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Begegnung mit Senator John McCain im April 2005 und der Streit um die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China

Veröffentlicht von: Nachtwei am 2. September 2018 14:41:36 +02:00 (36679 Aufrufe)

In den USA trauern jetzt sehr viele Menschen um John McCain, den langjährigen, herausragenden konservativen Senator. Die nationale Trauer ist parteiübergreifend und zugleich eine Manifestation gegen die politisch-moralische Verwilderung. Zusammen mit den anderen Obleuten des Verteidigungsausschusses begegnete ich ihm persönlich in Washington um April 2005. Außenpolitisch weit entfernte Welten, aber jetzt in Sachen Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China ein parteiübergreifender Konsens. 

Begegnung mit Senator John McCain im April 2005

und der Streit um die Aufhebung des EU-Waffenembargos

Winfried Nachtwei (09/2018)

(Fotos auf www.facebook.com/winfried.nachtwei )

Am 25. August starb der langjährige US-Senator John McCain im Alter von fast 82 Jahren.

Große Nachrufe in Deutschland titelten „Der Tapfere“ (SZ), „Der gute Republikaner“ (SPIEGEL), „Tod eines Anständigen: Der letzte Konservative“ (taz), „Der Anti-Trump“ (SZ). Die Trauerfeiern für ihn waren nationale, parteiübergreifende Manifestationen gegen die politisch-moralische Verwilderung unter Präsident Trump.

Als Bomberpilot wurde er 1967 bei einem Angriff auf ein Wasserkraftwerk bei Hanoi abgeschossen, verwundet und in fünfeinhalbjähriger nordvietnamesischer Gefangenschaft gefoltert. 1983 wurde er ins Repräsentantenhaus gewählt, ab 1987 war er Mitglied des Senats, seit 2015 Vorsitzender des Streitkräfteausschusses. Er war ein Verfechter der transatlantischen Partnerschaft und der Idee der „westlichen Wertegemeinschaft“. Als außenpolitischer Falke  „war er immer bereit, Amerikas militärische Macht auszuspielen, um Interessen durchzusetzen. Sein Freund-Feind-Schema kannte kaum Grautöne.“ (SZ 27.08.) Er unterstützte den Irakkrieg und andere Interventionen. Bei alledem war er ein werteorientierter, kämpferisch-unabhängiger Geist mit Anstand und Charakter. Erfolgreich brachte er ein Gesetz zum Folterverbot durch den Senat, er befürwortete eine liberale Einwanderungspolitik und verhinderte mit seiner Stimme die Abschaffung der Gesundheitsreform von Obama. Unter den Republikanern war er der schärfste, klarste und bedeutsamste Kritiker von Präsident Trump.

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz erlebte ich ihn, der lange die Delegation des US-Kongresses leitete,  bis 2009 immer wieder als harten Debattenredner.

Als wir Obleute des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages.im April 2005 Washington besuchten, ergab sich nicht nur eine Begegnung, sondern auch eine „Ad-hoc-Koalition“ mit dem Mann, den unsereiner bisher primär als politischen Krieger wahrgenommen hatte.

Begegnung in Washington, Büro des Senator McCain SR-241 (Auszug aus meinen Persönlichen Kurzmeldungen zur Friedens- und Sicherheitspolitik Nr. 8, April 2005):

„In Washington Gespräche mit Leitenden der Drug Enforcement Administration (DEA)/International Operations zur Drogenbekämpfung in Afghanistan (…), mit dem besonders einflussreichen Senator (Rep) McCain und Mitgliedern des Streitkräfteausschusses, mit Spitzenbeamten von Pentagon, State Departement und Nationalem Sicherheitsrat. Hauptthemen sind (a) EU-Waffenembargo (McCain bittet deshalb kurzfristig zum Gespräch, er bedankt sich ausdrücklich für unsere Bundestagsinitiative, die – das betone ich – unabhängig von der US-Positionierung zustande kam, Übergabe unseres Bundestagsbeschlusses gegen die Embargo-Aufhebung), (b) US-Stationierung in Deutschland, (c) Afghanistan (…), (d) MEADS.

Rückblick auf den Streit um das EU-Waffenembargo gegen China

15.12.2004 Bundestagsrede bei der Aktuellen Stunde zum EU-Waffenembargo gegen China: Angesichts der jüngsten Kanzleräußerungen zum EU-Embargo bohrt die Opposition genüsslich in den Widersprüchen der Koalition. Ich bekräftige unseren Bundestagsbeschluss gegen die Aufhebung des Waffenembargos und bekomme Beifall aus allen Fraktionen. Im Spannungsfeld zwischen berechtigter Kritik an der Kanzlerposition, den Widersprüchen der Koalition einerseits sowie der Koalitionsloyalität andererseits bringt uns diese Debatte an die Grenze unserer politisch-moralischen Belastbarkeit. (Persönliche Kurzmeldungen Nr. 6 Dez. 2004)

28.10.2004 Bundestagsbeschluss gegen die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China: Nach monatelangen schwierigen Verhandlungen mit der SPD (Kanzleramt) verabschieden wir heute endlich einen Koalitionsantrag, der hohe Hürden für eine eventuelle Aufhebung des Embargos formuliert und sich damit gegen eine Aufhebung zum jetzigen Zeitpunkt richtet. Nach der Rückholung von “Hanau” haben wir nun den zweiten “China-Kracher” – vorläufig – entschärft. Für uns ist das ein großer, aber stiller Erfolg. (Persönliche Kurzmeldungen Nr. 5, Sep-Okt 2004)

Hier meine damalige Aktuelle Information über unseren Erfolg gegen die Absicht „unseres“ Bundeskanzler Schröder, das EU-Waffenembargo gegen China aufzuheben.

Um den Koalitionskrach darum zu begrenzen und Gesichtswahrung zu ermöglichen, damals nur als interne Information zu einem stillen Erfolg.

Bundestagsbeschluss gegen die Aufhebung des

EU-Waffenembargo: Zweiter China-Kracher entschärft

Winni Nachtwei, MdB (29.10.2004)

(Obmann im Unterausschuss Abrüstung, Rüstungskontrolle + Nichtverbreitung,

stellvertretender Fraktionsvorsitzender)

Anfang Dezember 2003 machte der Kanzler während seiner China-Reise Aussagen, die schnell „China-Kracher“ hießen: Völlig unerwartet befürwortete er die Aufhebung des Waffenembargos und die Ausfuhr der Hanauer Brennelementefabrik.

Fast elf Monate später haben sich die Koalitionsfraktionen mit dem Bundestagsbeschluss vom 28. Oktober eindeutig gegen die Aufhebung des Embargos gewandt und für den Prüfprozess in der EU hohe politische Hürden formuliert. Zusammen mit dem in ähnliche Richtung gehenden FDP-Antrag sprach sich somit der gesamte Bundestag in diesem Sinne aus. Kommentatoren äußerten Respekt vor der Positionierung der Koalitionsfraktionen und sprachen von einem „guten Tag des deutschen Parlaments“. Wir Grüne als Betreiber des Koalitionsantrags erreichten einen Erfolg, den die aller meisten Beobachter Anfang des Jahres - und vor allem nach dem Hanau-Erfolg - nicht für möglich gehalten hätten.

Die EU verhängte das Embargo 1989 in Reaktion auf das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens. In den 15 Jahren seitdem hat sich China gewaltig verändert. Eine Aufhebung des Embargos wäre nichts desto weniger ein äußerst problematisches Zeichen angesichts der katastrophalen Menschenrechtssituation, der Unterdrückung ethnischer Minderheiten, der Spannungen mit Taiwan. Während vor allem Frankreich seit Jahren auf die Aufhebung des Waffenembargos drängt, sehen die USA dies als Verletzung ihrer strategischen Interessen.

Der Beschluss:

Der Bundestag schließt sich dem Beschluss des Europäischen Parlaments an, das sich schon im Dezember 2003 gegen die Aufhebung ausgesprochen hatte.

Angesichts des laufenden Überprüfungsverfahrens in der EU fordert der Bundestag die Bundesregierung auf, sich an der Überprüfung des Embargos vor dem Hintergrund der Menschenrechte und der friedlichen Streitbeilegung zu beteiligen. Bis zum Vorliegen anderer verbindlicher Regelungen – etwa in Form eines weiterentwickelten, verbindlichen EU-Verhaltenskodex zu Waffenexporten – soll an dem Embargo festgehalten werden.

Eine Aufhebung kann in Betracht gezogen werden, wenn es Fortschritte

-       bei der raschen Ratifizierung und Umsetzung des VN-Paktes über politische und bürgerliche Rechte

-       bei der weiteren Umsetzung der jüngsten Verfassungsänderungen im Bereich der Menschenrechte und des Privateigentums

-       bei der Stärkung substantieller Autonomierechte für ethnische Minderheiten gibt.

Zugleich sind die friedliche Streitbeilegung mit Taiwan und die Nichtverbreitung von Material und Technologien im Zusammenhang mit Massenvernichtungswaffen und Trägerraketen entscheidungsrelevante Aspekte.

Wenn es im Rahmen der Embargo-Überprüfung zu dem angestrebten weiterentwickelten, verbindlichen EU-Verhaltenskodex zu Waffenexporten käme, wäre das ein weit über den Einzelfall China hinausgehender Erfolg für eine restriktive europäische Rüstungsexportpolitik.

Der Weg zu diesem Beschluss war äußerst mühsam und langwierig.

Von Anfang positionierte sich die grüne Bundestagsfraktion in dieser Frage eindeutig, am 8. und 9. Dezember mit Beschlüssen von Fraktionsvorstand und Fraktion.

Zunächst stand der Streit um Hanau im Vordergrund, der in gutem Zusammenwirken unserer Fraktion mit Hanau-kritischen SPD-Kollegen und der IPPNW-Kampagne „Hanau selber kaufen“ zu einem guten Ende gebracht werden konnte.

Inzwischen hatte die FDP einen Antrag gegen die Aufhebung des Waffenembargos in den Bundestag eingebracht. In unserem Arbeitskreis „Internationale Politik und Menschenrechte“ waren wir uns einig: der FDP-Antrag war für uns nicht ablehnungsfähig – außer, wir hätten eine bessere Alternative.

Im März/April traf unsere Forderung nach einem eigenen Koalitionsantrag bei der SPD noch auf Ablehnung.

Anfang Mai wiederholte der Kanzler anlässlich des Besuches des chinesischen Ministerpräsidenten in Berlin die Forderung nach Aufhebung des Embargos. Der Unterausschuss Abrüstung debattierte das Thema. Vor allem die Abgeordneten Polenz und Nachtwei widersprachen sehr deutlich der vorgetragenen „Regierungsposition“.

Als der FDP-Antrag im Menschenrechts- und Auswärtigem Ausschuss mit den Enthaltungen und Ja-Stimmen aus der Koalition angenommen wurde, musste sich die SPD doch auf einen Koalitionsantrag einlassen. Ausgehend von unserem Entwurf ging das Aushandeln mit SPD und Kanzleramt über Monate. Dabei war schon bemerkenswert, welche Formulierungen für das Kanzleramt „nicht hinnehmbar“ waren.

Obwohl wir um den intensiven Widerstand der US-Regierung gegen die Aufhebung des Embargos und ihr massives Einwirken auf verschiedene EU-Staaten wussten, nutzten wir diese Schiene nicht aus.

Noch vor einer Woche war ich zusammen mit Ludger Volmer und Hans-Josef Fell Gastgeber einer Delegation des Auswärtigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China: Nach einem intensiven Austausch zu Erneuerbaren Energien und Atomenergie sprachen wir auch sehr direkt über das Waffenembargo. Das schuf Klarheit für beide Seiten – und minderte die gute Gesprächsatmosphäre keineswegs.

Der parlamentarische Erfolg wurde entgegen der meisten Erwarten möglich, weil wir mit klarer Position geschlossen und  beharrlich agierten, aber zugleich den Konflikt hinter den Kulissen und kontrolliert hielten. Hilfreich dabei war der FDP-Antrag, der als Druckmittel funktionierte. Bei Hanau gab es einige öffentliche Aufmerksamkeit und sehr hilfreiche Unterstützung. In Sachen Waffenembargo war die öffentliche Aufmerksamkeit viel geringer. Trotzdem haben wir es geschafft.

Mit dem Bundestagsbeschluss sind von deutscher Seite die Hürden gegen eine unverantwortliche Aufhebung des Embargos erhöht. Das ändert nichts daran, dass der Kanzler laut Aussage des Regierungssprechers weiter an seiner bisherigen Meinung festhält. Das wird aber das Verhalten der Bundesregierung auf EU-Ebene beeinflussen und die Position derjenigen stärken, die das Embargo aus sicherheits- und friedenspolitischer Perspektive betrachten.

Freude über diesen Etappen-Erfolg dürfen wir leider nur still empfinden, jeder Triumph wäre kontraproduktiv. Das sollte aber nicht davon abhalten, diesen Erfolg wenigstens gebührend zur Kenntnis zu nehmen und nicht den üblichen Mechanismus zu pflegen, nur bad news als good news wahrzunehmen.

Ärgerlich ist, dass solche koalitionäre Krisenbewältigung enorm viel Arbeitszeit absorbiert, die dringender für konstruktive Politik benötigt würde.

Bundestag:

Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (15/4035) vom 27.10.2004, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/15/040/1504035.pdf

Protokoll der Bundestagsdebatte vom 28.10.2004 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/15/15135.pdf#P.12393

Protokoll der Aktuellen Stunde am 15.12.2004 unter http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/15/15147.pdf , S. 13760 ff.


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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