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So nicht, Herr Jung! Weißbuch-Entwurf bietet keinen Kompass

Veröffentlicht von: Webmaster am 2. Juni 2006 14:02:35 +01:00 (41973 Aufrufe)
Zur Veröffentlichung des Weißbuch-Entwurfs im Internet, erklären Jürgen Trittin, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Winfried Nachtwei, sicherheitspolitischer Sprecher:

In der Summe verkauft uns Jung alten amerikanischen Wein in neuen deutschen Schläuchen. Ob Terrorismusabwehr, Präventivkrieg, Atomwaffen in Deutschland, militärische Ressourcensicherung, Militäreinsatz im Innern, Geringschätzung der Abrüstung, Stärkung der deutschen Rüstungsindustrie, Abbau von Rüstungsexporthindernissen: die US-Anleihen und Panschereien sind offensichtlich. Das "alte Europa" mit seiner Betonung von ausgewogenen zivil-militärischen Fähigkeiten, seinem Interesse an einer Stärkung des Völkerrechts und einem effektivem Multilateralismus soll schrittweise zu Grabe getragen werden. Sollte die SPD einem solchen Kurs zustimmen, kann sie sich gleich dazu legen.

Schon beim Überfliegen wird deutlich: Jung liefert keinen eigenen Kompass. Das Weißbuch simuliert wohl passagenweise Kontinuität gegenüber rot-grüner Außen- und Sicherheitspolitik, die Nadel ist jedoch auf Washington geeicht. Das Weißbuch wurde offensichtlich in dem Bemühen geschrieben, die SPD, das Auswärtige Amt und das BMZ zur Weißglut zu bringen. Man kann der SPD nur beipflichten: Jedes Weißbuch ist besser, als diese Mischung aus Allgemeinplätzen, US-Anleihen und politischen Provokationen. Die Europäische Sicherheitsstrategie ist demgegenüber ein programmatisches und literarisches Meisterwerk. Im Auswärtigen Amt, im BMZ und sogar im Kanzleramt gibt es kompetente und erfahrene Leute, die wissen, wie man eine solche Strategie schreibt. Die Bundeskanzlerin täte gut daran, die Federführung an den Bundessicherheitsrat zu übertragen und den Diskussionsprozess offener zu gestalten.

Gestern hat die Regierungskoalition den Antrag der Bündnisgrünen auf Offenlegung des Weißbuch-Entwurfs gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt. Damit bleibt es bei dem nicht hinnehmbaren Zustand, dass wohl den Koalitionsfraktionen, aber nicht den Oppositionsfraktionen der Entwurf des Weißbuches zugeleitet wurde. Die dringend notwendige breite Debatte zum Weißbuch wird damit behindert statt befördert. Heute ist der Inhalt des Weißbuches weitgehend unter www.geopowers.com (s. u.) im Internet abrufbar. Wir erwarten, dass Jung jetzt endlich die Souveränität besitzt, den Entwurf allen Fraktionen und der Öffentlichkeit offiziell zur Kenntnis zu geben.

Der Verteidigungsminister listet eine Reihe von diffusen Risiken und Gefährdungen auf, und tut so als wäre nur Deutschland davon betroffen. Er bleibt die Antwort darauf schuldig, wann, wie, von wem und mit welchen Mitteln diesen Risiken begegnet werden soll. Jung will für jeden Topf einen militärischen Deckel bereithalten. Die vielfältigen zivilen Instrumente und Fähigkeiten deutscher und internationaler Sicherheitspolitik kommen hingegen im Weißbuch überhaupt nicht vor. Stattdessen werden auf 80 der 100 Seiten die Weis- und Torheiten der Verteidigungspolitischen Richtlinien und der NATO-Entwicklung heruntergeleiert. Der Psychologe Abraham Maslow sagte zurecht: "Wenn das einzige Werkzeug, das du besitzt, ein Hammer ist; dann bist du geneigt, jedes Problem als Nagel anzusehen."

Weißbuch 2006 des BMVg (Vorabfassung) (http://www.geopowers.com/Machte/Deutschland/doc_ger/WBneu.pdf)