Seit Jahren gewinnen die Polizeikomponente bei internationalen Friedenseinsätzen und polizeiliche Aufbauhilfen immer mehr an Bedeutung. Die deutsche Polizei hat hierbei international einen sehr guten Ruf. Dass polizeiliche Auslandseinsätze zu den Kernaufgaben der Polizei gehören, ist in der Politik noch nicht ausreichend angekommen. Hier von der Loccumer Tagung über Internationale Polizeimissionen mein Vortrag zur parlamentarischen Begleitung sowie anscjhließend mein Kurztagungsbericht.
Parlamentarische Beteiligung und Kontrolle bei
Internationalen Polizeimissionen
Winfried Nachtwei, MdB 1994-2009 (11/2013)
Vorbemerkung: Bei der Tagung „Schutzleute als Friedensmacht? Wie können deutsche Polizisten internationale Friedenseinsätze effektiver unterstützen?“ am 30.10.-1.11.2013 in der Evangelischen Akademie Loccum[1] hatte ich neben NRW-Staatssekretär a.D. Karl Peter Brendel einen Impulsbeitrag in der AG „Parlamentarische Kontrolle“. Hier mein Impulsbeitrag in stark erweiterter Fassung. Als Mitglied des Verteidigungsausschusses habe ich die Praxis der Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen über 15 Jahre aktiv miterlebt und an der Ausarbeitung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes 2004/5 mitgewirkt. Erstmalig begegnete ich deutschen Polizisten im Auslandseinsatz 1996 in Mostar. Bei fast jedem meiner ca. 30 Besuche auf dem Balkan und in Afghanistan suchte ich auch die deutschen Polizisten auf. Besonders eindringlich waren die Besuche im März 2004 im Kosovo (Vorabend der Märzunruhen) und 2002, 2003, 2010 und 2012 in Kabul, Mazar-e Sharif und Kunduz.[2]
Ziele und Absichten
- Verbesserung der deutschen Fähigkeit und Bereitschaft zur Teilnahme an internationaler Friedenssicherung und –konsolidierung, speziell an Internationalen Polizeimissionen[3]
- Förderung europäischer und deutscher Sicherheit angesichts globalisierter und grenzüberschreitender Risiken und Bedrohungen;
- verantwortlicher Einsatz der eigenen Polizeibeamten.
Die Umsetzung dieser Ziele benötigt grundsätzlich die Unterstützung des Bundestages und der Länderparlamente und die Akzeptanz der Gesellschaft. Außen- und Sicherheitspolitik sind, auch wenn sie traditionell Domäne der Exekutive waren, heutzutage auf öffentliche Kommunikation + Transparenz, Legitimation + Akzeptanz angewiesen.
Stufen + Möglichkeiten der parlamentarischen Begleitung und Kontrolle
- Informationszugang, Informationsrechte (mündliche und schriftliche, offene und vertrauliche/geheime, freiwillige und Pflicht-Unterrichtungen vorab, während und nach einem Einsatz; parlamentarische Anfragen, Anhörungen, Besuche im Einsatz, Einsetzung eines Untersuchungsausschusses)
- Mitsprache (informell, Protokollnotizen im Auswärtigen Ausschuss, parlamentarische Anträge) und Beiträge zur öffentlichen sicherheitspolitischen Kommunikation
- Mitentscheidung (konstitutiv vorab und Rückhorecht)
- Haushaltsrecht
- Sicherheitspolitische Präferenzen
Erfahrungen mit der Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr:
(a) Grundgesetz und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts definieren die besondere parlamentarische Kontrolle der Bundeswehr durch Verteidigungsausschuss, Wehrbeauftragten und die Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen („Parlamentsarmee“). Das 2005 in Kraft getretene „Parlamentsbeteiligungsgesetz“ fixierte und präzisierte die Rolle des Bundestages beim Einsatz bewaffneter Streitkräfte außerhalb der Landes- und Bündnisverteidigung, wie sie sich seit den 90er Jahren herausgebildet hatte. Ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte liegt vor, wenn Soldaten der Bundeswehr in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind oder dies zu erwarten ist. Humanitäre Hilfseinsätze gehören in der Regel nicht dazu.
Einsätze bewaffneter Streitkräfte bedürfen der konstitutiven Zustimmung des Bundestages. Der Antrag der Bundesregierung muss beinhalten den Einsatzauftrag, das Einsatzgebiet, die rechtlichen Grundlagen, die Höchstzahl der einzusetzenden Soldaten und die Fähigkeiten der einzusetzenden Streitkräfte, die geplante Dauer, die voraussichtlichen Kosten und die Finanzierung. Der Bundestag kann den Antrag nicht verändern. Er kann ihm nur zustimmen oder ihn ablehnen – und ihn darüber hinaus durch politische Beschlüsse flankieren.
(b) Ein geplanter Auslandseinsatz kommt erst mit Antrag der Bundesregierung auf die Tagesordnung des Bundestages. Dem voraus geht ein wochen- bis monatelanger Prozess der politischen Willensbildung auf intergouvernementaler Ebene, dem „komplexen Mehrebenensystem“ von GSVP, NATO und VN. Die Initiative zu internationalen Einsätze ging bisher nie von einer Bundesregierung aus.
Seit langem üblich ist eine frühzeitige informelle Einbeziehung vor allem der Fachpolitiker der Koalition, aber auch der Opposition in den Prozess der Meinungsbildung. In dieser Frühphase haben vor allem Koalitionsabgeordnete am ehesten die Möglichkeit, auf die Ausgestaltung eines Mandats Einfluss zu nehmen. Um die Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit, Leistbarkeit und Verantwortbarkeit eines geplanten Einsatzes seriös bewerten zu können, haben sich in den Fraktionen und Ausschüssen schnelle und intensive Beratungsformate unter Einbeziehung externer Experten (z.B. SWP) herausgebildet. Mit anderen Worten: Die konstitutive Zustimmung geht – notwendigerweise - mit einem erheblichen Beratungsaufwand einher.
Im Vergleich zu den Entscheidungsprozessen auf internationaler und Regierungsebene dauern die formellen parlamentarischen Beratungen relativ kurz. Sie stehen zugleich unter einem besonderen Konsensdruck. Seit 20 Jahren gilt auf Seiten jeder Bundesregierung wie dem Bundestag der ungeschriebene Grundsatz, sich bei Mandatsentscheidungen nicht mit der „natürlichen“ Mehrheit einer Koalition zu begnügen, sondern sich um eine möglichst breite parlamentarische Zustimmung zu bemühen.
(c) Die Parlamentsbeteiligung endet nicht mit der Mandatsentscheidung, sondern setzt sich in der Begleitung und laufenden Kontrolle eines Einsatzes fort. Ihre Basis sind kontinuierliche Unterrichtungen – schriftlich in der wöchentlichen „Unterrichtung des Parlaments“ (UdP) zu allen Einsätzen, mündlich regelmäßig im Verteidigungsausschuss. Es liegt in der Hand der Abgeordneten, diese Basisunterrichtungen zu vertiefen, zu verifizieren und zu hinterfragen. Besuche in den Einsatzgebieten und Nutzung von Netzwerken sind dabei besonders wichtig.
(d) Stärken und Chancen der Parlamentsbeteiligung: Förderung von Transparenz und öffentlicher Legitimität, Rückhalt für Soldaten und Angehörige, wo Staatsbürger in Uniform Anspruch auf eine spezifische und überzeugende Einsatzbegründung und -rechtfertigung haben (im Unterschied zur „plausiblen“ Landesverteidigung); Qualitätssicherung, Prüfung der Verantwortbarkeit (Nicolai von Ondarza geht in „Legitimatoren ohne Einfluss?“ von der normativen Annahme aus, dass eine stärkere Parlamentsbeteiligung eine „verantwortungs-vollere Sicherheits- und Verteidigungspolitik befördert.“) ; mehr Konsens- und weniger parteipolitische Orientierung; im Hinblick auf die Wahrnehmung internationaler Verantwortung, die Berücksichtigung von Bündnisverpflichtungen und Verlässlichkeit war der Bundestag für die Exekutive fordernd, aber durchweg kooperativ. Tatsache und Aufwand der deutschen Parlamentsbeteiligung haben zur relativen militärischen Zurückhaltung Deutschlands beigetragen, schon im Vorfeld die deutsche Absage an den Irakkrieg befördert und eine Ausweitung des deutschen Afghanistaneinsatzes nach Süden politisch nicht durchsetzbar erscheinen lassen.
Die Chance, über das vereinfachte Verfahren bei Einsätzen geringer Intensität und Reichweite mehr Klein-Beteiligungen an VN-geführten Einsätzen und unter Offizieren mehr „VN-Biographien“ zu ermöglichen, konnte nicht realisiert werden.
Probleme und Defizite der Parlamentsbeteiligung: Im Verteidigungsausschussalltag eine verbreitete Neigung zur Mikrokontrolle, zur nationalen Nabelschau, Vernachlässigung strategischer Fragen (Mandatsklarheit und Zieloperationalisierung, Wirkungskontrolle). Im Vordergrund steht auf parlamentarischer Seite oft das Motiv des „engen Zügels“, der Einsatzbegrenzung und Eskalationsvermeidung („mission creep“), weniger eine Wirkungs- und Erfolgsorientierung. Elementare Erfahrungen von VN-Friedenseinsätzen (die „goldenen ersten Monate“ eines Einsatzes, längere Einsatzdauer) waren meist wenig bewusst. Dass es seit 20 Jahren (!) keine systematische und unabhängige Bilanzierung und Wirkungsevaluierung von deutscher Auslandseinsätze gibt, ist ein strategisches Versäumnis und von wechselnden Koalitionsmehrheiten hingenommen worden.
Eine Schattenseite der bisherigen Parlamentsbeteiligung ist die damit einher gehende Militärfixiertheit der Wahrnehmung und Diskussion von Auslandseinsätzen. Dass diese seit langem immer multidimensionale Einsätze mit militärischen, polizeilichen und zivilen Komponenten sind, findet regelmäßig kaum Beachtung.
In der Vergangenheit drängte sich mir der Eindruck auf, dass sich Bundesregierungen manchmal mangels eigener Führungsstärke hinter dem Parlamentsvorbehalt versteckten. (z.B. der deutsche Nichtbeteiligung am AWACS-Afghanistaneinsatz 2011)
Erfahrungen mit der Parlamentsbeteiligung bei Internationalen Polizeieinsätzen
Über viele Jahre gab es zu polizeilichen Auslandseinsätzen keine kontinuierliche umfassendere Unterrichtung des Bundestages durch die Bundesregierung. Auf Seiten des Bundestages war wenig Interesse an den internationalen Polizeimissionen spürbar. (Ähnliches wurde aus den Länderparlamenten berichtet.) Extrembeispiele waren: Die parlamentarische Minimalbehandlung der Märzunruhen 2004 im Kosovo, als dort internationale und deutsche Polizisten mit militanten, bewaffneten Demonstranten-Massen konfrontiert waren und in äußerste Bedrängnis gerieten; die Krise um die Startphase von EUPOL Afghanistan im Sommer 2007; die erstmalige Bundestagsdebatte zur Polizeiaufbauhilfe in Afghanistan im Dezember 2007 – nach fünf Jahren deutscher Lead-Rolle. Am ehesten zeigten sich Mitglieder des – allerdings nicht zuständigen - Verteidigungsausschusses an den deutschen Polizisten im Ausland interessiert, aus der Erkenntnis, dass Polizei und Sicherheitsreform integrale Brücken zu nachhaltiger Sicherheit sind. Bei den zuständigen Ausschüssen (Auswärtiger und Innen) fehlte es hingegen über Jahre an Interesse.
In der letzten Legislaturperiode befasste sich der Bundestag vermehrt mit internationalen Polizeieinsätzen: Der neu gebildete Unterausschuss Zivile Krisenprävention und Vernetzte Sicherheit führte eine öffentliche Anhörung zum Thema durch; in die „Unterrichtungen des Parlaments“ des BMVg wurden statistische Angaben zu Polizeivorhaben aufgenommen; die Fraktion „Die Linke“ stellt seit 2008 quartalsweise umfassende „Kleine“ Anfragen zu „Polizei- und Zolleinsätzen im Ausland“ (die letzte Antwort BT-Drs. 17/14552 der Bundesregierung vom 14.8.2013 umfasste 50 Seiten); weitere Kleine Anfragen stellte die SPD (17/13685 vom 3.6.2013), die Grünen (17/9535 vom 8.5.2012), im Jahr 2012 konzertiert etliche Landtagsfraktionen der Grünen. Anträge zum Thema stellten die Linke („Mehr Mitsprache des Parlaments bei Auslandseinsätzen der Bundespolizei“, 17/8381vom 18.1.2012), die SPD („Deutsches Engagement beim Einsatz von Polizistinnen und Polizisten in internationalen Friedensmissionen stärken und ausbauen“, Drs. 17/8603 vom 8.2.2012), die Grünen (Entwurf eines Gesetzes über die Verwendung von Polizistinnen und Polizisten des Bundes im Ausland – Auslandsverwendungsgesetz“, Drs. 17/12710 vom 13.3.2013).
Insgesamt finden aber die deutschen Polizeimissionen im Kontext der Außen- und Sicherheitspolitik weiterhin eine sehr unterproportionale Beachtung. Auch scheint die Ministerialbürokratie wenig daran interessiert zu sein, das Thema der öffentlichen Diskussion auszusetzen. Eine kontinuierliche umfassende Unterrichtung von Seiten der Exekutive und eine wirkliche Kontrolle, Begleitung und Unterstützung durch den Bundestag ist nicht erkennbar. Die relativ vielen parlamentarischen Anfragen erbringen wohl viele Einzelinformationen für Spezialisten, fördern insgesamt aber eher Unübersichtlichkeit und Nichtwahrnehmung.
Geringe Aufmerksamkeit, geringes politisches Gewicht und schwache Lobby bedingen sich gegenseitig und verhindern, dass die Bundesrepublik so zu internationalen Polizeimissionen beitragen kann, wie es angesichts des internationalen Bedarfs, der deutschen politischen Stellung und der Qualität seiner PolizistInnen geboten wäre.
Exemplarisch die ISAF-Debatte im Bundestag am 31. Januar 2013 („Wie es wirklich um Afghanistan steht, interessiert immer weniger“ mein Kommentar)
Schlüsselfaktor Polizei: Die Weiterentwicklung der noch zurückgebliebenen Polizei ist der Schlüsselfaktor für die Bürgersicherheit in Afghanistan. Was ist mit den „ungesetzlichen Milizen“, die in der Provinz Kunduz allein 4.500 Mann umfassen sollen? Die bisherige Aufbauhilfe für die afghanische Polizei wird sich schnell in Luft auflösen und „umsonst“ gewesen sein, wenn nicht über 2014 hinaus eine wirksame Begleitung durch internationale und deutsche Polizeiberater gewährleistet wird. Welche Größenordnung müsste Deutschland bereitstellen, das bisher bei der Polizeihilfe vor allem in qualitativer Hinsicht eine zentrale Rolle spielte? Wie können hier die Risiken im verantwortbaren Rahmen gehalten werden? Hierzu müssten AA und BMI dringend Optionen vorlegen. Die sind aber nicht in Sicht.
In der Debatte findet diese strategische Lücke keinerlei Erwähnung. Das Wort „Polizisten“ fällt zum ersten und einzigen Mal in der letzten Minute der Debatte – im Kontext des Dankes an entsandte Einsatzkräfte. Seit Jahren leidet die deutsche Entsendefähigkeit für internationale Polizeiaufbauhilfe an schrumpfenden Personalkapazitäten, innerdeutschen Aufgabenzuwachs, föderalen Uneinigkeiten und ungeklärtem politischen Willen. Hier könnte, hier müsste das Parlament initiativ werden und die Möglichkeiten der Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen nutzen. Das wird – zum x-ten Mal - versäumt.
Vorschläge zur parlamentarischen Begleitung von internationalen Polizeieinsätzen[4]
(a) Kernaufgabe: Die Teilnahme an Internationalen Polizeimissionen (incl. Maßnahmen der bilateralen Polizeiaufbauhilfe) gehört zu den Kernaufgaben der deutschen Polizeien. Unabhängig von den konkreten Parlamentsbeteiligungsrechten tragen die Parlamentarier von Bund und Ländern politische Mitverantwortung für die entsandten PolizistInnen.
(b) Einsatzunterschiede + Ensatzbegründung: Polizeiliche Auslandseinsätze sind hinsichtlich Einsatzkontext, Auftrag, Umfang, Risiken, Kosten und Freiwilligkeit grundsätzlich verschieden von Einsätzen bewaffneter Streitkräfte. Konsens ist, dass deutsche Polizisten bei Auslandseinsätzen wohl in Krisenländern (Post-Conflict) und militärischen Einsatzgebieten, aber nicht direkt in Kriegszonen eingesetzt werden dürfen, also auf Abstand zu „bewaffneten Unternehmungen“ bleiben müssen. Schon deshalb wäre eine pauschale Übertragung der Parlamentsbeteiligungsregelungen zur Bundeswehr auf polizeiliche Auslandseinsätze verfehlt. Die Teilnahme deutscher PolizistInnen an „polizeilichen und anderen nichtmilitärischen Aufgaben im Rahmen von internationalen Maßnahmen auf Ersuchen und in Verantwortung der VN, einer regionalen Abmachung (…), der EU“ liegt in der Entscheidung der Bundesregierung. (§ 8 BPolG) Der Einsatz darf nicht gegen den Willen des Staates erfolgen, auf dessen Hoheitsgebiet die Maßnahme stattfinden soll.
Aber auch Polizeibeamte haben als Staatsbürger in Uniform Anspruch auf eine spezifische und überzeugende Einsatzbegründung und –rechtfertigung, zumal ihr Diensteid Auslandseinsätze nicht einschließt und ihr Einsatz in Uniform hoheitliche Züge aufweist. (Der Begründungsbedarf nimmt zu, wo ein Einsatz – z.B. das Grenzpolizeiprojekt in Saudi-Arabien - nicht vorrangig dem Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen dient und kontrovers beurteilt wird.)
Die entsandten PolizistInnen und ihre Einsätze brauchen und verdienen insgesamt deutlich mehr politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit und verbesserte Rahmenbedingungen.
Vorrangiger Zweck der Parlamentsbeteiligung bei polizeilichen Auslandseinsätzen ist dennoch weniger ihre Kontrolle, Begrenzung und Qualitätssicherung als ihre Transparenz, Legitimität und Akzeptanz.
(c) Unterrichtung: Unverzichtbar und überfällig ist eine verlässliche Unterrichtung des Bundestages (über die zuständigen Ausschüsse) vor einer Mission (Auftrag und Aufgaben, Einsatzgebiet mit politischer und Sicherheitslage, rechtliche Grundlagen, Höchstzahl, Dauer, Kosten und Finanzierung), während eines Einsatzes vierteljährlich in einem Bericht zu allen Einsätzen (UdP-ähnlich) und nach Abschluss eines Einsatzes bilanzierend. Die teilnehmenden Bundesländer könnten die „UdP-P“ der Bundesebene für ihre Länder ergänzen. (Gerade in Anbetracht der vielen Einzelentsendungen und Kleinstkontingente ist Vorsicht geboten gegenüber einem ausufernden Berichtswesen.)
(d) Mitsprache + Mitentscheidung:
- Eine angemessene Unterrichtung (vorab und über laufende Einsätze) durch die Bundesregierung eröffnet interessierten Abgeordneten Möglichkeiten zu einer informellen Mitsprache. Die Parlamentarier könnten die Befassung mit polizeilichen Auslandseinsätzen ihrerseits verbindlicher gestalten und intensivieren, wenn zu dem Thema mit Hilfe einer dem Auswärtigen Ausschuss zugeordnete Berichterstattergruppe eine klare Zuständigkeit geschaffen würde, zweckmäßigerweise unter Einbeziehung von Mitgliedern des Innenausschusses.
- Der Bundestag kann durch Beschluss die Beendigung eines Einsatzes verlangen (Rückholrecht). Aus Rücksicht auf Koalitionsloyalitäten wird hier die Schwelle nach aller Erfahrung sehr hoch liegen.
- Ein konstitutives Mitbestimmungsrecht des Bundestages bei polizeilichen Auslandseinsätzen der heutigen Art halte ich rechtlich für keineswegs geboten und außen- und sicherheitspolitisch für falsch und kontraproduktiv. Die Entsendung schon kleiner Zahlen von Polizisten in internationale Missionen würde verkompliziert und faktisch enorm erschwert. (Nicht von ungefähr ermöglicht das Parlamentsbeteiligungsgesetz in § 4 für Bundeswehr-Einsätze geringerer Intensität und Tragweite ein vereinfachtes Zustimmungsverfahren.) Eine konstitutive Mitbestimmung von Länderparlamenten im Vorfeld von Einsätzen würde der Einheitlichkeit der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zuwider laufen und wäre der Todesstoß für das Instrument polizeiliche Auslandseinsätze. Sie würde die VN-Fähigkeit Deutschlands massiv beeinträchtigen.[5]
- Gestärkt werden könnte das Instrument hingegen, wenn bei Schwerpunkteinsätzen vom Bundestag umfassende Mandate unter Einbeziehung auch der polizeilichen und zivilen Komponenten beschlossen würden. Damit könnte die bisherige Militärlastigkeit von Einsatzentscheidungen reduziert und der multidimensionale Charakter von Kriseneinsätzen betont werden. Genauso wie der Militäreinsatz darf der Einsatz von Polizeibeamten nicht singulär für sich stehen, sondern muss gemeinsam und im Zusammenwirken mit den Beiträgen anderer, auch internationaler Akteure beurteilt und verantwortet werden.
(e) Entsendegesetzgebung:
Auch in den Polizeigesetzen der Länder ist aufzunehmen, dass die Unterstützung von Internationalen Polizeimissionen zu den Kernaufgaben der deutschen Polizeien gehört.
Sinnvoll wäre die Fixierung der o.g. Unterrichtungspflichten auf Bundes- und Länderebene. Ob hierfür Entsendegesetze auf Länderebene notwendig sind, bezweifle ich.
Ob ein gemeinsames Entsendegesetz für alle zivilen und polizeilichen TeilnehmerInnen an Maßnahmen internationaler Friedenssicherung zweckmäßig oder überkomplex wäre, sollte geprüft werden.
(f) Sicherheitspolitische Präferenzen: Im Rahmen einer überfälligen friedens- und sicherheitspolitischen Strategiebildung (z.B. Strategic Review der Bundesregierung alle zwei Jahre mit Bundestagsdebatte) sollte das Instrument polizeilicher Auslandseinsätze im übergreifenden Rahmen des Umgangs mit fragiler Staatlichkeit, von Sicherheitsreform und Rechtsstaatsförderung die gebührende Aufmerksamkeit bekommen. Hierbei wäre dann auch z.B. der Nachholbedarf an konzeptioneller Kompetenz in Sachen Internationale Polizeieinsätze anzugehen.
Münster, 26.11.2013
Kurzbericht von der Tagung
„Schutzleute als Friedensmacht? Wie können deutsche Polizisten internationale Friedenseinsätze effektiver unterstützen?“
30.10.-1.11.2013 in der Evang. Akademie Loccum,
geleitet von Dr. Marcus Schaper
von Winfried Nachtwei (11/2013)
Die über 30 Teilnehmer waren – z.T. leitende - Polizeibeamte aus Bundespolizei und Länderpolizeien, Polizisten mit Auslandserfahrung, Gewerkschaftsvertreter, Angehörige der Bundeswehr, Mitarbeiter aus Innenministerien, GIZ, ZIF und sicherheitspolitischen Instituten, Mitglieder des Bundestages, interessierte Bürger. Ein umfassender Bericht wird von der Evang. Akademie Loccum erstellt.
Die Themen
- Internationale Friedenseinsätze – Entwicklungen, Trends und Perspektiven; Deutsche Polizeibeiträge für Friedenseinsätze
- Polizei zwischen Heimat und Mission: Internationale Missionen und der Dienst in der Heimat – Wie stellen wir das richtige Personal für beides? Was leisten Internationale Missionen für Sicherheit zu Hause? Internationale Einsatzeinheiten oder besser entsandte Länderpolizei – Welche Fähigkeiten brauchen wir für internationale Einsätze? Wie und in welchem Umfang wollen wir uns an internationalen Polizeieinsätzen beteiligen?
- Stellenpool – Genug Personal fürs In- und Ausland: Erfahrungen aus Norwegen; Erfahrungen bei der Bundespolizei; Herausforderungen in den Landespolizeien
- Rahmenbedingungen – wo muss angepasst werden? Anreize für internationale Einsätze; Auswahl und Eignung der BeamtInnen im Einsatz; Parlamentarische Kontrolle (hierzu mein separater Beitrag „Parlamentarische Begleitung und Kontrolle bei Internationalen Polizeimissionen“)
- Ausbildung, Reflexion, Evaluierung, Vernetzung – Vor- und Nachbereitung internationaler Polizeieinsätze
- Institutionelle Unterstützung – Planen, führen und betreuen internationaler Polizeieinsätze
- Parlamentarischer Handlungsbedarf – Was müssen die Gesetzgeber in Bund und Ländern liefern?
Die Referenten und Moderatoren: Tobias Pietz, ZIF; Dr. Christoph Ehrentraut, Leiter Geschäftsstelle AG IPM, BMI; Dieter Wehe, Inspekteur der Polizei NRW, Vorsitzender AG IPM; KOR Andre Heinrichs Leiter Dez. 24 LKA NRW; POR Markus Bierschenk, Civilian Planning + Conduct Capability, EES, Brüssel; Edelgard Bulmahn, MdB SPD, Bundestagsvizepräsidentin; PHK Bernd Jennert, Leiter Arbeitsstab Ausbildungs- und Beratungsprojekte, Bundespolizeipräsidium Potsdam; Uwe Binias, Landespolizeipräsident Niedersachsen; PHK Dietmar Schilff, stv. Bundesvorsitzender GdP; PHK Jürgen Hauptmeier, Dezernat Auslandsverwendung, Bildungszentrum Brühl NRW; Karl Peter Brendel, Staatssekretär a.D., Marsberg; Winfried Nachtwei, MdB a.D., Ko-Vorsitzender Beirat Zivile Krisenprävention/AA; POR Alexander Maus, Verbindungsbeamter, Abteilung Strategie und Einsatz BMVg; LPD Andreas Poddig, Leiter Lehrbereich Aus- und Fortbildung, Bundespolizeiakademie Lübeck; Philipp Rotmann, Assocate Director Global Public Policy Institute Berlin; Ekkehard Wache, Direktor i.d. Bundespolizei a.D., bisher Abt.leiter Internationale Angelegenheiten, Europäische Zusammenarbeit Bundespolizeipräsidium Potsdam. (Programm + Referenten unter www.loccum.de/programm/p1364.html )
Was sind die Kernaufgaben der Polizei? Das Sicherheitsverständnis reiche heute über die Grenzen des eigenen Territoriums hinaus. Konflikte werden mehr und rücken näher. Auslandsverwendungen und darin die Beteiligung an Internationalen Polizeimissionen (IPM) gehören zu den Kernaufgaben der Polizei! In der Wahrnehmung sind polizeiliche Auslandseinsätze aber immer noch ein „Nischenthema“. Die Bund-Länder-AG „Internationale Polizeimissionen“ verfügt über keinen Stab Öffentlichkeitsarbeit.
Übersicht Kriseneinsätze weltweit (ZIF Juni 2013): 2012/13 ca. 230.000 Soldaten, ca. 15.000 Polizisten, über 9.100 zivile Kräfte (plus deutlich höhere Zahl an zivilen lokalen Kräften); davon
- für die VN 79.500 Soldaten und Militärbeobachter, 12.500 Polizisten, 5.100 internationale zivile Experten, 2.100 UN Volunteers
- für die EU 2.600 Soldaten, 1.200 Polizisten, 930 Zivilexperten
- für die OSZE 18 Polizisten, 440 Zivilexperten
- für die NATO 135.000 Soldaten, 590 Polizisten, 300 zivile Experten
- für die AU 17.300 Soldaten, 360 Polizisten, 240 zivile Experten
- für die ECCAS 330 Soldaten, 60 Polizisten, ein ziviler Experte
- für die ECOWAS 630 Soldaten, 240 Polizisten, kein ziviler Experte
Übersicht deutsche Beteiligungen an IPM: Mit Stand 17.11.2013 insgesamt 305 Entsandte, davon 117 Bund, 183 Länder, 5 Zoll. Die größten Kontingente:
- EULEX/Kosovo 33 Bund, 61 Länder, ein Zoll
- GPPT/Afghanistan (bilateral) 58 Bund, 88 Länder
- EUPOL/Afghanistan 2 Bund, 11 Länder
- UNMISS/Südsudan 0 Bund, 5 Länder
- UNAMID/Darfur 4 Bund, 0 Länder
- UNMIL/Liberia 2 Bund, 3 Länder.
Die Auslandsverwendungen von Bundespolizisten umfassen eine breite Palette. Im April 2013 waren insgesamt 524 Bundespolizisten im Ausland eingesetzt, davon
- 38 als Dokumenten- und Visaberater in Botschaften
- 23 als Grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte
- 1 als Luftsicherheitsverbindungsbeamter
- 18 als Grenzpolizeiliche Unterstützungsbeamte
- 150 in bilateralen Projekten (z.B. GPPT AFG) und Internationalen Polizeimissionen
- 18 als Sicherheitsbeamte
- 210 im Hausordnungs- und Objektschutz
- 66 in Schutzaufgaben in Krisengebieten.
- Bei Frontex ca. 10 Beamte.
Aus Niedersachsen waren bisher insgesamt ca. 500 PVB im Auslandseinsatz, aus NRW 1.000. Sie seien ein „Schatz“. Sie bringen vor allem internationale Erfahrung, interkulturelle Kompetenz und Vernetzung mit internationalen Kollegen mit in die Heimat zurück.
Zentrale Erfahrungen: Die Rekrutierung von Polizisten für internationale Polizeimissionen (und bilaterale Projekte) ist nicht das Problem. Zzt. sind 315 Polizisten im Auslandseinsatz – von 240.000 in Deutschland insgesamt. (Von den 14.000 niedersächsischen Polizisten waren im Spitzenjahr 2009 50 im Auslandseinsatz.) Die Bewerberlage ist gut, mehr motivierte und ausgebildete Beamte stehen für Einsätze bereit. (In Niedersachsen seien 91% zu einem weiteren Einsatz bereit. Schwieriger sei aber die Bewerberlage in sehr spezialisierten Bereichen und im höheren Dienst.) International haben deutsche Polizisten einen guten Ruf. Die Nachfrage nach deutschen Polizisten übersteigt deutlich das zurückhaltende deutsche Angebot. Erstaunlich sei auch, wer inzwischen alles Aufbau- und Ausbildungshilfe von der deutschen Polizei möchte.
Mit dem demographischen Wandel stehe die Polizei ab 2018/20 vor zunehmenden Nachwuchsengpässen. Das Land Niedersachsen brauche ab 2020 24 studierte Polizeivollzugsbeamte (PVB) pro Jahr. Im letzten Jahr lag die Bewerberzahl bei 18.
Die Stehzeiten bei Auslandseinsätzen reichen von drei, vier bis zu zwölf Monaten. Verbreitete Erfahrung sei, dass man erst nach einem Jahr richtig im Ausland „angekommen“ sei. Was anderes sei bei kritischen Missionsgebieten (Bei Industrieunternehmen gilt eine Auslandszeit von weniger als zwei Jahren kaum noch als sinnvoll.) Der Europäische Rechnungshof empfahl aus Effektivitätsgründen Stehzeiten von mehr als einem Jahr. Einige Länder setzten die Empfehlung um.
Trends: Die Missionen werden kleiner und immer komplexer. Aufgabenschwerpunkte verlagern sich vom Mentoring zu hoch qualifizierter Beratung. Benötigt werden mehr Spezialisten, weniger Generalisten. Das stelle hohe Anforderungen an die Qualität und Flexibilität der Beamten.
Spezieller Personalpool? Zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben ist das Personal eng bemessen. Zur Teilnahme an IPM werden PVB aus der allgemeinen Aufbauorganisation herausgelöst und hinterlassen Lücken, die von Kollegen gefüllt werden müssen. Vorgestellt wird aus Sicht eines Bundespolizisten die Option einer stärkeren Professionalisierung + Spezialisierung durch
- spezifischen Karrierezweig Auslandsverwendung (vergleichbar mit Kriminalitätsbekämpfung, technische Verwendung); Verwendungsverlauf: nach einer Mindestdienstzeit von 15 Jahren (zzt. 8 Jahre) Bewerbung, Personalauswahl-verfahren, Basis- und Spezialfortbildung Ausland, Sprachförderung, Entsendung, Rückkehr und Reintegration (Aktualisierung + „Erdung“), Vorbereitung auf Auslandsverwendung, Entsendung usw. (so lange es die persönliche + gesundheitliche Situation zulässt), dann Rückkehr in den allgemeinen Dienstbetrieb der Bundespolizei.
- Die PVB würden in einem zentralen Personalpool beim Bundespolizeipräsidium geführt und außerhalb der Auslandseinsätze zu Direktionen abgeordnet. Möglich wären auch dezentrale Pools bei den zehn Direktionen oder einer Direktion Auslandsverwendung.
Von Länderseite wird gegenüber einer Pool-Lösung betont, wie wichtig die Bindung an und die Rückkehr in eine Dienstgruppe, eine dienstliche und soziale Heimat sei. Die Dienstgruppe, das Kommissariat halte Kontakt. Für die Angehörigen und Entsandten bestehe Erreichbarkeit rund um die Uhr. Rückkehrer wollen in der Regel zurück auf die alten Stellen, die zwischenbesetzt werden. Bei einem Pool würden die PVB aus dem sozialen Zusammenhalt gelöst. Das sei problematisch.
Aus- und Fortbildung: Lehrgängen an der Bundespolizeiakademie für den gehobenen Polizeivollzugsdienst umfassen erstmalig ein Auslandsmodul (7 Wochen). Die missionsspezifische Vorbereitung auf den Afghanistaneinsatz dauert inzwischen vier Wochen. Die bisher zwanzig Vorbereitungskurse/Jahr mit jeweils 15-20 Teilnehmern (300-400/Jahr) gingen inzwischen zurück. In der Fortbildung für Auslandsverwendungen sind insgesamt zehn Fachlehrer (von 130) eingesetzt. Mit dem Rückgang der AFG-Kurse steigt der Druck, Lehrpersonal für andere Aufgaben einzusetzen. Damit drohe Kompetenz verloren zu gehen. Die Fortbildung erfolgt gemäß VN- und EU-Standards, die Kurse sind deshalb auch offen für internationale Teilnehmer. Vor einem halben Jahr wurde in Lübeck die „European Association of Peacekeeping Centers“ gegründet.
In NRW besuchen 35 Ratsanwärter eine Woche lang polizeiliche Auslandseinsätze und bekommen darüber nützliche Einblicke in diese Dimension der Polizeiarbeit.
Im Pool für internationale Spitzenfunktionen sind 14, 15 darauf vorbereitete Polizeibeamte.
Gegenüber dem französischen Sprachraum fehle es in Deutschland an Sprachkompetenz. Das sei ein strategisches Defizit. Warum bereite man sich im Rahmen der Krisenprävention nicht auch auf solche Länder vor? Das sei bisher nicht angedacht.
Konzeptionelle Kompetenz und Erfahrungssicherung: Bisher mangele es sowohl an einer systematischen Erfahrungsauswertung wie einer Missionsevaluierung. Wo findet konzeptionelle Arbeit statt? Ein Grundproblem sei, dass für neue Missionen in der Regel keine Kompetenzen vorhanden sind. Polizeifachliche und Regionalkompetenz komme erst später bzw. erst in Brüssel oder New York zusammen. Startkonzepte von EU und VN könnten deshalb in Deutschland kaum kompetent beurteilt werden. Man verhalte sich immer reaktiv. Eine Vorabbeobachtung und Vorausschau gebe es nicht. Eine strategische Ausrichtung auf internationale Polizeimissionen müsse gestärkt werden. Im Alltagsgeschäft eines Bundesministeriums sei das nicht zu schaffen. Das könne kein Think Tank sein. Auch an Hochschulen gebe es bisher kaum Interesse an Polizeifragen. Es brauche einen Ort mit offenem Lern- und Diskussionsklima.
Wie Missionserfahrungen sichern? Die Dt. Hochschule der Polizei (DHPol) in Münster-Hiltrup (früher Polizei-Führungsakademie) wäre dafür prädestiniert mit Weiterbildungsangeboten und Öffnung zur Forschung. Denkbar sei ein Lehrstuhl oder ein Institut für internationale Polizeieinsätze. Hier könnten verschiedene Akteure zusammengebracht werden – und zwar vor einer Mission. Jährlich durchlaufen immerhin 3.500 höhere PVB die DHPol.
(Der Wissenschaftsrat formulierte für die DHPol die Auflage, eine zusätzliche Professur zu schaffen; eine Öffnung für nichtpolizeiliche Studierende und eine Internationalisierung sei nötig. Ein ausgearbeitetes Konzept für einen DHPol-Master-Studiengang „Internationales polizeiliches Sicherheitsmanagement“ mit 25 Studienplätzen wurde 2010 vom Kuratorium der DHPol wg. Geldmangel abgelehnt.)
Parlamentarische Begleitung und Kontrolle bei Internationalen Polizeimissionen (vgl. mein Impulsbeiträg in erweiterter Fassung): Berichtet wird vom niedersächsischen Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, in dem ein Entsendegesetz gefordert werde. Im Innenministerium arbeite man an einem Vorschlag. Konstatiert wird das bisher sehr geringe Interesse der meisten Parlamente an IPM. Etliche Teilnehmer befürworten eine bessere Unterrichtung, Aufmerksamkeit und Beteiligung der Parlamente im Hinblick auf polizeiliche Auslandseinsätze. Entsendegesetze auf Länderebene werden überwiegend kritisch gesehen. Deutlich abgelehnt wird ein konstitutives Mitentscheidungsrecht der Parlamente im Vorfeld einer Mission auf Bundes- und erst recht auf Länderebene. (Ein Rückholrecht gibt es schon im Bundespolizeigesetz.)
Ein Licht unterm Scheffel: das Projekt COPP von GIZ-PIU in Kooperation mit EUPOL/Kabul (Coordination of Police and Prosecutors): Die Leiterin des Projekts nimmt an der Tagung teil. Kernveranstaltungen sind zweiwöchige Workshops mit den Staatsanwälten und Polizeichefs desselben Distrikts. Die 30 afghanischen Trainer kommen aus Staatsanwaltschaften, Kriminalpolizei, es sind auch Richter und Anwälte darunter. Die Workshops laufen in 13 der insgesamt 34 Provinzen, Teilnehmer kommen aus allen Provinzen. Eine kleine Gruppe von Mentoren hält den Kontakt zu den Trainern. Die Weitentwicklung des Programms basiert primär auf Vorschlägen der Trainer. Das Projekt ist landesweit ein Unikat und hat eine Eigendynamik entwickelt.
(vgl. GIZ: Developing Capacities, Enhancing Professionalism – Lessons Learnt from GIZ Training for the Police worldwide, Eschborn Juni 2013, Broschüre 37 S.)
[1] Bericht folgt.
[2] Artikel des Autor zum Thema: Die Parlamentsbeteiligung in Regierung und Opposition: Bündnis 90/Die Grünen, in: Christoph Schwegmann (Hrsg.): Bewährungsproben einer Nation – Die Entsendung der Bundewehr ins Ausland, Berlin 2011, S. 161 ff; Stellungnahme zum Sachverständigengespräch des Innenausschusses des Landtages NRW „Abzug der deutschen (NRW-)PolizistInnen aus Afghanistan“, Antrag der Fraktion DIE LINKE, am 9. Juni 2011; Dokumentation Polizeiaufbau in Afghanistan 2002-2008 (einschließlich Bericht der dt. Fact-Finding-Mission vom Januar 2002 und Stellungnahme zur EUPOL-Krise 2007); Besuche bei der Polizeiaufbaumission in Afghanistan 2009-2012; Polizeimissionen auf dem Balkan – Gewaltexplosion im Kosovo. Besuch bei EUPM und UNMIK Police, Reisebericht März 2004
[3] Vgl. Entwurf des Koalitionsvertrages von CDU/CSU und SPD November 2013: „Wir wollen die rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen für den Einsatz von Polizistinnen und Polizisten in Friedensmissionen verbessern. Hierzu wird die Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode mit den Bundesländern eine umfassende Bund-Länder-Vereinbarung verhandeln, die der gemeinsamen Verantwortung gerecht wird.“
[4] Vgl. Grundsätze der GdP zu Einsätzen der Deutschen Polizei im Ausland vom 15.9.2011: Die GdP fordert „eine stärkere parlamentarische Kontrolle“ der Einsätze im Ausland, ein Rückholrecht des Bundestages und eine unverzügliche und umfassende Information. Der Koalitionsvertrag der niedersächsischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen für 2013-2018 geht darüber hinaus: Die Koalition will durch ein „Polizeientsendegesetz die Transparenz, Akzeptanz und demokratische Legitimation von Auslandseinsätzen der niedersächsischen Polizei schaffen. Auslandseinsätze werden von Beschlüssen des Landtages abhängig gemacht.“
[5] Vgl. meine Stellungnahme im Innenausschuss des Landtages NRW vom 9. Juni 2011, S. 2
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
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