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Nachtwei: Erkundung in Kongo-Kinshasa - Erfahrungen, Schlussfolgerungen

Veröffentlicht von: Webmaster am 9. Mai 2006 08:26:44 +01:00 (48937 Aufrufe)

Zusammen mit Christian Ströbele besuchte Winfried Nachtwei vom 18. - 23. April 2006 die Demokratische Republik Kongo. Im Anschluss verfasste er folgenden Erfahrungsbericht (Ströbeles Bericht findet sich hier):

Winfried Nachtwei, MdB
Sicherheits- und abrüstungspolitischer Sprecher
Bündnis 90 / Die Grünen im Bundestag

April 2006

Erkundung in Kongo-Kinshasa -

Erfahrungen, Schlussfolgerungen

Vom 18.-23. April 2006 besuchten Christian Ströbele und ich die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo Kinshasa. An den ersten beiden Tagen führten wir alle Gespräche zusammen mit der FDP-Kollegin Elke Hoff. C. Ströbele, der vor zwei Jahren schon mal in der Region war, reiste anschließend weiter in den Ostkongo. Ziel unserer Reise war, im Vorfeld der Bundestagsentscheidung über eine deutsche Beteiligung an der geplanten EU-Mission den Stand des Wahl- und Friedensprozesses zu eruieren, Informationen und Meinungen zu der EU-Mission einzuholen (Akzeptanz, Sinn, Machbarkeit, Verantwortbarkeit) und die politischen Prioritäten nach der Wahl zu diskutieren. Für mich, der ich bisher nur in Somalia, Tunesien und Namibia war, kam das unmittelbare Interesse hinzu, die Geographie, die Menschen, den Verkehr, das Klima in Kinshasa unmittelbar zu erleben. Trotz grundsätzlich positiver Haltung zur EU-Mission („wir wollen unterstützen können", vgl. mein Papier vom 16. März) lag mir an einer echten Erkundung vor Ort, eingeschlossen die Möglichkeit, mit einer ablehnenden Haltung zurückzukehren.

Mit Hilfe der Botschaft und GTZ konnte ein breites Spektrum an Gesprächspartnern gewonnen werden - von (Ex-)Warlords bis zu starken einheimischen und internationalen Peacebuilders. Konkret waren es Außen- und Verteidigungsminister, die Vizepräsidenten Bemba und Ruberwa, der stellv. politische Chef von MONUC Haile Menkerios (der Eritreer wirkt schon länger am kongolesischen Friedensprozess mit), der stellv. Leiter der politischen Abteilung von MONUC Albrecht Conze, VertreterInnen von UNHCR, UNICEF, von Menschenrechtsorganisationen, der zivilen EU-Missionen EUPOL und EUSEC (Beratung für Polizei- und Armeeaufbau), kongolesische Abgeordnete, VertreterInnen von NGO`s und Zivilgesellschaft, Misereor, deutsche MitarbeiterInnen in internationalen Organisationen und der GTZ, Deutsche mit vieljähriger Kongo-Erfahrung. Parallel zu uns befand sich in den ersten beiden Tagen eine EU-Delegation in Kinshasa, bestehend aus dem EU-Sonderbeauftragten für das Afrika der Großen Seen, Aldo Ajello, den künftigen Kommandeuren der EUFOR-Gesamt-operation, Generalleutnant Viereck, und des Force Headquarters in Kinshasa, dem franzö-sischen General Damay. Über die GTZ konnte ich am letzten Tag allein noch mehrere Projekte zur Erosionsbekämpfung, zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen und ein Demobilisierungscamp für ehemalige Milizionäre besuchen.

Die Kongo-Mission war zehn Tage später zentrales Thema bei Gesprächen der Obleute des Verteidigungsausschusses bei den VN in New York und insbesondere beim Departement for Peace Keeping Operations.

Zusammenfassung:

  1. Praktisch alle wollen Wahlen! Die Erwartungen sind sehr hoch. Die Dynamik der zivilgesellschaftlichen Wahlvorbereitung ist enorm. Mit landesweiten Mobilisierungs- und Aufklärungskampagnen wird die Bevölkerung auf die Wahlen vorbereitet, die mit 50.000 Wahllokalen und 250.000 Wahlhelfern in diesem verkehrstechnisch desolaten Land eine gigantische logistische und politische Herausforderung sind.
  2. Explizite Stimmen gegen die EU-Mission bekamen wir praktisch nicht zu hören. Die Regierenden äußerten Einverständnis, Abgeordnete, zivilgesellschaftliche Akteure und Mitarbeiter von internationalen Organisationen befürworteten die Mission ausdrücklich, allerdings mit klaren Auflagen: keine bloße Evakuierungsmission! Strikte Neutralität - ja nicht Schutztruppe für Kabila und andere Machthaber. Manche wünschten über den bekannten Abschreckungsauftrag hinaus auch Schutz der Kandidaten durch die EU-Mission im ganzen Land.
  3. Einzige explizit andere Stimme war der alte Führer der größten demokratischen Oppositionspartei UDPC, Etienne Tshisekedi: Er nennt seit der Fristüberschreitung vor einem Jahr das Referendum und die Wahlen illegal, ruft zum Boykott auf und fordert Dialog. Zu welchen Themen und mit welchen Zielen sagte er nicht. Dass gerade dieser Politiker außerhalb des Wahlprozesses steht, ist tragisch und ein gewisser Unsicherheitsfaktor. Am meisten Anhänger hat die UDPC in Kinshasa und Kasai, allerdings mit abnehmender Tendenz, wie es heißt.
  4. Gesprächspartner mit langer Kongo-Erfahrung sagten übereinstimmend, dass schon eine sehr kleine professionelle Truppe hohe Abschreckungswirkung erzielen könne. Als erstes Beispiel dafür wird immer wieder die EU-Mission Artemis von 2003 genannt, die überwiegend von französischen Soldaten getragen wurde. (Mitgedacht werden muss, dass diese Truppen sehr entschlossen waren und nicht zögerten zu schießen.)
  5. Absehbare Risiken: Insgesamt wurde das Risikoniveau deutlich niedriger als z.B. in Afghanistan eingeschätzt. Europäische - und besonders deutsche - Truppen haben einen großen Vertrauensvorschuss. Einzelrisiken sind (a) vor allem Regierende, die noch über Bewaffnete verfügen (Präsident Kabila mit seiner „Präsidialgarde" und Vizepräsident Bemba), (b) das schwer einschätzbare Potenzial des Wahlboykotts, (c) Strassenkinder, die für Unruhen instrumentalisiert werden können, (d) schwer kalkulierbare Bewegungsfreiheit am Boden in den Massenquartieren der 7-Millionen-Stadt und bei starken Regenfällen (Unpassierbarkeit durch Überschwemmungen), (e) kurzfristige Stimmungsumschwünge und Eskalationen bei entsprechenden Zwischenfällen, (f) gesundheitliche Risiken.
  6. Anforderungen an die EU-Truppe: Sie soll keineswegs - wie manche flüchtige Formulierung suggeriert - die einzige oder Hauptkraft der Wahlabsicherung sein.
    • Sie soll „vierte Reihe" sein angesichts sehr unterschiedlich verlässlicher Reihen eins bis drei. Die vorderste Linie sind die Wahlhelfer und lokalen wie internationalen Wahlbeobachter (bisher mehr als 20.000 lokale und 100-200 internationale). Die erste Reihe der Wahlabsicherung ist die Polizei, die bisher nur in Gestalt der von EUPOL ausgebildeten Integrierten Polizeieinheiten einigermaßen funktionsfähig ist. Die zweite Reihe der kongolesischen Armee FARDC ist wegen miserabler bis fehlender Ausstattung, Besoldung und Ausbildung überwiegend unzuverlässig, ja die Hauptbedrohung für die Bevölkerung. Auch die bisher sechs integrierten Brigaden sind längst nicht funktionsfähig. Die dritte Reihe ist MONUC, die in den Hauptkrisenregionen des Ostens konzentriert, in der Hauptstadt aber nur schwach aufgestellt ist.
    • Die Truppe muss wirklich neutral sein, darf auf keinen Fall Schutztruppe z.B. für Kabila sein; und sie darf nicht prioritär auf Evakuierung ausgelegt sein. Wären diese beiden Bedingungen nicht erfüllt, wäre das für den ganzen Wahl- und Friedensprozess kontraproduktiv und eskalationsfördernd. Ein Antrag der Bundesregierung muss solches ausschließen. Andernfalls wäre er nicht zustimmungsfähig.
    • Für den Dreifachauftrag (Abschreckung von Wahlstörern mit Macht + Ermutigung der WählerInnen, Notfallunterstützung für MONUC außerhalb Kinshasa, ggfs. Evakuierung) müssen die Kräfte ausreichend dimensioniert und möglichst flexibel einsetzbar sein, um glaubwürdig und durchsetzungsfähig zu sein. Die bisher „gehandelten" ca. 1.500 Soldaten können wohl nur die reinen Einsatzkräfte sein. Einschließlich der verschiedenen Unterstützungskomponenten wird der Gesamtansatz wohl höher sein müssen. (Bisher gilt die Faustformel, dass auf einen Einsatzsoldaten drei in den verschiedensten Unterstützungs- und Führungsfunktionen kommen.) Bisher ist nicht nachvollziehbar, wie mit ca. 500 Mann in Kinshasa, die wegen Erholungszeiten auch nur zum Teil auf der Straße sein können, neben der Stabilisierungsaufgabe in der Hauptstadt noch die Notfallunterstützung im Land geleistet werden soll. Das deutsche Kontingent sollte aus Gründen der Einsatzerfahrung und Fähigkeiten grundsätzlich auf den Raum Kinshasa begrenzt sein. Zugleich kann diese räumliche Begrenzung nicht absolut gelten. Führungskräfte - z.B. deutsche Offiziere aus den Headquarters - und Luftfahrzeugbesatzungen müssen sich auch außerhalb Kinshasa bewegen können. Alles andere würde den multinationalen Einsatz behindern und die deutsche Beteiligung daran entwerten. Fazit: Im Sinne einer glaubwürdigen Wahlabsicherung ist es sinnvoll, die Kontingente besser großzügiger als zu knapp zu bemessen und besser mehr Unterstützung außerhalb Kinshasas als zu wenig zu ermöglichen.
    • Die mir bisher bekannten Elemente des zentralen Teilauftrages Stabilisierung + Objektschutz in Kinshasa (Fernhalten potenzieller „Wahlrevisoren" von machtrelevanten Objekten) erscheinen mir schlüssig.
    • Angesichts der hohen bis überhöhten Erwartungen gegenüber der EU-Truppe ist eine Öffentlichkeitsarbeit im umfassenden Sinne notwendig: Die Operation muss sichtbar und beeindruckend beginnen, ohne Antistimmungen zu provozieren. Vorherige und begleitende Öffentlichkeitsarbeit vor allem über Radio muss den Auftrag klar machen und das Bündnis mit der Zivilgesellschaft suchen. Der MONUC-Radiosender Okapi bietet da eine gute Ausgangsplattform.
  7. Die bisher insbesondere von der FDP genannten Alternativen zur EU-Mission sind Scheinalternativen und laufen auf ein „ohne mich - lass mal die anderen machen" hinaus:
    • MONUC-Verstärkung: die ist grundsätzlich nötig, im Moment und kurzfristig illusorisch, weil gerade zweimal im Sicherheitsrat abgelehnt. Wer das glaubwürdig fordern will, muss aber auch bereit sein, dafür ein Bundeswehr-Kontingent auf Dauer zu stellen. Ich halte das für nicht leistbar!
    • Mehr Polizei: In Exekutivfunktion müssten Frankreich, Italien usw. liefern. Deutschland wäre wg. fehlender Kräfte für geschlossenen Einsatz im Ausland aus dem Schneider. Eine Verstärkung der Polizeiberater erfolgt sowieso (Verdoppelung) und wirkt weniger kurz- als mittelfristig.
    • Verweigerung einer deutschen Beteiligung, wie z.B. vom Kasseler Friedensratschlag gefordert: Die EU-Mission käme nicht zustande; MONUC wäre vor allem den Risiken in Kinshasa nicht gewachsen; das Risiko von Wahlstörungen bis Putschversuchen und damit eines Rückfalls in kriegerische Auseinandersetzungen wäre erheblich höher; die breite Zivilgesellschaft im Kongo würde massiv entmutigt. Das Risiko, dass die hohen EU-Investitionen in den Wahlprozess und MONUC zu verlorenen Investitionen würden, würde erheblich steigen.
  8. Nach den Wahlen: Die bisherige Fixierung der deutschen Diskussion auf die Wahlen, gar nur auf die EU-Mission oder den Bundeswehranteil daran, ist kurzsichtig und provinziell. EU und Deutschland müssen gerade nach den Wahlen am Ball bleiben und vor allem auf vier Feldern verlässliche Unterstützung leisten: verstärkte Fortsetzung bei der Sicherheitssektorreform (Polizei, Armee, Justiz), an der sich die Bundesrepublik (wieder) aktiv mit Personal beteiligen muss; Verkehrsinfrastruktur (Eisenbahn!); gutes Regierungsführung und Korruptionsbekämpfung - und als schwierigste Herausforderung - die Rückgewinnung der Kontrolle über die kongolesischen Bodenschätze für Staat und Gesellschaft von den nationalen und internationalen Räubern. Ohne die Verstetigung des europäischen Engagements bliebe die EU-Mission eine teure Aktion „Wasserschlag", geeignet zur Abkühlung und Deeskalation in einer heißen Situation, aber nicht mehr.
  9. Die Bundesregierung nimmt vor allem in Gestalt des Verteidigungsministers ihre internationale Verantwortung und politische Führungsaufgabe ausgesprochen dilettantisch war. Statt zügig eine eigene klare Position zu beziehen, wirkte sie mehr als Getriebene und Schwankende zwischen Erwartungen auf internationaler Ebene und Abwehrhaltung in den eigenen Reihen. Die Öffentlichkeitsarbeit ist schwammig und formelhaft. Die verbreiteten Zweifel an der EU-Mission werden dadurch eher verstärkt als entkräftet. Unzureichend waren vor allem ihre Anstrengungen, die Öffentlichkeit nach Jahren des internationalen Wegsehens gegenüber dem opferreichsten Krieg nach dem Zweiten Weltkrieg von der besonderen Bedeutung und Chance des Friedensprozesses im Kongo zu überzeugen.
  10. Neue Koalitionen für Kongo: Der „afrikanische Weltkrieg" im Kongo war der Spitzenreiter der „vergessenen" Konflikte. EntwicklungspolitikerInnen, NGO, Hilfsorganisationen, Kirchen und regional zuständige Journalisten hatten immer große Mühe, Aufmerksamkeit für diesen schwer durchschaubaren Konflikt zu finden und die Mauern der Gleichgültigkeit zu überwinden. Offenbar finden viele komplizierte Konflikte hierzulande erst ein breiteres Interesse in Politik und Öffentlichkeit, wenn deutsche Soldaten involviert sind. Dieses Fenster der Gelegenheit sollte von allen genutzt werden, denen die Friedensförderung im Kongo am Herzen liegt bzw. denen die zentrale Bedeutung einer friedlichen Entwicklung des Kongo bewusst ist. Interesse und Engagement für Kongo mit den Kongolesen zu fördern, muss Priorität haben - und nicht das Schaulaufen der bloß kritischen Wortmeldungen. Ein Großteil der aktuellen deutschen Kongo-Diskussion erschöpft sich darin.
  11. Sicht der VN-Peacekeeping-Abteilung sowie deutscher + österreichischer VN-Akteure: Nachdem eine MONUC-Verstärkung im Sicherheitsrat abgelehnt wurde, ist die EU, die hier den Ruf großer VN-Verlässlichkeit hat, der einzige Ausweg, eine glaubwürdige Abschreckungsmacht gegen Wahlverlierer zu organisieren. Dass dies alles von französischer Seite mit spezifischen Interessen angestoßen worden sei, wird bestritten. Ausdrücklich gewarnt wird vor verweigerter Wahlabsicherung: Wenn dann die Wahlen „daneben gehen" würden, hätte das viel größere Kosten zur Folge. Insgesamt wird eine zu große Zögerlichkeit der Europäer bei VN-geführten Missionen konstatiert. Damit werde das politische Gewicht dieser Missionen geschmälert und die Last der Risiken weitgehend auf Dritte-Welt-Länder abgeschoben. (Zeitgleich eskaliert eine Haushaltskrise bei der VN, die ab Juli ihre Handlungsfähigkeit infrage stellen kann!)

Reisebericht Kongo-Kinshasa

Der Anflug auf Kinshasa bestätigt zunächst alle düsteren Erwartungen: Über dem Kongo durchfliegen wir hoch getürmte und aufgewühlte Wolkengebirge, müssen fünfmal über Kinshasa kreisen, Gewitterblitze zucken, ein Regenbogen strahlt. Beim Landeanflug liegt besiedeltes Land weitestgehend im Dunkeln, unterbrochen nur von wenigen Lichtquellen. Erst bei der Landung wird das Flackern vieler kleiner offener Feuer sichtbar. Außerhalb der Maschine umfängt uns schwüle Wärme. Auf der Fahrt mit den Botschaftswagen durchqueren wir auf dem Boulevard Lumumba den Riesenslum Masina mit seinen ca. 2 Millionen Bewohnern: In der Düsternis rechts und links Massen an Menschen, kleine Verkaufsplätze sind schwach von Gasfunzeln erhellt. Zerbeulte bis schrottreife Kleinbusse mit lückenhafter Beleuchtung quellen über von Passagieren. Ein VW-Bus nimmt mindestens 20 Personen mit, auch auf der Stoßstange. Menschen schlagen sich von der einen Straßenseite zur anderen durch den chaotischen Verkehrsstrom durch. Ampeln und Zebrastreifen gibt es hier nicht.

Das Hotel liegt dann in der anderen Welt von Gombe, dem Viertel der Botschaften, Regierungsgebäude südlich vom Kongo-Fluss. Diese Gebäude sind alles (Hoch-)Sicherheitszonen. Am Kongo liegen die Residenzen in Traumlage am Fluss. Der Blick geht rüber nach Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo.

Zur Lage in der DRC und zur EU-Mission allgemein

Der kongolesische Staat verfügt über 560 Mio. US-$ Einkünfte, vergleichbar einer kleineren deutschen Großstadt. Davon sind 58% international finanziert. Seit Mobutu ist die Kleptokratie regelrechte Staatsphilosophie. Die Familie des Präsidenten Kabila soll ca. 1 Mrd. $ angehäuft haben. So wird z.B. vom Etatposten für Militärgehälter ein Großteil vorher abgegriffen. Bei den Soldaten kommt eher selten der Mini-Sold von 10 $/Monat an - 50 $ wären notwendig. Damit ist ihr plünderisches Verhalten vorprogrammiert. Dieser Typ Militär kommt dem des 30-jährigen Krieges sehr nah. Die FARDC schafft keine Sicherheit, sondern Unsicherheit. Milizen sind manchmal eine Art „Heimwehr" gegen die Armee.

Die Verkehrsinfrastruktur ist desolat. Überregionale Straßenverbindungen gibt es nicht. Für die einzige „Hauptverbindungsstraße" im Westen zwischen Kinshasa-Kikwit braucht man für 520 km mindestens zwei Tage. Bei großem Regen wird alles unpassierbar. Verstopfte Abwassergräben in der Stadt führen schnell zu Überschwemmungen. Im Stadtgebiet sehen wir immer wieder Eisenbahngleise, die offenbar lange keine Züge mehr gesehen haben.

Ende 2003 lag das jährliche Prokopfeinkommen bei 99 US-$, ein Viertel des Niveaus von 1960. Die DRC gehört zu den zehn ärmsten Ländern der Welt und könnte zu den fünf reichsten Schwarzafrikas gehören. Die reichen Bodenschätze im Osten und Südosten werden im Interessen vielfältigster Interessen, nur nicht der kongolesischen Bevölkerung, ausgebeutet: von Uganda in Ituri (Gold), von Ruanda in Nord-/Süd-Kivu (Zinnerz, Coltan), von Sambia aus Katanga (Kupfer, Kobalt), von internationalen Bergbaugesellschaften, vermehrt von russischen und chinesischen Interessen. (Vgl. den Bericht des Oppositionspolitikers Christoph Lutundula im Auftrag des kongolesischen Übergangsparlaments vom Juni 2005; Bericht eines Experten-Panels der VN über die illegale Ausbeutung natürlicher Ressourcen in der DRC vom Oktober 2002) Deutsche Investitionen in der DRC liegen bei ganzen 13,5 Mio. $ und werden massiv durch die allgemeine Rechtlosigkeit behindert.

Mit der im Februar 2006 in Kraft getretenen neuen Verfassung soll die Macht des Präsidenten beschnitten werden zu Gunsten der 26 Provinzen mit ihren eigenen Einkünften, Provinzversammlungen und gewählten Gouverneuren.

Vom VN-Haushalt gehen ungefähr 50% in Peacekeeping, davon 1/5 in MONUC als größte VN-Mission. Katanga schafft MONUC schon nicht mehr. Der VN-Sicherheitsrat lehnte eine weitere Brigade für Katanga ab. Die halbe Brigade uruguayischer Blauhelme reiche gerade für Eigenschutz und Evakuierung. Für die Sicherheit in der Hauptstadt bringe sie nichts. Wenn es Wahlfälschungen und Chaos gebe, hat MONUC zwei Alternativen: (a) Abzug aus Kinshasa, (b) Verstärkung in Kinshasa durch Abzug aus dem Osten.

Die EU-Mission sei kein solcher militärischer Einsatz wie bei Artemis, wo völlige Anarchie und Massaker wüteten. Es gehe viel mehr darum, von gewaltsamen Wahl"korrekturen" im Machtzentrum abzuhalten, Putschisten so lange zu isolieren, bis sie aufgeben. Es geht ausdrücklich nicht um Kontrolle der (mindestens) 7-Millionenstadt oder den Einsatz gegen Demonstranten, gegen die keine Soldaten mit Kriegswaffen helfen. Die Anforderung nach der EU-Truppe kam logischerweise nicht von den Regierenden Kongos, sondern von den Strategen des VN-Departement for Peacekeeping-Operations in New York.

Botschafter Reinhard Buchholz, der nach etlichen Posten in Afrika reichlich Erfahrung mit Krisen- und Kriegssituationen hat, betont, wie wichtig eine zeitliche und räumliche Begrenzung der EU-Mission sei. Ansonsten gerate man schnell in einen Sumpf.

Zum Bericht Teil 2.