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Genauer Hinsehen: Sicherheitslage Afghanistan (Lageberichte + Einzelmeldungen) bis 2019
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Better news statt bad news aus Afghanistan VI

Veröffentlicht von: Webmaster am 28. Dezember 2009 23:46:40 +01:00 (108535 Aufrufe)

Hier der neueste Bericht aus der Reihe "Better news statt bad news aus Afghanistan":

Better News statt Bad News aus Afghanistan VI

Winfried Nachtwei, MdB a.D., Dezember 2009

Im Juni erschienen meine letzten „Better News". In den Folgemonaten waren bessere Nachrichten kaum zu finden. Die betrügerischen Umstände der Präsidentschaftswahl im August, die weitere Verschlechterung der Sicherheitslage und der Luftangriff von Kunduz verdüsterten die Lage immer mehr. Trotzdem: Bei näherem Hinsehen und genügend Recherchezeit ist doch wieder einiges zusammengekommen.

Allgemeine Vorbemerkung: Schlechte Nachrichten werden am breitesten wahrgenommen. Hohe Aufmerksamkeit finden Gewaltereignisse und Militärfragen. Wenig bis gar nicht wahrgenommen werden Fragen des zivilen Aufbaus. Diese „natürliche" Botschaftsdominanz des Militärischen und von bad news wird verstärkt durch die ungleichgewichtige Öffentlichkeitsarbeit, wo die Kapazitäten der zivilen Seite weltenweit hinter denen der militärischen Seite hinterherhinken, wo Journalisten fast nur ISAF besuchen und kaum Aufbauvorhaben.

Seit Sommer 2007 verfasse ich diese Zusammenstellung von unbekannten „besseren Nachrichten", die keineswegs der Beschönigung dienen, aber für ein realitätsnahes Gesamtbild unverzichtbar sind. Sie sind essentiell dafür, Chancen zu identifizieren, zu nutzen, insgesamt Frieden zu fördern. WER CHANCEN NICHT WAHRNIMMT UND NUTZT, HAT DEN FRIEDEN SCHON VERLOREN! (Better News I-V unter www.nachtwei.de) Grundsätzlich zu beachten ist in Afghanistan die Gleichzeitigkeit extrem unterschiedlicher Konflikt-, Sicherheits- und Aufbaulagen zwischen den Regionen, Provinzen, ja Distrikten - von Kriegszonen bis zu florierenden Städten wie Mazar und Herat.

Bisher fehlt es an systematischen Wirksamkeitsbewertungen der Aufbauanstrengungen. Bis heute haben weder afghanische Regierung noch UNAMA ein vollständiges Bild der Aufbauvorhaben. Auch die seit 2006 bestehende ISAF-Datenbank „Afghanistan Country Stabilization Picture" leidet unter der unzureichenden Meldebereitschaft etlicher Akteure. Das zuständige Finanzministerium baut seinerseits eine entsprechende Datenbank auf. Ob die Vorhaben Tropfen auf den heißen Stein oder ein ständig kühlender Wasserstrahl sind, lässt sich oft nicht beurteilen.

(Parallel führe ich laufend aktualisierte Zusammenstellungen zur militärisch-polizeilichen Sicherheitslage: „Sicherheitsvorfälle in der Region Nord", „Materialien zur aktuellen Sicherheitslage Afghanistans (auch Pakistans)" -, eine Sammlung von lauter schlechten Nachrichten. www.nachtwei.de)

Hinweise, Ergänzungen, Korrekturen, Kritiken bitte an mich unter winfried(at)nachtwei.de. Danke!

Drogenproduktion: Wendezeichen

Welche Unterschiede zwischen dem AFG Opium Survey 2006 des United Nations Office on Drugs and Crime/UNODC und dem Opium Survey 2009 (147 Seiten), der am 17. Dezember veröffentlicht wurde (www.unodc.org)! In deutschen Medien habe ich dazu nichts gefunden.

2006: Anstieg der Anbaufläche um 59%, der Ernte um 49%, nur in 6 Provinzen kein Mohnanbau. In den neun Nordprovinzen wird auf insgesamt 34.000 ha Mohn angebaut. Zentren des Mohnanbaus sind Balkh, Badakhshan (2. Stelle landesweit).

2009: Rückgang der Anbaufläche um 22% auf 123.000 ha, der Opiumproduktion um 10%, der in Mohnanbau involvierten Menschen von 2,4 Mio. auf 1,6% Mio, des Brutto-Exportwertes um 18% auf 2,8 Mrd. US-$. Die Zahl der mohnfreien Provinzen stieg 2009 um zwei auf 20 der insgesamt 34 Provinzen (13 in 2007). Von 400 Distrikten sind 290 mohnfrei. Erstmalig seit 10 Jahren mohnfrei ist der Norden mit Balkh (10.800 ha in 2005!), Baghlan, Bamyan, Faryab, Jawzjan, Samangan und Sari Pul. Im Nordosten sind Kunduz und Takhar das zweite Jahr in Folge mohnfrei. In Badakhshan expandierte der Mohnanbau sehr stark um 179%, aber auf dem niedrigen Niveau von 200 auf 557 ha (13.000 ha in 2006!). Im Osten ging der Mohnanbau um 48% auf 593 ha zurück. 2006 wurde noch auf 15.336 ha Mohn angebaut!

99% der Opiumproduktion konzentrieren sich inzwischen auf die sieben Provinzen im Süden und Südwesten, die von Aufständischen und kriminellen Netzwerken dominiert werden. Mit fast 70.000 ha konzentriert sich 57% des afghanischen Mohnanbau in Helmand. Aber auch hier gab es einen Rückgang um 33% gegenüber 103.590 in 2008. (Die Ironie: In 2005, ein Jahr vor dem Einrücken der britischen ISAF-Truppen, wurde auf 26.500 ha Mohn angebaut. Damals hatte Großbritannien die Lead-Rolle bei der Drogenbekämpfung.)

Die positive Entwicklung wurde durch die Preisentwicklung für Opium/Heroin einerseits und Weizen andererseits begünstigt. Zu ihr trug aber auch bessere Regierungsführung in einigen Provinzen bei.

Sicherheitslage: die Ausnahmen von der schlechten Regel

Landesweit nahmen in den ersten fünf Monaten diesen Jahres Anschläge mit improvisierten Sprengkörpern (IED`s) um 81% gegenüber dem Vorjahrszeitraum zu. Gegenläufig war die Tendenz in

-       In der Region Nord in Baghlan um -46% auf 7, in Faryab um -47% auf 8,

-       Badghis um -83% auf 1

-       Laghman um -24% auf 34.

Am wenigsten „Sicherheitsvorfälle" (Feuerwechsel/Gefechte, Sprengstoffanschläge, indirekter Beschuss) geschahen in den ersten neun Monaten 2009 in

-       Panshir 2

-       Region Norden in Samangan 9, Sar-e Pul 16, Badakhshan und Jowzjan je 34

-       Bamyan 15

-       Daykundi 17

Rückgang der Zivilopfer durch Pro-Regierungskräfte: Ein Debakel ist die hohe Zahl an Zivilopfern - in den ersten zehn Monaten 2009 kamen laut UNAMA 1.947 Zivilpersonen im Zusammenhang mit Kämpfen um`s Leben. 69% der Opfer werden oppositionellen Gruppen als Verursachern zugeordnet (Vorjahr 55%), Pro-Regierungskräften einschließlich internationalen Truppen 24% (39%). Der Rückgang der Zivilopfer durch internationale Truppen bei gleichzeitiger Ausweitung der Operationen scheint eine Folge der am 6. Juli von ISAF-Kommandeur McChrystal erlassenen neuen Tactical Directive. Verschärfte Auflagen für Militäroperationen sollen die Umsetzung des obersten Imperativs „Respekt, Schutz und Zustimmung der Bevölkerung" befördern. Der Luftangriff von Kunduz widersprach dieser Linie. Zugleich sind aber die ISAF-Verluste (vor allem der US-Truppen) so hoch wie nie.

„Auch Taliban können besiegt werden": In der ZEIT vom 22.12.2009 berichtet Ulrich Ladurner von seiner „Reise in das befreite Swat-Tal in Pakistan", das er zuletzt im April besucht hatte. Damals war die früher beliebte Urlaubsgegend - nur 160 km von der Hauptstadt entfernt - eine Hochburg der Taliban, hatte der pakistanische Staat vor den Taliban und ihrer Schreckensherrschaft kapituliert - auch gegen den Protest der afghanischen Zivilgesellschaft. Anfang Mai begann die Gegenoffensive der pakistanischen Streitkräfte. In den ersten 12 Tagen sollen 360.000 Menschen aus dem Kampfgebiet geflohen sein. Anfang Juni meldete die Armee die Rückeroberung der Provinzstadt Mingora. Jetzt: Kein halbes Jahr später ist von der Schreckensherrschaft nur noch wenig zu spüren. Wer durch Mingora reise, treffe auf offene Menschen, die ihre Meinung frei heraus sagen. Mingora vibriere vor Energie. Aber noch sei es zu früh zu sagen, ob die Armee auf Dauer gegen die Taliban gewonnen habe. Denn die Taliban hatten anfänglich Zulauf vor allem aus ärmeren Bevölkerungsschichten, weil sie Gerechtigkeit versprachen: gegenüber der Willkür der Großgrundbesitzer und einer langsamen, korrupten und teuren Justiz.

Umfrageergebnisse - in Afghanistan besser als in Deutschland

Meinungsumfragen in AFG stehen angesichts der enormen Fragmentierung des Landes, kultureller Besonderheiten und politischen Interessen vor ganz besonderen methodischen Schwierigkeiten und Glaubwürdigkeitsproblemen. Insofern sind Umfrageergebnisse über das übliche Maß hinaus mit Vorsicht zu genießen, bedarf ihre Methodik besonderer Prüfung. (...) Die inzwischen fünfte Umfrage der Asia Foundation basiert auf der Befragung von 6.406 Personen in allen 34 Provinzen im Juni/Juli. Das AFG-Bild der AfghanInnen ist demnach deutlich besser als die Fernwahrnehmung in Deutschland und anderen Ländern („AFG in 2009 - A Survey of the Afghan People, Oktober 2009, www.asiafoundation.org):

- 42% meinen, AFG sei auf dem richtigen Weg (2008 38%), 29%, AFG sei auf einem falschen Weg (32%).

- Als Hauptgründe für „Optimismus" wurden genannt gute Sicherheit von 44% ( 31% in 2006), Aufbau von 36%. Hauptgründe für Pessimismus sind für 42% Unsicherheit (50% in 2008).

- Unsicherheit (Angriffe, Gewalt, Terrorismus) sind für über ein Drittel das größte Problem, im Südosten für 48%, im Westen 44%, im Südwesten 41%.

- Die Besorgnis über Arbeitslosigkeit (35%), schwache Wirtschaft (20%), Korruption (17%), Armut (11%), Bildung (11%) hat gegenüber 2008 zugenommen.

Internationaler Friedenstag und Kultur des Friedens

Der Internationale Friedenstag am 21. September geht zurück auf die Resolution 55/282 der VN-Generalversammlung von 2001. Der Friedenstag soll eine Kultur des Friedens stärken, ist mit dem Aufruf zu einer eintägigen Waffenruhe verbunden und wird in Afghanistan seit 2006 begangen. Zu seiner Durchführung schlossen sich im Jahr 2005 über 100 zivilgesellschaftliche Organisationen mit Unterstützung des Dt. Entwicklungsdienstes/DED in den Afghan Civil Society Organisations for Peace/ACSONP zusammen. 2008 war federführende Organisation die Mediothek, in diesem Jahr die Foundation for Culture and Civil Society/FCCS. Da der Peace Day in diesem Jahr mit dem ersten Tag von Eid, den Feiertagen zum Ende des Ramadan, zusammenfiel, verlegte man sich auf eine 21-tägige Friedenskampagne. Ihr Motto: „What are you doing for peace?" Aktionen zum Friedenstag gab es in insgesamt 16 Provinzen. Eine Aktion war, der optischen Dominanz von Bewaffneten, Sicherheitsanlagen gerade in Kabul was entgegenzusetzen: Bemalen der Befestigungsanlagen mit Friedensmotiven. Am 16. September wurde auf dem Dehkepak Hügel von Khair Khana in einer größeren Zeremonie mit Steinen das Wort "Frieden" auf Dari und Paschtu gelegt. Am Abend des 21. September versammelten sich mehr als 1.000 Menschen in dem historischen Babur Garten (angelegt im 16. Jahrhundert) zu einem Friedenskonzert. An der Friedenstag-Feier am 16. September in Mazar nahmen nicht nur Schüler, Studenten, Lehrer, Sport- und Jugendgruppen, Künstler, sondern auch Repräsentanten der Provinzdepartments, Provinzratsmitglieder, Vertreter von VN und PRT teil.

Der Aufruf zur Waffenruhe scheint am 21. September gewirkt zu haben. Im Vorfeld hatten ISAF-Kommandeur McChrystal und Verteidigungsminister Wardak ihren Truppen befohlen, sich am Friedenstag auf die Abwehr von Angriffen zu beschränken und auf Offensivoperationen zu verzichten. VN, ISAF und afghanisches Verteidigungsministerium berichteten übereinstimmend, dass es am 21. September viel ruhiger als gewöhnlich gewesen sei und nur wenige isolierte Sicherheitsvorfälle gegeben habe. Lt. Xinhua seien an dem Tag zwei ISAF-Soldaten durch IED`s in Südafghanistan getötet worden.

Der Internationale Friedenstag wurde für eine Polio-Impfkampagne in acht Provinzen genutzt, darunter sonst am schwersten zugängliche Gebiete in Kandahar, Helmand und Uruzgan. In der dreitägigen, von 14.000 Helfern durchgeführten Kampagne wurden fast 1,2 Mio. Kinder an 580 von 593 geplanten Orten geimpft. Afghanistan gehört zu den vier Ländern weltweit, wo Kinderlähmung endemisch ist. Organisiert wurde die Peace Polio Campaign gemeinsam von afghanischen Gesundheitsbehörden, WHO, UNICEF, unterstützt wurde sie durch das ICRC und Gesundheits-NGO`s. Die Taliban hatten angekündigt, den Zugang für Gesundheitsarbeiter nicht zu behindern.

Seit 2007 wurden in Peace Day Kampagnen insgesamt 4,5 Mio. Kinder in den besonders unsicheren Regionen geimpft. (Im Vorjahr hatten Claudia Roth und ich den afghanischen Freunden zum Internationalen Friedenstag ein Grußwort übersandt.)

Peace Promotion Project des Afghan Civil Society Forum/ACSF: Das fünfmonatige, vom DED geförderte Projekt soll zu einer Kultur des Friedens beitragen, indem das öffentliche Verständnis von Konfliktkosten und friedlichen Alternativen gefördert wird. Zielgruppen der Trainingskurse zu Konflikttransformation/Peacebuilding sind ACSF-Mitarbeiter in der Zentrale und den Regionen, Partner und Mitgliedsorganisationen (politische Parteien, schulische Kulturkomitees, Anwaltsvereinigungen etc.).

Insgesamt wurden 18 solche Trainings in den Provinzen Paktia, Balkh, Bamyan und Nangarhar (420 Teilnehmer) sowie 4 für ACSF-Mitarbeiter und Mitgliedsorganisationen (83 Teilnehmer) durchgeführt. Ein zweiter Schritt im Trainingsprogramm ist das „Do No Harm" Training zur Förderung von Konfliktsensitivität in der Entwicklungsarbeit. Erarbeitet wurden Trainings-Handbücher für Peacebuilding und Do No Harm. Lt. ACSF-Bericht vom Oktober 2009 sollten 500 Kopien der beiden Manuals in Dari und Pashtu im November erscheinen.

Bei der sehr gut besuchten VENRO-Konferenz „Mission impossible am Hindukusch?" am 24. November in Berlin zog Aziz Rafiee, Direktor des Afghan Civil Society Forum, eine Zwischenbilanz aus afghanischer Perspektive: Das verbreitete Negativbild stimme so nicht. Er verglich die Aufbauleistungen der letzten 8 Jahre mit den Jahren 1933-1973 der Königsherrschaft: mit der Anzahl an Ärzten, Straßen, Schulen, Krankenstationen und Kliniken, Medien. Gerechtigkeit müsse an erster Stelle aller Politik stehen. Das sei der Schlüssel zur Konfliktlösung. Insgesamt: „Afghanistan is still a mission achievable!"

Woman`s Peace Caravan: Dreitägige Abschlusskonferenz am 24. Oktober in Kabul mit 90 Frauen aus 10 Provinzen, darunter Nazifa Zaki, eine von sieben weiblichen Generalen (Militärstaatsanwaltschaft) in der afghanischen Armee. Mit Workshops und Theateraufführungen in Schulen wurde seit Sommer zivilgesellschaftliches Engagement von Frauen unterstützt. Die Peace Caravan wird von der Mediothek in Kabul organisiert und seit 2005 vom Zivilen Friedensdienst/ZFD des DED maßgeblich mitgestaltet. Der ZFD unterstützte auch die Tournee des Theaterstücks „Asthee" (Versöhnung), das die Foundation for Culture and Civil Society/FCCS 2008 produziert hatte. 96 Tage reisten die Schauspieler mit ihrer mobilen Bühne durch 7 Provinzen. Allein in Badakhshan erreichten sie über 10.000 Zuschauer, insgesamt mehr als 38.000. (Das ZFD-Länderprogramm AFG ist mit bisher 16 bewilligten Stellen eines er größten weltweit. Koordinatorin ist Dr. Alema Alema, die in Leipzig in den 80er Jahren Philosophie studierte und über afghanische Außenpolitik promovierte. Sie hat die afghanische und deutsche Staatsbürgerschaft.) An der Uni Kabul baute die ZFD-Mitarbeiterin Nicole Birtsch in 2008 das „Peace Studies Department" auf, aus dem der Studiengang „Peace-Studies" erwachsen soll.

(zu ZFD in AFG vgl. Newsletter - Dt. Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan, Nr. 6 Juli 2009, www.afghanistan-ded.de)

Anmerkung: Bei den Organisationen der deutschen Friedensbewegung und in ihren Publikationen werden die o.g. Gruppen der demokratischen afghanischen Zivilgesellschaft und ihre praktische Friedensförderung im Umfeld einer gewachsenen Gewaltkultur weitestgehend ignoriert. (Beispielhaft der AFG-Schwerpunkt im aktuellen „Friedensforum" 6/2009) Allein die „National Peace Jirga" wird als Kooperationspartner akzeptiert und herausgestellt. Diese beschreibt sich selbst als Zusammenschluss von Stammesvertretern, religiösen Würdenträgern, Intellektuellen und Politikern, die die breite, kriegsmüde Bevölkerungsmehrheit vor allem aus dem Süden und Osten Afghanistans repräsentieren würden. Am 18. Juni sprach VN-Repräsentant Kai Eide vor 1.000 Delegierten der Jirga in Kabul. (www.aixpaix.de) Am 31. Juli erschien eine Gemeinsame Erklärung der Nationalen Friedens-Jirga und der Kooperation für den Frieden, in der sie einen Waffenstillstand in der Provinz Kunduz vorschlugen und sich dabei auf einen ersten Waffenstillstand zwischen Regierung, Talibanführern und Stammesältesten im Distrikt Bala Murghab/Provinz Badghis (Nordwest) im Juli bezogen. Allerdings berichtete der Christian Science Monitor schon am 27.7., die Waffenruhe sei schnell durch einen Überfall auf eine Polizeistation gebrochen worden. Ein Taliban-Sprecher habe eine Waffenstillstandsabmachung bestritten. (zur Nationalen Peace Jirga vgl. meine Better News II, September 2008)

„Der Traum von Aynak" - endlich ein Segen oder wieder Ressourcenfluch?

In der Weihnachsausgabe des SPIEGEL berichtet Christian Neef über riesige Bodenschätze in diesem, einem der ärmsten Land der Welt. Aynak in der Provinz Logar, knappe 100 km von Kabul entfernt, stehe „für ein anderes Afghanistan. Für wirtschaftlichen Aufschwung, Wohlstand, Reichtum." Aynak ist die größte noch nicht erschlossene Kupfermine der Welt mit geschätzten 700 Mio. to Kupfererz, vor allem Malachit mit seinem besonders hohen Kupfergehalt. Für die Mine bekam der Staatskonzern China Metallurgical Construction Corporation die Förderrechte für 808 Mio. US-$. 2,9 Mrd. US-$ wollen die Chinesen hier investieren, u.a. auch in eine Eisenbahnlinie von Heiratan, dem Hafen am Amu-Darja an der Grenze zu Usbekistan, quer über den Hindukusch nach Kabul und dann nach Torkham an der afghanisch-pakistanischen Grenze. Das Projekt hätte historische Dimension. Ob es auch ernst gemeint und realistisch ist, bestreiten in Kabul viele. Das zuständige Bergbauministerium gelte bisher als Hort der Korruption.

Inzwischen sind bereits über 3.000 afghanische Arbeiter und 70 chinesische Ingenieure vor Ort. Schon der Landtransport der chinesischen Technik gilt als logistische Großtat: von China über Usbekistan, Mazar-e Sharif, den 3.400 m hohe Salang-Pass und Kabul nach Aynak.

Andere Bodenschätze: Steinkohle in der Provinz Bamiyan, Öl und Erdgas im Nordwesten bei Shibarghan, Blei, Zink, Gold, Silber, Asbest, Glimmer, Schwefel, Beryll, die weltweit bedeutendsten Lapislazuli-Vorkommen in Badakhshan. Die Eisenerzlagerstätte von Hajigak 130 km westlich von Kabul gilt mit ihren geschätzten 1,8 Mio. to als größte Asiens. Allerdings liegt Hajigak an einem 3.700 m hohen Pass. International ausgeschrieben sind zwei Gasfelder in der NW-Provinz Jowzjan, ein Ölfeld in Sar-i Pul und Hajigak. Hajigak soll mitsamt einem Stahlwerk bis zu 80.000 Arbeitsplätze und bis zu einer Mrd. $ Staatseinnahme/Jahr schaffen. (Spiegel 52/2009)

Vorbildliche Hilfsorganisationen und Initiativen (kein Anspruch auf Vollständigkeit),

die mir in den letzten Monaten begegneten, insbesondere bei der XXXIII. Afghanistan-Tagung Mitte Dezember in der Evangelischen Akademie Villigst, der seit Jahren größten Zusammenkunft von Afghanistan-Engagierten/-Interessierten, Exilafghanen aller Altersgruppen. Hier kommt soviel an langjähriger Afghanistan-Erfahrung, an Kompetenz, Einsatz und Herz für die Menschen am Hindukusch zusammen wie nirgendwo sonst. Beispielhaft dafür steht der Mitbegründer der Villigster Tagung Dr. Ernst-Albrecht von Renesse aus Bochum. Zugleich fällt auf, wie fragmentiert die AFG-Unterstützer-szene ist: Zwischen der großen AFG-Tagung der Vereinigung entwicklungspolitischer NRO`s (VENRO) Mitte November in Berlin und Villigst sehe ich kaum personelle Überschneidungen.

Afghanischer Frauenverein e.V.: Seit 1992 wurden mehr als 85 Projekte initiiert, zzt. sind es 13 Hilfsprojekte in Nord- und Südost-Afghanistan sowie in Peshawar/Pakistan mit ca. 120 einheimischen MitarbeiterInnen. Mit ihnen konnten 2009 18.000 Menschen medizinisch versorgt und 56.000 geimpft werden. Täglich werden 26.000 Menschen mit sauberem Trinkwasser versorgt, rund 2.000 Jungen, Mädchen und Frauen können zur Schule gehen oder eine Ausbildung machen. Der 12-seitige Dezember-Rundbrief schildert die Projekte, zum Beispiel die Roschani-Mädchenschule und Ausbildungscenter für Frauen in Ghazni, die Khazani Schule für 1.000 Mädchen und Jungen in der Provinz Kunduz. (Wegen Talibandrohungen dürfen hier ab Sommer 2009 nur noch Mädchen bis neun Jahre die Schule besuchen.) 2006 initiierte Roger Willemsen nach seiner Afghanistan-Reise (vgl. seinen Bestseller „Afghanische Reise") ein Brunnenprojekt für entlegene Dörfern in der Provinz Kunduz initiiert. Inzwischen wurden 133 Brunnen gebaut. Roger Willemsen ist seitdem Schirmherr des AFV, dessen erste Vorsitzende die aus Kunduz stammende Nadia Nashir-Karim ist. Im November organisierte Roger Willemsen dem AFV einen Benefizabend in der Bonner Oper, bei dem u.a. der afghanische Sänger Farhad Darya, der Jazzpianist Frank Chastenier, der Jazz-Bassist John Goldsby, die SchauspielerInnen Sophie von Kessel, Chrisine Urspruch und Christoph Waltz mitwirkten. (vgl. CD „Herzenssachen") www.afghanischer-frauenverein.de

Kinderhilfe Afghanistan von Dr. Reinhard und Annette Erös. Aus dem Dezember-Rundbrief: „Bildung statt Fundamentalismus! Mit diesem Grundsatz hat es die Kinderhilfe Afghanistan seit dem 11. September 2001 weit gebracht! Obwohl alle unsere Projekte in den zunehmend unruhigen, umkämpften Paschtunenprovinzen im Südosten Afghanistans liegen, wurde keinem unserer jetzt 50.000 Schüler/innen, 2000 Lehrer/innen, Bauleuten und Mitarbeitern auch nur ein Haar gekrümmt, nicht eine Fensterscheibe unserer 25 Schulen und Einrichtungen wurde zerschlagen, nicht eine Drohung gegen unsere Arbeit ausgestoßen. Warum? Alle unsere Einrichtungen werden nach wie vor mit den örtlichen Behörden, Politikern, Dorf- und Stammesältesten be- und abgesprochen, in allen unseren Projekten arbeiten wir nur mit afghanischen Mitarbeitern. Soldaten, gleich in welcher Uniform, dürfen sich unseren Schulen nicht nähern, geschweige denn, sie betreten. Kulturadäquates Vorgehen und Sensibilität gegenüber den Menschen einer jahrtausendealten Kultur, deren tägliches Leben aber nun seit 30 Jahren ununterbrochen von Krieg, Unglück, Tod, Zerstörung, Fremdbestimmung, Hunger, Not, Angst ...geprägt ist, bestimmen unsere Arbeit und tragen zu größter Akzeptanz bei." (Dr. Erös ist Oberstarzt a.D. der Bundeswehr, zuletzt war er bis 2001 Kommandoarzt der Division Spezielle Operationen)

www.kinderhilfe-afghanistan.de

Afghanistan-Schulen: Der Verein zur Unterstützung von Schulen in Afghanistan wurde von Ursula Nölle gegründet und besteht in diesem Jahr 25 Jahre! Schwerpunktregion des Vereins ist der Schulbezirk um Andkhoi in der Provinz Faryab im äußersten Nordwesten des Landes sowie Mazar. Die Vorsitzenden Marga Flader und Tanja Khorrami berichten von ihrer Reise im Oktober 2009:

„Afghanistan - ein Land der Misserfolge, beherrscht von Krieg, Terror, Korruption (...) Das alles trifft zu, sicher. Aber es gibt auch unendlich viel anderes zu berichten: Von den Menschen und ihrem Leben in den Städten und Dörfern. In den letzten Jahren hat sich viel getan: Viele große und kleine Straßen wurden gebaut, der Verkehr in den Städten beginnt nach Regeln zu funktionieren. Die Elektrifizierung erreicht immer mehr Orte und der Strom ist dort meist rund um die Uhr verfügbar. Wasser ist nach wie vor ein Problem. Aber auch daran wird intensiv gearbeitet. Die Pumpstationen und Wasserleitungen vom Amu Darya bis in die Region um Andkhoi sind fast fertig. (...) Auch das Wetter war gnädig in diesem Jahr, die Ernten sind gut. Das alles lässt hoffen - vorausgesetzt, die Sicherheitslage verschlechtert sich nicht noch weiter." In Andkhoi sei die Situation noch ruhiger als anderswo, überall werde gebaut. „Täglich wurde irgendwo eine Hochzeit gefeiert - Musik bis spät in die Nacht." Beeindruckend die jungen Leute in der Schule, die schon um 7.00 Uhr an Englisch- und Computerkursen teilnehmen und nach der Schule im Education Center des Vereins Zusatzunterricht in Dari, Englisch, Mathematik, Physik, Chemie und Religion erhalten. Die Jungen und Mädchen erlebte man „unglaublich offen, wissbegierig, zielstrebig, kritisch und zugleich von Herzen dankbar". www.aghanistan-schulen.de (vgl. auch Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum, 42 Seiten)

Lachen Helfen e.V., Initiative deutscher Soldaten und Polizisten für Kinder in Kriegs- und Krisengebieten: Einweihung der Mario-Keller-Schule am 10. Oktober in Shoduj, Distrikt Shegnan, Provinz Badakhshan. Wo bisher ca. 600 Schülerinnen in verfallenen Räumen unterrichtet wurden, stehen nun acht große Klassenräume zur Verfügung. Der Bundespolizist Mario Keller war am 15.8.2007 zusammen mit zwei Kameraden bei einem Anschlag in Kabul getötet worden. Bei der Grundsteinlegung der Schule waren seine Eltern, Lebensgefährtin und Brüder dabei. Diese hatten schon anlässlich der Beerdigung von Mario Keller 7.000 Euro an Spenden gesammelt. Unter Federführung von „Lachen Helfen e.V." wurde die Schule von der Aga Khan Foundation errichtet. Unterstützung kam auch vom Auswärtigen Amt. (www.mario-keller-schule.de)

Benefiz-Konzert zugunsten Lachen Helfen in der Informations- und Medienzentrale der Bundeswehr am 28. August in St. Augustin, initiiert von Nadia Fasel, Redakteurin der Afghanistan-Redaktion der Deutschen Welle. Lachen Helfen wurde 1996 von deutschen Soldaten auf dem Balkan gegründet und unterstützt den Bau von Schulen, Basisgesundheitsstationen und Waisenhäusern. Grußworte u.a. von der Bundeskanzlerin, der Schirmherrin des Konzerts, dem Verteidigungsminister, dem Wehrbeauftragten; Wortbeiträge von Nadia Fasel, Roderich Thien, dem Vorsitzenden von Lachen Helfen, und mir („Was haben wir mit Afghanistan zu tun?"), dann Auftritt des bekannten afghanischen Duos Parastoo und Rahim Meyrar. Sie (Parastoo) gilt mit ihren mehr als 1.500 gesungenen Titeln als „Königin des Gesangs". Dirigiert von dem exil-afghanischen Komponisten Babrak Wassa (er komponierte die neue afghanische Nationalhymne) singt ein deutscher Chor Lieder aus dem 18. Jahrhundert, aus Russland und Botswana. (www.lachen-helfen.de) Der Abend wurde für die Ausstrahlung in Afghanistan aufgezeichnet. Meine Rede liegt auch in Dari vor.

Skate-Aid Night

am 21. November im Skaters Pallace in Münster: Großer von Hajo Schumacher moderierter Benefizabend mit 350 Gästen und 31.000 Euro Erlös zur Unterstützung der Titus Dittmann Stiftung, die Skateboard-Projekte mit Jugendlichen in Tansania, Nairobi und Afghanistan fördert. „Skateboarding kennt weder Grenzen noch Krieg, Hautfarbe oder Hass, arm oder reich. Skateboarding verbindet und wirkt insbesondere in der Orientierungsphase bei Jugendlichen extrem sinn- und identitätsstiftend." (www.skate-aid.org) Einen begeisternden Eindruck davon vermittelten die Auftritte der Skaters Palace All Stars, der Trickers aus Steinfurt, des siebenjährigen HipHop-Tänzers Ethan Jerome Coleman, Stephan Landschütz mit seinen „Sporthockern". In Westafghanistan unterstützt der münstersche Skateboard-Unternehmer und Szene-Pionier ein Kooperationsprojekt mit Rupert Neudecks „Grünhelmen" für Schulen im Raum Herat.

Förderverein Darul-Aman

In Villigst begegne ich dem afghanischen Diplomingenieur, Architekten und Stadtplaner Hamid Faruqui aus Geisenheim/Hessen. Er hat sich die Wiederherstellung des zerstörten Darul-Aman-Palastes und des ihn umgebenden Park am Südrand von Kabul zum Ziel gesetzt. Der Palast wurde 1920/29 nach dem Vorbild des Berliner Reichstages und mit Hilfe deutscher Architekten und Künstler gebaut. (1924 wurde auch die dt. Amani-Schule in Kabul eröffnet, waren dt. Ingenieure beim Bau von Straßen und Staudämmen aktiv.) Nach der Vorstellung des reformorientierten Königs Amanullah sollte der Palast das afghanische Parlament beherbergen. Dazu kam es nach dem Sturz Amanullahs und dem folgenden Bürgerkrieg in 1929 nicht mehr. Der Palast ist heute eine Ruine.

Ursprünglich war als erstes der Wiederaufbau des Palastes geplant. Inzwischen geht es realistischer zunächst um die Wiederherstellung des Parks und ggfs. später des Palastes.

Um die Menschen der Region in das Vorhaben einzubeziehen und die notwendigen Qualifikationsvoraussetzungen zu schaffen, sollen als erster Schritt eine Berufsschule und eine Baumschule errichtet werden. In 2006 wurden die Kosten auf 1,2 Mio. US-$ geschätzt. (Deutsch-englisches Prospekt „Park DarulAman - Ein grüner Baustein für Afghanistan", www.darul-aman.net)

Dachverband des afghanischen medizinischen Fachpersonals DAMF e.V.

DAMF wurde 2002 gegründet. Ziel ist die Verbesserung der medizinischen Versorgung und Rehabilitation in AFG durch das im deutschsprachigen Raum in Europa lebende afghanische medizinische Fachpersonal und deren Kollegen. Haupttätigkeitsbereiche waren medizinische Ausbildungskurse, Transport von Hilfsgütern nach AFG, Bildung, Betreuung und medizinische Versorgung von Kindern, Aktion „Wunden heilen" in AFG, Öffentlichkeitsarbeit. DAMF-Mitglieder sind der Ärzteverein für Afghanische Flüchtlinge/AFAF e.V. (1983 gegründet), der Afghanisch-Deutsche Ärzteverein/ADAV e.V. (1997), der Solidarfonds AFG e.V. (1993), die Vereinigung zur Förderung des Gesundheitswesens AFG`s/VGA (1996), Avicenna Hilfe für AFG e.V. (2002), Waisenmedizin e.V. (2000), Afghanisch-Deutscher Bildungsverein e.V./ADB (2005), International Orphan Care/IOC (1981). (vgl. Broschüre Vorstellung des Dachverbandes und seiner Mitglieder, Heppenheim 2008; www.afghanmed.de)

„Kulturwunder Kabul"

Ulrich Ladurner berichtet in der ZEIT vom 17.12.2009 in einer ganzseitigen Reportage über Kulturprojekte in Kabul: ein Puppentheater, das junge Männer mit Unterstützung des Goethe-Instituts aufbauen; der Wiederaufbau von „Afghan Films" mit seinem über die Talibanzeit geretteten 8.000 Filmrollen; das ehrgeizige Projekt einer Musikschule, angetrieben von dem 2005 nach Kabul zurückgekehrten Musikwissenschaftler Doktor Sarmast. Krieg und Taliban haben „der afghanischen Musik sehr zugesetzt - es gibt zum Beispiel verschiedene typische afghanische Instrumente, die heute kein Afghane in Afghanistan mehr spielen kann." „Wer je daran gezweifelt hat, dass Kultur Nahrung ist, braucht nur die Fotos der Gesichter der Zuschauer auf den Fotos Isfalitis (bei Afghan Films) zu studieren. In den weit aufgerissenen, staunenden Augen lodert der blanke Hunger, und auf den Wangen flammt rot das Glück. (...) Die Kultur ist hier die größte Hoffnung."

Erster Nationalpark Afghanistans

an den Band-e Amir Seen in der Zentralprovinz Bamiyan: Auf 3.000 m Höhe liegt das Naturwunder der sechs Seen mit ihrem leuchtenden Blau und ihren rosafarbenen Klippen. In den Felsenhöhlen beim Provinzort Bamiyan sind die Überreste der gigantischen Buddha-Statuen zu sehen, die im März 2001 von den Taliban zerstört wurden. 2004 wurden sie zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.

Die Tourismusförderung ist ein Gemeinschaftsprojekt von Agha Khan Development Network und afghanischer Regierung. Habiba Sorabi, die einzige Gouverneurin Afghanistans, veranlasste die Eröffnung eines Tourismus-Informationszentrums, in dem Reiseführer geschult werden. Nachdem 2008 ganze 180 Ausländer nach Bamiyan gekommen waren, waren es im ersten Halbjahr 2009 immerhin 400. (www.bamiyan-development.org/Member/visitbamiyan)

Persönliche Erfahrungen im September 2009 (aus Reisebericht)

Meine letzte (14.) Abgeordnetenreise nach Afghanistan zielte vor allem auf die Seiten der afghanischen Wirklichkeit, die hierzulande nur geschätzte 5% Beachtung finden - die Bemühungen um Aufbau und Entwicklung. Diese Schwerpunkte, die Auswahl der Provinzen und der Miniumfang unserer Delegation ermöglichte es, sich zusammen mit den AA-Vertretern so frei und ohne sonderliche Schutzmaßnahmen zu bewegen, wie ich das seit Jahren nicht erlebt habe. Wo ansonsten die Wagenburgen der Internationalen wachsen und damit die Distanz zu den AfghanInnen, erlebte ich jetzt relativ viel „Normalität", ergaben sich jetzt viele spontane, ja herzliche Kontakte mit afghanischen Erwachsenen und Kindern. Ich erlebte höchst unterschiedliche Risikostufen: den „Hochsicherheitstrakt" rund um Präsidentenpalast, Botschaften etc. im Kabuler Zentrum; die Spuren der Zerstörung durch die Selbstmordattentate vor dem ISAF-Headquarter und der Dt. Botschaft; das quirlige Verkehrschaos und die erstaunliche Überlebensfähigkeit von Fußgängern, Radfahrern und Behinderten, die gegen jede Regel den Verkehrsstrom queren; die Großstadtnormalität mit wenig Polizei- und Militärpräsenz in anderen Stadtbezirken; die ungewohnte Bewegungsfreiheit in Mazar und Feyza ohne sonderliche Schutzvorkehrungen; in den beiden Nordprovinzen das viele Winken am Straßenrand, auch gegenüber Bundeswehrfahrzeugen; dann die Berichte aus der Guerillakriegszone rund um Kunduz.

Ich erlebte und erfuhr von CHANCEN, die noch viel mehr genutzt werden könnten. Sie sind der Dreh- und Angelpunkt der einzigen Erfolgsstrategie - den Frieden zu gewinnen. (vgl. mein Reisebericht „Jenseits der Wagenburgen - Endlich voll die Chancen nutzen!" Oktober 2009, www.nachtwei.de)

Bildung: In Kabul besuchen wir das landesweit einzige Wirtschaftsgymnasium für Mädchen, die seit 1962 bestehende Jamuriat-Schule mit 1.300 Schülerinnen, Deutschunterricht ab 3. Klasse. Renovierung + Umbau in 2003/4 wurden durch AA/KfW mit 1,25 Mio. Euro finanziert. Eine DED-lerin erarbeitet Curricula für die Wirtschaftslehre in den Jahrgangsstufen 9-12. Die Familien seien sehr daran interessiert, hierher ihre Töchter zu schicken. Danach hätten sie bessere Chancen bei der Jobsuche. Einige Schülerinnen kommen aus entfernteren Provinzen. Auf meine Frage hin betont die Schulleiterin, dass es in ihren 28 Jahren an der Schule nie Probleme wegen unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeiten gegeben habe. Der Raum- und Ausstattungsmangel ist offenkundig. Die ca. 40 Computerarbeitsplätze sind älteren Datums. Die Schulbibliothek ist ausgesprochen spärlich. Dringend gebraucht werden vor allem Physik-, Mathe-Geschichtsbücher, Cultural Studies. (Eine Bedarfsliste liegt uns vor.) Im Deutschunterricht, wo gerade europäische Berge Thema sind, können wir einige herzliche Worte mit den Schülerinnen wechseln.

In Mazar, Kunduz und Feyza unterstützt Deutschland Bau und Ausstattung von Berufsschulen für`s Kfz-Handwerk. 2010 soll die Ausbildungspalette erweitert werden.

In der Provinz Balkh sind zwei Drittel der 460 Schulen nach 30 Kriegsjahren zerstört oder beschädigt. In Mazar hat nur die Hälfte der LehrerInnen einen Ausbildungsabschluss, in den 17 Distrikten sind es weniger als 9%. Die Ausstattung der Schulen ist mangelhaft. Das Teacher Training Center (TTC) Mazar wurde 2005 mit Unterstützung der GTZ wieder in Betrieb genommen. Dem TTC sind seit kurzem 5 Nebenausbildungsstätten zugeordnet. In der Provinz gibt es 10.366 LehrerInnen für 400.301 SchülerInnen (1:38,6), im Distrikt Alborz kommen 69 SchülerInnen auf einen Lehrer!

In Mazar und Feyza Besuch der TTC`s für 3.000 bzw. 1.800 Studierende (Aus- bzw. Fortbildung). Hier werden gerade in Verantwortung der GTZ neue Lehr- und Unterkunftsgebäude gebaut. (Weitere TTC`s Kunduz, Takhar und Sar-e-Pol) Im Januar startete in Mazar der Bau, im Dezember soll schon der Einzug stattfinden. Nach dem Besuch im August 2008 gibt es in Mazar ein freudiges Wiedersehen mit den KollegInnen des Dozentenkollegiums, das zur Hälfte aus Frauen besteht. Nachdem in diesem Jahr 534 Interessierte keinen Studienplatz fanden, beschloss das Lehrerkollegium die Einführung einer 3. Schicht - ohne mehr Personal! Dem TTC sind erstmalig Experimentalschulen für die praktische Ausbildung der Studierenden zugeordnet. Vor dem Krieg sei das Ausbildungsniveau recht hoch gewesen. Mit dem Krieg hätten dann 95% aller Kinder keine Möglichkeit mehr, eine Schule zu besuchen. Nachdem es unter den Taliban weniger als 1 Mio. Schüler gab, ist jetzt ihre Zahl wieder auf 7 Mio. gestiegen. Im TTC lerne man, durch schülerzentrierten Unterricht das Interesse der SchülerInnen zu wecken. Als früherer Lehrer erlebe ich bei den Besuchen KollegInnen und Schülerinnen, die voller Lehr- und Lernbegeisterung und Tatendrang sind. Hier spüre ich, worum es menschlich bei Afghanistan geht. (vgl. Overview of Teacher Education in Balkh, hrg. von GTZ, DED, KfW, September 2009)

Bilaterale Polizeihilfe durch das German Police Project Team (GPPT), zzt. 31 Beamte plus Kurzzeittrainer, und die Project Implementation Unit (PIU) der GTZ.

Nachdem im Herbst 2008 die Staatssekretäre von BMI, AA, BMVg und BMZ dem Konzept der deutschen Beteiligung am US-initiierten „Focused District Development"/FDD (Basisausbildung für Distriktpolizei) zugestimmt hatten, begannen im Januar 2009 im Distrikt Deh Dadi/Provinz Balkh deutsche Ausbilder mit dem ersten Zyklus. Pro Distrikt kommt ein Police Mentoring Team/PMT mit je 4 Polizisten, 4 Feldjäger und 2 Sprachmittlern zum Einsatz.

Ein Zyklus umfasst 2-4 Distrikte, geht über 6 Stufen (u.a. Assessment 42 Tage, Training 49 Tage, Mentoring im Distrikt 80 Tage, Sustainment + Overwatch 80 Tage) und dauert 300 Tage. Das GPPT plant bis 2012 die Polizeiausbildung für 40 Distrikte, d.h. in Spitzenzeiten bis zu 17 Distrikte gleichzeitig. Erste Schwerpunkte sind die Provinzen Balkh und Badakhshan. Betont wird, dass FDD zur Exit-strategie gehöre. Bis Ende 2009 plant das BMI bis zu 10 PMT`s und bis Ende 2010 bis zu 20 weitere. Für einen anderen Teil der insgesamt 122 Distrikte im Norden haben die USA die Ausbildung übernommen. Weitere Staaten zeigen Interesse, sich am FDD zu beteiligen.

In Mazar berichten uns deutsche Polizisten, dass die FDD-Praxis inzwischen deutlich über die reine Polizeiarbeit hinaus gehe: Die FDD-Teams verfügen über 5.000 Euro „Handgeld", womit in Abstimmung mit den Maliks und Shuren soziale Projekte realisiert werden können. Diese sollen zur Akzeptanzsteigerung der schlecht angesehenen ANP beitragen. Polizisten wünschen hier eine Einbindung von Maßnahmen der Entwicklungsorientierten Not- und Übergangshilfe (ENÜH). Lokalradios informieren über FDD. Als die ersten Polizisten von ihrem 8-Wochen-Kurs im Police Training Center in Mazar in ihren Distrikt zurückkehrten, wurden sie von 300 Menschen begrüßt.

Kernprobleme: Die Mentoringzeit ist mit 80 Tagen bei weitem zu kurz angesetzt. Damit sind Rückfälle und Nicht-Nachhaltigkeit vorprogrammiert. Die Weiterversetzung von ausgebildeten Polizisten wirft den entstandenen Teamgeist wieder zurück. Die Geschwindigkeit des Polizeiaufbaus bleibt deutlich hinter der Geschwindigkeit der Verschlechterung der Sicherheitslage zurück.

Die Project Implementation Unit (PIU) der GTZ ist im Auftrag des AA und in Abstimmung mit GPPT bzw. EUPOL zuständig für die Planung und Umsetzung von Infrastrukturmaßnahmen, Ausrüstung und inhaltlichen Programm-Modulen.

In Kabul besichtigen wir direkt neben der Polizeiakademie den Rohbau der Grenzpolizeifakultät. Sie ist mit 6,5 Mio. Euro Gesamtvolumen die größte Baumaßnahme von PIU und wird von Kanada mit finanziert. Das Hauptquartier der Nationalen Bereitschaftspolizei (ANCOP) ist fast fertig gestellt und wird von den Vereinigten Arabischen Emiraten mitfinanziert. Das Hauptquartier Verkehrspolizei ist zzt. im Bau, ebenfalls das Dienstgebäude der Grenzpolizei am Flughafen Kabul. Angesichts dieser handfesten Aufbaufortschritte betont dt. Polizist, dass doch was geschehe. Er könne die AFG-Berichte im Internet nicht mehr sehen. Und bei „Anne Will" sei so sachfremd über AFG gesprochen worden. Da werde ihm speiübel. Seit Obama sei die Zusammenarbeit mit den USA dramatisch einfacher geworden.

In Feyza besichtigen wir den fortgeschrittenen Rohbau des Polizeihauptquartiers der Provinz. Unsere Führer sind jeweils äußerst erfahrene Experten/Ingenieure der GTZ.

Weitere Baumaßnahmen von PIU sind die Außenstelle der Polizeiakademie in Mazar, das Police Training Center in Mazar für 200 Polizeischüler (Besuch in Juli und August 2008), das Police Training Center in Kunduz für 100 Polizeischüler. Parallel zum FDD ist PIU verantwortlich für die Errichtung von Distrikthauptquartieren (DHQ) und Checkpoints. Die bisherigen DHQ befinden sich z.T. in einem katastrophalen Zustand. Oft fehlt eine Grundausstattung. Die DHQ`s sollen zu Beginn der 2. Phase von FDD (Übernahme eines Distrikts durch ANCOP) fertig gestellt sein. Bis 2011 sollen alle Distrikte im Norden abgedeckt sein. Ihre Ausstattung ist standardisiert.

Darüberhinaus führt PIU mit Hilfe einer NGO Alphabetisierungskurse für Polizisten in 5 Nordprovinzen durch. Bisher sind 70% der Polizisten gar nicht und 16% mangelhaft alphabetisiert.

Im August waren in AFG 22 deutsche Langzeitexperten, 40 Kurzzeittrainer und 20 Polizisten im Rahmen von FDD sowie 45 Feldjäger. Für GPPT stehen in 2009 43,2 Mio. Euro zur Verfügung.

Lokalradios NEVAD und AMO in Mazar und Feyza: NEVAD erreicht die ganze Provinz Balkh und zwei Nachbardistrikte und bringt dreimal pro Woche ein Programm mit und für Frauen. Der Sender begleitet auch das Polizeiausbildungsprogramm Focused District Development und fördert zugleich eine öffentliche Kontrolle der Polizei. Bei Kritik z.B. von religiösen Führern werden diese zur Diskussion eingeladen. AMO verfügt über 11 Angestellte und 20 freie MitarbeiterInnen und sendet 12 Stunden am Tag eine Mischung von Nachrichten, kritischen Dokumentationen, Musik, Rechtsberatung, Bürgertelefonsendungen. Bis September strahlte AMO auch für die GTZ Rechtshilfeprogramme aus. ANO legt sich auch mit Machthabern an: z.B. mit dem „head of education", der sich von Lehrern bezahlen und Lehrerinnen „bedienen" lasse, und wo AMO Schutz durch seine Hörer erfahre. Vor 9 Monaten gab es eine Demonstration gegen Korruption in der Regierung, angestoßen durch eine Radiosendung. AMO-Chef Abdul Basir Haqio ist Sprecher der Journalisten von Badakhshan. Er bittet eindringlich um Unterstützung für die Ausweitung der Sendekapazitäten von AMO, das bisher den Distrikt Feyzabad und 60% des Distrikts Argu abdeckt.

US-Strategie- und Taktikwandel: Enorm seien nach der Erfahrung hoher deutscher Offiziere die Veränderungen und Anstrengungen auf US-Seite. Ganz anders sei der Führungsstil des neuen ISAF-Kommandeurs General McChrystal: Bei den täglichen Morgenlagen im ISAF-Hauptquartier würden die Afghanen in „atemberaubender" Weise und Offenheit einbezogen. Der US-General habe ständig die komplexen Wirkzusammenhänge im Kopf (Schaubild „Afghanistan - der gordische Knoten", auch „Spagetti-Schüssel" genannt), insistiere auf Schutz und Zuspruch der Zivilbevölkerung als dem Dreh- und Angelpunkt. „Wir wollen nicht nur siegen, sondern auch den Frieden gewinnen." Seine Lageeinschätzung sei aber viel skeptischer als die seines Vorgängers. Im nächsten Jahr müsse die Trendwende geschafft werden. Die USA seien jetzt pragmatischer, offener, eher zu Korrekturen bereit. Sie seien enorm unter Druck, Geld sinnvoll auszugeben. Die US-Kräfte im Norden werden dem Kommandeur des RC North unterstellt. (Das gilt nicht für Enduring-Freedom-Kräfte, zu denen ich frage und Schweigsamkeit ernte.)

(Aufschlussreich ist auch die Präsentation „COIN in Helmand Province, After the Clear - Thoughts and Tips in Non Kinetc Actions" der US-Marines. Es sind lauter Verhaltenstips, wie im Rahmen der Counterinsurgency (COIN) Vertrauen zur Bevölkerung aufgebaut, Köpfe und Herzen gewonnen werden können. Vgl. auch die Rolle des Bestsellers „Three Cups of Tea" s.u. (www.usacac.army.mil/ca2/coin/repisitory/COIN_Helmand_Province_AAR_via_photos_23_October)

ISAF-Verhaltensregeln: Am Ausgang des großen Speisesaals in Mazar springen mir zwei besondere Plakate ins Auge: „Ramadan 2009 Taschenkarte" und „Ramadan 2009 Verhaltensregeln" mit dem ISAF-Zeichen. „ISAF-Soldaten sollten u.a.

-       die islamischen kulturellen Gebräuche im Monat des Ramadan besonders berücksichtigen

-       in Gegenwart von Afghanen (und anderen Muslimen) tagsüber nicht essen, trinken, rauchen oder Kaugummi kauen

-       keine nackte Haut zeigen und insbesondere die Ärmel herunterkrempeln

-       Afghanen an den letzten 3 Tagen des Eid al-Fitr/Eid e Ramadan ihre Glückwünsche aussprechen: „Eid-e-Taan Moarak" in Dari, „Akhtatar de Mobarak" in Paschtu."

Die zweimal 34 Zeilen Erläuterungen und Verhaltensregeln gibt es auch als echte Taschenkarte, die in jede Brusttasche passt.

Vor einigen Tagen war die Grundsteinlegung für das muslimische Gebetshaus gemeinsam mit örtlichen Geistlichen. Zurzeit arbeiten in Camp Marmal bis zu 1.000 Einheimische.

Normal nach Kabul: Flug mit Safi Airways

Statt mit dem Bundeswehr-Airbus ging es am 14. September mit „Safi Airways" von Frankfurt im Nachtflug direkt nach Kabul. Mich begleiten auffällig viele gute Wünsche. Seit dem 15. Juni bietet die Fluggesellschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten dreimal die Woche den ersten 7-Stunden-Direktflug von Europa nach Kabul seit mehr als 30 Jahren. Als erste AFG anfliegende Gesellschaft bekam Safi Airways jetzt die ICAO-Zertifizierung. Eigentümer der Fluggesellschaft ist der in Dubai lebende afghanische Milliardär Abdul Rahim Safi und sein Clan. Chefmanager ist der ehemalige Lufthansa-Kapitän Tilman Gabriel. Beim Einchecken werden die afghanischen MitarbeiterInnen von Fraport-Mitarbeiterinnen unterstützt. An Bord liegt das erste Hochglanz-Flugmagazin von Safi Airways aus. Da die Maschine nur ca. zu einem Drittel besetzt ist, haben alle Passagiere ausreichend Liegeplatz. Als in dunkelgrauer Morgendämmerung Boden in Sicht kommt, ist es wie Mondlandschaft. Über einen von Wolken umrahmten Gebirgskamm geht es runter nach Kabul. Erstmalig komme ich im neuen, von Japan finanzierten neuen Terminal an. Eine Ankunft in Kabul um 6.00 Uhr ist ungewohnt entspannt: Der Himmel ist blank, die Luft ist klar und frisch. Mit Selbstmordattentätern ist um diese Zeit noch nicht zu rechnen. Seit 14. November setzt Safi Airways auf dieser Strecke den Aisbus 340-300 ein. Damit steigt das Sitzplatzangebot um 30% auf 285.

Kurzmeldungen

- „Canada`s Engagement in AFG", sechster Quartalsbericht der Regierung an das Parlament, Juli-September 2009: Stand der 6 Prioritäten Sicherheit, Basisversorgung, humanitäre Hilfe, Grenzsicherung, nationale Institutionen, Versöhnung sowie der Leuchtturmprojekte. Eine vorbildliche und übersichtliche Wirksamkeitsbewertung! (www.afghanistan.gc.ca)

- Der bewährte deutsche Provincial Development Funds/PDFfür die Nordostprovinzen Badakhshan, Takhar und Kunduz wurde von der jährlichen Finanzierung endlich auf Dreijahrefinanzierung umgestellt und damit verstetigt.

- Im Distrikt Chahar Darreh/Provinz Kunduz mit seinen Guerillakriegszonen sind inzwischen wieder Projekte aus Mitteln des deutschen Chahar Darreh Stabilitätsfonds angelaufen. Zeitweilig waren sie wegen der zugespitzten Lage eingestellt worden.

- In der Provinz Herat ist in den letzten Monaten der Export von Granatäpfeln wieder aufgenommen worden. Die Granatäpfel aus AFG galten früher als die aromatischsten ihrer Art. Der Granatapfel gehört zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. In der Antike galt er als Symbol der Fruchtbarkeit. Die in ihm enthaltenen Polyphenole und Nährstoffe sollen positiv auf Herz, Kreislauf, Prostata und Zellgesundheit wirken.

Afghanistan-Bücher als Bestseller

- Khaled Hosseini: Tausend strahlende Sonnen (Spiegel-Bestsellerliste seit vielen Monaten) + Drachenläufer (im August 2009 seit 160 Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste!);

Siba Shakib: Nach Afghanistan kam Gott nur zum Weinen. Die Geschichte der Shirin-Gol.

Die Geschichten von Mariam und Laila, Amir und Hassan, von Shirin-Gol erreichten die Herzen von Millionen in Deutschland. Es sind unglaublich starke Menschen in unfassbar harten, grausamen Verhältnissen.

- New-York-Times-Bestseller: Three Cups of Tea, von Greg Mortenson, inzwischen unter dem Titel „Der Traum vom Frieden" bei Piper erschienen. Die Geschichte eines US-Bergsteigers, der am K 2 im Karakorum-Gebirge scheiterte, in entlegensten und ärmsten pakistanischen Gebirgsdörfern landete - und dort den Bau von Schulen ermöglichte, erst in den wildesten Regionen Pakistans, dann auch in Afghanistan (inzwischen 78). Schulen, Bildung ausdrücklich als Alternative zum „war on terror". Den Menschen zuhören, sie respektieren statt sie zu bevormunden. Generalmajor Richard P. Formica, Befehlshaber des „Combined Security Transition Command" (US-Ausbildungskommando) in Kabul empfiehlt seinen Soldaten das Buch als Pflichtlektüre. (Vgl. Marco Seliger: Zuhören und Teetrinken, in FAZ 25.6.2009)

- Achim Wohlgetan: Endstation Kabul - ein Insiderbericht, 2008, und: Operation Kundus - mein zweiter Einsatz in Afghanistan, 2009. Die Erfahrungsberichte eines Fallschirmjägers aus dem Einsatz in Kabul im Jahr 2002 und beim Vorauskommando für das PRT Kunduz Ende 2003 fanden bisher besonders viel Resonanz bei Soldaten mit AFG-Hintergrund. Vielen scheint Wohlgetan regelrecht aus dem Herzen zu sprechen.

Interessant wäre zu erfahren, wie weit sich die Leserspektren der Bücher aus afghanischer Perspektive bzw. Soldatenperspektive überschneiden oder isoliert voneinander sind.

- Postkarten und Kalender zu Afghanistan von Lukas Augustin aus Staufen. Er leistete seinen Zivildienst 2006 in Afghanistan, lebte bei einer afghanischen Familie, lernte Dari und das Leben auf dem Land kennen. So konnte er hinter die Stereotypen von Gewalt und Chaos sehen. Der Kalender „captivating Afghanistan" (Englisch und Farsi, A3) für 18 Euro, Panorama-Postkarten für 1,20 Euro. Bestelladresse (auch Katalog): silkroadstudio@gmail.com; www.lukasaugustin.de

- Mein persönlicher Dauer-Bestseller ist der große Fotoband „Afghanistan - Reisen hinter den Horizont" von Helmut R. Schulze, dem 80-jährigen Spitzen-Fotojournalisten, der sieben Mal AFG besuchte und früher u.a. die Präsidenten Sadat, Weizsäcker, Herzog portraitierte. Die Fotos zeigen ein anderes, auch reales Afghanistan jenseits der hierzulande üblichen Assoziationen: Menschen und spektakuläre Landschaften aus allen Regionen, die Folgen der jahrzehntelangen Kriege, der Lebenswille der Menschen, faszinierende Bilder. Vertiefende Textbeiträge stammen von Conrad Schetter und Anne Kenkenberg. Die Fotos waren im Rahmen der vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung initiierte Wanderausstellung „Afghanistan - das Land und seine Menschen" an vielen Orten in Deutschland zu sehen. Ich hatte die Freude, die Ausstellung am 11. März in Münster im Gebäude des Regierungspräsidenten mit zu eröffnen.

Kommentar zu „Better News" auf ZEIT ONLINE

Im Juli 2009 schrieb Andrea Böhm, Krisenreporterin der ZEIT, in ihrem Logbuch auf ZEIT ONLINE:

„Better News statt Bad News" - so nennt Winfried Nachtwei (...) seinen Rundbrief über das, was in Afghanistan außer Selbstmordanschlägen und Gefechten mit den Taliban passiert. Das ist eine ganze Menge: unter die Rubrik „Bessere Nachrichten" fallen die beste Getreideernte seit 30 Jahren, ein rückläufiger Mohnanbau, ein Innenminister, der es offensichtlich ernst meint mit dem Kampf gegen Korruption und Drogenschmuggel, und deutsche Entwicklungsexperten vor Ort, die trotz kritischer Sicherheitslage nicht weniger, sondern mehr Aufbauprojekte fordern. Mit Schönfärberei haben Nachtweis „Better News" nichts zu tun. Er kennt Afghanistan wie kaum ein anderer Politiker. Die Entwicklung dort beschreibt er als „komplex und uneindeutig" - und des fuchst ihn, dass Journalisten dank ihrer Obsession mit Militär, Bomben und Krieg dieses Land zum „hoffnungslosen Fall" erklärt haben. Wer sich also ein genaueres Bild von der Lage zwischen Kunduz und Kandahar machen will, wird diese Lektüre schätzen (...) „Better News" oder „Uneindeutig und komplex" - diese Rubrik gibt es ab sofort auch aus dem Kongo (...)

 


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

Tagebuch