beifall bei Abgeordneten des BÃœNDNIS-SES 90/DIE GRÃœNEN und der SPD)
Die UNIFIL-Beteiligung ist notwendig, verantwortÂbar und erfolgreich, aber selbstverständlich nicht hinreiÂchend zur Stärkung des gesamten Friedensprozesses und selbstverständlich auch nicht hinreichend zur kompletten Absicherung des Waffenstillstandes. Dazu würde gehöÂren, den Waffenschmuggel ganz unter Kontrolle zu bekommen. Die Bundesregierung hat hierbei vor zwei Jahren eine wichtige Aufgabe übernommen, indem sie verantwortlich beim Grenzmanagement mitwirkt. Leider muss ich in der FAZ vom 5. Juni dieses Jahres lesen, dass es mit diesem Ansatz vor Ort äußerst trübe aussieht und dass dieser wichtige Anteil vom Scheitern bedroht ist. Mich erinnert das sehr an die europäische Polizeimission in Kabul.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)
Hier, meine Herren Minister - da ist natürlich der AuÂßenminister gefragt oder vielleicht einmal der InnenÂminister -, wären von Ihnen klare Worte zu der jetzigen Situation gefragt und dazu, wie man aus dem SchlamasÂsel herauskommen will.
Ich habe sehr deutlich in Erinnerung, dass die FDP und die Linke sehr für die Stärkung der Vereinten NatioÂnen sind; die anderen Fraktionen auch, aber Sie haben das immer betont.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wir besonders!)
Vor dem Hintergrund kann ich nicht verstehen, wie Sie einer deutschen Beteiligung an einer von den Vereinten Nationen geführten Mission mit einer sehr bunten ZuÂsammensetzung - Chinesen sind dabei, Indonesier usw. - die rote Karte zeigen können,
(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
wo doch diese Mission für das weitere Einhalten des Waffenstillstandes offenkundig dringend notwendig, verantwortbar und erfolgreich ist. Das haben Sie übriÂgens in Ihren Reden heute in keiner Weise zeigen könÂnen.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: