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Zivile Konfliktbearbeitung und Friedensförderung

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Zivile Konfliktbearbeitung: Anhängsel, Vorrang, Globalalternative? Dazu mein Beitrag "Zivile Konfliktbearbeitung im Kontext vernetzter Sicherheit"

Veröffentlicht von: Nachtwei am 9. Februar 2020 00:29:15 +01:00 (31703 Aufrufe)

Der Beitrag geht zurück auf einen Input, den ich an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidelberg (FEST) im Rahmen eines Konsultationsprozesses zum Thema "Orientierungswissen zum gerechten Frieden" hielt. Hierbei setze ich mich auch mit dem Szenario "Sicherheit neu denken" aus der Evangelischen Landeskirche Baden auseinander.   

Welchen Stellenwert hat zivile Konfliktbearbeitung/ZKB (Prävention, Konfliktbewältigung, Friedenskonsolidierung) im Rahmen einer Außen- und Sicherheitspolitik, die Friedenspolitik sein und ressort- und akteursübergreifend vernetzt wirken soll:

  • ist sie ein zentraler und prioritärer Ansatz (wie in den kirchlichen Friedensdenkschriften)?
  • ein gleichrangiges oder nachgeordnetes Element im Kontext vernetzter Sicherheit?
  • oder eine Globalalternative zur bisherigen, militärgestützten Außen- und Sicherheitspolitik (pazifistischer Ansatz wie bei dem Szenario „Sicherheit neu denken“ aus der Evangelischen Landeskirche Baden)?

Hierzu mein Beitrag 

Zivile Konfliktbearbeitung im Kontext vernetzter Sicherheit

Winfried Nachtwei

erschienen in „Friedensethische Prüfsteine ziviler Konfliktbearbeitung, hrsg. von

Ines-Jacqueline Werkner/Heinz-Günther Stobbe, Politische-ethische Herausforderungen, Band 7, Springer VS, Wiesbaden 2020, S. 109-129

Gliederung des Beitrags

(1) Vorbemerkung

(2) Entwicklungsphase der zivilen Konfliktbearbeitung in Deutschland

(3) Der Ansatz der vernetzten Sicherheit

(4) Der Grundgedanke des bestmöglichen Zusammenwirkens

(5) Zivile Konfliktbearbeitung: Anhängsel, Vorrang, Globalalternative?

(6) Alternative? Möglichst oft!

(7) Globalalternative?

(8) Gewaltverhütung und Friedensförderung durch vernetztes Handeln

Beiträge und AutorInnen des Bandes https://www.springer.com/de/book/9783658286408

 (1) Vorbemerkung

Zur zivilen Konfliktbearbeitung kann ich nicht als Wissenschaftler, sondern als friedens- und sicherheitspolitisch seit rund fünfzig Jahren Engagierter Stellung nehmen. Meine für das heutige Thema zentralen Erfahrungskontexte sind:

  • Der Protest gegen den Vietnamkrieg und Solidarität mit antikolonialen Befreiungsbewegungen, vor allem Namibia, in den 1970er Jahren,
  • intensive nachträgliche Kriegsbegegnungen in meiner Tätigkeit als Geschichtslehrer, wo die Behandlung des Menschenschlachthauses 1. Weltkrieg („Im Westen nichts Neues“, „Heeresbericht“) immer eine besonders prägende Unterrichtsphase war,
  • die Friedensbewegung der 1980er Jahre, die Auseinandersetzung mit dem atomaren Wettrüsten, die Suche nach Alternativen der Sicherheitspolitik (der Bundeskongress Soziale Verteidigung 1988 in Minden als ein zentraler Startpunkt), die Mitwirkung beim Aufbau einer Infrastruktur Zivile Konfliktbearbeitung auf Bundesebene, die Mitarbeit im Beirat Zivile Krisenprävention der Bundesregierung seit 2005,
  • -meine Spurensuche und Erinnerungsarbeit ab 1988 zum Vernichtungskrieg im Osten (Weißrussland, Baltikum, Polen), zu den Deportationen in das Rigaer Ghetto, zu Polizeibataillonen und Wehrmachtsverbänden, Solidarität mit Ghetto- und KZ-Überlebenden, Unterstützung des Deutschen Riga-Komitees in Kooperation mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Erinnerungsarbeit zum doppelten „Nie wieder!“ sowie
  • als Mitglied des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages und des Unterausschusses Abrüstung (1994 bis 2009) war ich beteiligt an den Entscheidungsprozessen zu allen deutschen Kriseneinsätzen in diesem Zeitraum, ihrer Kontrolle und Wirkungsbeobachtung (70 Mandatsentscheidungen, ca. 40 Besuche in Konfliktgebieten) – immer mit ressortübergreifender Perspektive, also der Einbeziehung der diplomatischen, polizeilichen und entwicklungspolitischen Komponenten und Friedensfachkräfte. Bei Bundeswehrsoldaten erlebte ich meist eine bemerkenswert unmilitaristische Grundhaltung. Die ressortübergreifende Perspektive verfolge ich bis heute weiter in den Beiräten Zivile Krisenprävention, Innere Führung beim Verteidigungsministerium (Leiter der AG „Einsatzrückkehrer und -folgen“), im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) und bei der Begleitung Internationaler Polizeimissionen.

(2) Entwicklungsphasen der zivilen Konfliktbearbeitung in Deutschland

Wesentliche Initiativen und Vorschläge zur Zivilen Konfliktbearbeitung kamen in den 1990er Jahren aus der Friedensforschung und Teilen der Friedensbewegung. Ein zentraler Ort des Diskurses zur zivilen Konfliktbearbeitung war die Evangelische Akademie Loccum mit den Studienleitern Jörg Calließ und Marcus Schaper, oft in Kooperation mit der Plattform zivile Konfliktbearbeitung.[1]

Der Fokus des neuen, über traditionelle Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit hinausgehenden Politikfeldes lag auf  innerstaatlichen Konflikten, der Schwerpunkt bei der operativen, kurz- und mittelfristigen Krisen- und Gewaltprävention (zu unterscheiden von der strukturellen, langfristigen Krisenprävention, die mit Klima- und Umweltpolitik, internationaler Handels- und Wirtschaftspolitik, Steuer- und Sozialpolitik etc. kaum noch einzugrenzen ist).

Angesichts der Kriege und Konflikte auf dem Balkan wurde offenkundig, wie dringlich neue Ansätze und Instrumente einer friedlichen Konfliktbearbeitung über traditionelle Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit hinaus waren: Nach dem Friedensabkommen von Dayton 1995 und angesichts der Verhärtungen in der politischen Führung der Konfliktparteien wurde gesellschaftliche Entfeindung von unten hochaktuell. Bei der Kosovo Verification Mission (KVM) der OSZE ab Herbst 1998 zeigten sich die erheblichen Wirkungsmöglichkeiten, aber auch die Rekrutierungsprobleme und Ausbildungsdefizite  dieser bisher bei weitem größten OSZE-Beobachtermission (laut Mandat bis zu 2000 Personen). Nachdem ein erster Anlauf von Abgeordneten der SPD, Grünen, CDU und FDP für einen Zivilen Friedensdienst am Widerspruch des CSU-Entwicklungsministers Spranger abgeprallt war, eröffneten sich neue Fenster der Gelegenheiten mit rot-grünen Koalitionen in NRW (1995) und auf Bundesebene (1998). Gefördert von der NRW-Landesregierung startete 1997 ein erster Ausbildungsgang für Zivile Konfliktbearbeitung. Gemäß der Koalitionsvereinbarung von SPD und Grünen auf Bundesebene wuchs in den Folgejahren eine Infrastruktur Zivile Konfliktbearbeitung.[2] Ihre Säulen wurden der Zivile Friedensdienst (ZFD) für gesellschaftliche Verständigung von unten, das Zentrum Internationale Friedenseinsätze (ZIF) zur Ausbildung und Bereitstellung von Zivilexperten für internationale (staatliche) Friedensmissionen, die Förderung von Krisensensibilität in der Entwicklungspolitik, die Gründung der Deutschen Stiftung Friedensforschung, die AG Frieden und Entwicklung (FriEnt), das Projekt ZIVIK und die verstärkte Beteiligung an Internationalen Polizeimissionen bzw. -projekten.

Angestoßen durch die Erfahrungen des Kosovokrieges beschloss der Europäische Rat von Feira (2000) den Aufbau ziviler Fähigkeiten und Instrumente im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Engagierte Abgeordnete verankerten in der Koalitionsvereinbarung 2002 das Vorhaben eines Aktionsplans Zivile Krisenprävention mit der Intention, die Ansätze und Instrumente der Vgl. zivilen Konfliktbearbeitung umfassend und systematisch zu stärken. Aufgeschlossene Beamte im Auswärtigen Amt und anderen Ressorts nahmen den Ball auf und erarbeiteten in Konsultation mit zivilgesellschaftlichen Akteuren einen Aktionsplan, der 2004 vom Bundeskabinett beschlossen wurde. Der Aktionsplan fand in der deutschen und internationalen Fachöffentlichkeit hohe Anerkennung. Dass er zugleich in der politischen Öffentlichkeit in Deutschland praktisch keine Beachtung fand, war erheblich selbst verschuldet. Die erste Bundestagsdebatte zum Aktionsplan fand zweieinhalb Jahre nach seiner Verabschiedung statt – und dann noch in der letzten Sitzung vor der Weihnachtspause.

Während sich ZIF, ZFD, DSF, ZIVIK  konsolidierten und bewährten, war die deutsche auswärtige Politik stark durch den sich verschärfenden Afghanistaneinsatz absorbiert. Auch wenn Afghanistan zeitweilig ein Haupteinsatzgebiet von ZFD-Fachkräften war. Der Ausbau der zivilen Krisenprävention insgesamt geriet dabei zeitweilig ins Hintertreffen.

Die Empfehlung von Friedensforschern zur Einrichtung eines dem Auswärtigen Ausschuss zugeordneten Unterausschusses Zivile Krisenprävention im Bundestag konnte 2009 überraschender Weise realisiert werden – mit dem Zugeständnis an die Union, ihn auch für vernetzte Sicherheit zuständig zu machen. Die Einrichtung eines parlamentarischen Unterausschusses war ein wichtiger Schritt zur Etablierung des neuen Politikfeldes im politischen Prozess: Wo bisher nur eine Handvoll Abgeordnete von SPD und Grünen an dem Thema dran waren, wo seitens der Union und FDP Desinteresse vorherrschte und gelegentlich ZKB als „weiße Salbe für verwundete rot-grüne Seelen“ (wegen Kosovo und Afghanistan) lächerlich gemacht wurde, mussten sich jetzt Abgeordnete aller Fraktionen darum kümmern. Der FDP-Abgeordnete Joachim Spatz war der erste und überzeugt-engagierte Vorsitzende des Unterausschusses. Die Vertreter der verschiedenen Ressorts hatten von nun an regelmäßig im Ausschuss Rede und Antwort zu stehen. Indem die Obleute so viele (teil-)öffentliche Sitzungen mit externen Experten anberaumten wie kein anderer Ausschuss, konnte sich auch eine den Unterausschuss konstruktiv begleitende Fachöffentlichkeit bilden („Berliner Gesprächskreis“) (vgl. Nachtwei 2014a).

Einen neuen Schub bekam die zivile Krisenprävention ab 2014: Erstmalig besuchte ein Bundespräsident das ZIF, erstmalig debattierte der Bundestag zu bester Zeit über das Thema und sprach mit Frank-Walter Steinmeier ein Außenminister mit erkennbar eigener Kompetenz dazu. Über den Review-2014-Prozess des Auswärtigen Amts und den Aufbau der neuen Abteilung S (Krisenprävention, Stabilisierung, Konfliktnachsorge und Humanitäre Hilfe) erhielt das Feld erheblich mehr Arbeitsmuskel. Nachdem das sicherheitspolitische Weißbuch der Bundesregierung (2016) den Stellenwert der Krisenprävention betont hatte, lösten ein Jahr später die Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ der Bundesregierung den Aktionsplan von 2004 ab. (vgl. Bundesregierung 2017) Erarbeitet im Kontext eines bisher einmaligen Konsultationsprozesses mit Akteuren der Fachöffentlichkeit (PeaceLab-Blog, betreut vom German Public Policy Institute GPPI) verschafften die Leitlinien eine deutlich klarere Orientierung – mit einem realitätsnahen Lagebild, mit einem friedenspolitischen Leitbild, mit der offenen Benennung von Zielkonflikten und Dilemmata, mit einem breiten Spektrum an friedenspolitischen Ansätzen und Instrumenten (vgl. GPPi 2017, Nachtwei 2017).

Angesichts der Häufung von Krisen im Umfeld rückte im politischen Diskurs inzwischen der Begriff der (zivilen) Krisenprävention in die erste Reihe - nach meinem Eindruck manchmal mit der Erwartung verbunden, damit den Generalschlüssel zur Krisenbewältigung gefunden zu haben und die heiklen Herausforderungen von harter Großgefahrenabwehr und Krisenintervention vermeiden zu können.

(3) Der Ansatz der vernetzten Sicherheit[3]

Eine besondere Aufwertung erfuhr der Ansatz der „vernetzte Sicherheit“ mit dem sicherheitspolitischen Weißbuch 2006, wo ihr im ersten Kapitel zu den Grundlagen deutscher Sicherheitspolitik ein ganzer Abschnitt (1.4) gewidmet war:

„Nicht in erster Linie militärische, sondern gesellschaftliche, ökonomische, ökologische und kulturelle Bedingungen (…) bestimmen die künftige sicherheitspolitische Entwicklung. Sicherheitspolitik kann daher weder rein national noch allein durch Streitkräfte gewährleistet werden. Erforderlich ist vielmehr ein umfassender Ansatz, der nur in vernetzen sicherheitspolitischen Strukturen sowie im Bewusstsein eines umfassenden gesamtstaatlichen und globalen Sicherheitsverständnisses zu entwickeln ist.“ (BMVg 2006, S. 22f.) Ausdrücklich wurde hierbei die Brücke zum Aktionsplan Zivile Krisenprävention „als Beispiel ressortübergreifender und vernetzter Sicherheitsvorsorge“ geschlagen.

Wesentlich für den „Aufstieg“ der vernetzten Sicherheit waren die Erfahrungen des Afghanistaneinsatzes, wo Sicherheit offenkundig mehrdimensional war und eine Vielzahl von staatlichen und nichtstaatlichen, internationalen und lokalen Akteuren beanspruchten, für Stabilisierung, Aufbau und Entwicklung zu arbeiten. Die zivil-militärischen Provincial Reconstruction Teams (PRT) galten vor allem aus Sicht des Verteidigungsministeriums als Prototypen vernetzter Sicherheit.

Im Koalitionsvertrag von Union und FDP 2009 und im 3. Umsetzungsbericht zum Aktionsplan Zivile Krisenprävention von 2010 wurde die zentrale Rolle der vernetzten Sicherheit bekräftigt. In der Zeit der ersten Großen Koalition 2006 bis 2009 war allerdings auffällig, dass die vernetzte Sicherheit fast ausschließlich von Verteidigungsminister Jung (CDU) betont und dabei zu  d e m  zentralen sicherheitspolitischen Ansatz hochstilisiert wurde. Die sozialdemokratischen Minister des Auswärtigen und der Entwicklung schwiegen hingegen weitgehend dazu.

Während der deutsche Verteidigungsminister beanspruchte, die vernetze Sicherheit auch auf Ebene der NATO verankert zu haben, wurde sie in Deutschland in zweifacher Hinsicht kritisiert:

Vor allem einsatzerfahrene Zivilexperten wie Militärs bemängelten die konzeptionelle Dürftigkeit des Begriffs der vernetzten Sicherheit, der zu einem Mantra der Regierungsrhetorik geworden war, wo die Vernetzung und Kooperation in der Praxis aber regelmäßig weit hinter dem hohen Anspruch zurückblieb, insbesondere auf der politischen Leitungsebene.

Humanitäre und Nichtregierungsorganisationen sahen in der vernetzten Sicherheit die Absicht, humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und zivile Konfliktbearbeitung für die Ziele militärgestützter Sicherheitspolitik (z.B. kurzfristige Stabilisierung) zu vereinnahmen. Vor allem humanitäre Organisationen sahen dadurch die essentielle Unabhängigkeit ihrer Arbeit bedroht.

Nachdem der Begriff der vernetzten Sicherheit offenbar eine konstruktive Interaktion zwischen zivilen und militärischen Akteuren eher behindert als befördert hatte, verschwand er aus den Grundlagendokumenten der Bundesregierung und wurde von dem offeneren und bescheideneren Begriff des vernetzten Ansatzes abgelöst. Schon in den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 2011 war nur noch die Rede von „gesamtstaatlicher, umfassender und abgestimmter Sicherheitspolitik“ und „ressortgemeinsamem Handeln“. Der Unterausschuss „Zivile Krisenprävention (…)“ hieß ab 2014 „(…) und vernetztes Handeln“.

Unter der Überschrift „Weiterentwicklung des vernetzten Ansatzes“ konzentrierte sich das Weißbuch 2016 auf die Vernetzung zwischen den Ressorts und konkretisierte sie auf die Ebene der Lagezentren (BMVg 2016, S.58f.). Die Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ von 2017 betonten für die Bundesregierung den ressortgemeinsamen Ansatz – von der Krisenfrüherkennung über die Kontextanalyse, Zielformulierung und Planung/Durchführung von Maßnahmen bis zur Auswertung und der Weiterentwicklung des Instrumentariums (Bundesregierung 2017, S.110 ff.). Sie bekräftigen die wichtige Rolle und Wirkungschancen von Nichtregierungsorganisationen bei der Krisenprävention und Friedensförderung und bekennen sich zu den elementaren internationalen Prinzipien der humanitären Hilfe (Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit). Ihrer Vereinnahmung durch einen falsch verstandenen vernetzten Ansatz wird damit eine Absage erteilt.

(4) Der Grundgedanke des bestmöglichen Zusammenwirkens

In der zeitweilig verhärteten und auf der Stelle tretenden Auseinandersetzung um vernetzte Sicherheit trat oftmals in den Hintergrund, wie grundlegend die Handlungsmaxime eines bestmöglichen Zusammenwirkens bei gemeinsamen Zielen ist und dass sie weit vor 2006 zurückreicht.

Auf dem Balkan der 1990er Jahre waren internationale staatliche und nichtstaatliche Akteure der Krisenbewältigung mit einer enormen Komplexität an Aufgabenfeldern und Vielfalt an Akteuren konfrontiert. Angesichts dieser multidimensionalen Herausforderungen war offenkundig: Keiner schafft es allein! Keine Nation, kein Ressort, kein Akteur. Die Notwendigkeit der anderen!

Bei Besuchen in den Einsatzgebieten fiel immer wieder auf, wie sehr gerade den Bundeswehroffizieren die begrenzte Wirksamkeit militärischen Handelns bewusst war. Ein „Glaube an militärische Lösungen“ für solche Art innerstaatlicher Konflikte war nie zu vernehmen. Den (Wieder-)Ausbruch kriegerischer Gewalt zu verhindern, ein sicheres Umfeld für politische Konfliktlösung, eine Basissicherheit für Friedenskonsolidierung zu schaffen, das sah man als sinnvoll und möglich an. Man schätzte aber, dass Militär nur rund 20% zu erfolgreicher Stabilisierung und Krisenbewältigung betragen könne (so General Egon Ramms, 2007-2010 Oberbefehlshaber des Allied Joint Force Command der NATO). Vor diesem Hintergrund war es kein Wunder, dass ich Offiziere in Einsätzen immer wieder als die deutlichsten Kritiker der Kapazitätsrückstände auf ziviler Seite erlebte – zum Beispiel die jahrelange, krasse personelle Unterausstattung der deutschen Diplomatie und der Polizeiberater in Afghanistan.

In internationalen und deutschen Grundlagendokumenten zur internationalen Krisenbewältigung und Friedenssicherung hatte das Zusammenwirken vor allem der staatlichen Akteure und Ressorts immer einen zentralen Stellenwert: So im Gesamtkonzept Zivile Krisenprävention (2000) und im Aktionsplan Zivile Krisenprävention der Bundesregierung (2004), so im Brahimi-Report zu UN-Friedensmissionen (2000), so in allen Missionsmandaten des UN-Sicherheitsrates.

Ausgehend von einer gemeinsamen Tagung der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) und der Evangelischen Akademie Bad Boll im Juni 2011 bildete sich eine Arbeitsgruppe „Ziviles und militärisches Engagement in Konflikten“. Die AG verfügte mit einem einsatzerfahrenen General der Fallschirmjäger, einer langjährigen Vorsitzenden einer pazifistischen Organisation, einem langjährigen Beamten des Bundesinnenministeriums, einem in zivil-militärischer Zusammenarbeit erfahrenen Stabsoffizier und dem Autor über eine ungewöhnliche Spannweite an Erfahrungen und Positionen. Umso bemerkenswerter war, dass die AG im August 2012 nicht nur das Papier „Politisches Engagement in Konflikten – Optimierung der Interaktzion zwischen zivilen und militärischen Akteuren“ (Finckh-Krämer et al. 2013) vorlegte, sondern dass es bei Dutzenden Kundigen und Verantwortlichen in Ministerien, im Bundestag, in Durchführungsorganisationen und Wissenschaft auf beste Resonanz stieß.

Die Erfahrungen in den Einsätzen und im politischen Berlin zeigten allerdings immer wieder, dass die Grundforderung bestmöglicher Zusammenarbeit so notwendig wie wohlfeil ist. Um produktiv und sinnvoll zu sein, braucht es

- Zielklarheit und kompatible Ziele auf der operativen Ebene; die allgemeinen Mandatsziele sind in der Regel zu abstrakt;

- Interakteurs-Kompetenz: ein Verständnis unterschiedlicher Organisationsziele und –kulturen; nüchterne Klarheit in der Frage, wer was (weniger oder gar nicht) kann;

- Möglichst ausgewogene Kapazitäten der verschiedenen Akteure;

- Respektierung der Grundprinzipien humanitärer Hilfe;

- Ein Bewusstsein von den Möglichkeiten, aber auch Grenzen verschiedener Formen der Interaktion (Kommunikation, Vernetzung, Kooperation, Koordination, Distanz).

(5) Zivile Konfliktbearbeitung: Anhängsel, Vorrang, Globalalternative?

Auf der konzeptionellen Ebene der Leitlinien ist die Antwort klar: Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und ausgehend vom Friedensauftrag des Grundgesetzes und dem internationalen Gewaltverbot der UN-Charta  gehöre die

„Vermeidung von Krieg und Gewalt in den internationalen Beziehungen, das Verhindern von Völkermord und schweren Menschenrechtsverletzungen (…) zur deutschen Staatsraison“. „Wo immer möglich, geben wir zivilen Maßnahmen der Konfliktlösung den Vorrang.“ (Bundesregierung 2017, S. 47, 58)

Zugleich wird klargestellt, dass bei der Stabilisierung von Nachkriegsgesellschaften militärische Maßnahmen unter bestimmten Umständen notwendig sein können, um Gewalt einzuhegen und ein sicheres Umfeld herzustellen. Dies ist seit vielen Jahren auch der Kernauftrag von UN-geführten Friedensmissionen, der inzwischen fast immer den ausdrücklichen Schutz der Zivilbevölkerung einbezieht. Bei den seit Jahren multidimensionalen und integrierten UN-Missionen sind Vernetzung und zivil-militärische Zusammenarbeit unter dem Primat der Politik (Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs) keine friedenspolitische Todsünde, sondern eine pragmatische Frage sich ergänzender Fähigkeiten.

In den Leitlinien gilt zivile Konfliktbearbeitung als komplementär zu anderen Elementen  im vernetzten Ansatz, also auch als vereinbar mit militärischen Maßnahmen der Stabilisierung, der Rüstungskontrolle und militärischen Vertrauensbildung (z.B. „Open Skies“), der Krisenfrüherkennung, der subsidiären Katastrophenhilfe.(Bundesregierung 2017, S. 89)

Auch wenn die zahlreichen Auslandseinsätze einen anderen Eindruck erwecken, gilt in der Praxis deutscher internationaler Beziehungen der Primat der zivilen Politik, der Vorrang der Diplomatie und die Bindung der Kriseneinsätze an das Völkerrecht und den Parlamentsvorbehalt.

Die neueren Ansätze und Instrumente der zivilen Konfliktbearbeitung liegen im internationalen Vergleich vorne. Verglichen mit der Finanz- und Personalausstattung der militärischen Sicherheitspolitik, dem Umfang militärischer Forschung und Fachpublizistik  einerseits und dem enormen Bedarf an nichtmilitärischer Krisenprävention andererseits liegt das Politikfeld der ZKB aber noch weit zurück. Wenn in der Vergangenheit das Missverhältnis Zivil-Militärisch mit der Gegenüberstellung der Haushaltsmittel für den ZFD und die Bundeswehr (2018 45 Mio. zu 49,5 Mrd. Euro) illustriert wurde, dann war das allerdings irreführend. Denn auch erhebliche Teile der Etats des Auswärtigen Amtes und des Entwicklungsministeriums dienen der nichtmilitärischen Krisenprävention und Friedensförderung, so dass die reale Relation eher in der Größenordnung 1:10 statt 1:1000 liegt.

Die langjährige faktische Nischenexistenz der neuen Instrumente der ZKB wurde erst mit der neuen Abteilung S des Auswärtigen Amtes, mit den neuen Leitlinien und den Schritten zu ihrer Umsetzung aufgebrochen. Allerdings fehlt es weiterhin an einem „Aufholprogramm“ ZKB, mit dem die verschiedenen ZKB-Fähigkeiten und Kapazitäten planmäßig auf der Zeitachse gestärkt und kohärenter werden sollen, damit ZKB bestmöglich wirken kann. Die Forderung des Beirats Zivile Krisenprävention während der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD Anfang 2018, eine Konzeption Fähigkeiten Krisen verhindern, Frieden fördern (zivil) auf den Weg zu bringen (Definition eines nationalen Anspruchsniveaus, schrittweiser Ausbau von Kernfähigkeiten gemäß zivilen Planzielen), wurde leider nicht in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen.

Das Verhältnis von ZKB und Polizeiaufbauhilfe wurde lange Zeit kaum thematisiert. Deutsche Polizei versteht sich ausdrücklich als ziviler Akteur, ihre Aufbauhilfe soll Bürgersicherheit und eine Bürgerpolizei fördern und zu einem rechtsstaatlichen Gewaltmonopol beitragen. Die französische oder italienische Polizei umfasst hingegen mit einer Gendamerie auch militärnahe Formationen. Zivilgesellschaftliche Akteure der ZKB in Deutschland, auch prinzipiell pazifistische, erkennen durchweg die Notwendigkeit von Polizei an und stellen die Legitimität von rechtsstaatlich eingehegter polizeilicher Gewalt nicht infrage. Zugleich fand die Polizeikomponente im bisherigen ZKB-Diskurs kaum Beachtung. Ihr Potenzial für nachhaltige Gewalteindämmung und Friedensförderung wird meist verkannt. Dass das Trainingszentrum der Polizei Nordrhein-Westfalen für Internationale Polizeimissionen in Brühl die größte zivilpolizeiliche Ausbildungsstätte in Europa ist, ist praktisch unbekannt. 2018 nahm an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster-Hiltrup  das Fachgebiet „Internationale polizeiliche Beziehungen“ seine Arbeit auf. Über die Mitgliedschaft des Fachgebiet-Leiters im Beirat Zivile Krisenprävention der Bundesregierung bestehen gute Aussichten, dass ZKB und Polizeiaufbauhilfe einen produktiven Austausch entwickeln.

(6) Alternative? Möglichst oft!

Zentrale Zielsetzung der ZKB war von Anfang an die gewaltfreie Austragung von Konflikten, die Gewaltverhütung und damit auch die Vermeidung militärischer Gewalt. Sie will und soll eine wirksame Alternative zu militärischer Gewaltausübung sein – möglichst weitgehend oder auch generell.

Rechtzeitige, kluge und konzertierte Krisenprävention kann da viel leisten, viel mehr, als es bisher wahrgenommen wird  Sie kann in Konfliktszenarien wirken, wo rechtsstaatliche Akteure  gar nicht zur Verfügung stehen. Nach dem Auseinanderbrechen des Ostblocks trugen OSZE-Missionen in vielen Transformationsländern wesentlich zur Einhegung von Minderheitenkonflikten bei. Mit der „erprobten Methodik“ des Zivilen Peacekeeping (Unarmed Civilian Protection) können unter bestimmten Bedingungen „Menschen vor Gewalt und schweren Menschenrechtsverletzungen“ geschützt werden. (Bundesregierung 2017, S.51, vgl. auch Nachtwei 2014b).

Polizei in UN-Missionen lässt sich auch der ZKB zurechnen. Um in Nachkriegsgesellschaften Bürgersicherheit zu fördern, ist der Anteil der UN-Police an UN-Friedensmissionen seit den 1990er Jahren enorm angestiegen – auf inzwischen deutlich über 10.000, davon allerdings nur rund 20 deutsche.

Auf der operativen Ebene und bei geringerem Gewaltniveau können Akteure der ZKB oftmals eine Alternative zu Militär sein. Als 2005 im Kontext eines rot-grünen Koalitionsstreits das Verteidigungsministerium dazu gebracht werden konnte, für Projekte des neuen Ressortkreis Zivile Krisenprävention 10 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, wurde dies ausdrücklich damit begründet, mit Präventionsmaßnahmen Militäreinsätze überflüssig zu machen.

Ein Haupthindernis bei Waffenstillständen und Friedensabkommen ist aber immer wieder, dass zivile Fachkräfte bisher kaum schnell verfügbar sind, Darauf weisen Militärs selbst immer wieder hin, wenn sie auf die schnelle Verfügbarkeit von zivilen Kräften bei Peacekeeping-Einsätzen drängen.

(7) Globalalternative?

Im friedenspolitischen und friedensbewegten Diskurs sehen nicht wenige ZKB unausgesprochen oder explizit als „Globalalternative“ zu militärgestützter Sicherheitspolitik, manchmal einhergehend mit einem friedenspolitischen Alleinvertretungsanspruch.

Der Anspruch der Globalalternative schimmert implizit durch, wenn einzelne Friedensdienste ihren Weg als d i e  Alternative zu Aufrüstung und Krieg erscheinen lassen. Andere erheben den Anspruch explizit als politische Zielperspektive, so der Bund für Soziale Verteidigung, Ohne Rüstung leben, das Szenario „Sicherheitspolitik neu denken(vgl. Becker et al. 2019) und andere. Als Ausdruck eines prinzipiellen Pazifismus ist das auch konsequent. Wo es einhergeht mit einer Praxis und Weiterentwicklung von Gewaltfreiheit, kann es friedenspolitisch sehr produktiv und konstruktiv sein, auch weit über pazifistische Kreise hinaus. Exemplarisch erlebte ich das bei dem erfahrungsstarken Vortrag von Christine Schweizer über die Realität und Erfolge von zivilem Widerstand und sozialer Verteidigung bei der BSV-Jahrestagung 2018.

 

Der Anspruch der politischen Globalalternative wirkt allerdings nicht überzeugend, wenn

- Schlüsselfragen kollektiver Friedens- und Sicherheitspolitik (z.B. staatliche Schutzpflicht für die eigenen Bürger gegenüber illegaler Gewalt, Beistandspflichten in Systemen kollektiver Sicherheit, angefangen bei den Vereinten Nationen) und des Multilateralismus vernachlässigt, gar ausgeklammert werden;

- existenzielle Erfahrungen und Lehren der europäischen Völker im 20. Jahrhundert (Wehrlosigkeit gegenüber dem Aggressor Nazi-Deutschland und seinem Vernichtungskrieg, Befreiung durch alliierte Truppen) verdrängt und reale Bedrohungspotenziale und kompromisslose Gewaltakteure heute (z.B. Privatisierung von Gewalt, genozidale Gewalt, entgrenzter Terrorismus und Organisierte Kriminalität) kaum wahrgenommen werden;

- eine Sicherheitspolitik, die völkerrechts- und verfassungskonform (Art. 24, 25, 87a Grundgesetz) militärische Mittel einschließt, pauschal der Gewaltgläubigkeit und Kriegsförderung bezichtigt, damit moralisch abgewertet und der zivilisatorische Fortschritt von Streitkräften im Friedensauftrag mit Innerer Führung nicht ernst genommen wird;

- die enormen und vielfältigen Erfahrungen aus 30 Jahren multinationaler und multidimensionaler Krisenengagements (der UNO, EU, NATO, AU, des ZIF u.a.) auf „Irak, Afghanistan, Libyen“ verkürzt und damit missachtet werden;

- der Eindruck erweckt wird, als könnten mit Krisenprävention und ziviler Konfliktbearbeitung Gewaltkonflikte generell verhindert werden (Risiko von Selbstüberschätzung und Machbarkeitsillusionen);

- die Bewältigung akuter Friedensstörungen an eine OSZE- und UN-Polizei delegiert werden soll, die schon gegenüber schwer bewaffneten Milizen nicht überlebens-, geschweige durchsetzungsfähig wären, oder

- der elementare Do-No-Harm-Grundsatz nicht auf mögliche kontraproduktive Nebenwirkungen bei der Umsetzung der eigen Forderungen angewandt wird (gegebenenfalls eine Unterhöhlung von Integration und Multilateralismus durch nationale Sonderwege).

Das im Auftrag der Landessynode der Evangelischen Landeskirche in Baden entwickelte Szenario „Sicherheit neu denken – Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik“ erhebt den Anspruch, eine Globalalternative zu militärgestützter Sicherheitspolitik zu sein, diese also völlig überflüssig zu machen. Das Positivszenario „Nachhaltige zivile Sicherheit knüpft an bestehenden konstruktiven Politikansätzen an und baut auf reale Chancen auf. Es praktiziert einen umfassenden Ansatz und führt die Felder Gerechte Außenbeziehungen, nachhaltige Entwicklung der EU-Anrainerstaaten, Teilhabe an der internationalen Sicherheitsarchitektur, resiliente Demokratie und Konversion von Bundeswehr und Rüstungsindustrie zusammen. Insofern beinhaltet das Szenario viel Anregendes und auch Ermutigendes. Angesichts des Anspruchs einer pazifistischen Globalalternative für die Bundesrepublik Deutschland drängen sich aber die o.g. kritischen Fragen auf. Und diese berühren insbesondere die Zukunft der europäischen Integration, eines effektiven Multilateralismus und der UN-Friedenssicherung als elementare Voraussetzungen von Kriegsverhütung und Friedensentwicklung in Europa und weltweit.

(8) Gewaltverhütung und Friedensförderung durch vernetztes Handeln

Damit im Rahmen des Friedensgebots des Grundgesetzes und der UN-Charta wirksamer für gemeinsame operative friedenspolitische Ziele zusammengearbeitet werden kann, braucht es

  • mehr Offenheit, Dialog- und Kooperationsbereitschaft gegenüber den bemerkenswert vielen Menschen, die sich in verschiedenen Milieus und mit unterschiedlichen politischen Orientierungen für friedliches Zusammenleben und Frieden einsetzen;
  • mehr Zielklarheit aiuf operativer Ebene sowie Verständnis, wer was kann;
  • Bodenhaftung, Bescheidenheit, strategische Geduld, aber auch immer wieder konstruktive Ungeduld, wenn es um das Nutzen von Zeitfenstern geht;
  • mehr Orte und Formate der gemeinsamen Analyse, des Übens, des Erfahrungslernens und der Wirkungsbeobachtung und -analyse,
  • eine systematischen Chancenorientierung für wirksamere Prävention, aber auch Ermutigung;
  • endlich eine gemeinsame, ressort- und akteursübergreifende öffentliche Kommunikation für ein Politikfeld, das in der Gesellschaft wohl grundsätzlich Sympathie, aber sehr wenig Aufmerksamkeit erfährt und weitgehend „unsichtbar“ ist.

Seit 2013 wird auch in Deutschland der International Day of UN-Peacekeepers der Vereinten Nationen begangen. Am Tag des Peacekeepers ist Friedensförderung durch vernetztes Handeln erlebbar. Alljährlich laden die Minister des Auswärtigen, der Verteidigung und des Innern Peacekeeper des zurückliegenden Jahres zu einer Feierstunde nach Berlin ein. Je drei PolizistInnen, SoldatInnen und ZivilexpertInnen werden stellvertretend für ihre Kolleginnen und Kollegen geehrt. Nirgendwo sonst kommen in Deutschland so viele und so verschiedene Peacekeeper zusammen. Es sind Friedenspraktiker in Uniformen und Zivil, mit hoher fachlicher und interkultureller Kompetenz, mit Bodenhaftung, Zuversicht und langem Atem, mit Willen zu gemeinsamer Friedensförderung. In Zeiten, wo sich Krisen und politische Egozentriker häufen, sind solche handfesten Friedenspraktiker umso wichtiger: Von diesen Frauen und Männern gibt es in Deutschland inzwischen viele Zehntausende. Zusammen mit den Frauen und Männern von Entwicklungsorganisationen, Zivilem Friedensdienst und Hilfsorganisation machen sie Mut und Hoffnung und geben vernetzter Friedenssicherung ein Gesicht (vgl. u.a. Nachtwei 2019).

Literatur

- Becker, Ralf/Maaß, Stefan/Schneider-Harpprecht, Christof (Hrsg.), 2019. Sicherheitspolitik neu denken. Von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik – Ein Szenario bis zum Jahr 2040, hrg.  im Auftrag des Evangelischen Oberkirchenrates Karlsruhe, Evangelische Landeskirche in Baden, als Kurzfassung und als Buch (166 Seiten), https://www.ekiba.de/html/content/szenario_sicherheit_neu_denken.html . Zugegriffen 15.09.2019.

- Bundesministerium der Verteidigung (BMVg). 2006. Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr. file:///C:/Users/Winfried/AppData/Local/Temp/Weissbuch_2006_Kapitel_1_mB_sig2.pdf . Zugegriffen: 15. September 2019.

- Bundesministerium der Verteidigung (BMVg). 2011. Verteidigungspolitische Richtlinien 2011. file:///C:/Users/Winfried/AppData/Local/Temp/Verteidigungspolitische%20Richtlinien%20(27.05.11)-1.pdf . Zugegriffen 15. September 2019.

- Bundesministerium der Verteidigung (BMVg). 2016. Weissbuch zur Sicheiheitsspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr.

https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975292/736102/64781348c12e4a80948ab1bdf25cf057/weissbuch-zur-sicherheitspolitik-2016-download-data.pdf?download=1 . Zugegriffen: 15. September 2019.

- Bundesregierung. 2017. Leitlinien Krisen verhindern, Konflikte bearbeiten, Frieden fördern der Bundesregierung, Juni 2017, https://www.auswaertiges-amt.de/blob/1213498/d98437ca3ba49c0ec6a461570f56211f/krisen-verhindern-data.pdf . Zugegriffen 15.09.2019.

- Evangelische Akademie Loccum. 2005. Evaluation der zivilen Konfliktbearbeitung: Tun wir das, was wir tun, richtig? Tun wir das Richtige? Tagungsband April 2005,   http://www.loccum.de/programm/archiv/p0514.html . Zugegriffen 15.09.2019.

- Finckh-Krämer, Ute/Fuchs, Christian/Harff, Helmut/Jancke, Axel/Nachtwei, Winfried (AG Ziviles und militärisches Engagement in Konflikten). 2013. Politisches Engagement in Konflikten – Optimierung der Interaktion zwischen zivilen und militärischen Akteuren, Institut für Strategie-, Politik-, Sicherheits- und  Wirtschaftsberatung (ISPSW), Strategy Series, Issue No. 253, Oktober 2013, https://www.files.ethz.ch/isn/170651/253_AG_Ziv_u_Mil_Engagement_in_Konflikten.pdf .

Zugegriffen 15.09.2019.

- German Public Policy Institute (GPPi), 2017. PeaceLab-Blog https://peacelab.blog/ . Zugegriffen 15.09.2019.

- Nachtwei, Winfried. 2006. Pazifismus zwischen Ideal und politischer Realität. In: Pazifismus. Ideengeschichte, Theorie und Praxis, hrsg. Barbara Bleisch/Jean-Daniel Strub, S. 303-317 Bern – Stuttgart – Wien: Haupt Verlag, http://nachtwei.de/downloads/beitraege/Winfried_Nachtwei_Pazifismus.pdf . Zugegriffen 15.09.2019.

- Ders.. 2012.  Akteur oder Zuschauer? Was vernetzte Sicherheit für den Bundestag bedeutet – ein Erfahrungsbericht, in: Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik, Jahrgang 2012 (Sonderheft 4): S. 23-39, https://link.springer.com/article/10.1007/s12399-012-0274-3 . Zugegriffen 15.09.2019.

- Ders. 2014a. Lehren aus 10 Jahre Jahren Aktionsplan Zivile Krisenprävention: Wie weiter? Stellungnahme bei der Öffentlichen Sitzung des Unterausschusses „Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln“ am 5. Mai 2014 im Deutschen Bundestag, https://www.bundestag.de/resource/blob/283314/273a1e386460932028291390c43ab3c9/nachtwei-data.pdf#  . Zugegriffen 15.09.2019

- Ders. 2014b. Ziviles Peacekeeping (UCP) – Alternative zu Militäreinsätzen? Beitrag beim Fachgespräch des Bundes für Soziale Verteidigung (BSV) „Menschen schützen ohne Waffen: Ziviles Peacekeeping“, 01.11.2014.

http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&catid=77&aid=1338 . Zugegriffen 15.09.2019.

- Ders.. 2017. Deutlicher Fortschritt, aber mit Handicaps, Kommentar zu den Leitlinien,11.07.2017. http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&catid=77&aid=1482 . Zugegriffen 15.09.2019.

Ders. „Nie wieder!“ Bie wieder? Verantwortung zum Schutz vor Krieg und Massengewalt, in: Gerd Althoff/Eva Bettina Krems/Christel Maier/Hans-Ulrich Thamer (Hrsg.), 2019c. Frieden – Theorien, Bilder, Strategien. Von der Antike biszur Gegenwart, Dresden 2019, /

- Ders., 2019b. Interventionen für den Frieden, in: Hans-J. Gießmann/Bernhard Rinke (Hrsg.), Handbuch Frieden, 2. Auflage, Springer VS 2019

- Ders. 2019a. Tag des Peacekeepers 2019 - Verlässlich gemeinsam für mehr Frieden  in Krisenländern, Juni 2019 (mit Links zu Berichten 2013-2018), http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1590 . Zugegriffen 15.09.2019.



[1] Zum Beispiel die Tagung Evaluation der zivilen Konfliktbearbeitung: Tun wir das, was wir tun, richtig? Tun wir das Richtige? April 2005,   http://www.loccum.de/programm/archiv/p0514.html

[2] Zum Kontext der Auseinandersetzung um Gewaltfreiheit in Regierungsverantwortung vgl. Nachtwei (2006)

 


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

Tagebuch