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Zivile Konfliktbearbeitung und Friedensförderung

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Friedensinnovation: Start der "Ausbildung in ziviler Konfliktbearbeitung" am 20. Mai 1997 in NRW

Veröffentlicht von: Nachtwei am 17. Mai 2017 10:11:58 +02:00 (38928 Aufrufe)

Die erste rot-grüne Landesregierung in NRW ermöglichte es 1997, als die Bundesregierung noch stur war: die erste Ausbildung in zivile Konfliktbearbeitung. Die Dringlichkeit von professioneller Entfeindungs- und Verständigungsarbeit von unten war in Bosnien nach dem Dayton-Abkommen überdeutlich. 1998 nahm die neue Bundesregierung den Ball auf. Hier mein Grußwort von damals und der Entwurf eines Gruppenantrags im Bundestag, der auch von dem MdB Armin Laschet unterstützt wurde.

20 Jahre FRIEDENSPIONIERE:

Start „Ausbildung in ziviler Konfliktbearbeitung“ am 20. Mai 1997

Winfried Nachtwei, MdB (1997)

Monat für Monat werden tausende junger Männer an Waffen ausgebildet.

Am 20. Mai 1997 begann in Frille bei Minden erstmalig in der Bundesrepublik eine ganz andere Ausbildung: der erste Grundkurs des Modellvorhabens „Ausbildung in ziviler Konfliktbearbeitung“. 16 Frauen und Männer, zur Hälfte AusländerInnen, werden in 11 Wochen auf die Arbeit in „Versöhnungsprojekten“ vor allem im ehemaligen Jugoslawien vorbereitet: für die Begleitung und Unterstützung heimkehrender muslimischer Flüchtlinge in der kroatisch verwalteten Stadt Jajce, für die Arbeit in einem multiethnischen Jugendtreffpunkt in Tuzla, in einem unabhängigen Begegnungs-, Gebets- und Meditationszentrum in Sarajewo und mit kriegstraumatisierten Serben und Kroaten  in Ostslawonien. Träger des Modellvorhabens sind die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden, der Bund für Soziale Verteidigung und das Forum Ziviler Friedensdienst. Das Land NRW finanziert das Modellvorhaben mit 400.000 DM.

Bei der Eröffnungsveranstaltung hielt ich das folgende

Grußwort

Frieden braucht Fachleute + muss von unten wachsen

(Fotos unter www.facebook.com/winfried.nachtwei )

„Wohl kein parlamentarisches Gremium in Bonn beschäftigt sich so kontinuierlich und intensiv mit Ex-Jugoslawien wie der Verteidigungsausschuss des Bundestages. Lange standen dort Begründung und Planung des Militäreinsatzes, die Leistungen von IFOR im Mittelpunkt der Beratungen. Seit der Debatte um die IFOR-Nachfolge Ende letzten Jahres haben sich die Beratungsschwerpunkte völlig verschoben. Die Leistungen von IFOR/SFOR sind unstrittig, zugleich werden die Grenzen eines Militäreinsatzes immer deutlicher. Laut Außenminister Kinkel ist die Aufgabe der Militärs, die Konfliktparteien auseinander zu halten, relativ leicht – verglichen mit der Aufgabe, die verfeindeten Gruppen wieder zusammenzuführen. Er und Verteidigungsminister Rühe äußern sich wiederholt regelrecht verzweifelt über die totale Unversöhnlichkeit der Machthaber in Bosnien, die ein Funktionieren der Föderation blockiere. Nach einem Mostar-Besuch konstatiert Rühe im Angesicht der EU-finanzierten, aber leeren Brücken die Grenzen auch von Infrastrukturhilfen:“ Auch eine Brücke aus Beton bringt noch keinen Frieden!“ Ein Staatsminister schließlich beklagt, wie verbreitet in der Bevölkerung Lethargie, Misstrauen und Hass seien, dass es keinerlei Aufbruchsstimmung gebe. Alle wissen: Der Wandel in den Köpfen ist der Dreh- und Angelpunkt für einen wirklichen Friedensprozess. Auf der Hand liegt, dass daran in erster Linie Nichtregierungsorganisationen arbeiten (können), dass für diese besonders schwierige Entfeindungsarbeit aber Qualifizierung unumgänglich ist.

Hier beginnen jedoch die politischen Blockaden in Bonn! Seit genau zwei Jahren versuchte ich zusammen mit Kolleginnen von SPD und CDU, ein „Startprojekt Ziviler Friedensdienst“ auf den Weg zu bringen, das die Ausbildung und Entsendung von Fachleuten für zivile Konfliktbearbeitung beinhaltet. Als ein interfraktioneller Kompromiss gefunden war, verhinderte der CSU-Minister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Spranger, seine Umsetzung. Angesichts des Bonner Versagens ist die Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen umso lobenswerter! Sie geht zurück auf die beharrliche Friedensarbeit vor allem des Bundes für Soziale Verteidigung und eine Festlegung im Koalitionsvertrag, zu der Kurt Südmersen (BSV) und ich im Mai 1995 den Anstoß gaben. Angesichts der vielen Konfliktnachrichten aus Düsseldorf endlich eine gute Nachricht von Rot-GRÜN!

Nur 400.000 DM für die Ausbildung von nur 16 Fachkräften – ist das nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Das Modellvorhaben ist ein Pilotprojekt, mit dem zivile Konfliktbearbeitung von unten endlich sichtbar und überprüfbar wird. Es ist der Start zu einer professionellen Friedensarbeit, die sich in den nächsten Jahren erheblich ausweiten wird – weil der Bedarf immer unübersehbarer wird. Insofern nehmen wir heute an einer historischen Geburtsstunde teil! Im Namen der Landtagsfraktion und der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN wünsche ich den Kursteilnehmerinnen und Annemarie Müller und Stefan Willmutz als den Trainerinnen langen Atem und Erfolg! Ein Tropfen auf den heißen Stein kann der Anfang eines Regens sein. Dass es so wird, liegt mit an uns!“

(Maulwurf, Zeitung von GAL/Grünen Münster Juni 1997)

Vorher:

1996: Parlamentsinitiative für den Zivilen Friedensdienst

Die Abgeordneten Gert Weisskirchen (SPD), Winfried Nachtwei und Rainer Eppelmann (CDU) initiierten 1996 einen Gruppenantrag zur Unterstützung eines Zivilen Friedensdienstes. Er wurde auch unterstützt von Heiner Geißler und Armin Laschet (beide CDU), Eckart Kuhlwein, Markus Meckel, Uta Zapf (alle SPD) und Christa Nickels (Grüne).

„1. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Initiative aus den beiden großen christlichen Kirchen und Nicht-Regierungsorganisationen für einen „Zivilen Friedensdienst“, der Expertinnen und Experten zur gewaltfreien Bearbeitung von Konflikten und zum Einsatz in innergesellschaftlichen und internationalen Konflikten befähigen soll.

2. Der Deutsche Bundestag begrüßt eine von den Initiatoren des Zivilen Friedensdienstes vorgeschlagene plural zusammen gesetzte Trägerstruktur als Nicht-Regierungsorganisation. Er befürwortet und unterstützt die Zielsetzung des Zivilen Friedensdienstes, in Zusammenarbeit mit Betroffenen vor Ort einen gesellschaftlichen Beitrag zur Festigung ziviler Gesellschaftsstrukturen zu leisten. Dazu gehören insbesondere

- Einübung in ziviler Konfliktbearbeitung

- Entfeindungs- und Versöhnungsarbeit

- Hilfe beim Aufbau demokratischer Strukturen

- Schutz und Sicherung der Rechte von Minderheiten

- Arbeit mit Opfergruppen und (zurückkehrenden) Flüchtlingen

3. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Absicht der Trägerorganisationen, durch Eigenbeiträge eine finanzielle Mitverantwortung für den Aufbau und den Unterhalt eines Zivilen Friedensdienstes zu übernehmen.

Darüber hinaus fördert und unterstützt der Deutsche Bundestag den Aufbau und den Einsatz des Zivilen Friedensdienstes durch die Bereitstellung von Bundesmitteln.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, weitere Unterstützungsmöglichkeiten durch die Einbeziehung anderer Institutionen und Körperschaften (z.B. Bundesländer, EU, OSZE, UN) zu prüfen und gegebenenfalls zu nutzen.

Der Deutsche Bundestag prüft, inwieweit für den internationalen Einsatz die Erfahrungen und Regelungen aus dem Bereich der Entwicklungshilfe und internationalen humanitären Hilfe analog auf den Zivilen Friedensdienst angewandt werden können. (…)“

Das „Forum Ziviler Friedensdienst“ plante, binnen zwei Jahren 200 Friedensfachkräfte in Bosnien einzusetzen. Für das 30 Millionen DM kostende Projekt erwartete das Forum zwei bis drei Millionen Mark aus der Staatskasse.

Der Gruppenantrag scheiterte schließlich an der Blockadehaltung von Entwicklungsminister Carl-Dieter Spranger (CSU).

 


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

Tagebuch