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Genauer Hinsehen: Sicherheitslage Afghanistan (Lageberichte + Einzelmeldungen) bis 2019
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Bericht von meinem 13. Kosovo-/KFOR-Besuch: Das 54. dt. KFOR-Kontingent - so klein wie nie, aber notwendig + wichtig.

Veröffentlicht von: Nachtwei am 3. Januar 2020 11:31:15 +01:00 (30646 Aufrufe)

Seit 1998 habe ich mit dem Kosovokonflikt und -einsatz zu tun, seit Beendigung des dt. KFOR-Großeinsatzes Ende 2018 wieder mehr. Was dort geleistet wurde und noch wird, findet in Deutschland kaum noch Beachtung. Sehr zu Unrecht. Jetzt hatte ich wieder die Gelegenheit zu einem Besuch vor Ort.  

Das 54. Deutsche KFOR-Kontingent im Kosovo:

So klein wie nie, aber notwendig + wichtig.

Bericht von meinem 13. Kosovo-/KFOR-Besuch

Winfried Nachtwei, MdB a.D.[1] (12/2019)

(Eigene Ergänzungen kursiv, Fotos auf www.facebook.com/winfried.nachtwei)

Vor einem Jahr ging der deutsche KFOR-Großeinsatz mit der Übergabe des Feldlagers Prizren an die kosovarische Seite zu Ende. Es blieb ein kleines Bundeswehrkontingent im KFOR-Hauptquartier in Pristina. Im Juni jährte sich der UN-mandatierte Einmarsch von rund 50.000 KFOR-Soldaten aus mehr als 40 Nationen, darunter Russland, zum 20. Mal.

Nach 12 Besuchen zwischen Oktober 1999 und März 2011, nach intensiver Beschäftigung mit 20 Jahren KFOR in diesem Jahr (Veröffentlichungen, Vorträge, politische Initiativen) ergab sich Anfang Dezember die Gelegenheit, den bisher längsten deutschen Auslandseinsatz wieder einmal zu besuchen. Sehr zu danken habe ich Generalleutnant Johann Langenegger, Kommandeur Einsatz und stellvertretender Inspekteur des Heeres, den ich Anfang Dezember bei einem Truppenbesuch begleiten durfte. Am Abend hielt ich als politischer Zeitzeuge vor den Kontingentangehörigen einen Vortrag zu 20 Jahren KFOR. Das war recht ungewöhnlich und mir eine ganz besondere Freude.

Auf dem Programm stehen

- ein Arbeitsessen mit dem COMKFOR, dem italienischen Alpini-Generalmajor Michele Risi (seit 15.11.2019), seinem Stellvertreter, erstmalig einem Schweizer General, dem deutschen Kontingentführer, dem Director NALT und anderen Offizieren in der Casa Leonardo (GM Risi ist der siebte italienische COMKFOR seit 2013 in Folge, davor vier deutsche COMKFOR, zuletzt GM Volker Halbauer)

- Unterrichtung durch den Führer des 54. Deutschen KFOR-Kontingents, Kapitän zur See Volker Brasen (vorher Zentrum Innere Führung)

- Unterrichtung durch den Director NATO Advisory and Liaison Team (NALT), Brigadegeneral Michael G. Oberneyer

- Unterrichtung durch Führer National Support Element, Major Vanessa Best, und allen Stabsabteilungsleitern

- mein Vortrag mit Aussprache in der German ARK (Arche)

- Abendessen in gemischter Runde im Swiss House

- Gespräche mit Vertrauenspersonen und Angehörigen der Heeresaufklärungstruppe  

- kurze Führung durch das Camp Film City.

Ankunft

Kurz vor unserer easy-Jet-Landung hat die deutsche Verteidigungsministerin mit einer mehr als 50-köpfigen Delegation, darunter etliche MdB und über 20 Journalisten, Pristina Richtung Afghanistan verlassen.

Auffällige Veränderungen auf den ersten Blick: Das neue Flughafengebäude mit der großen Glasfront; die fast durchgängige Autobahnverbindung zwischen Flughafen und dem KFOR-Hauptquartier in Pristina; die auffällig geringere Tankstellendichte. (Früher galten die oft alle paar hundert Meter errichteten Tankstellen vor allem als Geldwaschanlagen)

Entlang der Fahrtstrecke viele Neubauten, dazwischen nicht wenige unvollendete Rohbauten. Kriegszerstörte Bauten sehe ich keine mehr.

Nicht verändert hat sich die Qualmwolke über dem Kohlekraftwerk, das nahezu ungefiltert die Luft über Pristina verpestet. Pristina soll weltweit häufig zu den TOP 10 der Großstädte mit der schmutzigsten Luft gehören. Stromausfälle soll es aber nicht mehr geben.

Ein andauerndes massives Erschwernis für Aufbau und Wirtschaft ist die Tatsache, dass 1999 serbische Kräfte alle Kataster-Unterlagen mitnahmen und damit eine bis heute nicht geheilte Rechtsunsicherheit bezüglich Grundeigentum hinterließen.

Das KFOR HQ im ehemaligen „Film-City“ oberhalb von Pristina ist inzwischen voll umbaut, Unverkennbar die leicht alpin-gemütlich anmutende Holzbauweise der Shops und nationalen Freizeiteinrichtungen.

Äußerlich unverändert erscheint das seit 1999 von KFOR genutzte HQ-Gebäude. Im verwinkelten Innern sind die 20 Jahre umso unübersehbarer: Die Gangwände sind gepflastert mit zahllosen Verbandsplaketten.

Die internationale Sicherheitspräsenz in Kosovo (KFOR)

beruht auf der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates vom 10. Juni 1999. (Bei meinem letzten Besuch im März 2011 umfasste KFOR 7.550 Soldatinnen und Soldaten, das 28. Deutsche KFOR-Kontingent 1.300. Reisebericht siehe unten.)

Anfang Dezember 2019 lag die Ist-Stärke von KFOR bei 2.617 aus 28 Nationen, das Soll bei 3.517. (Im August 2019 um 650 US, 540 IT, 430 AUS, 380 UNG, 240 TÜR, 240 SLOV, 240 POL, 190 CH, 110 GRI, 70 DEU …). Das geografisch naheliegende IT ist besonders engagiert, FR und SPA stellen keine Kräfte, GB nur vier Personen, die in Schlüsselpositionen. ( https://jfcnaples.nato.int/kfor )

Absicht der übergeordneten Führung

COM Allied Joint Force Command Naples der NATO in Neapel (dieselbe Kommando-ebene wie JFC Brunssum): Vorrangig Unterstützung der Kosovo Security Organizations (KSO) durch Bereitstellung militärischer Hilfe, um die Verantwortung für alle verbleibenden Sicherheitsfragen an die Institutionen im Kosovo zu übergeben und dadurch zur Erfüllung der geforderten Bedingungen für KFOR`s Transition von Deterrent Presence zu Minimum Presence und schließlich zur Rückverlegung der NATO-Kräfte beizutragen.

Deutsches BMVg: Fortsetzung der deutschen KFOR-Beteiligung in der Phase Deterrent Presence bis zum Endzustand mit ausgewählten Kernfähigkeiten und angepasster Stärke, Anpassung an die jeweiligen NATO-Vorgaben, Beitrag zur Auftragserfüllung von KFOR und zur Erreichung des Endzustandes.

Gliederung und Dislozierung ( nach https://jfcnaples.nato.int/kfor/about-us/units/RC )

- In Pristina KFOR-HQ, Joint Logistics Support Group und Multinational Specialized Unit/MSU (Militärpolizei, Crowd & Riot Control, Peacekeeping, ital. Carabinieri, https://jfcnaples.nato.int/kfor/about-us/units/msu )

- Regional Command West, Camp Villagio Italia bei Pec: ein kinetic Bataillon, ein non-kinetic Bataillon mit Liaison & Monitoring Teams/LMT`s (Sensoren und Vertrauensbildung im lokalen Umfeld  mit SoldatInnen aus IT, TÜR, SLOV, POL, AUS, CH (insgesamt landesweit über 20 LMT`s in eigenen Häusern, ohne CIMIC-Komponente)

- Regional Command East, Camp Bondsteel, mit kinetic und non-kinetic Bataillon mit SoldatInnen aus US, POL, TÜR und GRIE, IT, SLOV, FIN, UNG, CH; außerdem General Aviation Support Task Force mit Blackhawk-Hubschraubern für medizinische Evakuierung und Luftbeweglichkeit (US). Bei beiden RC liegt die Ist-Stärke etwas unter dem Soll.

- KFOR Tactical Reserve Bataillon in Novo Selo (UNG); ein weiteres Carabinieri-Bataillon in Brindisi (die operative Reserve umfasst drei Bataillone mit unterschiedlichen Bereitschafts-graden; ein Bataillon britischer Fallschirmjäger als strategische Reserve)

Fast jede Nation verfügt über ein National Support Element. Von den türkischen Soldaten gehören zwei Drittel zum nationalen Element. Etliche kleinere Kontingente lehnen sich bei größeren an.

Neutraler Truppensteller Schweiz: Swisscoy

Maximal 165 schweizer Soldaten nehmen auf der Basis des Bundesratsbeschlusses von 23.06.1999 seit Oktober 1999 an KFOR teil. Der Einsatz sei mit der Neutralität aus drei Gründen vereinbar:

- Der KFOR-Einsatz basiere auf einem Abkommen zwischen den Konfliktparteien:

- Schweizer Soldaten seien ausschließlich in Peace Support eingesetzt; die Teilnahme an Kampfeinsätzen zur Friedenserzwingung sei ausgeschlossen (Ausstattung mit Pistole, Sturmgewehr, Reizstoffsprühgerät);

- Die Beteiligung an KFOR erfolge freiwillig.

Heute sei Swisscoy vor allem in den Bereichen Transport, technische Expertise, EOD, Lufttransport, und in vier LMT`s eingesetzt. Erstmalig besetzt seit September 2019 die Schweiz den Posten des stellvertretenden COMKFOR mit einem Schweizer General, dem Brigadier Laurent Michaud. ( https://www.vtg.admin.ch/de/aktuell/einsaetze-und-operationen/militaerische-friedensfoerderung/missionen/swisscoy.html )

Das 54. deutsche Einsatzkontingents KFOR

Auftrag laut Bundestagsmandat vom 28.06.2019 ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19108.pdf ):

ist, „einen Beitrag zur NATO-geführten internationalen Sicherheitspräsenz in Kosovo (KFOR) zu leisten“.

Aufgabe der Bundeswehrkräfte ist,

- einen Beitrag zu einem sicheren Umfeld und Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu leisten,

- Unterstützung der internationalen humanitären Hilfe und internationaler ziviler Präsenz,

- Unterstützung des Aufbaus der Kosovo Security Force (KSF) bzw. perspektivisch der Kosovo Armed Forces (KAF) und anderer Akteure im Rahmen der Sicherheitssektorreform unter Vorbereitung der weiteren Einbindung in euro-atlantische Strukturen.

Laut Mandat werden dafür acht verschiedene militärische Fähigkeiten bereitgestellt bei einer personellen Obergrenze von max. 400 Soldatinnen und Soldaten.

Zzt. stellt die Bundeswehr drei operative Anteile (vgl. auch das Interview „Weniger bleibt gut“ mit dem Kontingentführer vom 18.12.2019, https://www.bundeswehr.de/de/einsaetze-bundeswehr/die-bundeswehr-im-kosovo/weniger-bleibt-gut-die-bundeswehr-bei-kfor-interview-166196 )

- Anteil am Stab KFOR (der im Dezember achtgrößte Truppensteller DEU stellt ein Viertel der Abteilungsleiterdienstposten im HQ, für Personal und operative Planung)

- Feldnachrichtenkräfte (mit neun anderen Nationen, über Gespräche und Kontakte „am Puls der Bevölkerung“)

- Unterstützung des NATO Advisory & Liaison Teams (NALT) (11)

Hinzu kommt das National Support Element (35% der deutschen Kräfte).

Von den zzt. 67 Kontingentangehörigen sind 31 Offiziere, 26 Unteroffiziere und 9 Mannschaften.

Keine Abstriche gebe es bei der militärischen Qualifikation und Ausbildung.

Weiteres Vorgehen: Die militärisch erreichbaren Ziele seien erreicht. Ziel sei die Absicherung des Erreichten und Zeit gewinnen für politische Lösungen. Der Schwerpunkt liege bei Capacity Building (NALT). Der deutsche Beitrag zu KFOR sei qualitativ hoch-wertig, sinnvoll und anerkannt. Die Besetzungsqualität und –höhe sei der Schlüssel zum Erhalt des deutschen Einflusses bei KFOR.

Es gebe noch ausreichend politischen Konfliktstoff, der instrumentalisiert werden könnte. So lange die politische Ausgangslage ungelöst sei und die politische Konfrontation zwischen Serbien und Kosovo anhalte, seit KFOR weiter nötig.

(Weitere Informationen in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Zustand der Rechtsstaatlichkeit, die Unterstützung des Kosovo durch Deutschland und die sicherheitspolitische Zusammenarbeit“, Bundestagsdrucksache 19/2098 vom 12.05.2018, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/020/1902098.pdf )

Lage & weitere Akteure im Theatre (Bosnien, Serbien, Kosovo, Nordmazedonien)

Serbische Sicherheitskräfte seien entlang der Grenze mit rund 7.000 Soldaten präsent.

Ethnisch-religiöse Gruppen: Erkennbar sind radikal-islamische Einflussbemühungen. Beim „Bergmarsch“ des Kontingents vor einigen Wochen stieß man in einem kleinen Dorf auf eine neue Moschee mit Widmungsplakette: Sie sei gestiftet worden von einer Frau aus Katar, einer aus Saudi-Arabien und einer türkischen NGO. Die wahabistische Einflussnahme auf religiöse Führer sei erheblich.

Terrorismus und Organisierte Kriminalität: Inzwischen sitzen mehr als 100 Syrienkämpfer, die z.T. mit Familien zurückkommen, in einem Hochsicherheitsgefängnis ein.

Die kosovarische, von US ausgebildete Antiterror-Abteilung sei hoch kompetent. Von der könne auch Deutschland was lernen.

Organisierte Kriminalität handle mit Waffen, Drogen, Menschen, Verdachtsfälle von Organhandel. Korruption reiche bis in hohe politische Kreise. Vetternwirtschaft sei enorm verbreitet.

Die serbische Regierung und serbisch-orthodoxe Kirche haben im Norden erheblichen Einfluss. Die orthodoxe Kirche verstehe sich als Vorposten des Serbentums.

Serbische Dienste/Kräfte führten im Norden massiv konfrontative Operationen durch. Zzt. gebe es keinen politischen Dialog zwischen der serbischen und kosovarischen Seite. Serbien werde dabei von Russland unterstützt.

(Offen bleibt, welches Gewicht zivilgesellschaftliche Akteure haben, die sich auf den verschiedenen Seiten für Entspannung und Verständigung zwischen Serbien und Kosovo engagieren. Hierzu erbrachte ein kürzlicher Besuch des Unterausschusses Zivile Krisenprävention und vernetztes Handeln des Deutschen Bundestages in Serbien und Kosovo nützliche Aufschlüsse: Reisebericht: https://peacelab.blog/2019/11/serbien-und-kosovo-deutschland-muss-haltung-zeigen )

UNMIK habe sich aus vielen Bereichen zurückgezogen. (Ursprünglich ermächtigte die VN-SR-Res. 1244 vom 10.06.1999 UNMIK als Interims-Zivilverwaltung mit voller legislativer, exekutiver und judikativer Gewalt. Mit der Unabhängigkeit und neuen Verfassung 2008 schrumpften die UNMIK-Aufgaben und –Kräfte massiv. Ende 2018 umfasste UNMIK ca. 350 Personen, davon ein Drittel international Entsandte und zwei Drittel Ortskräfte. Von maximal 4.718 mandatierten Polizisten blieben zzt. acht UNMIK-Polizisten aus sechs Ländern, davon je zwei aus Deutschland – mit dem sehr einsatzerfahrenen Polizeidirektor Arno Langanke/ NRW als Senior Police Adviser - und Russland. UNMIK wird zzt. von dem afghanischen Diplomaten Zahir Tanin geleitet.Vgl. Bericht des UN-Generalsekretärs zu UNMIK vom 04.10.2019; https://unmik.unmissions.org/sites/default/files/s_2019_797_e.pdf

Von Kosovo-Vertrauten in DEU höre ich nachträglich von einer gewissen Unterwanderung von UNMIK durch den russischen Geheimdienst.)

Die EU ist mit einer EU-Sonderbeauftragten, einem EU Office und der Rechtsstaatsmission EULEX präsent. EULEX soll Kräfte als „second responder“ stellen. Die zweimal 40 EULEX-Polizisten sind in Mitrovica stationiert für Beratung und Unterstützung, realiter kaum für die operative second-responder-Rolle. (EULEX übernahm 2008 die UNMIK-Aufgaben im Bereich der Rechtsstaatlichkeit – Justiz, Polizei, Zoll – mit begrenzten exekutiven Zuständigkeiten. Im Juni 2018 endete die justitiell-exekutive Zuständigkeit. EULEX ist mit 476 MitarbeiterInnen, davon 292 Internationalen, weiterhin die größte zivile EU-Mission. Ihre Bilanz wird kritisch beurteilt. file:///C:/Users/Winfried/AppData/Local/Temp/21_13_mrv.pdf )

Die USA errichten zzt. eine neue große Botschaft. Sie sollen vor Ort deutlich offensiver agieren als KFOR/NATO, flankiert von der US Agency for International Develop-ment/USAID. (zuletzt mit 40,6 Mio. $ im Kosovo tätig, https://www.usaid.gov/kosovo )

Die OSZE-Mission sei sehr präsent. Ihr Fokus liegt auf dem Schutz von Menschen- und gemeinschaftlichen Rechten, Good Governance und öffentlicher Sicherheit. (Die OSZE-Mission begann als Kosovo Verification Mission KVM im Herbst 1998 und erhielt ihr jetziges Mandat mit der VN-SR-Resolution 1244 vom Juni 1999. Sie ist die zweitälteste OSZE-Feldmission und ist die einzige zivile internationale Organisation, die im gesamten Kosovo über fünf Regional Zentren und 20 Fieldteams die politische, institutionelle und Sicherheitsentwicklung beobachtet. OSCE Kosovo umfasst rund 500 MitarbeiterInnen, davon über 110 Internationale. https://www.osce.org/mission-in-kosovo , Factsheet  https://www.osce.org/mission-in-kosovo/143996?download=true )

Kosovo Police Service (KPS)/Kosovo Border Police: Die KPS sei in albanischen Mehrheitsgebieten absolut zur Umsetzung ihrer Polizeiaufgaben in der Lage. Im Süden sei ihre Akzeptanz hoch. Problematisch werde es in Gebieten mit serbischen Milizen und Einfluss. Es kulminiere dort, wo Spezialisierte Einheiten der KPS eingesetzt werden. Dann gebe es immer orchestrierte Reaktionen (z.B. im Mai 2019 angesichts einer Operation gegen Organisierte Kriminalität, als  19 KPS-Angehörige – 11 ethnische Serben, vier Albaner, vier Bosniaken – unter Schmuggelverdacht verhaftet wurden und die serbische Armeeführung das Militär in volle Kampfbereitschaft versetzte.  https://www.reuters.com/article/us-kosovo-security/serbia-puts-forces-on-alert-after-kosovo-police-operation-in-serb-populated-north-idUSKCN1SY0QS . Insgesamt gilt der KPS-Aufbau als relative Erfolgsgeschichte, an der deutsche Polizisten maßgeblich mitwirkten.)

Kosovo Security Force (KSF), zzt. 2.900 Personen, Zielstruktur 5.000 plus 3.000 Reservisten. (mehr im Abschnitt zu NALT)

UCK-Veteranen soll es um die 20.000 geben (lt. Studie des britischen Historikers James Pettifer 18.000 im Frühjahr 1999; lt. NZZ vom 27.08.2018 bezogen knapp 40.000 eine Veteranenrente). Sie können sehr schnell mobilisiert werden und haben auch „Nachwuchs“ unter Jüngeren.

NATO Advisory and Liaison Team Kosovo (NALT)

( https://www.nato.int/cps/en/natohq/topics_144933.htm )

Director NALT ist der deutsche Brigadegeneral Michael G. Oberneyer, der direkt dem NATO-HQ unterstellt ist, eine erhebliche politische Dimension hat  und nicht Teil von KFOR ist. Im Sinne von „One NATO“ gebe es eine enge Abstimmung mit COMKFOR. (DEU besetzt die Position des Director NALT seit 2016) Wöchentlich gehen Berichte und Assessments nach Brüssel.

2008 begann die NATO-Unterstützung (Capacity Building) für die Kosovo Security Force (KSF) und das zugehörige Ministerium durch zwei getrennte Organisationen. Diese wurden im August 2016 zu NALT zusammengeführt. Die Beratung zielt vor allem auf Fähigkeitsentwicklung, Prozessmanagement sowie Ausbildungs- und Führungslehre: Führungsprozesse auf strategischer und operativer Ebene, strategische Fähigkeitsentwicklung und Planungsumsetzung, Beschaffungsprozesse, Haushaltsplanung und –führung, strategische Kommunikation und Medienarbeit (von besonderer Bedeutung, weil sich Botschaften schnell hoch schaukeln können), Personalgewinnung, -planung, -entwicklung, -führung, logistische Prozesse (…) Ausbildungs- und Übungsplanung.

NALT umfasst 45 Mitarbeiter, davon 29 Militärs und 12 Deutsche.

NALT berät auf der

- strategischen Ebene (Verteidigungsminister, Kommandeur KSF, Abteilungen und Referate)

- operativen Ebene (Chef des Stabes, Stabsabteilung im Generalstab)

- taktische Ebene (Kdo Landstreitkräfte, Logistik-Kdo, Entwicklungs- u. Ausbildungs-Kdo, Nationalgarde)

Bemerkenswert vielfältig ist die Netzwerkstruktur des Direktors NALT: Kontakte bestehen zu kosovarischen, internationalen, deutschen, militärischen und religiösen Akteuren – z.B. auch zum politisch-parlamentarischen Raum im KOS, zur Kosova Society for Human Rights and Justice, UNMIK und NGOs, zur dt. Großen Sicherheitsrunde, zu befreundeten Militärattaché-Stäben (…) NALT verfügt über völlige Bewegungsfreiheit im gesamten Kosovo.

Politische Rahmenbedingungen: Nicht anerkannt wird die Unabhängigkeit des Kosovo bisher von den NATO-Mitgliedern Griechenland, Rumänien, Slowakei, Spanien.

Im Dezember 2018 beschloss das kosovarische Parlament einstimmig, allerdings boykottiert von den neun Abgeordneten der serbischen Liste, die Weiterentwicklung der KSF (bisher vor allem Katastrophenschutzorganisation) zu einer Armee. NATO-Generalsekretär Stoltenberg kritisierte im Namen vieler NATO-Partner deutlich den Zeitpunkt dieses Beschlusses, der von den USA und Großbritannien unterstützt wurde. Bei NALT wird betont, dass man nicht inhaltlich gegen kosovarische Streitkräfte sei, dass der Beschluss aber zur Unzeit gekommen sei. Das Thema sei von beiden Seiten instrumentalisiert worden: Belgrad warnte vor einer Bedrohung der serbischen Minderheit im Kosovo; Pristina betonte die Legitimität des Beschlusses als Konsequenz der eigenen Souveränität.

In der KSF dienten 2017 rund 10% Kosovo-Serben. Danach begann eine Einschüchterungs- kampagne gegen serbische KSF-Angehörige: Drohschreiben, auch Bedrohung der Familie; auf Instagram Adressen und Bilder von ihnen im Fadenkreuz, mal eine Handgranate im Vorgarten, Anwerbung für den serbischen Geheimdienst bei Kontrollen im Norden, aber auch Lockangebote wie Zweitlohn). 2018 ging der Serbenanteil in der KSF auf 8,36%, 2019 auf 7.29% zurück. Generell gelten die serbischen KSF-Angehörigen als gut integriert.

Bei den Parlamentswahlen Anfang Oktober siegten die Oppositionsparteien Vetevendosje (Selbstbestimmung) mit Albin Kurti und LDK (Demokratische Liga, gegr. von I. Rugova) mit Vjosa Osmani jeweils um 25%. Angewählt wurde die „Kriegskoalition“ von aus der UCK hervorgegangenen Parteien. Bis Anfang Dezember gelang noch keine Regierungsbildung.

Altes und neues KSF-Mandat: NALT arbeitet bisher weiterhin im Rahmen des alten KSF-Mandats. Dieses beinhaltet

- Professionelle und multiethnische Institution, leicht bewaffnet

- Teilnahme an Krisenreaktions- und friedensunterstützenden Operationen

- Unterstützung ziviler Behörden bei Naturkatastrophen

- Kampfmittelräumung.

Das Neue KSF-Mandat seit 19. Januar 2019 umfasst zusätzlich

- Verteidigung von Souveränität, territorialer Integrität, Bevölkerung, Eigentum und Interessen des Kosovo

- Militärische Unterstützung ziviler Behörden

- Teilnahme an internationalen Übungen und Einsätzen.

Der Transitionsprozess der KSF ist auf 10 Jahre angelegt.

In der Phase 1 (bis 2022) soll ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden, das Ministerium KSF in Verteidigungsministerium und Generalstab getrennt, das 1. Infanterieregiment und Cyber-Defence aufgebaut werden.

In der Phase 2 (bis 2025) geht es um Infanteriefähigkeiten  und Einsatzunterstützung (…), in der Phase 3 (bis 2029) um volle Einsatzfähigkeit auch in Landesverteidigung, Interoperabilität mit NATO.

Verzögerungen gibt es in der gegenwärtigen Phase 1.

KSF-Personal: Einfache KSF-Angehörige erhalten 400 Euro Sold (Durchschnittslohn im Kosovo 250 Euro). Ein General kommt auf 1.350.

KSF-Offiziere seien durch die breiten Ausbildungsprogramme in NATO-Ländern top ausgebildet. Der Generalstab sei sehr selbstbewusst. In die zivilen Beschäftigten werde hingegen kaum investiert.

Vergleich der Fähigkeiten von

                                   KSF nach Transition und den Serbian Armed Forces heute

Milit. Ausgaben p.a.  109 Mio EUR                             730 Mio EUR

Stärke                         5.174 (aktiv)                               40.000 (aktiv)

Geschütze Fahrzeuge      65                                           700+

Luftstreitkräfte           5-6 TranspHschr                         168 Luftfahrzeuge

Kampfpanzer             0                                                  300+

Bewaffnung u.a.        5.000 Gewehre, 6 Haubitzen      80.000 Gewehre, Luftverteidi-

                                   57 MG, 30 Mörser                      gungssysteme, bewaffnete Drohnen

Im Hinblick auf den neuen KSF-Auftrag Verteidigung ziele die KSF-Transition auf die Fähigkeit zum Verzögerungsgefecht.

(Bei Besuchen des NATO COM JFC Naples, Admiral Foggo, am 10.12. und des COMKFOR, Generalmajor Risi, am 18.12.2019 in Belgrad betonte der Generalstabschef der serbischen Armee, Milan Mojsilovic, KFOR sei in „Kosovo und Metohija“ die einzige legitime bewaffnete Formation. http://www.vs.rs/en/news/80E5982421A411EABEE30050568F5424/meeting-with-new-kfor-commander )

Deutsches National Support Element, Erfahrungssplitter

(NSE für die bundeswehrseitige Betreuung, Nachschub und Material des täglichen Lebens aus DEU, die Versorgung mit IT, Einsatzwehrverwaltung. Hier gibt es eine besonders enge Zusammenarbeit mit dem österreichischen und schweizer Kontingent in der DACH-Gruppe.)

- Vorhabenübersicht, Ausbildung und Weiterbildung: Körperliche Leistungsfähigkeit, Schießausbildung. Bei der Weiterbildung regelmäßig der Blick in die Aufgaben anderer, z.B. NALT, HQ, GIZ, Feldnachrichtenzug.

- Angesichts der extremen Luftverschmutzung werden jetzt mobile Luftreiniger angeschafft.

- Die Einsatzwehrverwaltungsstelle mit ihren vier Angehörigen der Wehrverwaltung und zehn Ortskräften ist elementar für das Funktionieren des Kontingents.

- Betreuung: Sicherstellung durch das Kontingent sowie Angebote des HQ, keine Fremdbewirtschaftung.

- Feldpost: Um diese werde die Bundeswehr von vielen beneidet.

- Kohäsion: Hier kommen viele Spezialisten aus zig Einheiten zusammen. Binnen drei Wochen finde man sich. Bei einer Kontingentstärke von knapp 70 kennen sich alle. Angesichts der vielen Einzelspezialisten sind viele auch unersetzlich. Die Masse bleibt vier Monate, Führungspersonal sechs Monate, einzelne drei Wochen. Ein Stabsoffizier betont, dass in seinem Bereich viele Projekte über mehr als vier Monate laufen, dass hier eine Stehzeit von sechs Monaten unabdingbar sei. In Absprache mit seiner Familie (zwei Kinder) habe er auf die zwei Wochen Heimaturlaub verzichtet.

- Wertschätzung: Die sei hier “wahnsinnig“, man werde immer wieder freundlich angesprochen, zum Kaffee eingeladen. Die Leute erzählen, seien dankbar – ganz anders als in Deutschland. In der Bundeswehr werde KFOR eher gering geschätzt. (so die Erfahrung aus dem Bereich Interkulturelle Einsatzberater, die viel draußen unterwegs sind)

- Die Heimatkommunikation laufe inzwischen bestens.

- Ausgangsregelungen sind national unterschiedlich: Sonntags geht ein Shuttle-Bus in die Stadt. An anderen Tagen von 17.00 bis 20.000 Uhr Ausgang zur Shopping-Zeile vorm Tor.

- Ehemaliges Feldlager Prizren: Hier soll mit Unterstützung der deutschen GIZ ein Innovations- und Trainingspark zur Stärkung der Unternehmensentwicklung und –gründun-gen in der Region entstehen. (Geplant ist die Ansiedlung von Unternehmen in den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologie, Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln sowie in der Kultur und Kreativwirtschaft. Weiterhin sind für das Gelände Angebote und Räume für Start-ups sowie Trainingseinrichtungen, dabei vor allem für die berufliche Bildung, vorgesehen. Als weiteren Mehrwert bietet der Park unternehmensnahe Dienstleistungen: https://www.giz.de/de/weltweit/79841.html ) Auf meine Nachfrage heißt es, beim Vertrag für den ITP fehle noch die Unterzeichnung durch die kosovarische Regierung.

Am Rand des ehemaligen Feldlagers Prizren werde in einem Schilderhäuschen an den deutschen KFOR-Einsatz und die im Kosovo verstorbenen Bundeswehrsoldaten erinnert. Am Volkstrauertag wurden Einzelgräber im Land von einer Kontingentabordnung aufgesucht.

Mein Vortrag zu 20 Jahren KFOR „Vergessener Kosovo-Einsatz? Bloß nicht! Zu den Leistungen der Bundeswehr im KFOR-Verbund“

in der GERMAN ARK: Die 12 Bierbänke sind voll besetzt mit Kontingentangehörigen. Nach der sehr freundlichen Einführung durch Generalleutnant Langenegger lege ich mit dem Vortrag los, den ich in kürzerer Fassung erstmalig im Februar im Einsatzführungskommando gehalten hatte. Das erste Bild zeigt den Übergabeappell von Camp Prizren am 4, Oktober 2018, der für das Ende des deutschen Großeinsatzes im Kosovo steht. Was im Kosovo viel Aufmerksamkeit fand, wurde in Deutschland praktisch nicht wahrgenommen. Als politischer Zeitzeuge schildere ich dann die Zuspitzung des Kosovokonflikts 1998/99, den NATO-Luftkrieg und den serbischen Vertreibungskrieg am Boden, den KFOR-Einmarsch ab 12. Juni 1999 und die insgesamt gelingende Stabilisierung, unterbrochen von den Märzunruhen 2004. In den Folgejahren machte die Staaten“gemeinschaft“ die ernüchternde Erfahrung, dass die politische Dimension von Stabilisierung und Peacebuilding von außen schwerer zu beeinflussen ist als ihre militärische Dimension.

Zur Leistung von 20 Jahren KFOR erklärte ich:

„Die Abertausenden deutschen KFOR-Soldaten haben – zusammen mit Kameraden vieler anderer Nationen – im Kosovo Rückfälle in den Krieg verhindert, Stabilität gefördert. Sie taten das mit hohem Einsatz und viel Klugheit. Sie haben damit Menschenleben gerettet und menschliches Leid verhindert. Sie haben sich um die Menschen im Kosovo, um Frieden und Sicherheit in Europa in hohem Maße verdient gemacht. Die KFOR-Veteranen können stolz auf ihren Einsatz sein.

Sie verdienen Aufmerksamkeit, hohe Anerkennung und herzlichen Dank von Seiten der politischen Auftraggeber, aber auch der Gesellschaft insgesamt. Ihre Leistungen sind beispielhaft und ein Eckstein der bundeswehreigenen Tradition.“ (Zitat aus meinem Schreiben an Generalinspekteur Eberhard Zorn vom Oktober 2018; mit ähnlichen Worten wandten wir uns vom Beirat Innere Führung an die Verteidigungsministerinnen von der Leyen und Kramp-Karrenbauer)

Zum 20. Jahrestag des KFOR-Einsatzes gab es seitens der politischen Auftraggeber in Berlin leider keine öffentlichkeitswirksame Würdigung der über 130.000 deutschen KFOR-Veteranen. Umso erfreulicher war das Ehemaligentreffen der früheren Task Force Prizren beim Panzergrenadierbataillon 112 in Regen. (Bericht vom Ehemaligentreffen und Infos zur empfehlenswerten Bild-Dokumentation „Dienen für den Frieden im Kosovo“ des vstMechBtl, 1. EinsKtgt: http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1599 )

Bei der Aussprache wird u.a. gefragt,

- wie sich heute jüngere Grüne bei einer solchen harten Entscheidung positionieren würden?

- was beim Kosovoeinsatz falsch gemacht worden sei?

Ein Hauptfeldwebel dankt für die kompakte Darstellung. Bei aller Einsatzvorbereitung verstehe er jetzt besser, warum wir hier seien.

Rundgang

In den Straßen- und Gebäudenamen sind viele europäische Städte präsent. Da kann man multinationale Heimatgefühle spüren. Ich übernachte in Brüssel, einem der vielen zweistöckigen Unterkunftsgebäude in Containerbauweise.

In der Kapelle, die multireligiös genutzt wird (einschließlich Orthodoxe), begegnen wir dem österreichischen Militärpfarrer Steiner, der über eine bunte Einsatzerfahrung verfügt. Man wechsle sich mit der deutschen Militärseelsorge ab. Herzliche Grüße sollen wir dem katholischen Militärgeneralvikar Reinhold Bartmann bestellen.

Von der großen Terrasse eines Dienstgebäudes ergibt sich ein großartiger Panoramablick über den Zaun hinweg auf Pristina. Der vergleichende Blick auf meine Fotos vom ungefähr gleichen Punkt im Jahr 2003 zeigt, wie sehr die Stadt seitdem gewachsen ist.

Zusammenfassung

Äußerlich ist die Lage – drinnen und draußen - ruhig und verglichen mit dem ersten KFOR-Jahrzehnt relativ stabil.

Bei genauerem Hinhören drängt sich mir aber der Begriff eines „Schattenkrieges“ auf. Ob „nur“ von geringer oder höherer Intensität, kann ich nicht beurteilen. Voll konfrontativ kämpfen hier offenbar verschiedene internationale Mächte und Machthaber um Einfluss.

1999 bluteten die Wunden von Vertreibungsterror, Massakern, Racheaktionen, war der interethnische Hass immens; zugleich hatten sich die „Großen“ von Washington über Brüssel bis Moskau auf gemeinsame Friedenssicherung durch KFOR und UNMIK verständigt.

Bis heute gab es keinen umfassenden serbisch-kosovarischen Verständigungs-, geschweige Versöhnungsprozess. Wunden sind vernarbt, aber keineswegs geheilt. Die Glut von interethnischen Opfererfahrungen und Hass schwelt weiter. Und kein Mangel herrscht an Akteuren, die diese Glut wachhalten, sie instrumentalisieren – und zündeln. Das alles in einem Gesamtklima, wo konfrontative Multipolarität kooperativer Multilateralismus in den Schatten stellt.

Politische Konfliktlösung und Peacebuilding erscheinen vor diesem Hintergrund nicht einfach als ein Bohren dicker Bretter, sondern als das Bohren eines Stapels dicker Bretter, an denen von verschiedenen Seiten gezogen wird.

In diesem Konfliktkontext ist die von allen Seiten anerkannte KFOR- Präsenz viel wichtiger, als es angesichts ihres inzwischen geringen Umfangs den Anschein macht: Durch Präsenz, Kontakte und Kooperationen, Reaktionspotenzial, guten Ruf und internationale Mandatierung wirkt KFOR konflikt- und gewaltbremsend und schafft damit zugleich die notwendige Voraussetzung für eine Rückkehr zu einem Dialog- und Entspannungsprozess, zu politischer Konfliktlösung. Der Ansatz von NALT scheint mir dabei so besonnen und kohärent zu sein, wie mir das bisher noch nirgendwo begegnet ist.

Grob fahrlässig ist es, KFOR als „vergessenen Einsatz“ zu behandeln. Es geht hier um nicht weniger als wachsame Friedenssicherung und mühsame Friedenskonsolidierung in einer Konfliktregion  in  Europa, mit ganz besonderer Relevanz für europäische Sicherheit.

Ahnungslos und unkameradschaftlich ist es, den Einsatz bei KFOR als „Urlaub“ gering zu schätzen. Der Einsatz ist bis auf weiteres für europäische Sicherheit unverzichtbar, wertvoll - und dabei anders fordernd.

Die Gemeinschaftsleistung der KFOR-Soldatinnen und Soldaten verdient öffentliche Wahrnehmung und Wertschätzung in Politik und Gesellschaft. Nachdem Gelegenheiten dazu anlässlich 20 Jahre KFOR kaum wahrgenommen wurden, sollten nächste Anlässe dazu besser genutzt werden.

Jüngere Beiträge zu Kosovokonflikt, -krieg, -einsatz

Meine Rückblenden Kosovo vor 20 Jahren - Persönliche Aufzeichnungen ausBundes-tag, Ausschuss, Fraktion und politischen "Bodenkämpfen"

- I: Mai bis 16. Okt. 1998, Bundestagsbeschluss zu “Luftoperationen”, www.nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1553 ;

- II: Bericht vom ersten Kosovo-/KFOR-Besuch Okt. 1999, Übergabe Camp Prizren Okt. -2018, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1551

- III Nov. 1998 bis Feb. 1999, Als noch Hoffnung auf eine friedliche Lösung bestand, ”Rambouillet-Truppe”, www.nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1579

- IV Die drei Wochen vor Kriegsbeginn, Stellungnahme zu den NATO-Luftangriffen vom 26. März 1999, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1581

- V Die ersten Kriegswochen; “Aus richtigen Grünen das Falsche getan?” Der Bruch des 1. Mai, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1583
- VI 6 Kriegswochen und erste 12 KFOR-Wochen, Mai - September 1999, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1584
- VII Vergessener Kosovo-Einsatz? Bloß nicht! 20 Jahre KFOR: erfolgreiche multinationale Kriegsverhütung und Friedenssicherung in Europa, Vortrag beim Einsatzführungskommando, www.nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1588

- VIII Wie vor 20 Jahren der Kosovo-Krieg zu Ende ging - und unabsehbare Eskalationen verhindert wurden, 02.06.2019, www.nachwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1589

(mit Kurzbesprechung des Kriemann-Buches und Buchauszügen)

Letzter Reisebericht (2011): Auf der Zielgeraden. ABER NOCH NICHT AM ZIEL! Besuch beim 28. Deutschen Einsatzkontingent KFOR, 18.03.2011, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&catid=34&aid=1036  ,  bis Dez. 2019 51.600 Aufrufe)

Publikationsliste: Berichte + Stellungnahmen zu den Balkan-Kriegen und -Einsätzen (v.a. Kosovo)1995-2019, Juni 2019, www.nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1592



[1] Mitglied im Beirat Innere Führung, Leiter der AG „Einsatzrückkehrer, -folgen und Soziales“, Beirat Zivile Krisenprävention und Friedensförderung der Bundesregierung, Vorstand Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen und „Lachen Helfen“


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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