Neuauflage "Handbuch Frieden" mit über 60 Beiträgen, darunter von mir zu "Interventionen und Frieden"

Von: Nachtwei amDi, 19 März 2019 22:06:20 +01:00

Das 800 Seiten starke Handbuch "beinhaltet das aktuelle Wissen zu Frieden, Friedenspolitik und zu Friedens- und Konfliktforschung" und verdient viele Leserinnen und Leser. 



Neuauflage Handbuch Frieden

mit meinem Beitrag zu Interventionen

2. Auflage, hrsg. von Hans J. Gießmann/Bernhard Rinke,

Springer VS Wiesbaden 2019

Zum Handbuch allgemein

Verzeichnis der über 60 Beiträge zu friedensrelevanten Themengebieten mit Vorschau

https://www.springer.com/de/book/9783658236434

Die aktualisierte und erweiterte Auflage dieses Handbuches beinhaltet das aktuelle Wissen zu Frieden, Friedenspolitik und zur Friedens- und Konfliktforschung. Die Beiträge behandeln den Friedensbegriff systematisch aus wissenschaftlicher und politischer Perspektive. Dabei werden die vielfältigen inhaltlichen Dimensionen und Bezüge des Begriffsfeldes Frieden verdeutlicht. Die Befunde der insgesamt 65 Autorinnen und Autoren bieten ein umfassendes Bild der aktuellen und künftigen Herausforderungen von Friedensforschung und Friedenspolitik und beziehen die Praxis der Friedensarbeit ein.
Der Inhalt

Der Friedensbegriff in wissenschaftlicher und politischer Perspektive

Begriffsfeld Frieden

Friedenskontexte

Die Zielgruppen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Dozierende und Studierende der Politik- und Sozialwissenschaften sowie der Philosophie, Theologie und Rechtswissenschaft

Studierende und Lehrende der Friedens- und Konfliktforschung

Politische Akteurinnen und Akteure sowie in der Friedenspraxis Tätige

Die allgemein an friedenspolitischen Themen interessierte Öffentlichkeit

Die Herausgeber
Prof. Dr. Hans J. Gießmann ist Direktor der Berghof Foundation in Berlin.Dr. Bernhard Rinke ist Professor für Sozialwissenschaften an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, Abteilung Duisburg.

Zu meinem Beitrag „Interventionen für den Frieden“ (selbstverständlich mit Fragezeichen zu verstehen), S. 99-109, hier die Vorschau:

1.         Einleitung

2.         Erste Schritte „Out of Area“

3.         Kriegseindämmung in Bosnien

4.         Erste Kriegsbeteiligung

5.         Staatsaufbau und Krieg am Hindukusch

6.         Annäherung an VN-Missionen

7.         Fazit der deutschen Einsatz- und Interventionsbeteiligungen

8.         Literatur

1.         Einleitung

Interventionen wurden und werden immer wieder als Einsätze für den Frieden gerechtfertigt und dargestellt. Nichtsdestoweniger sind politische und militärische Interventionen Eingriffe in die Souveränität eines Staates und deshalb höchst umstritten. Der Irakkrieg der USA 2003 und ihr offener und verdeckter „Krieg gegen den Terror“ in Afghanistan und anderen Ländern seit 2001, die Libyen-Intervention einiger NATO-Staaten 2011, die mehr oder weniger offene Intervention russischer Kräfte in der Ukraine, die aktuellen Interventionen verschiedener Mächte in Syrien und Jemen sind jüngere Beispiele, wo Interventionen Frieden brachen und Chaos schufen. Sie standen alle im diametralen Gegensatz zur Charta der Vereinten Nationen (VN) mit ihrem Friedensgebot und Einmischungsverbot (Art. 2, Abs. 3 und Art. 2, Abs. 7 VN-Charta).

Neben diesen Interventionskriegen finden weltweit Dutzende militärische Auslandseinsätze statt, die vielfach auch als Interventionen gelten, aber mit weniger gewaltsamer Einmischung einhergehen: Das sind vor allem sogenannte friedenserhaltende (Peacekeeping) und oft humanitär begründete Einsätze, Beobachter-, Ausbildungs- und Beratermissionen bis hin zu Einsätzen zur Unterstützung von Verbündeten. Die Vereinten Nationen führen aktuell allein 15 Peacekeeping-Einsätze mit insgesamt rund 100.000 Soldaten, Polizisten und zivilen Kräften. Afrikanische Regionalorganisationen führen sieben, die EU sechs militärische und elf zivile Einsätze (Stand: April 2018). Die meisten sind durch den VN-Sicherheitsrat autorisiert und völkerrechtlich legitimiert. Wo sie im selbstbestimmten Einverständnis des Gastlandes erfolgen, handelt es sich nicht um eine die nationale Souveränität verletzende Intervention im engeren völkerrechtlichen Sinne. Da friedenssichernde und humanitär begründete Einsätze aber meist mit erheblichen Einwirkungen auf die Politik, Gesellschaft und Wirtschaft eines Gastlandes einhergehen, können sie als Interventionen im weiteren Sinne gelten. Im Folgenden wird unter Intervention das Eingreifen in die Souveränität eines Staates mit militärischen Mitteln verstanden, unabhängig von der völkerrechtlichen Legitimation des Eingreifens.

Im Unterschied zu manchen Verbündeten war die Beteiligung an Interventionen und VN-Missionen für Westdeutschland bis 1990 kein Thema. Nach dem von Nazi-Deutschland geführten Angriffskrieg gegen die europäischen Nachbarn und dem Vernichtungskrieg im Osten und während des Ost-West-Konflikts stand die Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen der NATO an der deutsch-deutschen „Zentralfont“ absolut im Vordergrund. 22 Jahre später war das vereinte Deutschland an über zehn Auslandseinsätzen und zwei Kriegen beteiligt (gewesen). Im April 2018 waren 3.750 deutsche Soldatinnen und Soldaten in 14 Militäreinsätzen außerhalb des Bündnisgebiets eingesetzt, davon sechs unter VN-Führung, je drei unter NATO- und EU-Führung, einer in einer „Koalition der Willigen“ und eine bilaterale Ausbildungsmission (Irak).

Umstritten ist bis heute in der deutschen Gesellschaft, wie dieser Weg zu bewerten ist – als Abkehr vom Friedensauftrag des Grundgesetzes und als Militarisierung von Außenpolitik oder als Einsatz für Friedenssicherung angesichts neuer Bedrohungen von Frieden und Sicherheit. Im Folgenden werden Weichenstellungen dieses Prozesses von der ausschließlich auf Verteidigung fokussierten Sicherheitspolitik hin zur deutschen Beteiligung an Auslandseinsätzen nachgezeichnet und aus friedenspolitischer Perspektive kritisch geprüft.

Als Aktivist der Friedensbewegung bis Ende der 1990er Jahre und Bündnisgrüner Bundestagsabgeordneter im Verteidigungsausschuss von 1994 bis 2009  war der Autor intensiv in diesen Streit- und Klärungsprozess involviert und  an 70 Mandatsentscheidungen zu Auslandseinsätzen sowie am Aufbau einer Infrastruktur für zivile Krisenprävention beteiligt. Bei einem solchen Autor liegt das Risiko der Selbstrechtfertigung nahe. Zugleich besteht die Chance auf selbstkritisches Lernen eines parlamentarischen Insiders.

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