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Zivile Konfliktbearbeitung und Friedensförderung

+ Artikel von Winfried Nachtwei für Zeitschriften u.ä.
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"Krieg verhüten, stabilen Frieden fördern!" Mein Beitrag zu ziviler Konfliktbearbeitung in der Arbeitshilfe der Dt. Bischofskonferenz zum "Welttag des Friedens"

Veröffentlicht von: Nachtwei am 20. Dezember 2016 12:20:17 +01:00 (38961 Aufrufe)

Am 1. Januar 2007 feiert die katholische Kirche rund um den Globus den 50. "Welttag des Friedens". Die Arbeitshilfe dazu steht unter dem Thema "Gewaltlosigkeit - Stil einer Politik für den Frieden". Nach dem Geleitwort von Kardinal Reinhard Marx folgen Beiträge von zehn Autoren, darunter auch dem Generalsekretär der Gemeinschaft Sant´Egidio/Rom.  

Krieg verhüten, stabilen Frieden fördern!

Zivile Konfliktbearbeitung als Baustein deutscher Friedenspolitik

von Winfried Nachtwei, MdB a.D.

(veröffentlicht in: „Gewaltlosigkeit – Stil einer Politik für den Frieden“. Eine Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz zum 50. Welttag des Friedens am 1. Januar 2017. Die Arbeitshilfe: http://www.dbk-shop.de/media/files_public/wqnnfpqldwu/DBK_5291.pdf )

Europa war über Jahrhunderte der Kontinent der Kriege. Nach zwei Weltkriegen und Völkermord gelobten sich 1945 die Völker der Vereinten Nationen, „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren“ (Präambel der UN-Charta). Das Grundgesetz bestimmte 1949, dass die  Bundesrepublik Deutschland „als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden in der Welt dienen“ wolle. Die europäische Integration, die Versöhnung zwischen ehemaligen Kriegsgegnern und das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland schufen eine beispiellose Friedensentwicklung in Europa. Die deutsche Bevölkerung steht seit Jahrzehnten in ihrer ganz großen Mehrheit hinter dem Friedensauftrag des Grundgesetzes und will keinen Krieg mehr.

Trotzdem: In den 90er Jahren kehrte auf dem Balkan wieder Krieg nach Europa zurück. Verantwortliche Politik durfte da nicht wegsehen. Enorm an Bedeutung gewannen seitdem weltweit  innerstaatliche Kriege, Zerfall von Staatlichkeit und eine „Privatisierung“ von Gewalt. Solche Kriege sind Fluchtursache Nr. 1. Bisherige Instrumente der Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit reichten nicht mehr aus. Von der UN beauftragte bewaffnete Friedensmissionen konnten im besten Fall einen Waffenstillstand absichern, aber keinen Frieden schaffen. Notwendig wurden zusätzlich neue Politikansätze und Instrumente der „Zivilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung“.

Vorrang der zivilen Konfliktbearbeitung

Ihr Grundanliegen ist, Krieg zu verhüten, Konflikte ohne Gewalt vorrangig mit zivilen Mitteln zu bearbeiten und zu lösen, Gewalteskalationen zu verhindern und stabilen Frieden zu fördern. Dabei geht es um operative kurzfristige Gewaltprävention in Konflikten (z.B. internationale Beobachter und UN-Sonderbeauftragte)  und strukturbezogene längerfristige Bekämpfung von Konfliktursachen (z.B. schlechte Regierungsführung, Minderheiten-diskriminierung). Die Primärverantwortung für eine friedliche Konfliktbearbeitung liegt bei den Konfliktparteien selbst. Sie kann und sollte aber von außen erheblich unterstützt werden. Für komplexe Konflikte gibt es kein präventives „Allheilmittel“ und keine Erfolgsgarantie.

Die Zivile Konfliktbearbeitung kam Ende der 90er Jahre in Ländern der EU, aber auch in der UN auf die Tagesordnung. In ihren Friedensdenkschriften von 2000 und 2007 betonten die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland den Vorrang der zivilen Konfliktbearbeitung für einen „Gerechten Frieden“. Zivile Konfliktbearbeitung ist praktizierte professionelle Gewaltfreiheit.

In Deutschland wurde ein erstes Handlungsfeld die Arbeit für gesellschaftliche Entfeindung und Verständigung auf dem Balkan. Hier setzt die Initiative für den Zivilen Friedensdienst (ZFD) an, die erheblich von christlichen Friedensgruppen ausging und ab 1998 von der Bundesregierung gefördert wurde. Die ausgebildeten Fachleute des ZFD gehen nicht als Besserwisser in Konfliktgebiete, sondern unterstützen örtliche Friedenskräfte auf deren Anforderung hin. Ihre Stärke ist ihre Nähe zu den Konfliktgesellschaften mit ihren Friedensmachern, ihr langer Atem und ihre Zuversicht. Zurzeit arbeiten rund 300 Fachkräfte in knapp 40 Ländern. Seit Gründung wurden mehr als 1.100 Fachleute entsandt.

Ein zweites Handlungsfeld wurde die Bereitstellung von Zivilexperten für internationale (staatliche) Friedensmissionen von UN, OSZE und EU. Seit 2002  trainiert das Zentrum Internationale Friedenseinsätze (ZIF) in Berlin Fachleute für Wahlbeobachtung und Missionsaufgaben wie Demokratisierung, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Verwaltungsaufbau, Sicherheitssektorreform, Versöhnungsarbeit. Das ZIF gilt als eine der führenden Einrichtungen dieser Art weltweit.

Friedensfähigkeiten

Als weitere neue Instrumente entstanden das Programm „zivik“ zur Unterstützung lokaler Friedensakteure, die Deutsche Stiftung Friedensforschung in Osnabrück, die Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung. Krisenprävention wurde zu einem Schwerpunkt deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Gestärkt wurden deutsche Beteiligungen an Internationalen Polizeimissionen, die beim Aufbau einer rechtsstaatlichen Polizei helfen sollen.

2004 beschloss das Bundeskabinett einen Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“, mit dem das ganze Politikfeld systematisch gestärkt werden sollte. Strategische Ansatzpunkte der zivilen Konfliktbearbeitung wurden die Förderung verlässlicher staatlicher Strukturen und gesellschaftlicher Friedenspotenziale sowie die Sicherung von Lebenschancen in Wirtschaft und Umwelt. Der Aktionsplan beeindruckte mit der Vielfalt an Maßnahmen, die in der Öffentlichkeit oft kaum bekannt sind.

Der Aktionsplan galt in der deutschen und internationalen Fachöffentlichkeit als bedeutender Fortschritt an Friedensfähigkeit. Seine Handicaps waren aber die relative „Unsichtbarkeit“ des Politikfeldes (verhütete Gewalt sieht man nicht), die Widersprüche verschiedener Ressortpolitiken (z.B. Rüstungsexporte in Spannungsgebiete) und seine jahrelang stagnierende finanzielle und personelle Ausstattung. Die zivilen Fähigkeitsrückstände monierten auch einsatzerfahrene Offiziere immer wieder.

Neue Leitlinien „Krisenengagement und Friedensförderung“

Einen neuen Schub bekam die zivile Konfliktbearbeitung in Deutschland mit dem 2010 gebildeten Unterausschuss des Bundestages zum Thema, der Häufung näher rückender Kriege und Krise, dem Review-2014-Prozess des Auswärtigen Amtes und der Bildung der Abteilung „Stabilisierung“. Mit den neuen Leitlinien „Krisenengagement und Friedensförderung“ der Bundesregierung, die im Frühjahr 2017 den Aktionsplan ablösen sollen, soll das deutsche zivile Krisenengagement deutlich mehr Muskeln und Orientierung bekommen. Besonders dringlich sind

- die Etablierung einer integrierten Krisenfrüherkennung und früher ziviler Handlungsfähigkeit,

- die Stärkung von Konflikt-, Chancen- und Wirkungsanalyse in der Bundesregierung und in der Forschung,

- ein besseres Zusammenwirken von Ressorts und gesellschaftlichen Akteuren durch ressortgemeinsame Analyse, Planung, Ausbildung, Übung und Einsatzauswertung,

- ein planmäßiger Aufwuchs an schnell verfügbaren Zivil- und Polizeiexperten (Aufholprogramm),

- die Stimmigkeit (Kohärenz) der Ressortpolitiken und die Beachtung des „do no harm“-Prinzips (Vermeidung nicht-beabsichtigter schädlicher Folgen) durch alle Ressorts und Akteure,

- eine Kommunikationsstrategie, um die vielfältigen Präventionsbemühungen und Friedenschancen bekannter zu machen und über bloße Zustimmung hinaus breite öffentliche und politische Unterstützung zu gewinnen,

- die Stärkung der zivilen Konfliktbearbeitung in der OSZE, der EU, der UN und Regionalorganisationen.

Wo sich Kriege und Krisen in der europäischen Nachbarschaft häufen, ist zivile Konfliktbearbeitung notwendiger denn je. Zum Nulltarif ist sie nicht zu haben. Sie braucht kluge Politik, Investitionen und Fachleute.


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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