Verzicht auf „Bombodrom“ ist eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit

Von: Webmaster amFr, 20 August 2004 16:07:03 +01:00
Anlässlich einer weiteren Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt/Oder gegen die militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide, erklären Winfried Nachtwei, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und verteidigungspolitischer Sprecher, und Cornelia Behm, brandenburgische Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Sprecherin der Arbeitsgruppe Ost:

Der juristische Marathon geht weiter: Kaum hat Verteidigungsminister Struck verkündet, dass die Bundeswehr den Rechtsstreit gegen die Anwohner der Kyritz-Ruppiner Heide gewinnen wird, untersagt das Oberverwaltungsgericht in Frankfurt in einem weiteren Verfahren die sofortige Inbetriebnahme. Die Ankündigung von Struck und Ministerpräsident Platzeck, das Projekt nach Abschluss der übrigen Eilverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht noch einmal überprüfen zu wollen, müssen die Betroffenen als Provokation empfinden. Zu oft haben ihnen in den vergangenen Jahren Spitzenpolitiker bezüglich des Bombodroms politische Hoffnungen und Versprechungen gemacht, die anschließend bitter enttäuscht wurden.

Der Verzicht auf das „Bombodrom“ ist daher inzwischen weit mehr als nur eine juristische, sicherheitspolitische oder regionalwirtschaftliche Frage: Die Entscheidung für oder wider das Bombodrom ist längst zu einer Frage der politischen Glaubwürdigkeit der Parteien in Ostdeutschland geworden. Wir erwarten daher, dass sich bei der Standortüberprüfung das Primat der Politik durchsetzen und auf die Einrichtung eines Luft-Boden-Schießplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide verzichtet werden wird. Die strukturschwache Region braucht baldmöglichst eine klare zivile Entwicklungsperspektive.

Dies gilt umso mehr, als der sicherheitspolitische Bedarf nicht ersichtlich ist. Im Zeitalter „kinderleichter“ (tragbarer) Luftabwehrsysteme, abstandsfähiger Präzisionsbewaffnung, unbemannter Drohnen und vernetzter Operationsführung ist die Neueinrichtung eines Luft-Boden-Schießplatzes für den Abwurf von frei fallenden „dummen“ Übungsbomben aus niedrigen Höhen eine militärische Absurdität ersten Grades. Hinzu kommt, dass die Bundeswehr einen jährlichen Bedarf von 1.700 Übungseinsätzen angemeldet, im vergangenen Jahr in Siegenburg und Nordhorn jedoch insgesamt „nur“ 764 Übungseinsätze geflogen hat. Durch den Abbau weiterer Flugzeuge wird der Bedarf in den kommenden Jahren weiter sinken. Befürchtungen, dass die Kyritz-Ruppiner Heide mittelfristig zum einzigen Bombenabwurfplatz in Deutschland und zur größten Bombenkippe in Europa werden könnte, sind daher berechtigt.