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Erinnerungsarbeit + Bericht von Winfried Nachtwei
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"Wald der Erinnerung" bei Potsdam, "Die Leiden der anderen" - Stationen düsterer, aber auch ermutigender Erinnerungen

Veröffentlicht von: Nachtwei am 20. November 2014 22:30:14 +01:00 (34816 Aufrufe)

Im November häufen sich die Gedenktage, 9. November, Volkstrauertag ... Sie brauchen keineswegs bloße Rituale sein, können bewegen, aufrütteln, Menschenrechts- und Friedensbildung fördern. Neu der "Wald der Erinnerung" beim Einsatzführungskommando bei Potsdam, ein Ort sehr persönlicher Erinnerung an die Bundeswehrsoldaten, die bei vom Bundestag beschlossenen Kriseneinsätzen ihr Leben verloren.   

„Wald der Erinnerung“, „Die Leiden der anderen“ –

eine Woche voller düsterer, aber auch ermutigender Erinnerungen

Winfried Nachtwei, MdB a.D. (November 2014)

Die Woche zwischen dem 9. November und dem Volkstrauertag am 16. November 2014, einige Stationen einer würdigen, friedensorientierten Erinnerungskultur, von Chancen zu lernen, weit entfernt von Kriegsverharmlosung und Heldenverehrung, wie ich sie in früheren Jahren erlebt habe.

9. November: Gedenkstunde in der Münsteraner Synagoge zum 9. November 1938, Gedenkansprache von mir zum Thema „Nie wieder! Nie wieder? Verantwortung zum Schutz“. (www.nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1325 )

10. + 11. November: Nachgespräche zum Dokumentarfilm ´“Wir haben es doch erlebt“ – Das Ghetto Riga` von Jürgen Hobrecht in der Weberei/Gütersloh, veranstaltet von der Stadt Gütersloh, und im Kommunalen Kino „Lichtblick“ in Kirchlengern bei Bünde.

13. November: Gedenkveranstaltung des SPD-Ortsvereins Borken

„Gegen das Vergessen“ im Saal des Stadtmuseums, Ansprache von mir zum Thema „Das Leiden der anderen – Brücken der Erinnerung“.

15. November: Einweihung des „Waldes der Erinnerung“

am Sitz des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in der Henning-von-Tresckow-Kaserne in Schwielowsee bei Potsdam. Die Medien berichteten breit über den neuen Erinnerungsort für die 104 Bundeswehrsoldaten, die bei Auslandseinsätzen ums Leben gekommen sind. Von ihnen fielen 37 bei Anschlägen und Gefechten. (Fotos unter www.facebook.com/winfried.nachtwei )

Die Kritik, hier werde Totengedenken „versteckt“, verkennt die Intention und Gestaltungsart des „Waldes der Erinnerung“. Ausgangspunkt sind die „Ehrenhaine“ mit Namenstafeln, die Soldaten in Eigeninitiative  in Feldlagern auf dem Balkan und in Afghanistan für ihre zu Tode gekommenen und gefallenen Kameraden angelegt hatten und die mit der Rückverlegung aus Bosnien und Afghanistan in Deutschland einen würdigen Ort finden sollten.

Der Vorschlag eines „Waldes der Erinnerung“ kam von Hinterbliebenen. Ein solcher Ort der persönlichen Erinnerung und Trauer mit den Gedenksteinen und –kreuzen aus den Einsatzgebieten und dem anschließenden Friedwald wäre im Trubel von Berlin-Mitte eben nicht angemessen gewesen. Er ist eine Ergänzung zu zentralen Gedenkorten und keineswegs eine Alternative dazu. Ein Erinnerungsort für die im Rahmen des Friedensauftrages des Grundgesetzes im Ausland ums Leben gekommenen Frauen und Männer im Umfeld von Bundestag und Kanzleramt mitten in der Öffentlichkeit steht noch aus.

Als Mitglied des Einsatz-Auftraggebers Bundestag von 1994 bis 2009 erlebe ich den Wald der Erinnerung sehr persönlich. Ich erinnere mich an Einzelschicksale, an die Orte und Kontexte, an die aufwühlenden Trauerfeiern an den Standorten, an die Gedenkorte in Rajlovac/Sarajevo, in Kabul, Kunduz, Feyzabad, Mazar-i Sharif, Suchumi/Georgien-Abchasien. Hier kam uns immer wieder die letzte Konsequenz der Mandatsentscheidungen nahe. Es waren und bleiben Orte politisch-menschlicher Gewissensprüfung.

Der Weg der Erinnerung zwischen Informationsgebäude und „Ort der Stille“ ist gesäumt von sieben schlichten Stelen mit den Namen der Toten.

Die 1. Stele (1993, 1995, 1997, 1998, 1999): 1993 Alexander Arndt, UNTAC (Kambodscha): Der Sanitätsfeldwebel wurde am 14. Oktober 1993 in Phnom Penh auf offener Straße von Unbekannten erschossen. Er ist der erste im Auslandseinsatz ums Leben gekommene Bundeswehrsoldat.

1999 Sven Eckelmann, KFOR: Am 30. Mai 1999 wurde der 33-jährige Oberstabsarzt Sven Eckelmann bei Durres/Albanien beim Sturz eines Fuchs-Transportpanzers von einer Brücke getötet. Das Ministerium verweigerte der Witwe und den beiden Söhnen eine „Entschädigung“, ´weil ein solcher Unfall auch in Deutschland hätte passieren können`. Aus der Empörung über eine solche Ignoranz erwuchs eine Verbesserung der Einsatzversorgung.

Die 2. Stele (2001, 2002): 2001 Dieter Eißing, UNOMIG (UN-Beobachtermission in Georgien). Der 33-jährige Oberstabsarzt wurde am 8. Oktober zusammen mit drei weiteren unbewaffneten Militärs und fünf Zivilisten aus Ungarn, Schweiz, Pakistan, Georgien, Russland und Ukraine in einem UN-Hubschrauber über dem Kodori-Tal/Abchasien abgeschossen. Eißing war der erste durch gegnerische Wirkung ums Leben gekommene Bundeswehrsoldat. Sein Tod wurde damals nahezu „versteckt“.

2002 die ersten neun Toten bei ISAF in Afghanistan: Am 6. März starben die Oberfeldwebel Thomas Kochert und Mike Rubel beim Versuch, zwei russische SA-3-Raketen zu entschärfen. Am 21. Dezember wurden sieben Soldaten beim Absturz ihres CH-53-Hubschraubers über Kabul getötet.

(Aus meinen Notizen, Kladde XVI, über die Ankunft der Toten am 25. Dezember in Köln-Wahn: „Der graue Airbus rollt heran, die große Seitenklappe vorne öffnet sich, ein Lastenaufzug hebt sich an die Luke, die ersten drei Särge mit Fahne und Stahlhelm drauf werden auf die Plattform geschoben und mit acht Soldaten runtergefahren. Unter leichtem Trommelwirbel tragen je acht Soldaten die Särge im Trauergang durch ein Spalier von Fackelträgern zu den sieben Podesten vor dem Zelt. Das dauet alles und es setzt fast eine gewisse Gewöhnung ein. Die kippt aber um in lautes Weinen und tiefe Bewegung, als Großfotos von den Toten vor den jeweiligen Särgen abgestellt werden. Einige Worte der Militärdekane. Die Angehörigen gehen zu den Särgen, „begrüßen“ ihre Toten. Die Särge werden zur Kolonne der Leichenwagen getragen.

„Ungeschützt“ steht die politische und militärische Führung inmitten der Angehörigen. Jetzt sind die ersten „Zinksärge“ zurückgekommen – die Trauer, das Unfassbare des Todesbleibt privat. Der politische Auftrag wird eher bekräftigt als in Zweifel gezogen. (…) Unvorstellbar allerdings, hier würden ganze Airbusladungen an Särgen angeliefert. Verglichen mit dem sehr bewegenden heutigen „Empfang“ ist der ökumenische Gottesdienst am 29.12. im Bonner Münster weitgehend bewegungsloses Spitzenritual. Einzig Rau bringt Bewegung in die Gemeinde.“).

Die 3. Stele (2003, 2004): Am 7. Juni 2003 (Pfingstsamstag) wurden vier Soldaten auf der Jalalabad-Road in Kabul durch einen Selbstmordattentäter in einem Lada getötet. Sie waren in einem ungeschützten Bundeswehrbus unterwegs zum Rückflug nach Deutschland. Dreißig weitere wurden z.T. schwer verwundet, viele sind bis heute traumatisiert.

(Aus meinen Notizen: „Rückkehr der toten Soldaten am Di und Trauerfeier. Für die Fraktionen nahmen Merten/SPD, Schmidt/CSU und ich teil. Besonders aufwühlend war die Teilnahme von drei leichter verwundeten überlebenden Soldaten, die nicht nur äußerlich von dem Schrecken gezeichnet waren und die sich ganz persönlich an den Särgen von ihren zerrissenen Kameraden verabschiedeten. Eine junge Witwe umarmte einen weinend mit den Worten „schön, dass es Dir gut geht“.

Auge in Auge mit den fassungslosen Hinterbliebenen sind wir mitverantwortliche PolitikerInnen rechenschaftspflichtig, ob Einsatz und Einsatzgestaltung weiterhin triftig begründet und verantwortbar sind. Im Anschluss an die Zeremonie in der Flugzeughalle fand unter Ausschluss der Medien in der Kasernenkapelle ein ökumenischer Gottesdienst statt mit sehr guten Reden von Minister und Pfarrer. Zum Schluss wurde „We shall overcome“ auf Deutsch gesungen.)

Die 4. Stele (2005, 2006, 2007, 2008): Einem Selbstmordanschlag auf dem Markt von Kunduz fielen am 19. Mai 2007 drei Bundeswehrsoldaten und sieben afghanische Zivilpersonen zum Opfer, 13 Zivilpersonen, drei Soldaten, ein Sprachmittler wurden – z.T. schwer – verwundet. 14 Tage zuvor hatten wir (Renate Künast. Jürgen Trittin, Andreas Körner, Mariam Tutakhel und ich) Kunduz noch ausgesprochen hoffnungsvoll erlebt und auch eine Koranschule besucht. Der 19. Mai markierte eine Wende.

(Am 15. August 2007 wurden in Kabul auf der Jalalabad-Road zwei BKA-Personenschützer des deutschen Botschafters und ein Bundespolizist der Botschaft durch eine ferngezündete Bombe getötet.)

Am 27. August 2008 starb Hauptfeldwebel Mischa Meier durch eine Sprengfalle am Kunduz-Fluss.

Am 20. Oktober tötete ein Selbstmordattentäter auf Fahrrad bei Haji Amanulla (5 km vom PRT Kunduz) Stabsunteroffizier Patrick Behlke und Stabsgefreiten Roman Schmidt und fünf Kinder. Die Soldaten waren Teil einer größeren Operation zur Suche nach Waffenverstecken.  (Aus meinem Trauerbrief: „Ich erinnere mich sehr deutlich daran, als wir Obleute des Verteidigungsausschusses vor vier Wochen in Mungos über die „Platte“ von Kunduz fuhren und nach dem Wadi ungeplant durch ein  Dorf kamen: Wie wachsam und freundlich zugleich die Soldaten sich gegenüber den Dorfbewohnern am Wegesrand verhielten, wie fröhlich gerade die Kinder waren. Dieses Bild von den Kindern und Soldaten wurde am letzten Montag zerfetzt.“ Der PRT-Kommandeur teilte uns mit, ISAF habe inzwischen im Raum Kunduz die Initiative verloren. Reisebericht unter www.nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&catid=11&aid=754 . Aus meinen Persönlichen Kurzmeldungen zur Friedens- und Sicherheitspolitik Nr. 40, Oktober 2008: „Trauerfeier am 24.10. in der Alexanderskirche in Zweibrücken für die am 20. Oktober bei Kunduz durch einen Selbstmordattentäter ermordeten Stabsunteroffizier Patrick Behlke, 25, und Stabsgefreiter Roman Schmidt, 22. Die Kirche ist mit mehr als 700 Besuchern überfüllt. Minister Jung spricht erstmalig von „gefallen im Einsatz für den Frieden“. Das wird von Bundeswehrangehörigen durchweg mit Erleichterung zur Kenntnis genommen. Die bisherigen Worte von „getötet“, „ums Leben gekommen“, gar „verunglückt“ empfand man als Verharmlosung. (…) Sehr deutlich ist wieder die Rede von Oberbürgermeister Reichling, für den es die dritte Trauerfeier für Soldaten in einem halben Jahr ist. Er wendet sich direkt an die Angehörigen, die Bevölkerung, die Politiker.

Am aufwühlendsten ist der Abschluss der Trauerfeier: Wenn Angehörige noch mal das Foto ihres Toten berühren, die Särge von je sechs Soldaten langsam herausgetragen werden, die fassungslose Trauer in den Gesichtern der Hunderten Trauergäste in den Bänken, darunter der vielen jungen Leute, die vielen Bürger auf dem Vorplatz mit Kerzen in den Händen, schließlich das Trompetensolo „Ich hatt` einen Kameraden“ und die grüßenden Soldaten, Polizisten, auch Zivilisten dabei.

Hier wie bei den anderen Trauerfeiern der Bundeswehr zuvor seit 2002 habe ich nie was gespürt von dem Satz früherer Generationen, es sei „süß und ehrenvoll, für das Vaterland zu sterben“. Die Trauer bleibt ohne jede Verklärung, die Sinnstiftung bleibt schwach.

Bei Gesprächen mit Offizieren des Fallschirmjägerbataillons 263 höre ich kritische Worte zur Lage im Raum Kunduz: Um den Raum zu halten, brauche man ständige Präsenz, mehr Kräfte und andere Fähigkeiten (vor allem Aufklärung). Ein Kernproblem seien die bekannten bad guys, an die man nicht rankomme.“)

Die 5. Stele (2009, 2010): Am 29. April 2009 starb im Distrikt Chahar Darreh/Kunduz der 21-jährige Hauptgefreite Sergej Motz. Er ist der erste Bundeswehrsoldat, der im Gefecht fiel.

(Sein Vater kämpfte als Sowjetsoldat in den 80er Jahren in Afghanistan.)

Am 23. Juni 2009 ertranken drei Soldaten in ihrem Fuchs, als dieser bei einem Gefecht in einen Wasserlauf kippte.

Am 4. Oktober 2009 starb der Stabsgefreite Patric Sauer an den Spätfolgen eines Selbstmordanschlages im August 2008.

(Er gehörte zu einem Bergetrupp und sicherte bei einem technischen Halt, als auf einem Motorrad ein Selbstmordattentäter angriff. Er ist der sechste Afghanistangefallene des Fallschirmjägerbataillons 263 in Zweibrücken. Sein Spieß berichtete bei der Trauerfeier in Fulda, dass er nach der Verwundung zu einem Freund seiner Familie geworden sei und seinen schweren Gesundungskampf begleitet habe. Eines Tages kam der Anruf „ich schaffe eine Stufe!“ Er war wieder bei der Kompanie, wollte wieder nach Afghanistan. Dann kam die plötzliche Verschlechterung …)

Am 2. April 2010 fielen drei Soldaten bei Isa Khel/Distrikt Chahar Darreh/Kunduz (Karfreitagsgefecht).

Am 15. April 2010 fielen drei Soldaten durch eine Sprengfalle in Baghlan.

Am 7. Oktober 2010 starb der 26-jährige Oberfeldwebel Florian Pauli bei einem Selbstmordanschlag in Baghlan.

(Bei der Trauerfeier in der Dorfkirche von Selsingen bei Seedorf/Niedersachsen wird berichtet, dass Pauli nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr und dreijähriger Ausbildung zum Rettungssanitäter freiwillig zum Bund gegangen sei, um Sanitätsfeldwebel zu werden. In Baghlan kam ein angeblich Hilfsbedürftiger auf ihn zu und sprengte sich in die Luft.)

(Am 24. Dezember 2010 wurde in Khulm in der Provinz Balkh der deutsche Ingenieur Mathias Schröder, Verantwortlicher des Straßenbauprojekts Khulm-Kunduz, in seinem Kfz erschossen. Er, der sehr Landeserfahrene, hatte mir vier Monate zuvor etliche Projekte in seinem Distrikt gezeigt.)

 

Die 6. Stele (2011, 2012, 2013, 2014): Am 18. Februar 2011 werden im OP North/Baghlan drei Soldaten von einem afghanischen „Binnentäter“ erschossen, unter ihnen der 21-jährige Stabsgefreite Konstantin Menz.

Am 28. Mai werden Major Thomas Tholi und Hauptfeldwebel Tobias Lagenstein bei einem hochrangigen Sicherheitstreffen im Gouverneurssitz Taloqan durch eine Bombe getötet.

Ums Leben kommen auch die Hauptangriffsziele der Taliban, General Mohammed Daud Daud, Polizeichef von Nordafghanistan und Kommandeur der Eliteeinheit 303. Pamir Corps (ihm waren wir bei Delegationsbesuchen ab 2003 mehrfach begegnet), und der Polizeichef der Provinz, General Shah Jashan Nuri. Gouverneur Abdul Jabar Taqwa und Regionalkommandeur General Markus Kneip erleiden Splitter- und Brandverletzungen. Lebensgefährlich verwundet wurde Oberleutnant Soraya Alekozei. Sie war 1979 aus Afghanistan nach Deutschland geflohen, seit 2005 arbeitete sie bei sechs Einsätzen als Dolmetscherin, lange für die deutschen Kommandeure, jetzt für General Kneip. In über 30 Operationen holten Ärzte und Teams des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz die Verwundete ins Leben zurück. Sie ist die erste und einzige so schwer verwundete Soldatin der Bundeswehr. In diesem Jahr veröffentlichte die kriegsversehrte Veteranin ihr Buch „Sie konnten mich nicht töten – Als Afghanin im Einsatz für die Bundeswehr“ bei Econ.

Die wiedererrichteten Ehrenhaine von Rajlovac, Kunduz, Kabul, OP North und Feyzabad befinden sich seitlich vom Weg der Erinnerung. Die Ehrenhaine von Prizren und Mazar-i Sharif befinden sich noch vor Ort.

Vergeblich suche ich einen zweiten, inoffiziellen Ehrenhain, den Soldaten im PRT Kunduz vor ihrer Unterkunft am Hubschrauberlandeplatz angelegt hatten. Sieben Kreuze für HFw Nils Bruns, 35 Jahre (gefallen 2.4.2010), StGefr Robert Hartert, 25 Jahre (2.4.2010), HGefr Martin Augustyniak, 28 Jahre (2.4.2010), HGefr Sergej Motz, 21 Jahre (29.4.2009), HFw Mischa Meier, 29 Jahre (27.8.2008), StGefr Roman Schmidt, 22 Jahre (20.10.2008), SrUffz Patrick Behlke, 25 Jahre (20.10.2008). Daneben befand sich ein Schildkrötengehege:

„Im Gedenken an unsere gefallenen Kameraden der 2./InfTF KDZ ist dieses

Schildkrötengehege entstanden. Die Soldaten der 2./InfTF KDZ verpflichten sich,

diesen Ehrenhain und die dazu gehörigen Schildkröten zu pflegen. In mühevoller Kleinarbeit über mehrere Kontingente wurde der Ehrenhain am 06.12.2011 fertiggestellt.

Schildkröten symbolisieren in diesem Land „ewiges Leben“.

Damit unsere gefallenen Kameraden in unseren Gedanken immer weiter leben,

halten wir für jeden Kameraden eine Schildkröte.

Sch., OStFw u. KpFw, 2./PzGrenLehrBtl 92 06.12.2011“

Heute entsteht hangaufwärts ein Friedwald: Hinterbliebene befestigen an Bäumen selbst gestaltete Plaketten und Tafeln für ihre Toten, verharren in Stille, fotografieren sich.

Beim Gang vorbei an den Stelen, Ehrenhainen, persönlichen Bäumen werden immer wieder Worte gewechselt, Erinnerungen ausgetauscht. Einzelne weinen gemeinsam.

Einweihung des „Waldes der Erinnerung“: Mehr als 700 Gäste sind heute gekommen, unter ihnen 190 Angehörige. In Anwesenheit von Bundespräsident Gauck und Innenminister de Maizière sprechen bei der Zeremonie der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Fritz, Verteidigungsministerin von der Leyen, Tanja Menz als Mutter eines Gefallenen, Oberstabsfeldwebel Axel Josef Hammers, der 2010 und 2013 mit seiner Fallschirmjägerkompanie in Kunduz war und am 2. April 2010 drei Soldaten, Freunde verlor. Tanja Menz ruft zu größtmöglicher Offenheit und Ehrlichkeit auf, wenn es darum gehe, Soldaten in einen Einsatz zu schicken. Marlis Böken, Mutter der 2008 auf der Gorch Fock ums Leben gekommenen Jenny Böken, Oberstabsfeldwebel Hammers und die Ministerin pflanzen symbolisch einen Baum.

Von den Spitzen des Auswärtigen Amtes und des Auswärtigen Ausschusses (Vorsitzende und Sprecher) ist niemand der Einladung gefolgt, obwohl beim Außenressort die Federführung der Auslandseinsätze liegt. Dass Außenpolitiker nur sehr selten bei Trauerfeiern für gefallene Soldaten ihre Anteilnahme zeigten, fällt mir seit vielen Jahren auf.

Der „Wald der Erinnerung“ ist ein Ort sehr persönlicher, individueller Erinnerung ohne falsches Pathos, „fernab jeglicher Heroisierung“ (Fritz). Er ist schlicht, eindringlich, würdig. Dass ihn die Soldaten des Einsatzführungskommandos immer vor Augen haben – und damit ihre besondere Verantwortung -, ist ein gutes Zeichen. Der „Wald“ liegt direkt bei der Hauptwache und ist von dort nach Hinterlegen eines Ausweises und in Begleitung eines Soldaten schnell erreichbar. Er ist auch für Besuchergruppen zugänglich.

(In den ersten zwei Wochen seit Einweihung des „Waldes“ wurde er schon von überraschend vielen Einzelpersonen und Gruppen besucht.)

Bei der Weiterentwicklung des „Waldes der Erinnerung“ und seiner Informationen hielte ich es für angemessen, wenn hierbei in geeigneter Weise auch die Todesopfer direkt neben denen der Bundeswehr Beachtung finden würden. Bei Trauerfeiern fiel mir immer auf, dass z.B. die afghanischen Zivilpersonen, die beim selben Anschlag wie Bundeswehrsoldaten ums Leben kamen, meist nicht einmal erwähnt wurden. Eine solche Selbstbezogenheit passt nicht zum Anspruch gemeinsamer Sicherheit und zum Auftrag, im Einsatzland Sicherheit zu fördern.

(Artikel und Reden unter www.dw.de/totengedenken-im-wald-der-erinnerung/a-18066330 )

http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9pPKUVL301JTUvOzUPL3yxJyU-JTUovjUosy8vNSi0rx0_YJsR0UAwmsWjA!!/ ,

16. November: Gedenkfeier zum Volkstrauertag im Rathaus von Münster, veranstaltet von der Stadt Münster, dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und der Reservistenkameradschaft Münster.

Schülerinnen der Marienschule tragen Texte vor, die sie selbst ausgewählt haben: Wolfgang Borcherts „Dann gibt es nur eins“ – ein von den Schrecken des Weltkrieges geprägter eindringlicher Aufruf zu umfassender und radikaler Kriegsdienst- und Kriegsunterstützungsverweigerung; Peter Härtlings „Wenn jeder eine Blume pflanzt“; Auszug aus Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“. Sie Texte liegen auch aus. Ihre Antikriegsbotschaft könnte nicht deutlicher sein.

Es sprechen Bürgermeisterin Karin Reismann, Wissenschaftsministerin Svenja Schulze als Hauptrednerin (die Gedenkansprache unter www.spd-muenster.de/meldung.php?meldung=6355&page= ) und Oberst Dieter Meyerhoff vom 1. Deutsch-Niederländischen Korps mit der Totenehrung – Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt, an die in den Weltkriegen gestorbenen Soldaten, die Verfolgten und Widerständler, an die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, von Terrorismus und politischer Verfolgung, Gedenken an Bundeswehrsoldaten und andere Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren, an diejenigen, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind.

Neben einem Bläserquintett des Luftwaffenmusikkorps Münster sorgt der Große Chor des Paulinum unter der Leitung von Margarete Sandhäger wie schon in den Vorjahren für musikalische und emotionale Höhepunkte: Der Gesang der Schülerinnen und Schüler setzt Harmonie, Helligkeit, Lebendigkeit, Lebensfreude gegen einen Novembertag, dessen Thema kaum düsterer und deprimierender sein könnte.

(vgl. Anregungen und Gedanken zur Gestaltung von Gedenkstunden und Gottesdiensten, u.a. Redevorschläge von Klaus Töpfer und Klaus von Dohnany, Gedanken zu Predigttexten von Bischof Stephan Ackermann und Renke Brahms, Friedensbeauftragter des Rates der EKD,

http://www.volksbund.de/fileadmin/redaktion/BereichInfo/BereichInformationsmaterial/Volkstrauertag/VT_Handreichung/handreichung_vtt2014.pdf )


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

Tagebuch