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Rede von Winfried Nachtwei zur "Sicherheit der Atomwaffen in Büchel"

Veröffentlicht von: Webmaster am 25. Juni 2008 13:00:47 +01:00 (68903 Aufrufe)
Folgende Rede hielt Winfried Nachtwei im Deutschen Bundestag zur "Sicherheit der Atomwaffen in Büchel":
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Der Kollege Winfried Nachtwei hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.

Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen hat das Bundeskabinett die Antwort auf die Große Anfrage der Grünen zur nuklearen Abrüstung beschlossen. Üblich ist, dass man diese Antwort direkt zugestellt bekommt. Bis zur Minute haben wir sie nicht bekommen. Ich sage ausdrücklich: Dies ist ein parlamentsunfreundlicher Akt.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Der Untersuchungsbericht der US-Luftwaffe ist im Hinblick auf die Sicherheitsmängel, die festgestellt wurden, in der Tat beunruhigend. Dieser Untersuchungsbericht hat daran erinnert, was der Auslöser war: Sechs Atomsprengköpfe waren im vorigen August 36 Stunden lang außer Kontrolle; sie waren sozusagen Irrläufer. Außerdem wird in diesem Bericht der Blick auf etliche andere Vorfälle gerichtet, die es in diesem Zusammenhang gegeben hat. Diese Sicherheitsfrage betrifft nicht nur die Amerikaner, sondern auch die Europäer und Deutschen. Wie bereits angesprochen worden ist, lagern in Büchel in der Eifel in der Nähe einer Rollbahn Atomwaffen. Über das Internet sind Informationen darüber mittlerweile leicht zu bekommen.

Ich habe mit der Frage der Atomwaffen seit inzwischen 40 Jahren zu tun. Anfangs war dies der Fall, als ich Soldat in einer deutschen Atomwaffeneinheit war; die Pershing-Ia war damals auf unseren heutigen Verbündeten Polen gerichtet. Man kann durchaus sagen: Es ist fantastisch, was sich seitdem geändert hat. Unser Mechanismus im Kopf damals war die totale Verdrängung, nach dem Motto: Wenn es losgeht, ist sowieso alles aus.

Ich muss sagen: Bei mir hat es erst ein paar Jahre später gefunkt; erst dann habe ich wahrgenommen, dass dieses Land mit Atomwaffenlagern und mit Atomwaffenträgern vollgestellt war. Da ist mir deutlich geworden, was für ein organisierter Wahnsinn das war. „Atomare Heimatverteidigung" wurde vorbereitet und geplant.

Eine andere Erfahrung, die ich gemacht habe, betraf die systematische Verdrängung, die sich hinter der Geheimhaltung versteckte. Ich selbst habe in einem Feuerwehrausschuss mitbekommen, dass die Atomwaffenlager - im Umfeld von Münster gab es zwei - in den Katastrophenplanungen einfach kein Thema waren. Ist diese Haltung überwunden? Ich habe da große Zweifel.

Dass die großen Atomwaffenarsenale aus Westeuropa inzwischen zum größten Teil verschwunden sind, ist sehr erfreulich. Aber es hat sich einiges gehalten.

Erstens: die gnadenlose Verdrängung. Ich habe wirklich den Eindruck: Mittlerweile wissen wir mehr über Atomwaffenlagerstätten in Russland - dort sind zum Teil Deutsche - als über Atomwaffenlagerstätten im eigenen Land. Es ist absurd.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN und bei der LINKEN)

Zweitens. Die Rechtfertigungen waren schon damals schwach und sehr problematisch; sie hatten - bei aller ethischen Fragwürdigkeit - aber immer noch eine gewisse Plausibilität. Heutzutage sind sie noch schwächer. Herr Staatssekretär, Sie haben hier von „glaubwürdiger Abschreckung" geredet: Wen wollen Sie mit diesen taktischen Atomwaffen denn abschrecken?

(Uta Zapf [SPD]: Uns selbst!)

Das ist wirklich Unsinn. Gott sei Dank haben Sie diesen Teil Ihrer Rede vorgelesen. Wenn Sie an dieser Stelle frei gesprochen hätten, dann hätten Sie das niemals so gesagt.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Stichwort „bündnispolitisch notwendig": Seit 2005 ist das US-Atomwaffendepot Ramstein geräumt. Nach diesen Waffen kräht heute kein Hahn mehr. Man erinnere sich außerdem an die Signale aus der US-Administration, darauf könne schon längere Zeit verzichtet werden. Nicht einmal diese Signale werden aufgenommen. Ihre Haltung ist Unsinn. Ich erspare mir, einen deutlicheren Ausdruck zu verwenden.

In Wirklichkeit schadet dieses Festhalten an der nu-klearen Teilhabe - das ist heute besonders wichtig festzuhalten -, dem deutschen Eintreten für eine glaubwürdige Nichtverbreitungspolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Unsere Erfahrung im Unterausschuss „Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung" ist, dass dieses Festhalten immer wieder einen Makel hinsichtlich eines glaubwürdigen Eintretens für die Nichtverbreitung darstellt. Hinzu kommen die ethische und die völkerrechtliche Ebene. Bundeswehrsoldaten dürfen selbstverständlich keine Waffen einsetzen, die unterschiedslos wirken und die vor allem Zivilsten treffen. Deshalb dürfen sie auch keine Antipersonenminen einsetzen.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

In der Taschenkarte „Humanitäres Völkerrecht", die vom Bundesverteidigungsministerium herausgegeben wird - Herr Staatssekretär, Sie haben uns vor wenigen Tagen die Ausgabe 2008 zugesandt; vorher gab es nur die Ausgabe 2006 -, sind die verbotenen Kampfmittel aufgeführt. Dort steht drin, dass der Einsatz von Atomwaffen für Bundeswehrsoldaten verboten ist.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Was heißt das im Klartext? Diesen Einsatz zu üben, ist rechtswidrig. Wer solche Übungen anordnet, handelt noch rechtswidriger.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN, bei der FDP und der LINKEN)

Ich habe den Minister vor einer Woche aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen: null. Er wird von Journalisten gefragt: null. Dies ist ein Kopf-in-den-Sand-Stecken vor eminent wichtigen rechtlichen Fragen. Im Rahmen der Inneren Führung verlangen wir von den Soldaten, dass sie sich rechtmäßig verhalten. So liederlich wie Sie mit dem Recht umzugehen, schadet der Inneren Führung.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Herr Kollege, Sie müssten zum Schluss kommen.

Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):

Ja, ich komme dann zum Schluss.

Es ist schon mehrfach gesagt worden: Die taktischen Atomwaffen sind ein Relikt des Kalten Krieges. Im Bereich der Chemiewaffen machen wir die Erfahrung, dass es dort erfolgversprechend weitergeht. Die Bundesrepublik unterstützt wirksam Chemiewaffenvernichtungsanlagen in Russland wie sonst kein anderer. Dies ist ein wirklich gutes Beispiel dafür, wie man bei den taktischen Atomwaffen weitermachen kann. Das wäre ein wichtiger Schritt zur weiteren nuklearen Abrüstung, um von uns aus wieder etwas mehr Schwung in die nukleare Nichtverbreitung hineinzubringen.

Wer dieser Position auf der Veranstaltung in Büchel am 30. August Rückhalt geben will, der sollte das tun. Das kann - nicht alle können physisch anwesend sein, aber möglichst viele - in der einen oder anderen Form geschehen.

Danke schön.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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