"Bodenstation" und Ratgeberin - Nachruf in den Westfälischen Nachrichten von Karin Völker zum plötzlichen Tod meiner & unserer Angela im Zusammenhang mit Corona nach 55 gemeinsamen Jahren

Von: Nachtwei amMo, 28 Juni 2021 00:07:51 +02:00


WESTFÄLISCHENACHRICHTEN 26. Juni 2021

Angela Nachtwei ist im Zusammenhang mit Corona gestorben

„Bodenstation“ und Ratgeberin

Von Karin Völker  ( https://www.wn.de/muenster/bodenstation-und-ratgeberin-1339661?pid=true ; www.facebook.com/winfried.nachtwei )

Wenn Winni Nachtwei über seine Frau Angela spricht, dann benutzt der grüne Politiker, der später als Bundestagsabgeordneter zum bundesweit und international geachteten Verteidigungsexperten wurde, durchaus Begriffe aus dem Militär. „Angela“, so sagt er, „war eine Bodenstation, meine Kameradin im besten Sinne.“ War – denn Angela Nachtwei, 55 Jahre an der Seite ihres Mannes, ist tot. Sie ist eine der letzten Münsteranerinnen, die bisher im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben sind. – am 21. Mai im Uniklinikum. Mittlerweile ist die Beerdigung vorbei – ein „heller Abschied auf dem Zentralfriedhof““, wie Winni Nachtwei sagt. Er versucht sich jetzt ohne „seine“ Angela, die bei all seinen Aktionen an seiner Seite war, zurechtzufinden.

Die beiden gebürtigen Düsseldorfer lernten sich in der katholischen Jugendarbeit kennen, sie damals 19, er 20 Jahre alt. Sie wurde Kinderintensivkrankenschwester, unterstützte das Notärztekomitee Cap Anamur bei Einsätzen in Thailand/Kambodscha, Somalia, Uganda und Zaire. Dort hat die gelernt, „Man kann mit sehr wenigen Mitteln etwa erreichen“, erzählt Nachtwei.

Die Erinnerungsarbeit an die nationalsozialistischen Verbrechen in Lettland und Weissrußland beschäftigten die Nachtweis in den80er Jahren – und Angela Nachtwei war hier eine tragende Säule. Vier Jahre lang, zwischen 1990 und 1994, versäumte sie nahezu keinen Verhandlungstag im Kriegsverbrecherprozess gegen den Letten Boleslav Maikovskis vor dem Landgericht Münster, führte akribisch Protokoll, versorgte so auch die Medien. So auch, als Winni Nachtwei 1994 als grüner Abgeordneter für Münster in den Bundestag einzog, später stellvertretender Fraktionsvorsitzender wurde und als verteidigungspolitischer Sprecher der Grünen Befürworter des Eingreifens im Balkankrieg und der Bundeswehrmission in Afghanistan war. Angela war zwar selbst Mitglied bei den Grünen, agierte aber im Hintergrund als Ratgeberin. „Sie sorgte dafür, dass meine Texte besser wurden, was Verständlichkeit und Tonalität angeht“, so Nachtwei.

Wer auf der Berliner Bühne mit dem Sicherheitspolitiker Nachtwei zu tun bekam, ob Minister oder General, lernte früher oder später auch Angela Nachtwei kennen. Bei ihrer Beerdigung am vergangenen Mittwoch war einer der Bundeswehrgeneräle dabei.

Angela Nachtwei infizierte sich im UKM auf ungeklärte Weise nach einer Lingen-Operation mit dem Coronavirus. Es war für die 74-Jährige der erste Krankenhausaufenthalt überhaupt. Winni Nachtwei macht der Klinik keine Vorwürfe. Sie ist nicht durch die Infektion, sondern durch zwei Schlaganfälle, Komplikationen nach der Operation gestorben.“ Nur ganz zuletzt durfte er bei ihr sein – zuvor galt striktes Besuchsverbot.

Winni Nachtwei ist diese Woche wieder zu politischen Terminen nach Berlin gefahren – nach über 0einem Jahr Pandemie das erste Mal. Immer war das Thema Afghanistan. Nachtwei macht hierweiter, sieht trotz des Bundewehr-Rückzuges und der erstarkenden Taliban „Hoffnungsinseln“. Es lohne sich, dafür weiterzukämpfen, sagt er. Jetzt ohne Angela als Bodenstation.

(Das große Foto zeigt Angela und Winni Nachtwei im Urlaub mit dem Rheinfall von Schaffhausen im Hintergrund. Unterzeile: „Angela und Winni Nachtwei waren 55 Jahre ein Paar, 47 Jahre davon verheiratet. Die „Bodenstation“ des Politikers ist im Zusammenhang mit Corona gestorben.“)