Vom 20.-25. Oktober 1996 reisten wir ins kriegszerstörte Bosnien: Kerstin, Joschka, Krista, Jürgen, Marie, Gerd ... Es war eine Erkundungsreise. Sie brachte Schlüsselerfahrungen mit erheblichen politischen Auswirkungen. Von meinen ca. 40 Reisen in Krisengebiete war es wahrscheinlich die wichtigste.
Vor 20 Jahren Reise der grünen Fraktions- und Parteispitze in das bosnische Kriegsgebiet: Schlüsselerfahrungen und was daraus wurde. Bilanz + Lehren grüner + deutscher Krisenengagements (Angebot)
Winni Nachtwei[1] (9/2016)
http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1426
Fotos unter www.facebook.com/winfried.nachtwei
Am 20.-25. Oktober 1996 besuchten Kerstin Müller + Joschka Fischer (Fraktionsvor-sitzende), Krista Sager + Jürgen Trittin (Parteivorsitzende), die Grünen-MdB Marieluise Beck (Bosnien-Solidarität), Werner Schulz, Gerd Poppe (Auswärtiger Ausschuss) + ich (Verteidigungsausschuss) zusammen mit den MitarbeiterInnen Eva Biehler, Uli Fischer, Dietmar Huber, Achim Schmillen und fünf JournalistInnen (Nicole Brüning/Focus, Erich Rathfelder/taz, Charima Reinhardt/FR, Christiane Schlötzer-Scotland/SZ, Hajo Schumacher/Spiegel) das kriegszerstörte Bosnien & Herzegowina. Während des dreijährigen Bosnienkrieges hatten die Grünen heftigst gestritten, wie sich die Bundesrepublik dazu verhalten sollte, ob hier ein militärisches Eingreifen nötig und legitim – oder konfliktverschärfend, unverantwortlich und Prinzipienverrat sei. Einige hatten auch Hilfstransporte in belagerte und beschossenen bosnische Orte mitorganisiert. Als wir in Split landeten, waren wir uns einig in den Fragen der humanitären, Flüchtlings- und Aufbauhilfe. In der Militärfrage aber waren wir uns herzlich uneinig.
Die Reisestationen waren Zagreb, Split, Mostar, Sarajewo, Tuzla, Banja Luka, Posavina-Korridor. Am Hang von Sarajewo, beim katholischen Bischof Komarica (Banja Luka) und bei anderen Gelegenheiten machten wir Schlüsselerfahrungen, die unsere weitere friedens- und sicherheitspolitische Grundorientierung prägten – und für den Kurs der rot-grünen Bundesregierung zwei Jahre später von zentraler Bedeutung waren. (Im Oktober 1996 begann ich auch mit meinen Reiseberichten aus Krisen- und Einsatzgebieten. Inzwischen sind es über 30, fast alle unter www.nachtwei.de veröffentlicht.)
Kurz zurückliegende Vergangenheit gerät manchmal besonders schnell in Vergessenheit, besonders wenn sie schmerzhaft und umstritten ist.
In einem bebilderten Vortrag will ich deshalb die Erfahrungen dieser Reise lebendig werden lassen, selbst miterlebte und mitverantwortete Stationen grüner + deutscher Krisenengagements (Bosnien/Kosovo/Mazedonien, Infrastruktur + Aktionsplan Zivile Krisenprävention, Afghanistan, Irak, Kongo, UN-Missionen, näher rückende Krisen + Kriege) darstellen und eine Bilanz versuchen: als Lernprojekt und nicht als Apologie.
(Vgl. auch das Interview mit mir in der Reihe 35 Geschichten zu prägenden Meilensteinen in 35 Jahren der Grünen, 6. Juli 2010: „Nach dem Massaker von Srebrenica 1995“, http://www.gruene.de/partei/30-gruene-jahre-30-gruene-geschichten/30-gruene-jahre-18-die-frage-der-militaerischen-gewalt.html )
Aktuell ergeben sich dabei Schlussfolgerungen für den Beratungsprozess „PeaceLab2016 – Krisenprävention weiter denken“, der den künftigen Leitlinien „Krisenengagement und Friedensförderung“ der Bundesregierung vorgeschaltet ist. Diese sollen den von uns im rot-grünen Koalitionsvertrag 2002 initiierten Aktionsplan Zivile Krisenprävention von 2004 ablösen.
Arbeitstitel des Vortrags „Grüne Bosnien-Reise vor 20 Jahren: Schlüsselerfahrungen und was daraus wurde – Bilanz und Lehren angesichts heutiger Krisenstürme“. Je nach Bedarf mit unterschiedlicher Länge und Akzentuierung.
Interessierte Veranstalter bitte melden unter winfried@nachtwei.de
Erste Vortragstermine
19. September um 19.30 Uhr bei der Europa-AG von GAL-Grünen in Münster, Windhorststr. 7;
24. September um 15.30 Uhr bei der BAG Frieden der Grünen in Berlin/Bundesgeschäftsstelle.
Reiseübersicht
20. Oktober 1996, Zagreb
Bei dem deutschen Botschafter Dr. Haak Gespräche mit oppositionellen Parlamentsabgeordneten, dem Vorsitzenden des kroatischen Helsinki-Komitees für Menschenrechte, der Leiterin des Kroatischen Journalistenverbandes, dem Leiter von UNHCR Kroatien u.a.
21. Oktober, Trogir (nordwestlich Split), Mostar
Besuch des Hauptquartiers des GEmanCONtingentIFOR (Land): Lagevortrag durch den Kommandeur, Brigadegeneral Friedrich Riechmann, Rundgang durch das Feldlazarett, Gespräch mit Soldaten aller Dienstgrade, Flug mit Bundeswehrhubschrauber nach
Mostar: Gespräche mit dem EU-Sonderbeauftragten Sir Martin Garrod (Nachfolger von Hans Koschnik), dem OB-Stv. Orusevic (das geplante Gespräch mit dem Oberbürgermeister Prskalo kommt wg. Intrige nicht zustande); Stadtrundgang durch Mostar West und Ost, Besuch eines von der EU finanzierten Jugendzentrums
Gespräch mit Vertretern des Helsinki-Komitees, dem Sonderbeauftragten für Flüchtlingsfragen, der Spitze der bisherigen WEU-Polizei
22. Oktober, Fahrt nach Sarajewo
Von einer Straße im früher serbisch besetzten Stadtteil Grbavica Blick auf Sarajewo
Briefing durch den deutschen Botschafter Reisinger
Gespräche mit Mitgliedern der B&H-Präsidentschaft geplant, aber nicht realisiert
Besuch eines Rettungsdienstausbildungsprojekts der Johanniter Unfallhilfe
Gespräch mit Dr. Foge, ein zur Organisation der Flüchtlingsrückführung entsandter Beamter des BMI
Gespräche mit OSZE-Missionschef Frowick, dem UNHCR-Sonderbevollmächtigten Faubert und dem Stellvertreter des Hohen Repräsentanten, Michael Steiner
23. Oktober, Sarajewo
Gespräche mit Außenminister Prlic, Medienvetretern (darunter dem Chefredakteur der unabhängigen Zeitung Oslobodenje), Kardinal Puljic, dem stv. Wiederaufbauminister Hurtic, Frau Haller
Besuch von HELP (medizinische Hilfe, Wiederherstellung von Wohnungen, Entminung), „La Bernevolencia“ (Hilfsorganisation der Jüdischen Gemeinde), „Merhamet“ (muslimische Hilfsorganisation), einer Suppenküche des DRK sowie des Hauptquartiers des Allied Rapid Reaction Corps (ARRC, IFOR-Landstreitkräfte), Gespräch mit ARRC-Kommandeur General Walker und dem deutschen militärischen Repräsentanten Generalmajor Werner
Empfang des deutschen Botschafters im Schriftstellerclub
24. Oktober, Fahrt über Olovo, Kladanj nach Turla
Gespräch mit Bürgermeister Beslagic und Gemeinderatsvorsitzendem Simic, mit dem Bürgermeister von Lukavac, Hasanhodzic, dem Exil-Bürgermeister von Srbrenica, Salihovic
Besuch einer Flüchtlingssiedlung, des Projekts für traumatisierte Frauen und Kinder „Amica“, der „Tuzla Agency for Loval Development Initiatives“, des unabhängigen Radios „Kameleon“, des Bürgerforum Tuzla (Mitglied im Alternativen „Bürgerparlament“ Bosniens)
Kranzniederlegung an er Stelle, wo am 25. Mai 1995 71 junge Menschen durch ein serbische Granate getötet wurden
25. Oktober, Banja Luka
Vom Flughafen Tuzla (Hauptquartier der multinationalen US-Division) mit BW-Hubschrauber nach Banja Luka
Gespräche mit dem Vorsitzenden der Sozialliberalen Partei, M. Ivanovic, und dem Vorsitzenden des Bürgerforums von Banja Luka, B. Kosaric, sowie Vertreten des Helsinki-Komitees für Menschenrechte
Gespräch mit dem katholischen Bischof Franjo Komarica
[1] MdB 1994-2009, seit 2002 abrüstungs- und sicherheitspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, an 70 Mandatsentscheidungen beteiligt, ca. 40 Besuche in Krisengebieten; stv. Vorsitzender der Friedens- und sicherheitspolitischen Kommission der Grünen 2007/2008 (u.a. Bilanz von Kosovo, Afghanistan, Irak); seit 2010 Beirat Zivile Krisenprävention beim Auswärtigen Amt (Co-Vorsitzender), Beirat Innere Führung beim Verteidigungsministerium (AG PTBS/Einsatzrückkehrer und –folgen), Vorstand Dt. Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), Gegen Vergessen – Für Demokratie, „Lachen Helfen“, kooptiertes Mitglied der BAG Frieden der Grünen, AG „Gerechter Frieden“/Justitia et Pax, Kommission „Europäische Sicherheit + Zukunft der Bundeswehr“/IFSH. 2015 Leiter der Unabhängigen Untersuchungskommission „G36 im Einsatz“ (dabei erstmalig systematische Untersuchung der scharfen Seite von Bundeswehrauslandseinsätzen)
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: