In der Fragestunde des Deutschen Bundestages stellte Winfried Nachtwei zwei Mündliche Fragen: Die erste zur "Lieferung moderner Kampfpanzer des Typs Leopard 2 an das Emirat Katar", die zweite zu "Gesprächen mit Pakistan über deutsche Rüstungslieferungen". Hier die Fragen und Antworten:
Tagesordnungspunkt 3:
Fragestunde
(Drucksache 16/13102)
Mündliche Frage 29
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/
DIE GRÃœNEN)
Lieferung moderner Kampfpanzer des Typs Leopard 2 an das Emirat Katar
Antwort
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär
BMWi
Zusatzfragen
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/
DIE GRÃœNEN)
Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) .
Mündliche Frage 30
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/
DIE GRÃœNEN)
Gespräche mit Pakistan über deutsche Rüstungslieferungen
Antwort
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär
BMWi
Zusatzfragen
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/
DIE GRÃœNEN)
Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Winfried Nachtwei auf:
Trifft es zu, dass - wie der Spiegel am 18. Mai 2009 berichtet - die Bundesregierung die Lieferung von modernen Kampfpanzern des Typs Leopard 2 an das Emirat Katar genehmigt hat, und, wenn ja, wie begründet die Bundesregierung die Entscheidung, Kriegswaffen in Staaten außerhalb der NATO und EU und in die Krisen- und Spannungsregion zu liefern?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Herr Kollege Nachtwei, die Bundesregierung übt bei der Kontrolle von Rüstungsexporten eine verantwortungsvolle Politik aus. Entscheidungen werden im jeweiligen Einzelfall nach einer sorgfältigen Prüfung unter Berücksichtigung aller vorliegenden Umstände getroffen. Grundlage dafür sind die Politischen Grundsätze der Bundesregierung aus dem Jahr 2000 - Sie werden sich vielleicht daran erinnern -
(Winfried Nachtwei [BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN]: Sehr gut!)
und der Verhaltenskodex der Europäischen Union vom 8. Juni 1998 bzw. der entsprechende Gemeinsame Standpunkt, der am 8. Dezember 2008 durch den Rat verabschiedet wurde.
Die Bundesregierung hat über eine mögliche Lieferung von Leopard‑2-Panzern an das Emirat Katar auf der Grundlage der Politischen Grundsätze aus dem Jahr 2000 entschieden. Die Verhandlungen im Bundessicherheitsrat unterliegen bekanntlich der Geheimhaltung.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfrage.
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Herr Staatssekretär, aus Ihrer Antwort, die Bundesregierung habe „auf der Grundlage von ..." entschieden, schließe ich, dass sie positiv entschieden hat.
Jetzt meine Zusatzfrage. Sie haben die Rüstungsexportrichtlinien angesprochen. In den Rüstungsexportrichtlinien aus dem Jahr 2000 steht, dass Rüstungsexporte an sogenannte sonstige Staaten - an Staaten außerhalb von NATO, EU und an nicht gleichgestellte Länder wie zum Beispiel Neuseeland und Australien - grundsätzlich nicht genehmigt werden,
es sei denn, dass ... besondere außen- und sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ... Genehmigung sprechen.
Meine konkrete Frage: Welche erheblichen außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepu-blik Deutschland und des Bündnisses sprechen für den Export von Leopard-2-Panzern nach Katar?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Herr Nachtwei, Sie haben in Ihrer ersten Einlassung erklärt, dass Sie aufgrund meiner Antwort davon ausgingen, dass diese Rüstungsexporte genehmigt seien. Dies ist eine Annahme Ihrerseits, die ich weder bestätige noch verneine.
(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erfahren wir dann in anderthalb Jahren im Rüstungsexportbericht!)
Sie sind nicht berechtigt, mich so zu interpretieren, als hätte ich sagen wollen: Dieser Vorgang ist positiv entschieden.
Damit erübrigen sich auch die weiteren Fragen. Denn ansonsten würde ich mich spekulativ über einen Vorgang äußern - außerdem müsste ich Gründe nennen, die dafür sprechen -, von dem ich sagen muss: Ich kann ihn nicht bestätigen und werde ihn nicht dementieren.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Ich möchte, wie es in diesem Hohen Hause üblich ist, die sicherheitspolitischen Implikationen eines möglichen Exportes ansprechen. Immerhin - Angehörige meiner Altersgruppe erinnern sich daran - hat die Bundesrepu-blik in den 70er- und 80er-Jahren einen Beitrag zur militärischen Ausstattung des Irans und des Iraks geleistet.
Heute wissen wir - im SIPRI-Bericht wurde dies vor einigen Wochen wieder einmal deutlich -, dass der Nahe und Mittlere Osten die Weltregion ist, in die die meisten Rüstungsexporte gehen. Hinzu kommt, dass Katar, auch wenn die Situation dort zurzeit relativ stabil ist, Konflikte mit Nachbarstaaten hat. Meine Frage: Könnten die Spannungen und Aufrüstungsprozesse in dieser Region durch einen möglichen Rüstungsexport nach Katar, und zwar unabhängig von diesem konkreten Fall, nicht befördert werden?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Herr Nachtwei, ich verstehe Ihre Sorgen. Wir nehmen diese Ihre Sorgen sehr ernst. Die Richtlinien sind nicht deswegen so gut, weil sie zur Zeit der Regierungsbeteiligung der Grünen formuliert worden sind. Vielmehr beachten wir sie auch aus eigenem Antrieb.
Ich kann nur sagen: Nach den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung werden Kriegswaffenexporte in Länder, die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder in denen solche drohen bzw. in denen bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden, nicht genehmigt. Die Bundesregierung beachtet diese Grundsätze bei ihren Einzelentscheidungen stets.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Schäfer, bitte.
Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):
Danke. - Herr Kollege Schauerte, sehen Sie denn eine Situation der Bedrohung für Katar, mit der eine Lieferung des Leopard 2 begründet werden könnte? Besteht also Ihrer Meinung nach eine akute militärische Bedrohung?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Herr Kollege, es gibt keine Regelung, die besagt, dass wir zu beurteilen haben, ob sich ein Land bedroht fühlt oder nicht. Wir definieren unsere Rüstungsexporte im Rahmen unserer Richtlinien aufgrund unserer eigenen Beurteilung und unseres eigenen Interesses. Deswegen ist es politisch ausgesprochen problematisch - ja, es wäre sogar fehlerhaft -, öffentlich zu spekulieren, ob und von wem Katar bedroht sein könnte. Wenn wir unsere Rüstungsexportgeschäfte auf diese Art und Weise abwickeln und über alle Länder der Welt ein Zeugnis aussprechen wollten, ob und von wem sie bedroht sein könnten, werden wir uns über kurz oder lang in heftigsten außenpolitischen Turbulenzen befinden. Wir entscheiden nach unseren Richtlinien, und diese Entscheidungen nehmen wir sehr ernst.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich rufe die Frage 30 des Kollegen Winfried Nachtwei auf:
Trifft es zu, dass die Bundesregierung mit Vertretern der pakistanischen Regierung und der pakistanischen Streitkräfte Gespräche über deutsche Rüstungslieferungen in die Krisen- und Kriegsregion führt und auch die Ausfuhr von hochmodernen U-Booten und anderen Kriegswaffen noch immer in Erwägung gezogen wird?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Die Antwort lautet: Bei Treffen der Bundesregierung mit Vertretern der pakistanischen Regierung und der pakistanischen Streitkräfte kommen regelmäßig auch Fragen der nationalen und regionalen Sicherheit zur Sprache. Dabei hat die pakistanische Seite auch Interesse an deutschen Rüstungslieferungen nach Pakistan signalisiert. Über etwaige Anträge deutscher Firmen auf Ausfuhrgenehmigung entscheidet die Bundesregierung jeweils im Einzelfall auf der Grundlage der Politischen Grundsätze, die ich bereits erwähnt habe.
Im Rahmen der Antwort auf die Große Anfrage mit dem Titel „Rüstungsexporte an Pakistan", Bundestags-drucksache 16/7969 vom 4. Februar 2008, hat die Bundesregierung ausführlich zu einem möglichen U-Boot-Geschäft mit Pakistan Stellung genommen. - Dabei möchte ich es zunächst einmal bewenden lassen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ihre Zusatzfragen.
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Die Financial Times Deutschland hat am 20. Mai dieses Jahres berichtet, dass von Pakistan deutsche Rüstungsgüter wie Dingo, Hubschrauber, Aufklärungssysteme und Nachtsichtgeräte gewünscht werden. Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung, diesen Export-anfragen nachzukommen?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Dies sind Spekulationen in der Financial Times Deutschland vom 20. Mai 2009. Wie Sie wissen, werden solche Spekulationen und Fragestellungen in dem zuständigen Gremium behandelt und nicht öffentlich debattiert.
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Meines Wissens gilt die Financial Times Deutschland ja wohl als ein einigermaßen seriöses und wenig spekulatives Blatt.
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Ja.
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Ich habe noch eine zweite Frage vor dem Hintergrund, dass ich als Mitglied des Verteidigungsausschusses mit zuständig für die Parlamentsarmee Bundeswehr bin, dort eine ganz andere Transparenz erfahre und immer wieder erschüttert darüber bin, wie die Bundesregierung in Sachen Rüstungsexporte mit dem Parlament umgeht. Ich kann mich jetzt auf die Vergangenheit beziehen, die wenigstens im Rüstungsexportbericht mehr als ein Jahr später offengelegt wird, sodass wir das wenigstens nachträglich kommentieren können.
Ich habe dem Rüstungsexportbericht von 2007 entnommen, dass in 2007 der Export von deutschen Kriegswaffen und Rüstungsgütern im Wert von ungefähr 164 Millionen Euro an Pakistan genehmigt wurde. Im selben Zeitraum erhielt Pakistan aus der Bundesrepublik Mittel der Entwicklungszusammenarbeit in Höhe von 20 Millionen Euro. Wir alle wissen, wie die Verhältnisse in Pakistan sind und wie krass dort die Unterentwicklung ist.
Meine Frage ist folgende: Ist diese Relation, dieses krasse Missverhältnis, mit Ihrem Anspruch einer weitsichtigen Friedens- und Sicherheitspolitik vereinbar, wie sie von Ihrem Kollegen, Staatsminister Erler, in seinem vorzüglichen Buch Mission Weltfrieden überzeugend dargestellt worden ist?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Ja, das ist vereinbar, und die Entscheidungen sind in großer Verantwortung getroffen worden. Zu solchen Entscheidungen führen nicht Motive, die nur einen Punkt berühren. Sie wissen, dass es sehr viele komplizierte Zusammenhänge gibt, und es wird auch nicht immer nur im engen Sinne national entschieden, sondern hin und wieder werden die Entscheidungen auch in gemeinsamer Verantwortung mit befreundeten Nationen und im Bündnis getroffen.
Ich gehe davon aus, dass es diese Kombination, wonach im Hinblick auf die vermeintlichen und tatsächlichen Sicherheitsbedürfnisse dieser Länder miteinander Geschäfte gemacht werden und gleichzeitig Entwicklungshilfe für andere Zwecke, also unmittelbar an die Menschen gerichtet, geleistet wird, häufiger gibt, als das durch Ihre auf diesen Punkt zugespitzte Frage gezeigt wird. Dieses Verfahren gibt es nicht nur in Bezug auf die Rüstung.
Ich will ein anderes Beispiel erwähnen: Das große, starke China erhält noch immer Entwicklungshilfe von Deutschland. Auch hier kann man Fragen stellen. Hier müssen aber sehr unterschiedliche Ebenen berücksichtigt werden. Insoweit kommt es zu solchen Parallelentscheidungen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Schäfer, bitte.
Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):
Herr Staatssekretär, ich habe verstanden, dass Sie zu den konkret anhängigen möglichen Lieferungen - zum Beispiel von U-Booten und dem Panzerfahrzeug Dingo - nichts sagen wollen. Es handelt sich allerdings nicht nur um Spekulationen der Financial Times Deutschland. Neulich war der pakistanische Verteidigungsminister mit konkreten Ansinnen und Wünschen in Berlin.
Meine Frage lautet: Ist nach Ihrer Auffassung unter strikter Beachtung der Grundsätze aus dem Jahr 2000 an umfangreiche Waffenlieferungen an Pakistan zu denken, oder ist das aus Ihrer Sicht a priori auszuschließen?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Ich muss mich entschuldigen. Ich habe Ihre Frage nicht richtig verstanden. Können Sie sie bitte wiederholen?
Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):
Kann an intensive Waffengeschäfte mit Pakistan gedacht werden, wenn man die Politischen Grundsätze aus dem Jahr 2000 strikt beachtet - Sie kennen die darin festgehaltenen Kriterien -, oder schließen sich solche Geschäfte dann kategorisch aus?
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Damit sind wir wieder im spekulativen Bereich. Es tut mir leid, dass ich keine andere Antwort geben kann.
Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):
Das Verhältnis zu Pakistan kann man doch bewerten.
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Nein, nicht öffentlich. Es ist ja ein theoretischer Vorgang, und die Bundesregierung bewertet nicht öffentlich die Frage, ob nach den Grundsätzen eine Lieferung nach Pakistan erfolgen kann. Das würde zu außenpolitischen Irritationen und Erklärungsnotwendigkeiten führen. Damit würden wir niemandem helfen. Wir berichten in der vorgesehenen Art und Weise über erfolgte Rüstungsgeschäfte. Es ist zwischen Parlament und Regierung verabredet, dass das nach Ablauf eines Jahres geschieht, und das wird ohne Zweifel korrekt erfolgen. Während der Vorverhandlungen sind weitergehende Kommentierungen und Bewertungen schädlich für alle Beteiligten, egal wie die Entscheidung ausgeht.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: