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Schreiben Nachtweis bezüglich der EUPOL-Mission in Afghanistan

Veröffentlicht von: Webmaster am 23. Juli 2007 15:12:20 +01:00 (87814 Aufrufe)

Mit folgendem Schreiben hat sich Winfried Nachtwei aufgrund äußerst beunruhigender Hinweise bezüglich der EUPOL-Mission in Afghanistan an die Minister Steinmeier und Schäuble gewandt:

Winfried Nachtwei
Mitglied des Deutschen Bundestages
Obmann im Verteidigungsausschuss
Sicherheits- und abrüstungspolitischer Sprecher

Bundesminister des Auswärtigen
Herrn Frank-Walter Steinmeier
Bundesminister des Innern
Herrn Dr. Wolfgang Schäuble

 

Münster/Berlin, 23.07.2007

EUPOL Afghanistan

Sehr geehrter Herr Minister Steinmeier,
Sehr geehrter Herr Minister Dr. Schäuble,

die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland steht mit ihrer Beteiligung an dem multinationalen Stabilisierungs- und Statebuilding-Projekt Afghanistan in einer so breiten, komplexen, andauernden und riskanten Herausforderung, wie wir es bisher nicht kannten. Auch wenn die öffentliche und auch parlamentarische Aufmerksamkeit immer wieder von der Diskussion über die militärische Komponente dominiert wird, so ist uns bewusst, dass die Entscheidung über Erfolg bzw. Misserfolg auf dem Feld von Aufbau und Entwicklung fällt. Hierbei kommt dem Polizeiaufbau eine strategische Schlüsselrolle zu.

Ich bin über den qualitativen und quantitativen Auf- und Ausbau der afghanischen Polizeikräfte zutiefst besorgt und beunruhigt. Die Herausforderungen sind immens. Sie überschritten und überschreiten bei weitem die Mittel und Fähigkeiten, die Deutschland, als verantwortlicher Schlüsselpartner, für den Polizeiaubau bereitstellen konnte und wollte. Deshalb war und ist es grundsätzlich richtig, dass die EU mit EUPOL Afghanistan die Aufgabe übernommen hat. Angesichts des Bedarfs und des Ressourceneinsatzes der USA sind die EUPOL-Mittel und Fähigkeiten jedoch unzureichend.

Ich wende mich heute direkt an Sie, als die für den deutschen Polizeibeitrag verantwortlichen Minister, weil ich im Zuge meiner Reisen und Gespräche äußerst alarmierende Hinweise zum Stand der Polizeimission erhalten habe. EUPOL war gestartet worden, um die Polizeiaufbauhilfe auf mehr Schultern zu verteilen und erheblich, vor allem auch in die Fläche, ausweiten zu können. Auf EUPOL richten sich besondere Erwartungen sowohl auf afghanischer wie auf US-Seite. Nach meinen Informationen besteht die akute Gefahr, dass auch EUPOL dieser Aufgabe nicht gewachsen ist und damit ein Eckpfeiler des internationalen und deutschen Afghanistanengagements bricht. Das würde die anderen Komponenten der Afghanistanpolitik mittelfristig aussichtslos werden lassen.

Als sicherheitspolitischer Sprecher bitte ich Sie um Aufklärung in den folgenden Bereichen:

  1. Ist dem Auswärtigen Amt und dem Bundesinnenministerium bekannt, dass unter den deutschen Polizisten in Afghanistan die „innere Lage" inzwischen äußerst angespannt ist und was unternimmt man, um der Unzufriedenheit entgegenzuwirken?
  2. Wie lautet das detaillierte EU-Mandat und wie das Operationskonzept (CONOPS) für EUPOL AFG? Welche Veränderungen ergeben sich damit gegenüber dem bisherigen Mandat für das Deutsche Polizeiprojektbüro?
  3. Wie ist der Stand und wie die Perspektive des Personalaufwuches bei EUPOL AFG? Wann wurden die verschiedenen Leitungsfunktionen besetzt? Bis wann ist mit der vollen Stellenbesetzung zu rechnen? Trifft es zu, dass für EUPOL vorgesehene Beamte ihre Missionsteilnahme aufkündigten? Wenn ja, um wie viele Beamte handelt es sich dabei und was waren deren Motive? Wie wurden bzw. werden die Lücken geschlossen?
  4. Wie ist die Besoldung bei EUPOL geregelt? Trifft es zu, dass es hierzu vier Wochen nach EUPOL-Start noch keine Regelung gab bzw. eine solche vor Ort nicht bekannt war? Ab wann gibt es eine solche Regelung? Wie ist die Besoldung im Vergleich zur bisherigen Besoldung deutscher Polizisten in Afghanistan bzw. im Kosovo?
  5. Wie ist die Unterbringung der neuen EUPOL-Teilnehmer in Kabul und in den Provinzen geregelt? Inwieweit trifft es zu, dass in Kabul inzwischen das Serena-Luxushotel in Anspruch genommen wird? Trifft es zu, dass andererseits im Norden von der Bundeswehr für die Polizisten mit einjähriger Stehzeit keine Einzelunterbringung mehr bereitgestellt werden kann?
  6. Wieweit ist die Ausstattung von EUPOL mit ausreichend Büroräumen, Computern und Fahrzeugen gewährleistet? Trifft es zu, dass in diesen Bereichen noch massive Defizite bestehen und wer ist für die Bereitstellung verantwortlich? Bis wann sollen die Defizite behoben sein?
  7. Welche Finanzmittel und wie viele Personalkräfte stehen EUPOL für welche Aufgaben zur Verfügung? Ist damit eine wirksame Aufbauarbeit durch EUPOL zu gewährleisten?
  8. Was soll das German Police Project Team mit seinen ca. 10 Beamten und 24 Mio. Euro in 2008 leisten und wie ist das mit EUPOL abgestimmt?
  9. Wie viele Beamte setzen ihre Arbeit aus dem deutschen Polizeiprojektbüro fort? Wie ist der Erfahrungs- und Wissenstransfer vom Dt. Polizeiprojektbüro (GPPO) zu EUPOL gewährleistet? Wie wird die Kompetenz der Kollegen mit längerer Afghanistanerfahrung genutzt?
  10. Wieweit und ab wann nahm EUPOL in den Hauptaufgabenfeldern Ausbildung und Mentoring ihre Tätigkeit auf?
  11. Trifft es zu, dass die EUPOL-Leitung seit etlichen Wochen mit logistischen Fragen absorbiert ist? Verfügt die Leitung von EUPOL neben den fachlichen auch über die kommunikativen und diplomatischen Führungsfähigkeiten, die für die Leitung einer Schlüsselfunktion beim Aufbau vernetzter Sicherheit unabdingbar sind?
  12. Wie begegnen EUPOL und die Bundesregierung den strategischen Herausforderungen,

    (a) dass die US-Seite ein Vielfaches an Finanzmitteln und Personal in den Polizeiaufbau investiert, ein militarisiertes Polizeiverständnisses mit dem Vorrang der Aufstandsbekämpfung vertritt und damit den gesamten Polizeiaufbau dominieren könnte,

    (b) dass die schlecht bezahlte und als korrupt geltende ANP inzwischen Hauptangriffspunkt der Oppositionellen Militanten Kräfte ist und ein 25faches an Opfern im Vergleich zur ANA haben soll, und damit die Nachwuchsgewinnung weiter erschwert wird,

    (c) dass das afghanische Innenministerium noch immer als Hort der Korruption und Kriminalität gilt,

    (d) dass auch in zwei weiteren Bereichen, in denen die EU-Staaten die Federführung übernommen haben - die Reform im Justizsektor und die Bekämpfung des Drogenanbaus - die Erfolge ausbleiben?
  13. Wie viele Beamtinnen und Beamte sind jeweils im Auswärtigen Amt, im Innenministerium und im nachgeordneten Bereich ausschließlich oder überwiegend mit dem Polizeiaufbau Afghanistan betraut? Welche Pläne gibt es, die strukturelle Handlungsfähigkeit Deutschlands im Bereich internationaler Polizeimissionen zu verbessern?

Sehr geehrter Herr Minister Steinmeier,

sehr geehrter Herr Minister Dr. Schäuble,

angesichts der mit diesen Fragen angedeuteten Probleme werden Sie meine Besorgnis nachvollziehen können. Ich bin umso mehr beunruhigt, als sich Hinweise häufen, dass die von mir bisher immer - auch öffentlich - so hoch gelobte qualitative Arbeit des Deutschen Polizeiprojektbüros in der Praxis und auf der Zeitachse erheblich nüchterner zu bewerten ist. Damit stellen sich mir grundsätzliche Fragen der Führung und - gerade auch parlamentarischen - Kontrolle solcher Einsätze. Hier sehe ich erheblichen Handlungsbedarf.

Es ist von hohem Interesse, für die von uns gemeinsam getragene deutsche Afghanistanpolitik, dass die bestehenden Defizite im Polizeibereich so rasch wie möglich beseitigt werden. Eine breite Zustimmung zur Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan hängt auch davon ab, dass die Bundesregierung, die internationale Staatengemeinschaft und die afghanische Regierung im zivilen und polizeilichen Bereich erkennbar alles unternehmen, um einen Militäreinsatz überflüssig zu machen.

Ich bin mir sicher, dass viele Abgeordnete meiner Fraktion und im Bundestag gerne bereit sind, das Auwärtige Amt und das Bundesinnenministerium dabei zu unterstützen, die deutschen und europäischen Fähigkeiten im Bereich internationaler Polizeimissionen substanziell zu verbessern.

Mit besten Grüßen

Winfried Nachtwei


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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