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Artikel von Winfried Nachtwei für Zeitschriften u.ä.
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"Vernetzte Sicherheit" in der Kontroverse

Veröffentlicht von: Nachtwei am 9. Dezember 2011 18:49:14 +01:00 (184126 Aufrufe)

"Vernetzte Sicherheit" gilt seit einigen Jahren als zentrale Handlungsmaxime vor allem für staatliche Akteure bei internationalen Kriseneinsätzen. Viele NGO`s und Hilfsorganisationen sehen diesen Ansatz eher skeptisch. Im Beirat "Zivile Krisenprävention" im Auswärtigen Amt hielt W. Nachtwei hierzu ein Kurzreferat mit klärender Absicht. Die Zusammenfassung ...

Input von W. Nachtwei zum Themenkomplex

„Vernetzte Sicherheit" (VSi) beim

Beirat Zivile Krisenprävention im Auswärtigen Amt am 10.10.2011

 

1. Vernetzte Sicherheit in der Kontroverse: VSi wird von verschiedenen Akteuren sehr unterschiedlich bis gegensätzlich wahrgenommen, interpretiert, bewertet. Begünstigt wird dies durch die sehr allgemeine „Definition" im Weißbuch der Bundesregierung (2006), wo von einer „Konzeption" VSi keine Rede sein kann:  „1.4  Vernetzte Sicherheit

Nicht in erster Linie militärische, sondern gesellschaftliche, ökonomische, ökologische und kulturelle Bedingungen, die nur in multinationalem Zusammenwirken beeinflusst werden können, bestimmen die künftige sicherheitspolitische Entwicklung. Sicherheit kann daher weder rein national noch allein durch Streitkräfte gewährleistet werden. Erforderlich ist vielmehr ein umfassender Ansatz, der nur in vernetzten sicherheitspolitischen Strukturen sowie im Bewusstsein eines umfassenden gesamtstaatlichen und globalen Sicherheitsverständnisses zu entwickeln ist. (...)"

Im Umsetzungsbericht 2008 der Bundesregierung zum Aktionsplan Zivile Krisenprävention stehen VSi und Zivile Krisenprävention ungeklärt nebeneinander. VSi ist vom Anspruch her zentrales Handlungsprinzip der Bundesregierung. Insider beklagen demgegenüber seit Jahren die Kluft zwischen Rhetorik und Praxis. Die Rede ist von VSi als „Leerformel". Viele Hilfsorganisationen und entwicklungspolitische NGO`s sehen in VSi demgegenüber die Gefahr,  für staatliche und militärische Interessen vereinnahmt zu werden, die eigene Unabhängigkeit zu verlieren. Ich beobachte Tendenzen zur Lagerbildung, zu friedens- und sicherheitspolitischem Auf-der-Stelle-Treten. In jüngster Zeit häufen sich aber die Publikationen und Foren zum Thema. (s. am Schluss) Damit könnten die Chancen zu mehr Klärung zu wachsen.

2. Ansatz von VSi nicht erst und nur im Weißbuch: Begriffsumfeld von Comprehensive Approach, Whole-of- Government-Approach, 3D, Wiener 3C Appell, Zivil-Militärische Zusammenarbeit etc.. Förderung von Kohärenz und Kooperation bei der Krisenbewältigung ist nichts Neues. Grunderfahrungen schon länger z.B. bei UN-Missionen, Krisenprävention und Friedenssicherung: die Wirksamkeitsgrenzen der verschiedenen Akteure - militärischer wie ziviler -, keiner schafft`s allein, die Notwendigkeit der anderen.

Gesamtkonzept und Aktionsplan Zivile Krisenprävention (2000, 2004) sollten gerade das Zusammenwirken der verschiedenen Akteure fördern.

3. Schlüsselfragen: VSi wofür? Vernetzung von wem und wie? Wirkungen + Nutzen? Hemmnisse + Grenzen?

3.1 Zielklärung und Konsenserkundung: Die Frage des Zusammenwirkens stellt sich erst, wenn Ziele zumindest teilweise übereinstimmen und Aufträge sich überlappen bzw. ergänzen. Gibt es diesen partiellen Zielekonsens nicht, erübrigt sich alles weitere, stehen Vernetzung und Zusammenwirken nicht zur Debatte.

Hilfreich wäre, über den Tellerrand der bundesdeutschen Diskussion hinauszublicken und sich darauf zu besinnen, was sich im Rahmen der UN-Staatengemeinschaft als Beschluss-Konsens herauskristallisiert hat. So im Bericht der „Hochrangigen Gruppe für Bedrohungen, Herausforderungen und Wandel" von 2004 und im Abschlussdokument des Weltgipfel 2005. Hier gehören staatliche und menschliche Sicherheit zusammen, ist nationale in internationale kollektive Sicherheit eingebunden. Geht es in einer Krisenregion also um Gewalteindämmung und -verhütung, Peacekeeping, Stabilisierung und Sicherheitsunterstützung im UN-Auftrag? Oder nur um die Verteidigung nationaler Sicherheit + Interessen unabhängig von kollektiver Sicherheit? Um bloße Ressortunterstützung (z.B. militärischer Operationen) oder um einen tatsächlich umfassenden Ansatz? Geht es um bestmögliche Vernetzung/Kooperation für gemeinsame Ziele, im Rahmen eines demokratisch legitimierten Auftrags?

3.2 Wer + Wie: Vorsicht vor der Verengung auf einen Dualismus Militär-NGO`s! Reale Akteursvielfalt bis -schwemme auf verschiedenen Ebenen: auf nationaler Ebene staatliche Akteure/Ressorts, staatliche-nichtstaatliche Akteure; unter nichtstaatlichen Akteuren (Ziv-Ziv); dito. auf internationaler Ebene (auch Mil-Mil) und lokaler Ebene der Krisenregion.

Jenseits eines uninformierten und unkoordinierten Neben- bis Gegeneinander verschiedene Grade an Vernetzung/Zusammenwirken: von bewusster/abgestimmter Nichtkooperation über Infoaustausch bis Koordination/Kooperation (ad hoc, strukturiert) und integriert.

Staatliche Akteure (z.B. AA, BMVg, BMZ, BMI) sind grundsätzlich zur Vernetzung/Koope-ration verpflichtet. Die Stärke von Hilfsorganisationen und NGO`s liegt gerade in ihrer Unabhängigkeit/Neutralität. Ihre ersten Kooperationspartner sind die örtliche Bevölkerung und ihre Repräsentanten. Gegenüber externen staatlichen Akteuren kann es Vernetzung/Zusammen-wirken sinnvoll nur auf der Basis von Freiwilligkeit, Respekt und Partnerschaftlich geben.

3.3 Erfahrungen je nach Ebene + Perspektive unterschiedlich, bisher in Deutschland keine systematische Auswertung von Krisenengagements + VSi dabei; Ergebnisse der Ressort-Umfrage der ZIF-AG liegen inzwischen vor.

3.4 Hemmnisse: Konzeptionelle Unklarheit + konträre Interpretationsmöglichkeiten (Verhältnis Aktionsplan - Weißbuch, „Illusion Statebuilding"); Strategieschwächen + Führungsdefizite; unterschiedliche Akteursmandate, Ziele, Interessen und Zeithorizonte; verschiedene Organisationskulturen, -gewichte und „Sprachen"; mangelnde Interakteurskompetenzen und unausgewogene (Kooperations)Kapazitäten und Ressourcen; Diskrepanzen zwischen den „Drei Arenen" (Schlichte/Veit 2010); Partikularinteressen (Zuständigkeiten, Besitzstandwahrung), zu wenig „vom Auftrag/Einsatz/Wirkung her Denken"; überzogene Erwartungen, Risiko eines überproportionaler Koordinationsaufwandes.

4. Umsetzungsbeispiele: GB, DEU, FR; USA, NL, UN, EU (vgl. SWP-Aktuell 22, S. Weiss, H-J Spanger, W.van Meurs (eds.): Diplomacy, Development and Defense: A Paradigm for Policy Coherence, Gütersloh 2009)

5. Schlussfolgerungen: Bei aller Ernüchterung - wo Kooperationsmöglichkeiten dank Zielekonsens bestehen, aber nicht genutzt werden, schmälert das Wirkung, kostet Geld, Zeit, ggfs. Menschenleben. Notwendig sind deshalb

-         Konzeptionelle Klärungen (Präzisierung des Umfassenden Ansatzes, Weiterentwicklung Aktionsplan/ressortübergreifende Friedens- und Sicherheitsstrategie, Statebuilding, SSR), politische Führungsverantwortung (umfassende Mandate)

-         Ausgewogenere diplomatische, entwicklungspolitische, polizeiliche und militärische Kapazitäten und Ressourcen

-         Dialog + Interaktion: Respekt, Partnerschaftlichkeit, Kooperationsverpflichtung staatlicher Akteure, NGO-Freiwilligkeit

-         Ausbildung + Üben von Interakteurskompetenz, Klarheit über Stärken + Grenzen verschiedener Akteure, Öffnung von Organisationskulturen, Diversity Management

-         Ressort-/akteursgemeinsame Strukturen (Frühwarnung, Lage, Lessons Learned)

Foren (unvollständig)

-          Bundestags-Unterausschuss Zivile Krisenprävention + VSi

-          Bundesakademie für Sicherheitspolitik/BAKS („umfassend - vernetzt - strategisch"): Seminar für Sicherheitspolitik u.a.; explizit zu VSi zuletzt Expertengespräch „5 Jahre VSi" am 5.12.2011, AG ZMEiK in Folge der Tagung von BAKS und Evang. Akademie Bad Boll im Juni 2011

-          Zentrum Internationale Friedenseinsätze/ZIF, explizit AG VSi

-          Plattform Zivile Konfliktbearbeitung + Evang. Akademie Villigst

-          VENRO

-          CIMIC-Zentrum Bundeswehr in Nienburg

-          Politisch-zivil-militärische Übungen wie „Common Effort" beim GE-NL Korps in Münster September 2011, Viking/NATO

-          Ausbildungsmodul „Zivile und Militärische Interaktion im Rahmen der Friedenskonsolidierung", 14.-18.11.2011 an der Führungsakademie der Bundeswehr Hamburg (Grundkonzept erstellt durch GTZ 2010)

-          AG VSi Konrad-Adenauer-Stiftung

-          Institut für Sicherheitspolitik an der Uni Kiel: Projekt „Counterinsurgency - Erfahrungen, Strategien und Aussichten unter besonderer Berücksichtigung des ressortübergreifenden Ansatzes" 2011

Publikationen (Auswahl)

-          Hans-Georg Ehrhart: Zivil-militärisches Zusammenwirken und vernetzte Sicherheit als Herausforderung deutscher Sicherheitspolitik: Der Fall Afghanistan, in: Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik 4/2011

-          Jochen Hippler: Strategische Grundprobleme externer politischer und militärischer Interventionen - unter besonderer Berücksichtigung der Krisensituationen des Nahen und Mittleren Ostens, INEF-Report 103, Duisburg November 2011

-          Sabine Jaberg: Vernetzte Sicherheit? Phänomenologische Rekonstruktion und kritische Reflexion eines Zentralbegriffs im Weißbuch 2006, Hamburg 2009

-          Claudia Major/Elisabeth Schöndorf: Umfassende Ansätze, vernetzte Sicherheit - Komplexe Krisen erfordern effektive Koordination und politische Führung, SWP-Aktuell 22, 4/11

-          Marius Müller-Hennig/Bodo Schulze/Natascha Zupan: Entwicklung in unsicheren Gefilden, FriEnt Briefing Nr. 10, März 2011

-          Klaus Naumann: Strategiefähigkeit durch Vernetzung? Zur Realisierbarkeit von Sicherheitsvorsorge und nachhaltiger Sicherheitspolitik, Vortrag beim Symosium „Der Comprehensive Approach - Ein Weg zu nachhaltiger Sicherheit?" Haus Rissen und 1. Dt.-Ndl. Korps 30.6.-1.7.2011

-          August Pradetto: Zivil-militärische Zusammenarbeit und Comprehensive Approach im Kontext post-bipolarer Weltordnungspolitik, Studien zur Internationalen Politik, Hamburg, Heft 2/2011

-          Klaus Schlichte/Alex Veit: Drei Arenen - Warum Staatsbildung von außen so schwierig ist, 2010

-          VENRO-Stellungnahme zur Ausschreibung des BMZ zur NRO-Fazilität Afghanistan im Rahmen des Titels „Förderung privater deutscher Träger", Bonn Juni 2010

-          Wiener 3C Appell - Koordiniert, komplementär und kohärent agieren in fragilen Situationen - Grundsätze und Ziele der Abstimmung von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren - Empfehlungen, Wien 2009

-          Andreas Wittkowsky/Jens Philip Meierjohann: Das Konzept der VSi: Dimensionen, Herausforderungen, Grenzen, ZIF Policy Briefing April 2011,

-          Andreas Wittkowsky, Wanda Hummel, Jens Philipp Meierjohann, Tobias Pietz (AG Vernetzte Sicherheit): Vernetztes Handeln auf dem Prüfstand: Einschätzungen aus deutschen Ressorts, ZIF Policy Briefing November 2011

-          Workshop-Dokumentation: Nachhaltigkeit im Konfliktkontext - Militärische und zivile Akteure im Gespräch, Bad Boll Mai 2010

-          Bündnis 90/Die Grünen: Ressortübergreifende Friedens- und Sicherheitsstrategie entwickeln, Bundestagsantrag Drs. 17/6351 vom 29.6.2011

-          BMVg: Konzeptionelle Grundvorstellungen zum militärischen Beitrag zur Herstellung von Sicherheit und staatlicher Ordnung in Krisengebieten (KGv COIN), Bonn 2010

-          BMVg: Entwurf Besondere Anweisung ZMZ/Ausland 2/2011

-          Sonderheft Zeitschrift. für Außen- und Sicherheitspolitik „5 Jahre VSi" erscheint 2012, Nomos-Schriftenreihe/Website VSi,

 


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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