100 Jahre nach dem Deutsch-Herero-Krieg: Erinnern für eine friedliche Zukunft

Von: Webmaster amFr, 13 August 2004 14:05:58 +02:00
Zur nationalen Gedenkfeier anlässlich des 100. Jahrestages der „Schlacht am Waterberg“ bzw. der „Schlacht von Okamakari“ im Deutsch-Herero-Krieg in Namibia erklären Winfried Nachtwei, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und sicherheitspolitischer Sprecher, und Marianne Tritz, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss:

Am 14. August wird in Okakarara in Namibia der „Schlacht von Okamakari/Schlacht am Waterberg“ gedacht. Sieben Monate nach Erhebung der Herero gegen die deutsche Kolonialherrschaft fiel bei den Gefechten an der Wasserstelle Okamakari südlich des Waterberg die Entscheidung im Deutsch-Herero-Krieg: Vor der überlegenen Waffentechnik der Kolonialtruppen flohen die Herero – mehrere zehntausend Kämpfer, Frauen und Kinder mit ihrem Vieh – in die wasserlose Omaheke-Wüste, wo ein Großteil von ihnen verdurstete. Der Kommandierende General von Trotta proklamierte am 2. Oktober die Erschießung aller männlichen Herero, ob bewaffnet oder unbewaffnet, und die Vertreibung der Frauen und Kinder. Dieser Vernichtungsbefehl wurde erst im Dezember vom Kaiser wieder aufgehoben. Danach starben Tausende Herero in Gefangenenlagern, die Konzentrationslager genannt wurden. 1905 folgte die totale Enteignung alten Hererolandes.

Die Erinnerung an den Deutsch-Herero-Krieg - und noch mehr an den bis 1907 dauernden Namakrieg – ist gespalten und fällt schwer. Über die längste Zeit dominierte eine Verklärung der Kolonialzeit und Ignoranz gegenüber den dramatischen Folgen der Kolonialkriege für die afrikanische Bevölkerung. Das zeigt sich bis heute in vielen „Schutztruppen“-Denkmälern in Namibia, aber auch in Westdeutschland.

Demgegenüber stellen wir klar:

Die Erhebungen der Herero und Nama gegen die deutsche Kolonialherrschaft waren völlig legitim. Sie waren erste Schritte auf dem langen Weg zur nationalen Unabhängigkeit Namibias.

Der Krieg der so genannten Schutztruppe, ausgegeben als Notwehr der Kolonialisten, war illegitim. Er zielte über den militärischen Sieg hinaus auf die existentielle Vernichtung der Herero. Die 1948 von der UNO verabschiedete Völkermordkonvention bezeichnet diesen Tatbestand als Völkermord.

Wir empfinden tiefe Trauer über das den Herero und Nama in der Kaiserzeit zugefügte Massenverbrechen. Wir drücken hierfür unser tiefes Bedauern aus. Um diese Haltung zu unterstreichen, nimmt Winfried Nachtwei für die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen an der Gedenkveranstaltung in Okakarara teil.

Wir weisen alle Versuche zurück, das damals begangene große Unrecht zu relativieren und zu beschönigen, wie es z.B. in einer aktuellen Publikation des einschlägig bekannten Grabert-Verlages geschieht.

Der Bundestag hat 1989 vor dem Hintergrund dieser Geschichte die besondere historische und moralische Verantwortung Deutschlands gegenüber Namibia erklärt und dies mit Beschluss vom 17. Juni 2004 bekräftigt. Noch klarer brachte die Bundestagsdebatte diese Haltung zum Ausdruck.

Namibia wurde deshalb seit der Befreiung 1990 zu einem Schwerpunktland deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Das ist richtig und gut, aber nicht genug.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit dem namibischen Staat überwiegend der Mehrheitsethnie der Ovambos zugute kommt und am wenigsten den Hauptleidtragenden des Kolonialkrieges.

Hier sind neue Schritte notwendig. Ein erster ist die Errichtung des „Okakarara Community Cultural und Tourist Centre“ mit Unterstützung der Bundesregierung. Das Centre wird am 14. August eröffnet und bietet die hervorragende Chance, offene Erinnerung für eine friedliche Zukunft zu betreiben. Weitere humanitäre Gesten für Herero und Nama sind im Dialog zwischen Deutschen und Namibiern zu entwickeln. Dabei gilt es, auf das besondere Leid dieser Völker einzugehen und zugleich die nationale Versöhnung zu fördern.