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Rede von Winfried Nachtwei zum Haushalt des Bundesministeriums für Verteidigung

Veröffentlicht von: Webmaster am 26. November 2008 23:40:16 +01:00 (73710 Aufrufe)

In seiner Rede zum Einzelplan 14 im Rahmen der Haushaltsdebatte befasste sich Winfried Nachtwei unter anderem mit der Frage, in wieweit Bundesverteidigungsminister Jung einen Ansatz der vernetzten Sicherheit  verfolgt. Hier seine Rede:

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat der Kollege Winfried Nachtwei von Bündnis 90/Die Grünen.

Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der ersten Lesung dieses Haushaltsentwurfs hat Kollege Bonde kritisch zu verschiedenen Einzeltiteln Stellung bezogen, vor allem zu einigen sehr fragwürdigen und besonders teuren Rüstungsprojekten. Ich möchte zu einem anderen Punkt Stellung nehmen.

Herr Minister, Sie stellen seit mehr als zwei Jahren den Begriff der vernetzten Sicherheit immer wieder in den Vordergrund. Dieser ist bekanntlich in die entsprechenden Dokumente der NATO eingegangen. Internationale Krisenbewältigung im Auftrag der Vereinten Nationen ist Auftrag und Einsatzrealität der Bundeswehr.

Uns ist bekannt, dass heutige Konflikte militärisch nicht zu lösen sind, erst recht nicht durch militärische Siege, sondern nur durch das Zusammenwirken der verschiedenen diplomatischen, militärischen, polizeilichen und zivilen Akteure. Deshalb ist der Ansatz der vernetzten Sicherheit in der Tat eine Schlüsselvoraussetzung für erfolgreiche Krisenbewältigung und Gewaltminimierung.

Der Anspruch ist richtig. Wie steht es um die Wirklichkeit? Ich nenne als erstes Beispiel eine Mission, die wir vor zwei Jahren durchgeführt haben. In diesen Tagen jährt sich zum zweiten Mal die Wahl von Joseph Kabila zum Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo. Dass die Wahl damals überraschend friedlich ablief, war unter anderem der damaligen EU-Mission zu verdanken. Aber was ist aus diesen Hoffnungstagen geworden? Im Ostkongo tobt weiterhin, gerade gegen die Zivilbevölkerung und vor allem gegen Frauen, exzessive Gewalt. Dort herrscht seit vielen Monaten eine Hölle auf Erden. Alle, die dort waren, haben das gesehen. In der letzten Zeit, seit August, ist die Gewalt im Osten wieder eskaliert. Es droht tatsächlich der Rückfall in den großen Kongo-Krieg.

Gestern wurde der neueste Bericht von Human Rights Watch zu den Menschenrechtsverletzungen der kongolesischen Regierung veröffentlicht. In dem Zusammenhang wird von Staatsterrorismus gesprochen. Von Präsident Kabila wurde die Devise ausgegeben: Zerquetscht die Gegner! - Weit mehr als 500 Menschen sind diesem staatlichen Terrorismus zum Opfer gefallen.

Wir müssen feststellen: Der Entwaffnungsprozess, die Reform des Sicherheitssektors, der Aufbau der Polizei und die Reform der Armee - diese wichtigen Ansätze der Europäischen Union sind gescheitert. Wir alle erinnern uns noch an die sehr großen Worte von vor zwei Jahren über die sicherheitspolitischen Interessen Europas und die humanitäre Verantwortung. Ja, sie waren richtig. Aber offenkundig waren sie von der Staatengemeinschaft, von der Europäischen Union und auch von der Bundesregierung nicht ernst gemeint. Ich muss feststellen, dass die Staatengemeinschaft, die Europäische Union und die Bundesregierung die fantastische Zivilgesellschaft, die im Kongo lebt und arbeitet, politisch im Stich gelassen haben und dass der Kongo zu einem politisch-moralischen Desaster einer Sicherheitspolitik mit umfassendem Anspruch geworden ist.

Zweites Beispiel: Afghanistan. Manche mögen erleichtert sein, dass das Afghanistan-Mandat jetzt verlängert wurde. Aber das ist kein Grund zum Ausruhen. Auf der einen Seite wissen wir, also diejenigen, die mehr mit Afghanistan zu tun haben, welche Fortschritte es in der Tat gibt. Sie sind unverkennbar und eindeutig; das sollte man nicht unter den Scheffel stellen.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auf der anderen Seite werden die Warnzeichen schlimmer und beunruhigender. Ich nenne als Beispiel nur die Sicherheitsvorfälle, also Anschläge, Gefechte und Raketenüberfälle. Die Zahl der Sicherheitsvorfälle hat sich gegenüber dem Vergleichszeitraum des vorigen Jahres verdoppelt. Fast noch wichtiger ist die Frage, wie die Stimmung im Lande ist, wie es um Angst und Einschüchterung steht. Hier bekommen wir verschiedene Meldungen, die zeigen, dass Angst und die Distanz zu den Internationalen eindeutig zunehmen.

Schließlich lautet der Auftrag von ISAF, ein sichereres Umfeld zu schaffen. Inzwischen ist die Tendenz in weiten Landesteilen leider gegenläufig. Im nächsten Jahr müssen wir wegen der Wahlen mit einer Verschärfung der Situation rechnen. Die Frage an die Bundesregierung lautet: Was tut sie zusammen mit ihren Partnern, um diese negative Dynamik aufzuhalten und möglichst umzukehren? Ich appelliere ausdrücklich an Sie: Nutzen Sie die relative Winterruhe, um neue ressortübergreifende Initiativen und Anstrengungen zu entwickeln, und warten Sie nicht darauf, bis Obama bzw. die neue US-Administration kommt, die zwar neue Chancen bietet, aber auch Ansprüche stellen wird.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Der Ansatz der vernetzten Sicherheit muss sich in Strukturen und Fähigkeiten abbilden. Aber wie sieht das konkret aus? Ein gemeinsames integriertes Lagebild bei Krisenengagements - Fehlanzeige. Gemeinsame Planung im Vorfeld - Fehlanzeige. Gemeinsame Wirkungsanalysen als Antwort auf die Frage, was dabei herauskommt - Fehlanzeige. Hie und da gibt es zwar eine Evaluation, aber keine gemeinsame Wirkungsanalyse.

Mit der Bundeswehrtransformation wird das ehrgeizige Ziel verfolgt, dass in einigen Jahren bis zu 14 000 Soldaten gleichzeitig bei bis zu fünf Stabilisierungseinsätzen über längere Zeit eingesetzt werden können. Wenn von Stabilisierungseinsätzen die Rede ist, dann stellt die Staatsaufbauunterstützung einen zentralen Bereich dar. Das bekommt man nicht einfach mit gutem Willen hin oder indem man bei einer Telefonkonferenz verschiedene Polizeidienststellen fragt, wer denn mal Zeit hat bzw. wer entbehrlich ist. Nein, so geht es nicht. Vielmehr muss man sukzessive entsprechende Fähigkeiten aufbauen und besonders qualifiziertes Personal zur Verfügung stellen, das schnell einsatzbereit ist.

Die EU hat in diesem Zusammenhang bemerkenswerterweise sogenannte zivile Planziele 2008 und 2010 für zentrale Bereiche der Unterstützung des Staatsaufbaus aufgestellt. Wir haben in diesem Zusammenhang bei der Bundesregierung nachgefragt, wie das auf bundesdeutscher Ebene aussieht. Denn wenn die EU so etwas macht, dann müssen doch auch wir solche Planziele entwickeln. Aber Fehlanzeige! Das hält man nicht für notwendig.

Der umfassende Ansatz von vernetzter Sicherheit wird von Ihnen, Herr Minister Jung, im Mund geführt. Mir ist aufgefallen, dass die Bundeskanzlerin in der ersten Beratung des Haushaltes und auch heute diesen Begriff ebenfalls aufgenommen hat. Von anderen Ressortministern - ich habe das genau beobachtet - werden Sie mit diesem Anspruch beschwiegen. Das muss man so feststellen.

Was folgt daraus? Der Ansatz umfassender vernetzter Sicherheit ist offenbar in der Bundesregierung nicht angekommen. Das ist nicht nur ein fundamentaler Mangel, sondern das verdunkelt zugleich die Chancen der Tausenden von Diplomaten, Soldaten, Polizisten und Entwicklungshelfern, die sehr verdienstvolle und gute Arbeit in den Krisenregionen leisten, erfolgreich tätig zu sein. Dazu sind wir verdammt noch mal verpflichtet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP - Hans Raidel [CDU/CSU]: Sind Sie jetzt für den Haushalt oder dagegen?)


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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