Better news statt bad news aus Afghanistan II

Von: Webmaster amMi, 17 September 2008 13:43:36 +02:00
Hier der neueste Bericht aus der Reihe "Better news statt bad news aus Afghanistan":

Better news statt bad news aus Afghanistan II

Winfried Nachtwei, MdB, September 2008

Anschläge und schlechte Nachrichten generell haben höchsten Aufmerksamkeitswert. Hohe Aufmerksamkeit finden Militärfragen wie Obergrenzen, Tornados, Quick Reaction Force, Südeinsatz. Wenig bis gar nicht wahrgenommen werden Fragen des zivilen Aufbaus. Diese „natürliche" Botschaftsdominanz des Militärischen und von bad news wird verstärkt durch die ungleichgewichtige Öffentlichkeitsarbeit, wo die Kapazitäten der zivilen Seite weit hinter denen der militärischen Seite hinterherhinken, wo Journalisten fast nur ISAF besuchen und kaum Aufbauvorhaben.

Deshalb verfasse ich seit Sommer 2007 diese Zusammenstellung von „besseren Nachrichten", die in der Regel kaum durchdringen, aber unverzichtbar zu einem realitätsnahen Gesamtbild gehören. Ihr Schwerpunkt ist der deutsche Verantwortungsbereich im Norden.

Bisher fehlt es allerdings an systematischen Wirksamkeitsbewertungen der Aufbauanstrengungen. Ob die Vorhaben Tropfen auf den heißen Stein oder ein ständig kühlender Wasserstrahl sind, lässt sich meist nicht beurteilen.

(Parallel dazu führe ich für den internen Gebrauch eine laufend aktualisierte Zusammenstellung zur militärisch-polizeilichen Sicherheitslage, wo die bad news dominieren, aber auch die enormen Unterschiede zwischen den verschiedenen Landesteilen deutlich werden: Weiterhin geschehen > 90% der Gefechte, Anschläge und Beschüsse im Süden und Norden, zu je 2-3% in der Hauptstadtregion, im Norden und Westen.)

Konzerte mit Farhad Darya, dem großen afghanischen Sänger: am 10. Oktober in München, am 11. in Hamburg und am 12. in Essen. (www.farhaddarya.info, auf YouTube 40 Videos von ihm). Seine neue CD „Yaahoo" wird im Vorfeld des 21. September in Afghanistan in 5.000 Exemplaren an Sender und Multiplikatoren verteilt. Ich kann die CD zur Verfügung stellen.

Internationaler Friedenstag am 21. September auch in Afghanistan: Zum 3. Mal rufen das Afghan Civil Society Forum (ACSF) und das Friedensnetzwerk ACSONP mit Unterstützung von UNAMA zu Veranstaltungen anlässlich des Internationalen Friedenstages auf. Im Vorjahr hatten sich landesweit ca. 25.000 Menschen an Veranstaltungen in 33 Provinzen beteiligt, darunter ca. 2.000 in Kabul. Der Internationale Friedenstag geht auf die Resolution 55/282 der VN-Generalversammlung vom 7.9.2001 zurück. An diesem Tag soll weltweit Waffenruhe und Gewaltlosigkeit (globaler 24-Stunden Waffenstillstand) herrschen und der Tag vor allem für Öffentlichkeitsarbeit und Bildungsmaßnahmen im Dienste des Friedens genutzt werden. Für die Veranstaltung am Internationalen Friedenstag 2008 werden in Kabul 3.000 TeilnehmerInnen erwartet. (www.internationaldayofpeace.org)

Zur Unterstützung der demokratischen Friedenskräfte in Afghanistan wären Solidaritätsgrüße zum 21. September, Forderungen nach einem Waffenstillstand a l l e r Konfliktparteien von Deutschland nach Afghanistan sehr sinnvoll. (über cckabul@mediothek.org.af oder Afghan Civil Society Forum ACSF, www.acsf.af, newsletter@acsf.af)

Opium - Fenster der Gelegenheit: Der neueste „2008 Annual Opium Poppy Survey Afghanistan" der VN Drogenbehörde UNODC meldet am 26.8.2008 Erstaunliches: Die Mohnanbaufläche ist in diesem Jahr landesweit um 19%, die Opiumproduktion um 6% zurückgegangen. Dabei setzt sich die gespaltene Entwicklung des Vorjahrs fort. Einerseits gingen die Anbauflächen in der Region West um 23%, in Central um 38%, im Norden um 84%, im Osten um 94% und im Nordosten um 96% zurück (darunter die Problemprovinzen Nangarhar um 100% und Badaghshan um 95%!), wuchs die Zahl der mohnfreien Provinzen um 50% auf auf. Andererseits konzentrierte sich der Mohnanbau immer mehr in 7 Unruheprovinzen des Südens (98%!) mit Extremschwerpunkt in Helmand (66%). Als Hauptgründe für den Rückgang werden genannt (a) „strong leadership" einiger Gouverneure, unterstützt von religiösen Führern, Stammesältesten und Shuren, (b) die Trockenheit und Preisentwicklung. Inzwischen der liegt der Opiumpreis für Farmer unterhalb des Preises für Weizen und z.B. Safran. Das ist jetzt d i e Gelegenheit, die alternativen Erwerbsquellen zu stärken.

Afghanische Friedensinitiativen Bei der Reise im August nach Kabul + Mazar mit Kerstin Müller trafen u.a. mit folgenden VertreterInnen von Zivilgesellschaft + Friedensinitiativen zusammen:

(1) Im Garten des „National Center for Policy Research" der Uni Kabul Gespräch zu Risiken + Chancen ziviler Konfliktbewältigung in AFG mit Prof. Alef S. Zadran (NCPR), VertreterInnen der Foundation for Culture + Civil Society, Afghan Independent Human Rights Commission, Afghan Civil Society Forum, Afghan Cicil Society Network of Peace (ACSNOP, Friedensnetzwerk), Radio Television AFG, der Koordinatorin des ZFD-Programms des DED, Dr. Alema, und dem DED-Direktor Dr. Schneider. Die Organisationen, Wissenschaftler und Friedensfachkräfte arbeiten auf verschiedenen Feldern des gesellschaftlichen Peacebuilding: Herausgabe von PB-Curricula, Schulbüchern, Durchführung von Workshops, Förderung von Shuren, Sammlung von PB-Erfahrungen. Ein Handbuch Peacebuilding ist in der Mache. Das gastgebende, von der Konrad Adenauer Stiftung geförderte Institut befasst sich außer mit Rechts-, Politik- und Sozialwissenschaften + Ökonomie auch mit Peace-Studies. (www.ncpr.af) Das Afghan Civil Society Forum, das auf die 1. Afghan Civil Society Conference Ende 2001 in Bad Honnef zurückgeht, hat inzwischen 350 Partner (www.acsf.af), das Friedensnetzwerk ist von 11 Mitgliedsorganisationen in 2006 auf 102 heute angewachsen. Aus der Arbeit mit Journalisten wird berichtet, wie schwer es in der AFG Gesellschaft sei, überhaupt Konflikte zu thematisieren. Angesichts der vielen Analphabeten haben Theater, Musik, Radio einen besonderen Stellenwert. So konnte die CD „Yaahoo" mit 11 Friedenssongs von Farhad Darya, dem bekanntesten afghanischen Sänger, mit Hilfe DED und ZFD produziert werden. Zum Friedenstag sollen 5.000 CDs an alle TV- und Radiostationen sowie die Bevölkerung verteilt werden. Der siebensprachige Farhad Darya hat bisher mehr als 30 Platten + CDs veröffentlicht, er gilt in AFG, Iran, Indien + Pakistan als Superstar. Er setzt sich für die Opfer der afghanischen Kriege ein und beteiligte sich an dem Projekt „Begegnungen - eine Allianz für Kinder" von Peter Maffay. Im Oktober gibt er wieder drei Konzerte in Deutschland: am 10. in München, am 11. in Hamburg und am 12. in Essen.

Entscheidende Multiplikatoren auf dem Land seien die Mullahs. (vgl. C. Vigier/Kunduz)

(2) Tribal Liaison Office (TLO): Dem TLO-Direktor Ehsan Zahine bin ich erstmalig vor einem Jahr zusammen mit Renate Künast + Jürgen Trittin bei der hiesigen Böll-Stiftung begegnet. Von damals ist mir mit seiner Kompetenz + Ausstrahlung in bester Erinnerung. Das Gebäude des TLO zeigt, dass es an einträglichen Aufträgen nicht mangelt. Das TLO hat weitere Büros in Paktia, Paktika, Khost, Jalalabad, Kandahar, Helmand und Uruzgan.

Das TLO entstand Ende 2003 und wurde von Anfang an von Böll Stiftung und Swisspeace gefördert. Es versucht Verbindungen herzustellen zwischen friedlichen Stammesältesten, Shuren, der AFG Regierung und der internationalen Gemeinschaft, um darüber menschliche Sicherheit in den paschtunischen Stammesgebieten zu stärken und die Regierung in ihrer Schutzverantwortung für ihre Bürger gegenüber Konflikten und Gewalt zu unterstützen. Am Anfang stand eine Untersuchung der Stammesstrukturen im Südosten für die Regierung. Die ersten Schwerpunkte waren die Provinzen Paktia, Paktika und Khost. Ab 2006 trat neben Feldforschung Konfliktmediation. Für Kanada untersuchte man 2005 die Stammes- und Konfliktstrukturen in der Provinz Kandahar, für die Niederlande 2006 in Uruzgan und für Großbritannien mehrere Distrikte in Helmand. Während im Süden die Stammesstrukturen sehr heterogen sind, sind sie im Südosten um einiges homogener und intakter. Die Mediation ist ein besonders erfolgreiches Projekt. Konflikte um Land, Wasser, Wald gehen manchmal schon über Jahrzehnte. In der Provinz Khost wurde ein Conflict Resolution Committee mit 6-8 Stammesälteste gebildet, die schon beim Hochkommen von Konflikten tätig werden können. Von 18 Konflikten konnten 15 gelöst werden. Insgesamt gebe keine einfachen Erklärungen für militante Opposition. In jedem Distrikt, jedem Tal gebe es andere Gründe für`s fighting. Es gebe da viele, viele eigene Identitäten, die man zu verstehen helfe.

In 2007 initiierte das TLO mehrere Jirga for Peace, Security and Reconciliation mit Stammesältesten, Fachleuten für traditionelles Recht, religiöse Angelegenheiten und Wirtschaft sowie Mujahideen Führern: am 6./7.2. für die Provinzen Paktia, Paktika, Khost, Logar, Ghazni + Wardak, am 25./26.11. von Nangarhar, Nuristan, Laghman + Kunar, am 12./13.12.2007 schließlich für 250 Vertreter aller 10 Provinzen abschließend. Die Forderungen der angesehenen Stammesältesten stießen bei der Regierung auf taube Ohren, es gab keine Reaktion. Deshalb habe das TLO den Prozess nicht weiter voran getrieben. (Berichte der Jirgen liegen vor.) Überhaupt stehe die Regierung ihrer Arbeit sehr kritisch gegenüber.

Mit Bitternis kommen die großen Fehler der letzten Jahre zur Sprache: Macht + Geld wurde den alten Warlords + Kommandeuren gegeben. Die sowieso schon in den letzten 20 Jahren teilweise zerstörten Stammesstrukturen seien zu wenig beachtet worden. So lange es im Südosten relativ ruhig gewesen sei, habe es dort kaum Entwicklungshilfe gegeben. Dort habe sich Deutschland, obwohl dort in bestem Ruf seit der Entwicklungshilfe der 60/70er Jahre, zu spät und spärlich engagiert (2 x 0,5 Mio.) Die Leute wollen soziale Ordnung, Frieden, governance - aber das stand 2003, als alles noch auf Kabul fixiert war, nicht auf der Tagesordnung. Wie überhaupt die internationale Gemeinschaft dazu neige, sicherere Gebiete zu vernachlässigen, statt sie zu Vorbildregionen zu machen. Und jetzt weiten sich die Inseln der Instabilität aus, von Distrikt zu Distrikt. „Wir verlieren die Leute", alles werde schlechter: Trockenheit, Preise, Sicherheit.

Aber: Beim Abzug von ISAF gäbe es Bürgerkrieg. Man würde das Land nicht in der Hand von guten Leuten zurücklassen. (Ein Afghane mit starken deutsch-grünen Wurzeln sagt uns bei anderer Gelegenheit äußerst eindringlich: „Lasst uns nicht mit den vielen Wölfen allein!") (www.tlo-afghanistan.org)

(3) „Nationale Friedens Jirga": Auf Empfehlung von Otmar Steinbicker vom Aachener Friedenspreis treffen wir Dr. Bakhtar Aminzay, Mitglied des Oberhauses aus der Provinz Paktia und Vorsitzender der „Afghan National Peace Jirga". Die Jirga tagte am 8./9. Mai 2008 in Kabul mit ca. 3.000 Teilnehmern aus verschiedenen Teilen AFGs, auch Tadschiken + Usbeken, Stammesälteste, Parlamentsmitglieder, Frauen, Professoren ... Eine 2. Jirga sollte im Juli in Paktia stattfinden. Während die afghanisch-pakistanische Jirga in 2007 ein Regierungsunternehmen gewesen sei, gehe es jetzt um eine Basisbewegung. Bei der Bonn-Konferenz Ende 2001 seien die Taliban nicht dabei gewesen. Nun gehe es um eine zweite Bonn-Konferenz und darum, die afghanischen Taliban von Al Qaida zu trennen und sie zur Verfassung zu bringen.

Andere Länder hätten ihre eigenen Ziele. Deutschland setze sich tatsächlich für AFG ein. Man wolle nicht, dass internationale Truppen abziehen. Doch bei ihnen müsse Frieden im Mittelpunkt stehen. Man respektiere, was Deutschland im Norden mache. Aber der Krieg im Süden wirke sich auf das ganze Land aus.

In ihrer Charta vom März 2008 beschreibt sich die National Peace Jirga of Afghanistan als „national, social, non-political, non-governmental, non-aliened Jirga", bestehend aus „religous Ulima, national personalities, spirituals, intellectuals, and tribal leaders, actors of the civil societies and all Afghan brothers and sisters". Jedes Mitglied der Jirga hat eine Stimme. Ziele der NPJA sind: „struggles for strenthening peace, national solidarity, security and democracy fort he purpose of state building in the light of the holy religion of Islam, social justice, and cherished national traditions; favors balanced development of all areas of AFG, including men and women, and fair distribution of resources; promotion of capacities through seminars and conferences; saving the people captured in fighting, assisting those involved in conflict to Stopp fighting and peacefully resolving conflicts through Jirgas; favoring a transparent and accountable system and giving jobs to the qualified persons; based on the principles of banced development of health and education, paying soecial attention to education and health of the war affected areas; struggles for mobilizing assistance for the treatment of orphans, widows, disabled and ill persons; making of peace and public interest-centered plans and supporting them."

(4) Gesellschaftliches Peace Building: Marzia Rustami vom "Educational Training Center for poor Women + Girls of AFG" (ECW) in Kunduz und Friedensfachkraft Corinna Vigier berichten über Peace Building im Nordosten AFGs. Auch hier wird als erstes die Vielfalt der relevanten Konflikte betont - um Ressourcen, Familienkonflikte, Macht, Taliban vs. Regierung/Internationale. Bei Befragungen ist interessanterweise der letztgenannte Konflikt für niemanden prioritär! Verschärft werden die Konflikte durch Rückkehrer, das explosive Bevölkerungswachstum zwischen 3,2-4,5% (!), hohe Arbeitslosigkeit und Analphabetenquote, Korruption und Vetternwirtschaft, bad governance (...), Agitation der Bevölkerung entlang ethnischer + religiöser Linien, geringe Islamkenntnis, mangelhafte Fähigkeiten zur Konfliktlösung, Kriegskultur, hohe Traumatisierung, Kleinwaffenschwemme (ein Mann mit weniger als drei Waffen gelte als „entwaffnet"). Der ECW Peace Building Ansatz zielt auf die Stärkung von Konfliktlösungsfähigkeiten durch Trainings mit Mullahs, Journalisten, Lehrern, Frauen + Jugendlichen, Zusammenarbeit mit bestehenden Strukturen (z.B. Shuren) und durch erfahrene afghanische Kräfte. Einzelaktivitäten waren Workshops in Kunduz, Baghlan + Takhar, Durchführung der „Peace Caravan" zusammen mit der Mediothek (Dialogprojekt mit bekannten Persönlichkeiten, Musikern etc. zwischen Kunduz + Khost), Training in Friedens-Journalismus, Koordination des National Peace Days am 21. September, 3-Wochen-Training mit 450 Shura-Mitgliedern in Kunduz + Baghlan, Workshop mit UNAMA-Mitarbeitern zu Konfliktanalyse und -lösung. Gerade angelaufen sind die Projekte „Shuras for Peace" mit Religiösen und Frauen Shuren in Takhar + Kunduz (AA-gefördert) und „Youth`s Peace Network Kunduz" (gefördert von DED/ZFD). Das ECW Peace Building Project mit seinen insgesamt 15 Personen hat inzwischen ein reich illustriertes Peace building Handbuch herausgegeben. .

(5) Die Mediothek Kunduz ist in einem großzügigen neuen Rundbau (japanische Finanzierung) in dem Neubauviertel auf dem Plateau untergebracht, deren Mittelpunkt ein großer Veranstaltungssaal für ca. 200 Personen ist. Die Mediothek ist Teil eines Verbundes mit dem Zentrum in Kabul und 5 Außenstellen in Kunduz, Khost, Wardak, Nangarhar und Zabul. Es gibt eine Medienabteilung, in der - unterstützt von der Friedrich Ebert Stiftung - „AFG heute" in einer Auflage von 2.500 herausgegeben wird und Journalisten ausgebildet werden. In einer 2. Abteilung geht es um Projekte zur Unterstützung der Zivilgesellschaft. Wichtigstes Vorhaben ist hier zzt. die Peace Caravan (DED unterstützt). Das Haus wird von afghanischen Mitarbeitern geführt und von einer deutschen ZFD-Kraft unterstützt.

Konzeptionelle AFG-Politik: Das Standing Committee on Foreign Affairs and International Development des kanadischen Parlaments legte im Juli seinen Report „Canada in Afghanistan" vor. Ausgehend von der Feststellung, dass AFG Kanadas größtes und komplexestes internationes Engagement seit dem Korea-Krieg ist, befragte der Ausschuss seit Oktober 2006 in 30 Sitzungen über 60 Sachverständige und formulierte 35 Empfehlungen. Der Ausschuss konnte sich auf Berichte wie den des „Independent Panel on Canada`s Future Role in AFG" vom Januar 2008 und den ersten Quartalsbericht der kanadischen Regierung an das Parlament vom 10. Juni sowie die Kompetenz der AFG Reference Group, einer Koalition kanadischer NGO`s mit AFG-Partnern, stützen. (www.afghanistan.gc.ca/canada-afghanistan/assts/pdfs/faaerp10-e.pdf)

2006 war Kanada ohne sonderliche parlamentarische und öffentliche Debatte in den Süd-Einsatz geraten - und sofort in unerwartete schwere Kämpfe mit erheblichen Verlusten. (bis Ende Juli 88 Tote; übertragen auf die viermal so große Bundeswehr wären das über 350 Tote!) Inzwischen befasst sich die kanadische Politik in einer Intensität und Sorgfalt mit dem AFG-Engagement, an der sich bundesdeutsche AFG-Politik ein Beispiel nehmen sollte.

Aufbauerfolge im Westen: Am 21.7. besuchte Außenminister Steinmeier die 600.000-Einwoh-ner-Stadt Herat in West-AFG. In Gang gesetzt wurde ein Pumpwerk im Rahmen der seit November 2002 laufenden Instandsetzung und Erneuerung der Wasserversorgung, die jetzt 80% der Bevölkerung 24 Stunden am Tag erreicht. (über KfW Entwicklungsbank) Um die nachhaltige Nutzung der neuen Anlagen zu gewährleisten, führten GTZ und DED Maßnahmen zur Stärkung des lokalen Wasserbetreibers durch.

Herat gilt wegen der reichhaltigen Dichtkunst und der Lage an der Seidenstraße als kulturelles Zentrum AFGs. Mit der machtvollen Zitadelle aus dem 15. Jhdt. und der historischen Altstadt verfügt Herat über eine ungewöhnliche historische Bausubstanz. Seit 2004 fördert das AA den Kulturerhalt in Herat vor allem über den Aga Khan Trust for Culture. (Mit seinem dritten + bisher längsten AFG-Besuch will der Außenminister bewusst die Medienaufmerksamkeit auf eine hoffnungsvollere Provinz und auf Aufbauprojekte lenken. Es ist meines Wissens die erste AFG-Reise eines deutschen Ministers, die den viel zitierten comprehensive approach auch tatsächlich praktiziert.)

Polizeiaufbau: Am 23.7. Grundsteinlegung für das German Police Training Center in Mazar durch den Gouverneur der Provinz Balkh Mohammed Atta und Außenminister Steinmeier. Im Rahmen des Focused District Development Programm soll hier die Polizei eines ganzen Distrikts in acht Wochen geschult werden. (Diese Ausbildung läuft bisher unter Beteiligung deutscher Kurzzeittrainer im Camp Sheheen bei Mazar.) Damit und den seit April 2007 laufenden Ausbildungsbeiträgen der Bundeswehrfeldjäger (inzwischen von 30 auf 45) ist die deutsche Polizeihilfe 6 Jahre nach Start am Boden angekommen. Das bilaterale German Police Project Team umfasst 10 der Botschaft angegliederte Beamte, die von jeweils 30 Kurzzeittrainern unterstützt werden sollen. Noch nicht abgedeckt ist bisher der Personalbedarf für die Nachbetreuung (Mentoring) der ausgebildeten Polizisten über 6-9 Monate.

Die EU Polizeimission EUPOL umfasste zum 11.7. 172 internationale Angehörige, davon 125 Polizisten, und 86 Einheimische. Die EUPOL-Mitarbeiter sind inzwischen in 10 PRTs (14 Provinzen) stationiert: z.B. in Mazar 19, Herat 13, Helmand 9, Kandahar 7, Kunduz 5. Deutschland stellt davon 30 Polizisten, 6 Zivilexperten und den Leiter. Im Osten ist EUPOL bisher nicht vertreten. Handicap von EUPOL ist der beschränkte „abstrakte" Auftrag (nur Beratung, keine Ausbildung + kein materieller Aufbau) und die sehr unterschiedliche Vorbereitung der Polizisten. (Hierzu in Kürze mein gesonderter Reisebericht)

Bei meinem erneuten Mazar-Besuch am 13.8. sind die Bauarbeiten am Police Training Center überraschend weit fortgeschritten: Mit Hilfe der 150-200 Arbeiter eines einheimischen Unternehmens sind inzwischen alle Mauern hochgezogen, bei einem Gebäude steht schon der Dachstuhl. Anfang September sollen hier schon erste Kurse starten!