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Der Mann, der die Welt rettete - zum Tod von Stanislaw Petrow: der sowjetische Oberstleutnant verhinderte 1983 einen Atomkrieg

Veröffentlicht von: Nachtwei am 21. September 2017 10:51:01 +01:00 (29944 Aufrufe)

Im Oktober 1983 gingen bundesweit über eine Million Menschen gegen die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen auf die Straße. was niemand wusste: Wenige Wochen zuvor war es im sowjetischen Raketen-Frühwarnsystem zu einem Fehlalarm gekommen. Der diensthabende Oberstleutnant blieb besonnen ... Jetzt wurde bekannt, dass der inzwischen 77-Jährige am 19. Mai in seiner Heimatstadt gestorben ist.

Der Mann, der die Welt rettete -

Zum Tod von Stanislaw Petrow:

der sowjetische Oberstleutnant verhinderte 1983 einen Atomkrieg

Winfried Nachtwei (21.09.2017)

(Fotos auf www.facebook.com/winfried.nachtwei )

Auf Umwegen wurde jetzt bekannt, dass Stanislaw Petrow am 19. Mai im Alter von 77 Jahren in Frjasino nahe Moskau gestorben ist. Seiner Besonnenheit vor 34 Jahren ist es zu verdanken, dass die Welt damals am Super-GAU atomarer Selbstvernichtung vorbeischrammte.

(„Held des Kalten Krieges: Der Mann, der die Welt rettete“, von Friedrich Schmidt, FAZ 19.09.2017, http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/held-des-kalten-krieges-stanislaw-petrow-verhinderte-einen-atomkrieg-15206332.html , Vergessener Held: Der Mann, der den dritten Weltkrieg verhinderte, SPIEGEL 21.04.2010, http://www.spiegel.de/einestages/vergessener-held-a-948852.html

1983 nahmen die Spannungen zwischen den Supermächten zu, verstärkt durch mehrere Ereignisse: die Ankündigung des Raketenabwehrprogramms SDI durch US-Präsident Reagan, der Abschuss eines koreanischen Passagierflugzeuges mit 269 Menschen an Bord am 1. September durch sowjetische Abfangjäger. Am 26. September um 0.15 Uhr meldete das sowjetische Frühwarnsystem - fälschlich - den Abschuss erst einer, dann einer zweiten, dritten, vierten, fünften US-Interkontinentalrakete. Der diensthabende Leiter der sowjetischen Satellitenüberwachung, der 44-jährige Oberstleutnant Stanislaw Petrow, wertete die 17 Minuten andauernden Alarmmeldungen als Fehlalarm - und verhinderte damit einen Atomkrieg.(FAZ-Interview mit Offizier Petrow „Der rote Knopf hat nie funktioniert“, 18.2.2013, www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/offizier-petrow-im-gespraech-der-rote-knopf-hat-nie-funktioniert-12084911.html )

(Wenige Wochen später geriet die Bevölkerung Europas und der Welt schon wieder an den Rand des atomaren Abgrunds: Am 2. November 1983 begann die zehntägige NATO-Kommandostabsübung „Able Archer", bei der ein Atomkrieg simuliert wurde. Verschiedene Besonderheiten der Übung nährten auf Seiten des Warschauer Pakts den Verdacht, dass unter dem Deckmantel einer Übung ein tatsächlicher Nuklearschlag vorbereitet wurde. Die Streitkräfte des WP wurden alarmiert. Dazu die ZDF History Doku: „1983 - Die Welt am Abgrund", vom 30.4.2012 (www.youtube.com/watch?v=Vc2S1SkPzCE ; vgl. auch „Planspiel Atomkrieg" zweiteilige Dokumentation von Thomas Fischer und Gabriele Trost (SWR), www.daserste.de/planspiel/ )

Der Herbst 1983 war zugleich die Hoch-Zeit der damaligen Anti-Nachrüstungs- und Friedensbewegung in Westdeutschland: Nachdem im Bonner Hofgarten am 10.Oktober 1981 mehr als 300.000 Menschen demonstriert hatten, waren es am 22. Oktober 1983 500.000 - zusammen mit den Demonstrationen in Hamburg, Berlin und der Menschenkette Stuttgart-Ulm 1,3 Millionen. Allein aus Münster fuhren vier Sonderzüge nach Bonn.

16 Jahre zuvor (1967) war ich Leutnant bei einem Bundeswehrverband, der mit der Atomrakete Pershing-I-A ausgestattet war. Mit der Formel „wenn`s losgeht, ist sowieso alles aus“ hatten wir, hatte ich den Grundwiderspruch der atomaren Abschreckung „abgehakt“ und verdrängt. Dieses „Leben mit der Bombe“ zerplatzte, als mit dem NATO-Doppelbeschluss eine neue Runde im atomaren Wettrüsten drohte, jetzt im eigenen Land. Immer mehr Menschen konnten die offizielle Abrüstungsintention des Doppelbeschlusses nicht glauben. Sie befürchteten im Gegenteil, dass mit der besonderen Zielgenauigkeit und kurzen Vorwarnzeit der  neuen US-Mittelstreckenraketen die Option eines auf Europa begrenzbaren, vermeintlich gewinnbaren und deshalb führbaren Atomkriegs geschaffen werde. Die Angst wuchs, dass dies bei einer internationalen Krise zu einem Atomkrieg eskalieren könnte. Entsprechende Äußerungen aus der US-Administration schürten solche Ängste.

Bewusst wurden die gigantischen Kosten und der Widersinn eines atomaren Wettrüstens, wo Ost und West sich zig-mal vernichten konnten. (60 to Sprengstoff pro Einwohner in den Ländern der NATO und des Warschauer Pakts!) Enthüllt und bewusst wurde, wie vollgestopft die Bundesrepublik mit Atomwaffen war (die Rede war von 6.000 Atomsprengköpfen in der Bundesrepublik), wie sehr die Bundeswehr darauf vorbereitet war, bei einem Angriff des Warschauer Pakts Atomwaffen in Deutschland einzusetzen. „Was passiert, wenn die Abschreckung versagt?“ Die geplante „atomare Heimatverteidigung“ führte den Verteidigungsgedanken (das Verteidigungswerte erhalten) ad absurdum. (30 Jahre nach dem Herbst 1983, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1246 )

Vergessen + verdrängt?

Seit einigen Jahren höre ich gerade in sicherheitspolitischen Zusammenhängen immer wieder Urteile zum friedens- und sicherheitspolitischen Streit in den 80er Jahren  – manchmal von damaligen Mitdemonstranten -,

- die atomare Abschreckung + westliche „Nachrüstung" sei letztendlich erfolgreich gewesen – und die Zeit bis 1989 eine einzige Erfolgsgeschichte von NATO und Bundeswehr,

- die Friedensbewegung damals sei eine „Verirrung“ und eine Art „Jugendsünde" gewesen,

- als seien das damals übersichtliche, „gute alte Zeiten“ der Landes- und Bündnisverteidigung gewesen, verglichen mit der heutigen sicherheitspolitischen Unübersichtlichkeit, angesichts heutiger immer wieder anderer Einsatzrealitäten.

In der gegenwärtigen Traditions-Debatte der Bundeswehr und bei der Suche nach Beispielhaftem und Traditionswürdigem in der Bundeswehrgeschichte steht eine  differenzierte Bewertung der Zeit des Ost-West-Konflikts noch aus.

Dass Bundeswehrsoldaten nicht Krieg führen, sondern Krieg verhindern sollten (kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen), war ein Paradigmenwechsel sondergleichen. Diese Grundeinstellung brach mit der besonders kriegerischen Tradition des preußisch-deutschen Militarismus und folgte dem Friedensauftrag von Grundgesetz und VN-Charta.

Auf einem sehr anderen Blatt steht das Extremrisiko-Kalkül der atomaren Abschreckung, die auch deshalb nicht abstürzte, weil es Männer wie Stanislaw Petrow gab. Sein Handeln ist beispielhaft über die Grenzen nationaler Streitkräfte und Bündnisse hinaus.

Gegen das Vergessen

von Stanislaw Petrow wirkte in bewundernswerter Weise Karl Schumacher aus Oberhausen. Der Bestattungsunternehmer wurde 1998 durch einen BILD-Artikel auf Stanislaw Petrow aufmerksam. Voller Dankbarkeit nahm er zu ihm Kontakt auf, besuchte ihn 1998 in seiner Heimatstadt und lud ihn 1999  für 14 Tage ins Ruhrgebiet ein. Jetzt machte er den Tod von Stanislaw Petrow bekannt. Karl Schumacher dokumentiert die Begegnungen mit ihm unter http://karl-schumacher-privat.de/ .

Der dänische Dokumentarfilmer Peter Anthony erzählte 2014 in „The Man Who Saved the World“ (mit Kevin Coster, Robert de Niro, Matt Damon) die heldenhafte wie tragische Geschichte des sowjetischen Luftwaffenoffiziers, dessen Tat erst in den 90er Jahren bekannt wurde und der lange keine Anerkennung erfuhr: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/die-doku-the-man-who-saved-the-world-auf-arte-13732928.html ;

 Trailer  https://www.youtube.com/watch?v=IncSjwWQHMo


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

Tagebuch