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Artikel von Winfried Nachtwei für Zeitschriften u.ä.
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"Mehr deutsche Polizei bei UN-Friedenseinsätzen!" Mein Standpunkt im Themenheft "UN-Polizeiarbeit" der Zeitschrift VEREINTE NATIONEN der DGVN

Veröffentlicht von: Nachtwei am 11. Mai 2015 15:32:50 +02:00 (46758 Aufrufe)

In diesem Jahr sollte und könnte die Beteiligung deutscher Polizeibeamter an UN-Friedenssicherung an Gewicht gewinnen. Das Themenheft der Zeitschrift der Dt. Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) liefert dazu wertvolle Beiträge - z.B. ein Interview mit Stefan Feller, Leitender Polizeiberater des UN-Generalsekretärs.

Themenheft zur „UN-Polizeiarbeit“

 der Zeitschrift „VEREINTEN NATIONEN“ der

Dt. Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), 2/2015

Seit den sechziger Jahren arbeiten PolizistInnen in UN-Friedenseinsätzen – mit stark steigender Tendenz. Deutsche Polizeibeamte sind seit 1989 dabei. Die Polizeikomponente hat bei Friedenseinsätzen und der Förderung von Rechtsstaatlichkeit inzwischen eine Schlüsselrolle. Von Öffentlichkeit und Politik wird das bisher viel zu wenig wahrgenommen. Nach der Anhörung von Innenausschuss und Unterausschuss Zivile Krisenprävention am 3. November 2014 sind die nächsten notwendigen Schritte offenkundig.

Dass der dritte „Tag des Peacekeepers“ am 10. Juni 2015 im neuen Bundesinnenministerium stattfindet, unterstreicht die unverzichtbare und wachsende Rolle von Polizeibeamten bei internationaler Friedenssicherung.

Autoren des Themenheftes sind

Philipp Rotmann, Global Publiv Policy Institute (GPPi) in Berlin

Stefan Feller, leitender Polizeiberater des UN-Generalsekretärs und Leiter der Abteilung UN Polizei in der Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze (DPKO)

Steffen Eckard, LMU München, DFG-Forschergruppe International Public Administration

Winfried Nachtwei, Co-Vorsitzender Beirat Zivile Krisenprävention/AA, Vorstandsmitglied der DGVN und bei „Lachen Helfen e.V.“ (Initiative von Soldaten und Polizisten für Kinder in Krisen- und Kriegsgebieten)

Mark Shaw, Centre of Criminology Uni Kapstadt, Direktor der „Global Initiative against Transnational Organised Crime“

Günter Maihold, Prof., stellv. Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik/SWP

Sebastian Wolf, PD Uni Konstanz, Ko-Organisator des Wissenschaftlichen Arbeitskreises von Transparency International

Links zu den einzelnen Beiträgen des Themenheftes und früherer Hefte

http://www.dgvn.de/meldung/un-polizei-auf-schwieriger-mission/

Zum Standpunkt „Mehr deutsche Polizei in UN-Friedenseinsätzen!“ von Winfried Nachtwei

http://www.dgvn.de/veroeffentlichungen/publikation/einzel/mehr-deutsche-polizei-in-un-friedenseinsaetzen/ Fotos dazu unter www.facebook.com/winfried.nachtwei

Hier die erweiterte Fassung:

Deutsche Polizei in UN-Friedenseinsätzen:

sehr gefragt, politisch vernachlässigt – für einen neuen Schub

Winfried Nachtwei

Deutsche Uniformierte kamen zum ersten Mal bei einer UN-Mission 1989 zum Einsatz: Es waren 50 Beamte des damaligen Bundesgrenzschutzes und 30 DDR-Volkspolizisten im Rahmen von UNTAG zur Unterstützung des Unabhängigkeitsprozesses in Namibia. UNTAG gilt als eindeutig gelungene Mission.

Erstmalig begegnete ich deutschen Polizisten im Ausland 1996 in Mostar bei der von Hans Koschnik geleiteten WEU-Mission. Seitdem traf ich immer wieder auf sie – auf dem Balkan, in Afghanistan und anderswo. Uns Mitgliedern des Verteidigungsausschusses war früh bewusst, wie elementar der Aufbau einer verlässlichen Polizei (und Justiz) für nachhaltige Sicherheit in einem Konfliktgebiet und den Abzug internationaler Peacekeeping-Truppen ist. Durchgängig erfuhr ich die deutschen Polizistinnen und Polizisten als sehr professionell, umsichtig und respektvoll im Umgang mit ihren örtlichen Kollegen.

Inzwischen nahmen über 9000 Polizeivollzugsbeamte (PVB) von Bund und Ländern an ca. 30 Friedenseinsätzen von UN, EU und OSZE teil. Sie haben international einen hervorragenden Ruf. Stefan Feller aus NRW, oberster Polizeiberater des UN-Generalsekretärs, ist das prominenteste Beispiel dafür.

Doch der gute Ruf deutscher Polizisten ist kein Grund zu politischer Selbstzufriedenheit! Es mangelte bisher nicht an qualifizierten Freiwilligen. Es fehlte immer wieder an dem klaren politischen Willen. Exemplarisch dafür stehen die ersten Jahre der deutschen Polizeihilfe für Afghanistan. Die Lead-Rolle beim Aufbau der afghanischen Polizei wurde mit viel zu wenig Personal wahrgenommen. Der Bundestag debattierte erstmalig im November 2007, also sechs Jahre nach Start, über diesen Schwerpunkteinsatz. Zurzeit sind 150 PVB in Friedenseinsätzen, davon 19 in fünf UN-Einsätzen[1] – ein historischer Tiefststand. Im Mai 2001 waren es 550 PVB (davon 318 bei UNMIK im Kosovo).

Der Rückgang wird begründet mit der Reduzierung der Einsätze im Kosovo und Afghanistan. Er steht zugleich in krassem Gegensatz zum steigenden Bedarf an Polizisten in Friedenseinsätzen und zum Gelöbnis der Bundesregierung zu mehr deutscher Verantwortung bei internationaler Krisenbewältigung.

Mit dem Aufgabenwandel von UN-Friedensmissionen hat auch die Polizeikomponente enorm an Bedeutung gewonnen. Von 35 Polizisten im Jahr 1988 wuchs sie über 7.400 Anfang 2006 auf 12.500 im Januar 2015 (mandatiert sind über 15.000) in 13 Friedenseinsätzen und fünf politischen Sondermissionen. Der Grund liegt auf der Hand: Wo Militär im besten Fall kriegerische Gewalt eindämmen und militärische Ausbildungshilfe leisten kann, sollen internationale Polizisten, Rechtsstaats- und Verwaltungsexperten zu Sicherheitssektorreform, nachhaltiger staatlicher und Bürgersicherheit, zu verlässlicher Staatlichkeit in fragilen Staaten beitragen. Dies geschieht durch die Entsendung individueller PVB einschließlich Spezialisierter Teams (4.200 im November 2014) und geschlossener Polizeieinheiten (8.350, mit exekutiven Funktionen).

Die Missionen werden kleiner und immer komplexer. Aufgabenschwerpunkte verlagern sich vom Mentoring zu hoch qualifizierter Beratung. Benötigt werden mehr Spezialisten, weniger Generalisten. Das stelle hohe Anforderungen an die Qualität und Flexibilität der Beamten.

Am 20. November 2014 beschloss der UN-Sicherheitsrat in seiner Resolution 2185, Polizeiarbeit als festen Bestandteil in die Mandate der Friedenssicherungseinsätze und besonderen politischen Missionen der UN aufzunehmen. Wo hierzulande die Rede ist von einer „Welt aus den Fugen“, repräsentiert die Resolution einen geradezu sensationellen globalen inhaltlichen Konsens: Differenziert und umfassend entwickelt sie ein rechtsstaatliches, bürgernahes Polizeiverständnis, betont einen einheitlichen Polizeiansatz der UN und fordert die Mitgliedsstaaten nachdrücklich auf, „professionelles Polizeipersonal zu stellen, das über die Kompetenz, die Ausrüstung und die Erfahrung verfügt, die zur Durchführung der Missionsmandate, ggfs. einschließlich mehrdimensionaler Friedenssicherungsmandate, erforderlich sind“.

In der deutschen sicherheitspolitischen Community ist grundsätzlich anerkannt, dass internationale Verwendungen und Friedenseinsätze inzwischen zu den Kernaufgaben moderner Polizei gehört. In der Politik und Öffentlichkeit insgesamt ist das aber noch keineswegs angekommen. Polizeiliche Auslandseinsätze finden bisher kaum Beachtung.

Nach jahrelangen Rufen in der Wüste mehren sich in jüngster Zeit die Stimmen für ein stärkeres deutsches Engagement bei Polizeimissionen: Der Koalitionsvertrag von Union und SPD verspricht, man wolle die rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen für den Einsatz von Polizisten in Friedensmissionen über eine Bund-Länder-Vereinbarung verbessern. Die gemeinsame Anhörung von Innenausschuss und Unterausschuss zivile Krisenprävention des Bundestages am 3. November 2014 brachte einen politischen Schub.

Prioritäten sind demnach:

- Mehr internationale Verantwortung Deutschlands muss sich in einer verstärkten Unterstützung von UN-Friedenseinsätzen niederschlagen. Dass Deutschland bisher UN-Friedenseinsätze personell nur minimal unterstützt, ist friedenspolitisch kurzsichtig und dumm. Angesichts heutiger Konflikteskalationen ist der globale Dialog- und Kooperationsrahmen der UN wertvoller denn je.

- Die strategische Aufgabe Förderung legitimer Staatlichkeit ist zentral angewiesen auf verlässliche Polizeiaufbauhilfe. Bund und Länder müssen klarstellen, dass polizeiliche Auslandseinsätze zu den Kernaufgaben der deutschen Polizeien gehören. Der Bund muss definieren, was mit deutschen Polizeibeiträgen und Schwerpunkten bewirkt werden soll. Bisher blieb es zu oft bei Symbolpolitik und Verzettelung.

- Notwendig ist ein nationales Planziel „internationale Polizeieinsätze“, orientiert an der EU-Zielgröße von 910 Polizisten aus Deutschland. Angesichts des Aufgabenzuwachses und der Stellenkürzungen bei der Polizei ist der Bund umso mehr in der Pflicht, die Entsendekapazität der Länder im höheren Dienst und bei Spezialisierungen zu unterstützen. Voraussetzungen sind zu schaffen für die Entsendung von Spezialisierten Teams und „junger Pensionäre“ in Führungsfunktionen.

- Dringend zu überwinden ist die bisherige konzeptionelle Leerstelle auf dem Feld internationaler Polizeimissionen. Konzeptionelle Kompetenz, Erfahrungssicherung und Missionsevaluierung brauchen endlich einen Ort, z.B. einen Lehrstuhl an der Deutschen Hochschule der Polizei.

Die Chancen, die deutschen Polizeibeiträge zu Friedenseinsätzen insbesondere der UN signifikant zu steigern, sind 2015 so gut wie lange nicht. Lt. Körber-Umfrage vom Mai 2014 befürworteten 75% der Befragten ein stärkeres deutsches Engagement bei der Ausbildung von Polizei und Sicherheitskräften.

Weitere aktuelle Beiträge zu Polizei in Friedenseinsätzen

- „Diamanten deutscher Außenpolitik“ – Fachtagung „20 Jahre Bund-/Länder-AG Internationale Polizeimissionen“ am 13. Juni 2014 in Bonn, Juli 2014 (www.nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1299 )

- „Die UN – die einzige Alternative zum Krieg“: Die Chancen der UN viel besser nutzen,

(http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1315 ); unter dem Titel „Die unterschätzte Macht“ leicht gekürzt erschienen in Publik-Forum 18/2014, 26. September 2014, www.publik-forum.de

- Gelungener zweiter „Tag des Peacekeepers“: Internationale Verantwortung ganz praktisch – von den Medien leider wieder weitgehend negiert, 15. Juni 2014

- Von Namibia in die Welt – 25 Jahre polizeiliche Auslandseinsätze. Lebhafte Feierstunde für Teilnehmer an polizeilichen Auslandsverwendungen in 2013 am 2. April 2014 in Berlin, Bericht

2013

- Parlamentarische Begleitung und Kontrolle bei Internationalen Polizeimissionen, Impulsreferat (erweitert) auf einer Tagung der Evang. Akademie Loccum, November 2013

- Kurzbericht von der Tagung „Schutzleute als Friedensmacht? Wie können deutsche Polizisten internationale Friedenseinsätze effektiv unterstützen?“ an der Evang. Akademie Loccum  Anfang Dezember 2013

- Berichte und Beiträge von W. Nachtwei zu Polizei in Friedenseinsätzen 1996-2014, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1322



[1] 130 PVB in acht EU-Einsätzen und im bilateralen German Police Project Team in Afghanistan mit 45 Beamten


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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