Ich gebe das Wort dem Kollegen Winfried Nachtwei, Bündnis 90/Die Grünen.
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen begrüßt ausdrücklich die heute zu beschließende Erhöhung des Wehrsolds. Dies verdient Anerkennung für die Verteidigungspolitiker der Koalition, die die Haushaltspolitiker und das Ministerium dazu gebracht haben, zuzustimmen. Mein Glückwunsch geht aber vor allem an die organisierten Vertreter der Wehrpflichtigen.
Im Juni 2006 beschloss das Parlament der Wehrpflichtigen des Deutschen Bundeswehr-Verbandes genau diese Forderung nach 2 Euro mehr Wehrsold. Diese Forderung wurde dann Anfang vorigen Jahres als Petition mit damals 4 750 Unterschriften in den Bundestag eingebracht; inzwischen sind es 29 000 Unterzeichner. Das sollte man in der Tat ansprechen; Frau Kollegin Homburger hat das vorhin ebenfalls getan. Die beiden besonderen Fürsprecher dieses Anliegens, nämlich Andreas Ahammer und Stephan Nachtigall, haben hierbei eine hervorragende Überzeugungsarbeit geleistet. In der Tat können diese jungen Leute anhand dieses Beispiels sagen: Es lohnt sich, für eine Sache zu kämpfen, man kann auch etwas erreichen. Deshalb geht mein Glückwunsch an diese beiden jungen Menschen.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)
Zugleich muss ich mein Bedauern darüber aussprechen, dass es überhaupt dieses Druckes bedarf und dass es zu dieser Erhöhung erst so spät gekommen ist. Rot-Grün hatte bis 2005 Verantwortung.
(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Eben!)
Das heißt, meine Worte sind auch eine Kritik an der fehlenden Bereitschaft der damaligen Koalition, dies umzusetzen.
Im Gesetzentwurf heißt es:
Das konsequente Festhalten an dem Bestehen der allgemeinen Wehrpflicht verpflichtet dazu, den jungen Soldaten, die ... einen wichtigen Dienst für unser Land erbringen, nach neun Jahren eine Anpassung des Wehrsolds zu gewähren.
Diese Formulierung scheint mir ironisch gemeint zu sein.
(Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])
Angesichts der enormen Verzögerung der anstehenden Wehrsolderhöhung und der schon mehrfach angesprochenen geringfügigen „Höhe" des Wehrsoldes wird einem klar, dass das das nicht wirklich ernst gemeint sein kann. An dem Umgang der Politik mit dem Wehrsold zeigt sich de facto eine Geringschätzung der Wehrpflichtigen.
Die Bundesregierung nimmt für sich in Anspruch, an der allgemeinen Wehrpflicht festzuhalten. Herr Minister, dafür verwenden Sie bei der Bundeswehr allerdings alle möglichen Tricks. Einige Belege dafür: Vor zehn Jahren wurden 13,3 Prozent der Wehrpflichtigen als untauglich gemustert. Vor fünf Jahren waren es 16,9 Prozent. Und wie viele waren es im ersten Halbjahr des letzten Jahres? 42,2 Prozent! Einen solchen Niedergang der Gesundheit und des körperlichen Zustandes junger Männer gibt es wahrhaftig nicht.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN und bei der FDP)
Daran sieht man, wie hier manipuliert wird und wie es um die Glaubwürdigkeit der Aussage „Wir halten an der allgemeinen Wehrpflicht fest!" steht. Dieses sogenannte Festhalten ist zutiefst unglaubwürdig. Abgesehen davon ist es auch sicherheitspolitisch ein Anachronismus.
Wie unglaubwürdig diese Aussage ist, hat sich - das ist interessant - auch am vergangenen Montag bei der Kommandeurtagung der Bundeswehr gezeigt. Kanzlerin und Minister bekannten sich dort ganz selbstverständlich - das gehört sozusagen zum Redenarsenal von Ministern und Kanzlern - zur allgemeinen Wehrpflicht.
(Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister: Jawohl!)
- Jawohl. -
(Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Donnernder Applaus!)
Welches Echo kam von den Generalen, die sicherlich die stärkste Gruppe der Sympathisanten der allgemeinen Wehrpflicht darstellen? Keine Hand rührte sich - im Unterschied zu der Kommandeurtagung vor drei Jahren. Als der Bundespräsident damals ein Bekenntnis zur allgemeinen Wehrpflicht abgelegt hat, gab es kräftigen Beifall - jetzt aber nicht mehr. Das heißt, die Generale kaufen Ihnen Ihr Bekenntnis schlichtweg nicht mehr ab.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN, bei der FDP und der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])
Zurück zum Wehrsold. Der heutige Beschluss zur Wehrsolderhöhung ist, wie gesagt, erfreulich. Er ist aber kein Grund zur Selbstzufriedenheit. Vonseiten der Opposition, aber auch vonseiten der SPD ist bereits gesagt worden, dass eine Dynamisierung der Anpassung und Entwicklung des Wehrsoldes eine Selbstverständlichkeit sein müsste. Bis zur nächsten Wehrsolderhöhung dürfen nicht noch einmal neun Jahre vergehen. Ich meine aber, dass es so oder so keine neun Jahre dauern wird; denn vorher wird die in der Tat völlig unglaubwürdige Wehrpflicht durch ein sinnvolles System einer Freiwilligenarmee abgelöst. Da bin ich mir sehr sicher. Diesbezüglich habe ich die Unterstützung der Opposition und erheblicher, „heimlicher" Teile der Koalition.
Danke.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE])
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
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