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Genauer Hinsehen: Sicherheitslage Afghanistan (Lageberichte + Einzelmeldungen) bis 2019
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Internationale Politik und Regionen + Afghanistan + Bericht von Winfried Nachtwei
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(1) Sicherheitsvorfälle AFG-Nord Aug. 2010 - Anfang Mai 2011 (Teil 1)

Veröffentlicht von: Webmaster am 8. Mai 2011 01:42:33 +01:00 (142416 Aufrufe)

Sicherheitsvorfälle Afghanistan, v.a. Region Nord von Mitte August 2010 bis Anfang Mai 2011, zusammengestellt von Winfried Nachtwei, MdB a.D.:

GENAUER HINSEHEN:

(1) Sicherheitsvorfälle AFG-Nord Aug. 2010 - Anfang Mai 2011

zusammengestellt von Winfried Nachtwei, MdB a.D.

Absicht:

Gegenüber dem Einsatz/Engagement/Konflikt/Krieg in Afghanistan dominieren in der Öffentlichkeit Pauschal- und Zerrbilder sowie Tunnelblicke. Trotz inzwischen offenerer Informationspolitik (seit Februar 2011 wöchentliche „Zur Lage in den Einsatzgebieten der Bundeswehr") verweigert die Bundesregierung weiterhin eine über die Berichterstattung von Einzelereignissen hinausgehende Sicherheitslage Afghanistans. Seit der offenkundigen Verschlechterung der Sicherheitslage sah ich mich in der Verantwortung, seit August 2007 laufend aktualisierte Materialien zur Sicherheitslage Afghanistans (bis 2009 auch Pakistans) herauszugeben. Sie sollen Hilfe sein beim GENAUER HINSEHEN, notwendige Voraussetzung für fundiertere Urteilsfähigkeit in einem höchst unübersichtlichen Konflikt.

(1) Sicherheitsvorfälle AFG-Nord

(2) Sicherheitsvorfälle AFG landesweit

(3) Sicherheitsvorfälle wöchentlich nach Regionen und Kategorien

Die Sicherheitslage ist ein fundamentaler Teil der afghanischen Wirklichkeit, aber längst nicht die ganze Wirklichkeit! Die „natürliche" Dominanz der bad news verstellt den Blick auf die Teilfortschritte und Chancen, die es weiterhin gibt und die wahrzunehmen lebenswichtig für jede Stabilisierung und Friedensförderung ist. Deshalb sind meine Reiseberichte und die Parallelpublikation „Better News statt Bad News aus AFG" unverzichtbare weitere Beiträge zum GENAUER HINSEHEN.

Vorbehalt:

Die Auflistung ist nicht lückenlos: Die täglichen „capture-and-kill"-Operationen von „combined Afghan + Coalition security forces" und „combined special operations teams" (vgl. ISAF Operational Updates) haben inzwischen einen solchen Umfang, dass sie diesen Berichtsrahmen sprengen und hier nur teilweise aufgenommen werden. Unbekannt ist das Dunkelfeld der CIA-Einsätze. Zusätzlich kann die Verlässlichkeit einzelner Angaben nicht garantiert werden. Nichts desto weniger zeigen die zusammengestellten Vorfälle Trends und Schwerpunkte der Sicherheitslage.

Quellen und Abkürzungen am Schluss.

Trends:

- Weiterer Anstieg der Zivilopfer landesweit, verursacht zunehmend durch Aufständische

(75%), abnehmend durch internationale Truppen und afg. Sicherheitskräfte/ANSF (16%)

-  In Kunduz und Baghlan, den Schwerpunkten von Aufständischen und Aufstandsbekämpfung im Norden, erstmalig seit Jahren Rückgang von Sicherheitsvorfällen; veränderte Operationsführung und erhöhter Kräfteansatz zeigen Wirkung (ihre Nachhaltigkeit wird sich im Sommer zeigen müssen)

-  Unverändert die höchst unterschiedliche Sicherheitslage (90% der Vorfälle im Süden und Osten) und Konfliktintensität in den Regionen und Provinzen, die Gleichzeitigkeit von Guerilla- und Terrorkrieg vs. militärische Aufstandsbekämpfung einerseits und relativ ruhigen Nichtkriegsgebieten mit Raum für Aufbau und Entwicklung andererseits

-  Hohes Operationstempo von ISAF, täglich Operationen gegen Führungspersonen der Aufständischen in etlichen Distrikten

-  Taktikveränderung der Aufständischen: weniger komplexe Angriffe, mehr Massaker-Anschläge (IED, Suizid) gegen Regierungsvertreter und afg. Polizei, Angriffe von ANSF-"Schläfern" gegen internationale Soldaten/Polizisten

-  Ausbildungslager der Aufständischen auch in einigen Nordprovinzen; zunehmend jüngere Suizidbomber, ihre „Produktion" in Pakistan als Geschäft

-  Auswirkungen des US-Teilrückzuges aus den östlichen Grenzprovinzen Kunar und Nuristan: Hinweise auf eine Rückkehr von Al Qaida

-  Taliban und Mädchenschulen - Kulturwandel?

Mai

Am 3.5. mittags 14 km nordwestlich PRT Kunduz Anschlagsserie gegen dt. Patrouille: IED gegen „Dingo", 20 Minuten später gegen 2. „Dingo", ca. 20 Minuten später gegen einen „Fuchs". Insgesamt 7 Soldaten und ein Sprachmittler verletzt, Fahrzeuge z.T. stark beschädigt.

Am 2.5. in Dakanah/Baghlan bei Clearance-Operation gegen save haven der Aufständischen einige Taliban getötet und zahlreiche gefangen.

Am 1.5. 300 km südwestlich Mazar ANSF und US-Kräfte mit Handwaffen und RPG beschossen, ein afg. Polizist getötet. In Baghlan-e Jadid/Baghlan ein höherer Talibanführer gefangen. Er soll mehr als 60 Kämpfer im Kandahari Belt geführt haben und verantwortlich sein für zahlreiche Suizidattacken in der Region.

April

Lt. ANSO in der 2. Aprilhälfte 2011 in der Provinz Kunduz 29 Sicherheitsvorfälle ggb. 37 in der ersten Aprilhälfte. In der 2. Aprilhälfte 18 IED-Vorfälle, davon 8 mit Explosion.

Am 30.4. in Doshti/Baghlan zahlreiche Aufständische bei Suche nach Talibanführer durch afg. und Koalitionskräfte getötet. In Pol-e Khomri/Baghlan Waffenlager mit 125 Antipersonenminen, 15 Antipanzerminen, 80 107-mm-Raketen, 200 30-mm-Flugabwehrraketen u.a.

Am 29.4. in Baghlan-e Jadid/Baghlan 4 mutmaßliche Aufständische bei Suche nach Talibanführer gefangen.

Armenien verstärkt seine Unterstützung des RC North von bisher einem Infanteriezug um zwei auf insgesamt 130 Soldaten.

Am 28.4. in Chahar Bolak/Balkh zwei mutmaßliche Aufständische gefangen.

Am 25.4. 12 km westlich PRT Kunduz dt. Patrouille mit IED angegriffen, keine Personenschäden, kaum Sachschäden.

(Teil)Zwischenbilanz ISAF Nord: Durch Operationen in November und Dezember 2010 wurden Aufständische aus ihren Hochburgen in Chahar Darreh und Imam Sahib/Kunduz verdrängt. (In Nord-Baghlan führten erst dt. QRF, dann Ausbildungs- und Schutzbataillon Mazar mit afg. und US-Kräften die ersten Clearance-Operationen seit Frühjahr 2010 durch.) In Charah Darreh, der no-go-area von 2009/2010 haben ISAF und ANSF seit Jahreswende Initiative und Bewegungsfreiheit zurück gewonnen. In den ersten Monaten des Jahres geschahen keine komplexen Angriffe auf ISAF mehr. Das Reintegrationsprogramm hat einen erheblichen Zulauf. Dass das Mobilfunknetz in der Provinz Kunduz seit Anfang Januar wieder rund um die Uhr aktiv ist, nachdem die Taliban im Frühjahr 2010 seine Abschaltung während der Dunkelheit erzwungen hatten, ist ein wichtiger Indikator.

Diese seit Jahren erstmalig positive Entwicklung zeigt sich auch im jüngsten Quartalsbericht von ANSO: Rückgang der Sicherheitsvorfälle im 1. Quartal 2011 ggb. 1. Q. 2010 in Kunduz von 79 auf 46, in Baghlan von 35 auf 16. Die Positiventwicklung wird überschattet durch eine Kette schwerer Selbstmordanschläge gegen ANSF und Regierungsvertreter in der Provinz Kunduz in den letzten Monaten. Diese regelrechte Massakertaktik wirkt massiv verunsichernd. Seit Februar wird eine „Re-Infiltration" von Kämpfern beobachtet.

Schwerpunkt der Operationen von ISAF und ANSF ist weiterhin der strategisch bedeutsame Kunduz-Baghlan-Korridor.

Am 23.4. in Kunduz/Kunduz Gefangennahme zahlreicher mutmaßlicher Aufständischer: einer unter Verdacht, Führer einer 20-köpfigen Taliban-Zelle zu sein; ein zweiter Hersteller von IED`s.

In Sar-e Pul Beschuss verschiedener staatlicher Gebäude mit Handwaffen: ANA-Kaserne, Polizeiposten, Staatsanwaltschaft, im Bau befindliches Teacher Training College.

Am 21.4. spätabends in Dushti/Baghlan Beschuss eines zivilen Konvois mit Handwaffen und Panzerfäusten, 5 (3) Tanklaster für ISAF in Brand geschossen. Private Sicherheitsleute erwidern das Feuer.

The Wall Street Journal (21.4.): „Ethnic Militias Fuel Tensions in Northern Afghanistan". In zwei Distrikten bei Mazar (Chimtal und Charbolak) ließ Provinzgouverneur Mohammad Atta Noor zwei Milizen aufstellen. Da die Zentralregierung seine Forderung nach Verstärkung von Polizei und Armee sowie nach Einheiten der Afghan Local Police abgewiesen hätte, sollen 452 Milizionäre die 280 Polizisten ergänzen. Die Milizen nutzen ihre eigenen Waffen und bekommen keinen Sold. Tadschikische und usbekische Milizen werden immer wieder beschuldigt, paschtunische Dorfbewohner zu berauben.

Lt. jüngstem ANSO-Quartalsbericht gibt es offiziell in NO-AFG Afghan Local Police in 8 Distrikten (davon in Kunduz Archi, Imam Shahib, Kunduz, Chahar Darreh, in Baghlan Baghlan-e Jadid und Pol-e Khomri). „Irreguläre bewaffnete Kräfte" werden gemeldet aus 23 Distrikten, davon aus allen Kunduz-Distrikten.

Am 20.4. in Khanabad/Kunduz Gefangennahme eines afg. Top-Kommandeurs der IMU (Islamic Movement of Uzbekistan) und zwei Gefährten durch ein Special-Operations-Team von Koalition und ANSF. Der 2010 aus einem pakistanischen Gefängnis entkommene Kommandeur sei ein Schlüsselverbindungsmann zwischen der hohen IMU-Führung in Pakistan und der hohen Taliban-Führung in Afghanistan. Lt. ISAF habe die IMU im letzten Jahr ihre Präsenz in Nord-AFG verstärkt, Selbstmordattacken gegen Regierungsvertreter und Angriffen mit Schusswaffen und IED`s auf afg. und Koalitionstruppen und Zivilisten gerichtet. In den letzten 50 Tagen hätten afg.-Koalitionskräfte mehr als 20 IMU-Aufständische getötet, vier von ihnen höhere IMU-Führer, darunter Bilal Konduzi, der AFG-Chef der IMU.

Am 18.4. in Kunduz-Distrikt Explosion eines IED vor dem Haus eines Gemeindeältesten, drei Zivilisten verletzt.

Am 17.4. in Burkah/Baghlan Mullah Abdul Fatah Haqqani, höherer IMU-Kommandeur, und ca. 10 Kämpfer durch Luftangriff getötet. (In Burkah seit Anfang März 11 Razzien durch Afghan & Coalition Special Operations Forces)

Mohnanbau im Norden: Lt. UNODC Winter Assessment wird erwartet: starker Anstieg in Baghlan, Badakhshan und Faryab, weiter mohnfrei Balkh, Samangan, Sar-i Pul, Takhar, Jawzjan, Kunduz.

Dt. Polizeiausbildung: In 2011 bisher 43 Ausbildungsvorhaben mit 1.685 Teilnehmern abgeschlossen. Zzt. laufen 10 Aus- und Fortbildungsmaßnahmen mit 463 Polizisten. 1.349 werden gegenwärtig durch FDD-Teams (Focused District Development Program) begleitet und betreut. An der Polizeiakademie betreuen 11 dt. Mentoren 65 afg. Trainer, die wiederum 450 Polizeischüler ausbilden.

Vergleich 1. Quartal 2011/2010 (ANSO QUARTERLY DATA REPORT Q. 1 2011, www.afgnso.org/2011/ANSO%20Q1%202011.pdf):

Von bewaffneten oppositionellen Gruppen initiierte Attacken nahmen landesweit um 51% von 1.791 auf 2.700 zu, in den Extremprovinzen Helmand (Südwest) um 76% auf 672, in Kunar (Ost) um 8% auf 338, in Khost (Ost) 122% auf 326, in Kandahar (Süd) um 9% auf 249.

Im Norden Zunahme Jawzjian um 175% auf 33, in Badakhshan um 175% auf 11, in Balkh um 121% auf 31, in Fayab um 45% auf 55, in Samangan von 0 auf 2.

Im Norden Rückgang in Takhar um 74% auf 5, in Baghlan um 54% auf 16, in Kunduz um 42% auf 46, in Sar-e Pul um 10% auf 19.

Zwei Trends in der Taktik der Aufständischen: „Schläfer" bei ANSF, die mit geringem Aufwand Wirkung von strategischer Bedeutung erzielen (Misstauen zwischen int. Militär und ANSF), und Suizidangriffe auf militärische, politische und zivile Schlüsselpersonen.

Erstmalig seit 2006 im April Rückgang der Zwischenfälle ggb. März. (ANSO-Zweiwochenbericht 2. Aprilhälfte)

Zivilopfer (civilian casualties)

lt. UNAMA 2010 2.777 (2009 2.414/+15%), davon im Norden + Nordosten 308 (2009 230); verursacht von

- „Anti-government elements" 2.080/75% (2009 1.631), davon IED 904 (779), Exekutionen 462 (225), Selbstmordanschläge 237 (280), Beschuss 253 (144), indirektes Feuer 95 (91)

- "Pro-government forces" (int. Militär, ANA) 440/16% (2009 596), davon Luftangriffe 171 (358), Razzien 80 (98), Beschuss 64 (32), indirektes Feuer 51 (27), Escalation of force 45 (39).

Lt. CIVCAS Datenbank von ISAF wurden 2009 und 2010 2.537 Zivilpersonen im Kontext des bewaffneten Konflikts getötet und 5.594 verwundet. 12% der Zivilopfer seien durch ISAF verursacht worden.

Auch wenn UNAMA und AFG Rights Monitor doppelt so viele Zivilopfer melden, sind die Trends bei allen Erfassungen dieselben. Ein Expertenteam wertete alle Daten für Science aus. Ihr Ergebnis: Für Zivilisten wurde der Krieg in den letzten zwei Jahren tödlicher (+20%), ISAF wurde zugleich eine sicherer kämpfende Truppe (-26% Ziviltote lt. UNAMA).

Am 16.4. in Meymaneh/Faryab 16 km entfernt vom PRT norwegische Kräfte mit Handwaffen angegriffen. Ein norw. Soldat verletzt. In Sayyad/Sar-i Pul zahlreiche Aufständische getötet. Zielperson sei der höchste Führer aller Talibanoperationen in der Provinz mit Verbindungen zu foreign fighters und Suizid-Trainingcamps gewesen. In Baghlan-i Jadid/Baghlan ein Unterstützer der Aufständischen gefangen.

Am 13.4. in Darzab/Jowzjan einige Aufständische, darunter ein Talibanführer der Provinzebene, bei von afg. und Koalitionskräften getötet. In Pul-i Khumri/Baghlan einige mutmaßliche Aufständische gefangen.

Am 12.4. in Ghormach/Faryab Talibanführer Haji Bahuddin und mehr als 10 Kämpfer bei Sicherheitsoperation getötet. In Bal Chiragh/Faryab bei Operation gegen Talibanführter 3 Kinder durch Aufständische getötet, 4 verletzt.

Am 11.4. in Sayyad/Sar-i Pul ein Aufständischer durch Luftschlag getötet.

Am 10.4. bei Ghormach/Badghis US-Kräfte mit Handwaffen beschossen, ein US-Soldat getötet.

In Baghlan-e Jadid/Baghlan mutmaßliche Aufständische bei Suche nach Taliban-Unterstützer gefangen.

Am 9.4. in Darzab/Jowzjan zwei angreifende Aufständische durch Luftnahunterstützung getötet.

Am 8.4. in Mazar/Balkh erneut Proteste gegen die Koranverbrennung in den USA, über 60 UNAMA-MitarbeiterInnen in Camp Marmal untergebracht, ANSF halten die Lage unter Kontrolle. Seit dem 10.4. arbeitet UNAMA wieder voll in Mazar.

In Gosfandi/Sar-i Pul Distriktpolizeichef bei Patrouille erschossen. In Darzab/Jowzjan ca. 18 Taliban bei Gefecht mit ANSF und int. Truppen getötet.

Am 7.4. im Raum Kunduz Zwischenfall zwischen ANA-Kräften und begleitenden dt. Mentoren und NDS an einem Lager des NDS, Eskalation rechtzeitig durch einen ANA Offizier gestoppt. Ein dt. Soldat beim Waffenreinigen im PRT Kunduz verletzt.

In Baghlan-e Jadid/Baghlan ein Talibanführer (IED-Experte, Schlüsselperson im „Baghlan suicide attack network") und zwei Kämpfer gefangen.

In Gosfendi/Sar-i Pul ein Talibankämpfer getötet und 6 verletzt, als lokale Bevölkerung sich weigerte, den Taliban Steuer (zakat) zu entrichten.

6.4. Angriff eines Coalition + Afghan Special OperationsTeams auf einen Taliban safe haven in Qaisar/Faryab, einige Kämpfer getötet, zahlreiche gefangen. ISAF identifizierte safe haven und Ausbildungslager der Taliban und der Islamischen Bewegung Uzbekistans (IMU) in Baghlan (Burkah), Samangan und Sar-i Pul (hier angeblich auch Training von Selbstmordattentätern!). (LWR vom 7.4.)

Am 4.4. südwestlich des PRT Meymaneh/Faryab zwei US-Soldaten von einem afg. Grenzpolizisten in Polizeicamp erschossen.

Am 3.4. Generalmajor Samiullah Qatrah neuer Polizeichef in Kunduz. Sein Vorgänger war am 10.3. einem Selbstmordattentat zum Opfer gefallen. Qatrah war seit Herbst 2010 im Innenministerium für das Reintegrationsprogramm zuständig.

Am 2.4. in Imam Shahib/Kunduz Taliban-Kommandeur Shamsullah und andere Kämpfer durch afg. und US-Spezialkräfte getötet. Er soll ein Selbstmordattentäter-Netzwerk im Norden geführt haben. Er wird verantwortlich gemacht für drei große Angriffe Ende Februar (21.2. in Imam Shahib mit mehr als 30 Toten), den Anschlag auf den Polizeichef von Kunduz (7 Tote) am 10.3. und auf das ANA-Rekrutierungsbüro am 14.3. (mehr als 30 Tote). (LWJ 4.4.)

Am 1.-3.4. in verschiedenen Städten Demonstrationen gegen die Verbrennung eines Koran in den USA, in Taloqan und Meymaneh friedlich, in Mazar und Kunduz z.T. gewalttätig. In Mazar/Balkh zogen anfänglich 500, schließlich 3.000 Demonstranten von der Blauen Moschee nach dem Freitagsgebet zum regionalen UNAMA -Hauptquartier. Nach ersten Steinwürfen Sturm und Brandschatzung des Gebäudes: 7 UNAMA-Mitarbeiter getötet (vier Nepalesen, eine Norwegerin, ein Rumäne, ein Schwede) sowie drei Demonstranten. ANP wird überrannt. Ein Hilfegesuch an das RC North soll weder von den ANSF noch von UNAMA ausgegangen sein. Umstritten ist, inwieweit ISAF selbst hätte initiativ werden müssen. Es war innerhalb von anderthalb Jahren der dritte blutige Angriff auf UNAMA (UN-Gästehaus im Oktober 2009 mit 8 Toten, gerade noch abgewehrter Angriff auf das Regionalbüro in Herat im Herbst 2010).

Seit dem 1.4. unterstützt die Bundeswehr die Ausbildung der afg. Bereitschaftspolizei und Gendamerie (ANCOP) im Afghan Uniform Police Regional Training Center (AUP RTC) in Kunduz mit einem Team von 15 Soldaten (bis 30 Mann gebilligt).

März

Am 25.3. in Chahar Darreh/Kunduz 14 km westlich vom PRT IED-Anschlag auf Patrouille von Bundeswehr und ANP, ein afg. Polizist getötet, ein Polizeifahrzeug zerstört.

Bundestagsbeschluss zur dt. Beteiligung am AWACS-Einsatz in Afghanistan (Begründung: „Entlastung der Verbündeten" wg. dt. Nichtbeteiligung an der Libyen-Intervention)

Am 21.3. in Sholgarah/Balkh ein IMU-Führer und zwei Kämpfer gefangen, ein Kämpfer durch afg. und Koalitions-Spezialkräfte getötet. (Seit dem 8.3. 6 Razzien gegen IMU-Führungskader in Burkhah/Baghlan, Ausbildungslager in Kunduz und Sar-i Pul)

Am 20. 3. in Burkah/Baghlan mehr als 10 Kämpfer getötet und einer gefangen bei Spezialoperation auf der Suche nach 4 IMU-Kommandeuren.

Am 17./18.3. in Sayyad/Sar-i Pul bei Spezialoperation ein Aufständischer getötet, mehrere gefangen bei der Suche nach Talibankommandeur, der in Verbindung zu Suizid-Training Camps stehen soll.

Am 18.3. in Chahar Darreh/Kunduz 9 km nordwestlich des PRT bei IED-Suchoperation von zwei dt. Infanteriekompanien ein Fahrzeug des US Route Clearance Package (speziell geschütztes IED-Räumfahrzeug/RCP) von >70 kg Sprengladung getroffen, 4 Soldaten (darunter ein dt.) und ein Sprachmittler verwundet.

Am 14.3. mittags Selbstmordanschlag auf das Rekrutierungsbüro der ANA in Kunduz, 4 ANA-Soldaten und 22 Zivilpersonen (darunter 4 Kinder) getötet, 40 Personen verletzt. Andere Quellen sprechen von mindestens 33 Getöteten.

Am 13.3. in der Provinz Kunduz IED gegen Zivilfahrzeug.

Am 12.3. 8 km nordwestlich Pol-e Khomri/Baghlan dt. Kräfte mit Handwaffen beschossen, Soldaten brechen durch, keine Personenschäden. IED-Angriff auf ANP in Kunduz.

Am 10.3. auf dem Markt von Kunduz Stadt der Polizeichef der Provinz und drei (zwei) Leibwächter durch Selbstmordattentäter getötet, zwei Polizisten verletzt. In Dara Soof Payan/Samangan IMU-Kommandeur Shad Mohammad und vier Kämpfer durch Luftangriff getötet. In Mazar/Balkh IMU-Militärkommandeur und einige Kämpfer gefangen genommen.

Am 9.3. 7 km südwestlich Kunduz Feuergefecht zwischen dt. Kräften und Aufständischen. Von zwei im Umfeld verletzten afg. Frauen stirbt eine im Rettungszentrum des PRT. Der Polizeichef von Chahar Darreh wirft der Bundeswehr vor, den Tod der Frau verschuldet zu haben (Querschläger). Die Bundeswehr bestreitet das und verweist darauf, dass die verletzte Frau anderthalb km vom Gefechtsort einer Patrouille übergeben worden sei.

Am 8.3. in Burkah/Baghlan bei Spezialoperation gegen einen Talibankommandeur mehrere Aufständische getötet, einer gefangen genommen. Der Kommandeur soll mit der IMU verbunden sein und ca. 80 foreign fighters befehligen.

Am 7.3. Wechsel des US-Leitverbandes im RC North von der 1st Brigade der 10th Mountain Division zur 170th Infantry Brigade aus Baumholder/Rheinland-Pfalz.

---------- Ab hier reduzierte Quellenauswertung ---------------------------------------------------------------

Das 209. ANA-Korps (eins von sechs Korps insgesamt): Die 2. Brigade (ca. 3.000 Soldaten) in Kunduz gilt als nahezu einsatzbereit und kann auf Verbandsebene operieren. Der Brigade mit ihren 6 Bataillonen (Kandaks) sind 7 Operational Mentor + Liaison Teams (OMLT) mit 308 Soldaten (163 DEU, 90 BEL, 43 HUN, 12 UN) zur Ausbildung + Beratung, Verbindung + Führung, Planungs- und Operationsunterstützung zugeordnet.

Die 3. Brigade in Mazar verfügt bisher über ein zum Partnering fähiges Kandak (Bataillon) und soll in 2011 um zwei weitere Infanterie-Kandaks und ein Unterstützungs-Kandak aufwachsen. Die 1. Brigade in Meymaneh befindet sich in der Aufstellung, Partnering mit einem Kandak soll bald möglich werden.

Mangels Masse können die OMLT die Kandaks nur eingeschränkt bei Operationen begleiten. Um die Schlüsselaufgabe „Erhöhung der Eigenständigkeit + Effizienz der ANA auf dem Weg zur Unabhängigkeit von ISAF" bestmöglich erfüllen zu können, wird vor Ort die Verdoppelung der OMLT-Kräfte für notwendig gehalten.

 

Februar

Am 24.2. Kommandoübergabe ISAF RC North von Generalmajor Hans-Werner Fritz an Generalmajor Markus Kneip. (General Kneip war im Sommer 2006 erstmalig in Mazar Regionalkommandeur. Er hatte schon damals nachdrücklich vor einer Verschärfung der Lage gewarnt.) Damit Übergang vom 24. auf das 25. dt. Einsatzkontingent.

Am 22.2. in Baghlan-e Jadid/Baghlan nördlich vom OP North dt. Soldaten im Partneringeinsatz mit Handwaffen beschossen, Luftnahunterstützung, keine eigenen Personen- und Sachschäden. Am selben Tag ca. 10 km südwestlich Kunduz dt. Soldaten mit Handwaffen beschossen, Feuerwechsel, keine eigenen Schäden.

Am 21./22.2. Besuch einer Delegation des High Peace Council in Kunduz. Damit Bestätigung des Friedens- und Reintegrationsrates der Provinz, in dem der Anteil von traditionellen Führern erhöht wurde.

Am 21.2. im Gebäude der Distriktverwaltung von Imam Shahib/Kunduz ca. 30 Zivilpersonen durch Selbstmordattentäter getötet, mehr als 30 verletzt.

Am 20.2. in Baghlan-e Jadid/Baghlan Beginn der Operation NAWROZ der ANSF (400 Soldaten, 600 Polizisten), ISAF stellt nur „Mangelfähigkeiten". Marco Seligers Reportage „Der Polizist, dein bekiffter Partner" über die Erfolge und Hindernisse des Einsatzes im OP North/Baghlan in der FAZ am 25.2..

Am 18.2. in Baghlan-e Jadid/Baghlan im Oberservation Post (OP) North drei deutsche Soldaten durch einen ANA-Soldat erschossen, 6 verwundet. Der Attentäter war ein 19-jähriger Wachsoldat, seit 9 Monaten in der ANA. Die Gefallenen sind der Hauptfeldwebel Georg Missulia, der Stabsgefreite Konstantin Menz und der Hauptgefreite Georg Kurat, alle vom Panzergrenadierbataillon 112 in Regen. (Susanne Koelbl verweist im Spiegel 9/2011 auf die gegenüber vor 5 Monaten erheblich verbesserte Lage in Baghlan: Damals seien täglich Lkw`s überfallen worden, IED`s gelegt und Wegezölle an illegalen Checkpoints erhoben worden. Jetzt sei es in Baghlan relativ sicher.)

Am selben Tag abends Beschuss einer Patrouille der Task Force Kunduz (Ausbildungs- und Schutzbataillon) nordwestlich des PRT Kunduz mit Handwaffen und Panzerfäusten. Vier dt. Soldaten verwundet, erstmalig ein Schützenpanzer „Marder" in Brand geschossen und ausgefallen.

Am 17.2. in Chahar Darreh/Kunduz ein ANP-Polizist durch IED getötet. Im selben Distrikt Beschuss von dt. Kräften.

Am 15.2. südöstlich von Aybak/Samangan ein finnischer Soldat des PRT Mazar durch IED getötet.

Am 13.2. ca. 40 km nordwestlich Kunduz in Qal àh-ye Zal durch IED zwei dt. Soldaten leicht verletzt, Fuchs beschädigt.

Am 10.2. am Eingang der Distriktverwaltung von Chahar Darreh/Kunduz Distriktgouverneur Said Abdul Wahid Omarkhel und 6 Personen durch Selbstmordattentäter getötet, 7 weitere verletzt. Der Anschlag geschah bei einem Treffen mit örtlichen Milizenführern durch einen ca. 16-jährigen Jungen beim Überreichen eines Bittschreibens. Der Distriktgouverneur hatte schon mehrere Anschläge überstanden.

Ende Januar durch eigenständige Operation der afg. Polizei nördlich und nordwestlich von Kunduz und Vorstoß nach Dasht-e Archi Aufständische aus weiten Gebieten verdrängt. Erstmals seit 2009 sollen Aufständische in der Provinz Kunduz keine größeren Gebiete mehr kontrollieren. (!!!)

Januar

Am 31.1. nachmittags dt. Soldaten 17 km südlich PRT Kunduz mit zwei Mörsergranaten angegriffen, keine Schäden.

Am 29.1. in Chahar Darreh/Kunduz durch IED zwei dt. Soldaten verwundet, „Dingo" beschädigt.

Am 28.1. Bundestagsabstimmung über die Fortsetzung der Bundeswehrbeteiligung an ISAF: 420 Ja-Stimmen, 116 Nein, 43 Enthaltungen.

Am 28.1. lehnt das niederländische Parlament einen Oppositionsantrag, der die geplante niederländische Polizeimission in Nord-AFG verhindern soll, ab. Schwerpunkte der bis 2014 terminierten Mission sind Kabul, Mazar und Kunduz.

Am 27.1. Eintreffen von zwei zusätzlichen Panzerhaubitzen 2000 als „Gerätereserve" und Verlegung nach Kunduz und OP North. (insgesamt jetzt 5)

Am 19.1. in Doshti/Baghlan US-Konvoi mit Handwaffen und Panzerfäusten beschossen, ein US-Soldat getötet.

Anfang Januar im Norden des Distrikt Dahanah-ye Ghori/Baghlan (Highway-Triangle)Fortsetzung der Operation JADID, seit Ende Dezember in der Phase V (Hold). Erstmalig ist der Anteil der ANSF höher als der von ISAF. (Im November bei Operationsbeginn 650 ISAF, 250 ANSF; jetzt 750 ANSF, 300 ISAF) Ausbau weiterer Combat Outposts (Feldposten) im Dande-e Ghori Distrikt.

In Chahar Darreh/Kunduz Fortsetzung der Operation SHER CHESAN, Besetzung der Combat Outpost (COP) Quatliam und des OP Athen durch lokale Sicherheitskräfte (Milizen), US und TF Kunduz. (Großteil der IED`s wurden der ANA von der Bevölkerung gemeldet.)

Seit Anfang Januar in der Provinz Kunduz Handynetz wieder rund um die Uhr. Im letzten Frühjahr hatten die Taliban das Ausschalten der Handynetze bei Dunkelheit in der Provinz durchgesetzt. Die Reaktivierung des Handynetzes ist ein wichtiger Indikator für den Rückgang der Sicherheitsbedrohung durch die Aufständischen. (FAZ 15.1.2011)

Am 3.1. Einsetzung des neuen Gouverneur von Kunduz, Mohammad Anwar Jegdalek. Er war bis vor kurzem Minister für Parlamentsangelegenheiten. Sein Vorgänger Mohammad Omar war am 8.10.2010 durch Anschlag getötet worden.

Zu Teil 2.

Hin weis: 

Bericht als PDF-Datei.


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

Tagebuch