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Genauer Hinsehen: Sicherheitslage Afghanistan (Lageberichte + Einzelmeldungen) bis 2019
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Bloß weg aus Afghanistan? Bloß nicht! WAS TUN? Vortrag bei der XXVII. AFG-Tagung in Villigst

Veröffentlicht von: Nachtwei am 30. Dezember 2013 19:49:41 +01:00 (103173 Aufrufe)

Am 3. Adventswochenende 2013 fand wieder die AFG-Tagung in Villigst/NRW statt. Hier kommen seit Jahren so viele Menschen mit AFG-Erfahrung und -Verbundenheit zusammen wie nirgendwo sonst. Mein Vortrag entwickelt trotz aller Düsternis Perspektiven einer Afghanistan-Solidarität.  

Bloß weg aus Afghanistan? Bloß nicht! Nur wie?

Impulsvortrag (bebildert) von Winfried Nachtwei auf der

XXVII. Afghanistan-Tagung 13.- 15.12.2013 in der Evang. Akademie Villigst

Vorbemerkung: Die inzwischen 27. (!) Jahrestagung stand unter dem Thema „Der Frieden ist der Ernstfall“ – Afghanistan nach 2014. Wie schon in den Vorjahren kamen in Villigst so viele Menschen (über 90 gemeldete Teilnehmer) mit Afghanistan-Erfahrung und –Verbundenheit zusammen wie bei keiner anderen AFG-Tagung in Deutschland. Besonders erfrischend war die gute Beteiligung junger (Deutsch-)Afghaninnen und Afghanen. Ausgesprochen angenehm war, wie sachlich miteinander umgegangen wurde, obwohl die politischen Positionen teilweise sehr auseinander gingen. Von staatlicher Seite nahmen Vertreter des Entwicklungs- und Verteidigungsministeriums, der GIZ, ein AFG-erfahrener Polizist aus NRW und ein SWP-Experte teil. Aus dem Bundestag konnte trotz mehrmonatiger Sitzungspause leider niemand gewonnen werden. Internationale Referenten waren neben dem scheidenden afghanischen Botschafter der Historiker und Journalist Fazi Ghani B-Mogaddedi/Kalifornien, Rahimullah Yuzufzai, Korrespondent The News International/Peshawar, und Dr. Dautd Yaat, afg. Botschafter in London.

Herzlich zu danken ist dem von Uwe Trittmann/Villigst koordinierten Vorbereitungsteam mit Nadia Nashir, Belal El-Mogaddedi und Dr. h.c. Ernst-Albrecht von Renesse, der 1984 (!) die Tagung initiierte.

Die Villigster Afghanistan-Tagung mit ihren Potenzialen verdient im politischen Berlin und bei Journalisten eine viel größere Beachtung!

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Als Mitglied des Bundestages und des Verteidigungsausschusses war ich 2001 an den Startentscheidungen zum Afghanistaneinsatz erheblich beteiligt – und danach an Mandatsverlängerungen und –erweiterungen. Nach meinem freiwilligen Ausstieg aus dem Bundestag 2009 ist der Afghanistaneinsatz weiterhin eines meiner Schwerpunktthemen. Ich sehe mich weiter in Mitverantwortung.

 Anfänge des Afghanistaneinsatzes

Die politische Entscheidung zum ersten Afghanistaneinsatz (Teilnahme an der Operation Enduring Freedom) war im November 2001 in Berlin hoch umstritten, die Entscheidung zum ISAF-Einsatz einen Monat später hingegen (Teilnahme an ISAF) weitgehend konsensual.

(Bild: Tanzende Polizisten anlässlich der Eröffnung der Polizeiakademie in Kabul 2002)

Die anfänglichen Befürchtungen bewahrheiteten sich zunächst nicht. Stattdessen überraschend viel Hoffnungsvolles: die tolle Resonanz auf das Winterschulprogramm der deutschen Botschaft, der schnelle Aufbau der Polizeiakademie mit Hilfe des THW, die Freundlichkeit der Kabuler Bevölkerung gegenüber den ausländischen Soldaten.

(„Aufruf zur Sicherheit“ von 79 internationalen nichtstaatlichen Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen wie CARE, Caritas, Oxfam, Pax Christi Int., HRW, Int. Crisis Group, Save the Children, World Vision  im Juni 2003 für eine Ausweitung der ISAF-NATO-Präsenz auf`s Land)

Ein Aufruf, den man sich heutzutage nicht vorstellen könnte.

(Jürgen Trittin + W. Nachtwei im Gespräch mit Schülern einer Koranschule in Kunduz im Mai 2007)

Seit 2004 war ich fast jedes Jahr in Kunduz, erlebte die enorme Aufwärtsentwicklung, Kunduz als „Hoffnungsprovinz“. Ich fragte die „Talibs“ (Koranschüler), wie sie die deutschen Soldaten fänden. Ihre Antwort: „Die verhalten sich anständig“. Wo Respekt und Ehre zentrale Normen sind, erschien mir das ein Besturteil zu sein. 14 Tage später Selbstmordanschlag auf dem Markt von Kunduz. Drei zerfetzte Bundeswehrsoldaten, sieben zerfetzte afghanische Zivilpersonen. Der Anschlag markierte den Wendepunkt hin zu einer sich ständig verschlechternden Sicherheitslage im Norden, zur schleichenden Rückkehr des Krieges nach Kunduz.

 

Zwölf Jahre nach Beginn des Afghanistaneinsatzes

(Karte der Sicherheitsvorfälle in den 34 Provinzen im 1. Quartal 2013)

Ein Flickenteppich höchst unterschiedlicher Sicherheitslagen: intensive Kriegsgebiete z.B. in Kunar, Kandahar, Helmand; Regionen erhöhter Unsicherheit; schließlich Regionen mit Aufbau und Entwicklung wie Herat, Balkh.

(Tabelle Zahl der Aufständischen-Attacken 2013 im Vergleich zu 2011)

Nachdem im Jahr 2012 der Wachstumstrend der Aufständischen-Attacken erstmalig unterbrochen war, nahmen die Attacken 2013 wieder erheblich zu: im 3. Quartal 2013 um 42% gegenüber dem Vorjahrszeitraum! Im Vergleich zum bisher schlimmsten Jahr 2011 gab es positive Entwicklungen in wenigen Provinzen (Balkh -45%, Uruzgan -30%), Verschlechterungen hingegen in der Mehrzahl der Provinzen: Badakhshan +80%, Baghlan +114%, Kunduz +41%, Faryab +65%, Nangarhar +146%. Angriffsziele sind in erster Linie die afghanischen Sicherheitskräfte, Regierungs- und Behördenvertreter. In 2012 fielen 1200 afghanische Soldaten und 2200 Polizisten im bewaffneten Konflikt. Das angestrebte „sichere Umfeld“ ist nicht erreicht. Ob mit dem Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte bessere Voraussetzungen für mehr Bürgersicherheit in Zukunft geschaffen wurden, ist zu hoffen, wird sich in den nächsten Jahren beweisen müssen.

(Weltkarte der korruptesten Länder: Afghanistan an 179. Stelle vor Somalia und nach Irak)

Wo das internationale Engagement den Staatsaufbau unterstützen sollte, ist die Governance-Bilanz äußerst ernüchternd! Wenn internationale Vertreter schlechte Regierungsführung und Korruption auf afghanischer Seite lautstark brandmarken, aber die eigene Beihilfe zur Korruption übergehen, dann drängt sich der Verdacht auf, dass der afghanischen Seite alle Schuld an der düstern Lage zugeschoben werden soll.

(Washington-Post-Umfrage, ob der Afghanistankrieg wert sei geführt zu werden: Im April 2010 verneinten das 52%, im August 2013 67%)

Die Afghanistan-Müdigkeit in den in Afghanistan engagierten Ländern ist unübersehbar.

(Karte: Rückverlegungsrouten der Bundeswehr von Afghanistan)

In Deutschland ist von Afghanistan fast nur noch im Kontext des Bundeswehrrückzuges die Rede.

(Karikatur: Abhebender US-Hubschrauber mit darunter hängendem Dach „Afghan Democracy“ – „mission accomplished“, )

Der militärische Rückzug: Die Karikatur erinnert an das Foto des letzten US-Hubschraubers über Saigon. Nach uns die Sintflut? Bei anderen Vorträgen der Tagung wurde immer wieder auf die vielen Ungewissheiten verwiesen, die eine Prognose über die Entwicklung Afghanistans 2014/15 massiv erschweren. (Anm.: Referenten aus dem politischen Berlin betonten, dass die Verzögerungen beim bilateralen Sicherheitsabkommen zwischen Afghanistan und USA Vertrauen zerstören und Unsicherheit befördern würden. Die Null-Option eines militärischen Totalabzuges sei sehr wohl im Bereich des Möglichen.)

War`s das?

(Bundeskanzleramt)

Die Unterstützungszusagen der Bundesregierung und etlicher anderer Regierungen gegenüber Afghanistan stehen. Deutschland hat bis 2016 jährlich 430 Mio. Euro zugesagt. Das BMZ hat ausgehend von einem strategischen Evaluierungsprozess für Afghanistan eine Länderstrategie 2014-2017 entwickelt. Afghanistan bleibt  d a s  Schwerpunktland deutscher Entwicklungszusammenarbeit!

(FAZ-Artikel von Götz Aly über die Amani-Oberrealschule in Kabul)

Die von Botschafter Prof. Ashraf zu Beginn der Tagung beschworenen Bande der deutsch-afghanischen Freundschaft – sind sie wirklich fest und ewig?

(Weltkarte gegenwärtiger Konfliktländer)

Die Konkurrenz der anderen Krisen und Konflikte nimmt zu: Nordafrika, Ägypten, der Krieg in Syrien mit der Destabilisierung der Nachbarschaft. Dieser kochende Krisenbogen liegt vor der europäischen Haustür und betrifft europäische Sicherheit sehr direkt. Das war im Bundestagswahlkampf – wie überhaupt Außen- und Sicherheitspolitik – kaum Thema. Ich spüre einen schleichenden mentalen „Rückzug auf die Insel“.

(Rückgang der US-Entwicklungsgelder nach Truppenrückzug: Irak -69%. Kosovo -52%, Bosnien -60%, Haiti -43%)

Die Erfahrungen anderer Kriseneinsätze zeigen: Mit den Soldaten schwinden in der Regel auch die Aufmerksamkeit, das Interesse, das Geld. Im Fall Afghanistan sind die Regierungszusagen das eine. Zugleich gehen die Spenden für Hilfsprojekte zurück, sind zivile Freiwillige für einen Einsatz in Afghanistan schwerer zu finden. Mittelfristig kann dann auch der politische Wille zur „Transformationspartnerschaft“ bröckeln. Vorzeichen dafür vernahm ich bei der ISAF-Debatte des Bundestages vor elf Monaten: „Wie es wirklich um Afghanistan steht, interessiert immer weniger“ überschrieb ich damals meinen Bericht von einer ernüchternden Debatte.

(taz-Artikel „Bloß weg? Bloß nicht!“ von W. Nachtwei, 25. Mai 2013)

Der Trend ist „bloß weg!“ Unsere, meine Antwort: Bloß nicht!

(UNO-Gebäude New York)

WARUM kein Totalabzug?

(a)    Auch wenn andere Krisenherde nach vorne gerückt sind und mehr Engagement erfordern – Afghanistan bleibt ein Brennpunkt und eine wichtige Herausforderung für internationale kollektive Sicherheit. Eine (partielle) Machtergreifung der Aufständischen oder ein Rückfall in den Bürgerkrieg hätte verheerende sicherheitspolitische wie humanitäre Folgen für die ganze Region – und würde die Glaubwürdigkeit internationaler Friedens- und Sicherheitspolitik massiv beschädigen.

(b)   Ein totaler Abzug der internationalen Unterstützung würde höchstwahrscheinlich schnell die bisherigen Teilerfolge zerbröseln lassen und damit nachträglich den Einsatz zehntausender entsandter Soldaten, Entwicklungshelfer und Polizisten sinnlos machen.

(Lachende afghanische Jungens bei Ali Abad/Kunduz 2006)

(c)    Angesichts der gemachten Versprechen, der geweckten Erwartungen und gemachten

Großfehler besteht eine menschliche Verpflichtung gegenüber den Menschen in Afghanistan.

(d)   Schließlich sehe ich auch eine spezifisch deutsche Verantwortung: In Westdeutschland hatten wir nach dem Zweiten Weltkrieg ein historisch einmaliges Glück mit unseren großzügigen Siegermächten und dem erfolgreichen Wiederaufbau. Von diesem historischen Glück könnten/sollten wir etwas weitergeben an das Volk, das 30 Jahre unter (Stellvertreter-)Kriegen und extremer politischer Gewalt gelitten hat und auf Aufbauhilfe angewiesen ist.

Was tun gegen die „Bloß-weg“-Stimmung?

(Khaled-Hosseini-Titel „Tausend strahlende Sonnen“)

Neben der Afghanistan-Müdigkeit gibt es gleichzeitig viel Aufmerksamkeit für Afghanistan. Die Bestseller von Khaled Hosseini („Drachenläufer“, „Tausend strahlende Sonnen“, „Traumsammler“) deuten darauf hin. Immer wieder zu spüren ist dieses Interesse auch bei  Informationsveranstaltungen zu Afghanistan.

Zwölf Jahre nach Beginn befindet sich das internationale und deutsche Afghanistan-engagement im Umbruch.

Die erste Notwendigkeit ist, sich ehrlich zu machen!

(Schaubild Zivilopfer in Afghanistan, Desertionsraten bei der ANA)

D.h. die düsteren und schlimmen Wirklichkeiten wahrnehmen und nicht verdrängen oder gesundbeten.

(Socio-political Assessment des vierjährigen Engagements der Niederlande in Uruzgan durch The Liaison Office/Kabul, August 2010)

Zum Ehrlichmachen gehört unverzichtbar eine unabhängige und systematische Bilanzierung und Wirkungsanalyse des internationalen und deutschen Engagements (so etwas gibt es bisher bei uns nicht, der Fortschrittsbericht der Bundesregierung seit 2010 ist ein Schritt in diese Richtung; die Niederlande sind demgegenüber eine positive Ausnahme), Identifizierung der eigenen Fehler, aber auch der richtigen Ansätze und Leistungen.

(SZ-Portrait über Habiba Sarabi, die bisher einzige Gouverneurin (Bamyan) und jetzige Vizepräsidenten-Kandidatin)

Die zweite Notwendigkeit: ein mehrfacher Perspektivenwechsel!

  • Die deutsche (und westliche) Nabelschau und Selbstbezogenheit überwinden, über den Tellerrand des eigenen Verantwortungsbereichs und der eigenen Betroffenheit hinausblicken, die Perspektiven vor allem der Afghaninnen und Afghanen einbeziehen. Bei aller methodischen Problematik von Meinungsumfragen in einer so fragmentierten Gesellschaft wie der in Afghanistan fällt doch auf, dass seit Jahren die Binnenwahrnehmung der Gesamtentwicklung, der Lebensbedingungen und Hauptprobleme in Afghanistan um einiges heller ausfällt als der düstere Tunnelblick auf Afghanistan aus der deutschen Ferne.

(Umfrageergebnisse der Asia Foundation)

„A Survey oft he Afghan People“ mit mehr als 9000 Befragten, (www.asiafoundation.org/country/afghanistan/2013-poll.php )

  • Nicht nur und immer auf die Problemgebirge der „hohe Politik“ sehen mit ihrer Undurchsichtigkeit, Machtkämpfen, oft deprimierenden Abläufen, sondern auch den Alltag der vielen kleinen Schritte und des Leistbaren in den Blick nehmen. (Exemplarisch: Martin Gerner`s Film „Generation Kunduz – Der Krieg der anderen“, 19.4.2012)
  • Sich lösen aus dem Sog, ja der regelrechten Faszination der schlechten Nachrichten, der Fixierung auf Gewaltereignisse und das Militärische; stattdessen mehr Aufmerksamkeit für Chancen, konstruktive Entwicklungen, Problemlösungen, Menschen.
  • Genaueres Hinsehen, Wahrnehmung von Grautönen an Stelle eines unterschiedslosen Redens von „Krieg“ und „Scheitern“, wo dann Entmutigung, Abschreckung, „bloß weg!“ die naheliegenden Konsequenzen sind.

Zum Beispiel:

(Regionalkrankenhaus Balkh in Mazar)

Das Regionalkrankenhaus ist für die menschliche Sicherheit in Nordafghanistan so wichtig wie Camp Marmal für ISAF im Norden. Die Einweihung des mit deutscher Hilfe errichteten Krankenhauses im Mai 2012 war in Deutschland keine Meldung wert – mit Anschlag hätte es sicher Nachrichtenwert gehabt. Wer weiß schon in Deutschland, dass 250 deutsche und internationale Entsandte und 1700 Ortskräfte im Rahmen dt. EZ in Afghanistan arbeiten – und im Rahmen der AA-finanzierten Programme weitere 100 Entsandte und 1600 Ortskräfte. Eigentlich spektakuläre Zahlen!

(Andere „Leuchttürme“: der am 9. Juni eröffnete neue Internationale Flughafen von Mazar, mit 50 Mio. Euro vom AA unterstützt; Turkish Airlines fliegt inzwischen dreimal/Woche MeS-Istanbul. Am selben Tag eröffnete Außenminister Westerwelle das Dt. Generalkonsulat in Mazar, die erste diplomatische Vertretung eines europäischen Landes in Nord-AFG.)

(Besuch im Teacher Training College in Mazar)

Zum Beispiel die fünf mit deutscher Hilfe errichteten Lehrerausbildungs-Colleges im Nordosten, in Mazar allein mit knapp 4000 Studierenden. Viermal habe ich seit 2008 das TTC in Mazar besucht. Das ist schon viel mehr als der viel zitierte Tropfen auf den heißen Stein.

 

(Fact Sheet Berufliche Bildung)

Tagungsteilnehmer ist Alfred Horn, der für Help seit acht Jahren in Herat arbeitet und 2012 Ehrenbürger der Provinz wurde. Jedes Jahr erhalten in Herat in fünf Ausbildungszentren 1000 Frauen und Männer eine Ausbildung für marktfähige Berufe – und anschließend einen Arbeitsplatz. (www.help-ev.de ) Die Bundesrepublik finanziert den Bau von zwei Akademien für Berufsschullehrer.

(Schaubild Förderung Rule of Law)

Die verschiedenen Maßnahmen der dt. EZ zur Förderung von Rechtsstaatlichkeit.

(Alphabetisierungsunterricht mit afghanischen Polizisten)

Die Project Implementation Unit der GIZ führt seit Mitte 2009 das Programm „Alphabetisierung und nachholende Grundbildung“ für die uniformierte Polizei im ganzen Norden durch. 300 einheimische Trainer arbeiten in allen 114 Distrikten. Bisher durchliefen 20.000 Polizisten das Programm.

(Workshop Polizeichefs – Staatsanwälte)

Tagungsteilnehmerin ist Kristin Höltge, die in den letzten Jahren das GIZ-Projekt „Cooperation of Police and Prosecutors“/COPP geleitet hat. In den zweiwöchigen Workshops kommen Polizeichefs und Staatsanwälte aus denselben Distrikten zusammen. Sie finden in 13 Provinzen mit Teilnehmern aus allen Provinzen statt.

(Verwendung der dt. Stabilitätspaktmittel des Auswärtigen Amtes 2013)

Die 170 Mio. Euro Aufbaumittel des AA gehen in den Polizeiaufbau, Infrastruktur, Basisgesundheit, Verwaltungs- und Justizaufbau/Menschenrechte/Demokratisierung, Wahlen, humanitäre Hilfe/Minenräumen/Waffen- und Munitionszerstörung, Versöhnung, Drogenbekämpfung und Flugsicherheit.

 

Das Wahrnehmungshandicap der Aufbau- und Entwicklungshilfen ist notorisch:

„Ein Baum, der fällt, macht mehr Krach als ein Wald, der wächst.“

(Tibetisches Sprichwort)

 

(Rundbrief des Freundeskreises Afghanistan, Ausgabe zum 30-jährigen Bestehen)

Beispielhaft für verlässliche + nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe stehen die anwesenden privaten Initiativen und NGO`s:

-         Freundeskreis Afghanistan/FKA, 1980 entstanden aus einer Initiative von deutschen Entwicklungshelfern, Lehrern und Afghanen (www.fk-afghanistan.de ), enge Partnerschaft mit Khazan Gul Tani aus Khost, über den gerade Monika Koch und Heiner Tettenborn das Buch „Der Unbeugsame“ (Kahl Verlag Dresden) veröffentlicht haben.

-         Verein zur Unterstützung von Schulen in Afghanistan, 1983 von Ursula Nölle gegründet (www.afghanistan-schulen.de )

(Zeitungsartikel „Von Träumen und Traumata“ zu einer Veranstaltung mit Roger Willemsen, Schirmherr des Afghanischen Frauenvereins)

-         Der Afghanische Frauenverein seit 22 Jahren mit Nadia Nashir Karim als Vorsitzender (www.afghanischer-frauenverein.de )

-         Das Chak-e-Wardak-Hospital 65 km südwestlich von Kabul, an dessen Aufbau sich die Dortmunder OP-Schwester Karla Schefter seit 1989 machte. Wir haben sie hier gestern mit ihrer unglaublichen menschlichen Stärke und Ausdauer erlebt: „Über jeden Berg gibt es einen Weg!“ (www.chak-hospital.org )

-         KALIMA NEWS/Köln Shikiba Babori (www.kalima-news.com/de/ )

-         (Zu anderen verlässlichen und wirksamen Initiativen, Hilfsorganisationen und Projekten besteht Kontakt: Kinderhilfe Afghanistan (Dr. Reinhard + Annette Erös, zzt. in Laghman erste Universität für Frauen im Bau), Förderverein Amani-Oberrealschule FAOK, Lachen Helfen, Kinderberg International, Regionale Integration Afghanistan – Pakistan – Tadschikistan der PATRIP Foundation/Frankfurt/M., Skate-Aid/Münster, Skateistan Kabul + Mazar, Afghanistan Information Center AFGHANIC/Bonn, Medica Mondiale, International Psychosocial Organisation Ipso Konstanz/Kabul (Inge Missmahl). (Anm.: In Villigst stellen mir junge deutsch-afghanische Akademiker ihr Projekt INSAF – Institut für Afghanistik und zur Stärkung der Digitalen Bürgergesellschaft in AFG vor, www.afghanistik.de )

(Civil Society Forum Afghanistan bei der Bonner Afghanistankonferenz 2012)

-         Eine zentrale Rolle bei der Förderung zivilgesellschaftlicher Akteure in Afghanistan spielen die politischen Stiftungen. Gestern berichtete Marion Müller von der Heinrich-Böll-Stiftung über Bemühungen, beim (Konflikt)Thema Ressourcen die betroffene Bevölkerung mit ihren Bedürfnissen einzubeziehen.

(Übersicht aus dem Weltentwicklungsbericht der Weltbank 2012: wie lange institutionelle Transformationen brauchen)

Die deutliche Verbesserung der Verwaltungsqualität mindestens 20 Jahre, von Rule of Law über 40 Jahre. Es geht nicht ohne langen Atem, strategische Geduld.

Mit wem? Die vielen potenziellen AFG-Unterstützer

(Entwicklungshelfer, Diplomatin, Polizist, Soldat, Politiker auf dem Rohbau des Police Training Centers in Feyzabad; ZIF-Rückkehrer)

Im September 2009 trafen wir in Feyzabad zusammen. Alle gehören längst zu den „Einsatzrückkehrern“. Inzwischen gibt es in Deutschland viele zehntausende Afghanistan-Rückkehrer, in verschiedenen Uniformen und in Zivil. Die allermeisten lässt das Land und seine Menschen nicht mehr los. Viele haben – trotz alledem – ein Herz für Afghanistan, zusammen mit den alten Freunden Afghanistans und den vielen Älteren und Jüngeren afghanischer Herkunft. Sie sind weitgehend zersplittert und ohne Stimme. Sie haben Erfahrungen mit den vielen kleinen (Fort-)Schritten. Sie wollen nicht, dass alles umsonst war. Diese vielen Afghanistan-Rückkehrer sind ein enormes Erfahrungs- und Unterstützungspotenzial. Seit einigen Monaten findet die Idee eines „Netzwerkes für Afghanistan“ immer mehr Zuspruch. Es könnte die Frauen und Männer, die dran bleiben wollen, verknüpfen, ihren Erfahrungsaustausch erleichtern. Es könnte das Thema Afghanistan unabhängig von besonderen Vorkommnissen in der Öffentlichkeit halten, konstruktive Aufmerksamkeit fördern  und politische Impulse verstärken. Vorschläge dazu werden in den ersten Monaten des neuen Jahres öffentlich gemacht.

(“Alliance in Support of the Afghan People”)

Vor einem Jahr bildete sich in den USA eine breite überparteiliche Koalition von politischen Aktivisten und Außenpolitikern der Obama-Administration und dem Weißen Haus unter Bush mit dem Ziel, Afghanistan nicht seinem Schicksal zu überlassen. Unterstützer der Allianz sind u.a. Melanie Verveer, Stephen Hadley, Ryan Crocker, John Podesta, James Stavridis, Marc Grossmann, Kalid Hosseini, Fred Kegan, Klaus Linsenmeier, Ken Roth, Lisa Schirch (www.afghanalliance.org ).

(Technikum Kandahar, errichtet 1957)

In Deutschland ließe sich an die hervorragende, in Afghanistan noch sehr lebendige Tradition der deutschen Entwicklungszusammenarbeit anknüpfen. In den 90er Jahren trafen ca. 1000 deutsche Afghanistan-Entwicklungshelfer in Darmstadt zum Erfahrungsaustausch zusammen. Das BMZ plant nun für den 12./13. März 2014 eine größere Konferenz, zu der auch NGO`s eingeladen werden sollen.

(Afghanische Polizisten und deutscher Kollege)

Sehr sinnvoll sein könnten Patenschaften und Partnerschaften: Bisher gibt es z.B. Patenschaften zwischen der Bundespolizeiakademie in Lübeck und der Polizeiakademie in Kabul, der Bundespolizei-Inspektion Flughafen Köln/Bonn und der Afghan National Border Police am Flughafen Kabul. Vorschläge gibt es zu Partnerschaften zwischen Bundesländern und Provinzen. Aus Herat gibt es den guten Vorschlag einer Patenschaft mit Nordrhein-Westfalen.

(Bundestag vorm Plenarsaal: lauter Drucksachen)

Im Bundestag gibt es kaum noch Abgeordnete, die seit 2001 mit Afghanistan zu tun haben. Für ein Langstreckenthema wie Afghanistan den notwendigen politischen langen Atem zu halten, ist angesichts der hektischen Tagespolitik besonders schwer. Das umso mehr, als Afghanistan ganz und gar kein Gewinnerthema ist. Damit aber das Thema Afghanistan mit dem Abzug der Kampftruppe im Bundestag nicht versickert und zu bloßer Routine wird, könnte es hilfreich sein, einen – fraktions- und ausschussübergreifenden -  Freundeskreis oder eine Parlamentariergruppe Afghanistan zu bilden.

(Friedensfachkraft Cornelia B. mit Kolleginnen und Kollegen örtlicher NGO`s in Badakhshan)

Vor Ort in Afghanistan grassiert viel Verunsicherung. Gerade die örtlichen Partner brauchen sichtbare und glaubwürdige Zeichen, Beweise, dass die Unterstützung bleibt.

Zum Schluss einige „unmögliche Bilder“

(Konzerte mit Farhad Darya, dem bekannten afghanischer Popsänger)

Im Herbst 2010 15.000 Frauen in Mazar, 60.000 in Herat, 40.000 in Lashkar Gah im kriegerischen Helmand. Lachende Frauen und Männer, keine Zwischenfälle.

(Fußballländerspiel AFG-PAK im August 2013 in Kabul 3 : 0)

Es war das erste Spiel zwischen den Nachbarn seit 36 Jahren, ein friedlicher Sieg! Ein Monat später gewann Afghanistan die südasiatische Fußball-Meisterschaft gegen Indien mit 2 : 0. Danach durchlebte Afghanistan einen Ausnahmezustand der Freude, keine Gewalt. (Weitere Bilder könnte ich zeigen von Hamid Rahimi, der im Oktober 2012 in Kabul den Weltmeistertitel im Boxen/Mittelgewicht erkämpfte und von dem gerade „Hamid Rahimi – Die Geschichte eines Kämpfers“ erschien.)

Die Bilder sollen nicht zum Schluss die rosarote Brille verpassen, sondern nur bescheiden darauf hinweisen, dass in Afghanistan auch etwas möglich ist, was nach „unserem“ Afghanistanbild eigentlich völlig unmöglich erscheint.

(Afghanisches Stilleben“: „Kabul-Pizza-Express-Restaurant“ vorm „Bus-Depot“)


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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