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Genauer Hinsehen: Sicherheitslage Afghanistan (Lageberichte + Einzelmeldungen) bis 2019
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6 Wochen vor dem Abzugstermin in Afghanistan: Offensive des US-Außenministers, weiter Welle gezielter Morde an Zivilkräften, SIGAR: "Die Risiken waren nie höher!"

Veröffentlicht von: Nachtwei am 12. März 2021 15:41:57 +02:00 (45141 Aufrufe)

Neueste Nachrichten (2) zum Verhandlungsprozess, zur Unsicherheitslage landesweit von Kunduz bis Kandahar, harter Kommentar von CSIS-Cordesman ("Strategische Triage"), scharfe Warnungen von US-Spitzengeneralen und "2021 High Risk List" des SIGAR. Jetzt zum Zeitraum Mitte Februar bis 17. März 2021.

 6 Wochen vor dem Abzugstermin in Afghanistan: Offensive des US-Außenministers, weiter Mordkampagne gegen zivile Kräfte,

SIGAR: „Die Risiken waren nie höher!“

Aktuelle Nachrichten aus dem Nebel an der Klippe (2)

Winfried Nachtwei (18.03.2021)

„Afghanistaneinsatz auf der Klippe im Nebel“ ist mein Artikel in der „Europäischen Sicherheit & Technik“ 2/2021 überschrieben, den ich am 18. Januar abschloss (

http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1676 )

Hier jüngste Nachrichten zur aktuellen Lage 6 Wochen vor dem im Februar 2020 in Doha markierten Abzugsdatum aller internationalen Truppen aus Afghanistan. (Folge 1, 25.01. – 19.02. unter http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1677 )

Während die Verhandlungen in Doha viele Wochen unterbrochen waren, erlebt Afghanistan eine scharfe Zunahme der Gewalt, insbesondere von gezielten Morden an öffentlichen Bediensteten, Journalisten, zivilgesellschaftlichen Aktivisten, Religionsgelehrten, einflussreichen Persönlichkeiten, Parlamentariern und Menschenrechtsverteidigern. Fast die Hälfte der Anschläge und Morde blieben ohne Bekennernachricht. Im Visier der Mordan-schläge sind also vor allem solche Menschen, die Menschentrechte wahrnehmen, gar für sie eintreten und deutlich im Widerspruch zu den Aufständischen stehen. Die Anonymität sehr vieler Angriffe steigert die Angst und das Misstrauen.

Mit dem Wechsel zu US-Präsident Biden gibt es einen Kurswechsel der USA: Weg von einem Kurs, der keine Rücksicht auf sicherheitspolitische Bedingungen, Verbündete  und Folgen nimmt, hin zu einem Kurs, der rationaler, realistischer ist, die Diplomatie wiederbelebt und gegenüber Verbündeten kooperativ ist. „Durchdacht abziehen“ (FAZ)?

TOLONEWS, 18.03.2021, 4 Civilians Killed as Blast Targets Govt Employees Bus in Kabul: Bei einer Explosion gegen einen Bus für Regierungsangestellte wurden um 7.20 Uhr vier Zivilpersonen etötet und 14 verletzt. Wie bei den vorherigen Anschlägen gab es keine Bekennernachricht.  

Thomas Ruttig / taz 17.03.2013, „Neuer Anlauf für Abzug und Friedenhttps://taz.de/Gespraeche-mit-Taliban-und-Warlords/!5754802/  (Zu der am 18.03. in Moskau stattfindenden Afghanistan-Konferenz und zu einer weiteren im April in Istanbul. Die Delegation der Afghanischen Republik wird von Abdullah Abdullah geleitet, zu ihr gehört auch Ex-Präsident Karzai.) Laut türkischen Außenminister sei diese „nicht als Alternatibe zum Katar-Prozess“ gedacht. „Die Details einer neuen Staatsordnung zu klären, soll nach Friedensschluss und Truppenabzug offenbar weiteren Gesprächen zwischen den afghanischen Fraktionen überlassen werden. Um die Taliban von der neuen Variante zu überzeugen, soll in Istanbul wohl auch eine Übergangsregierung unter Einschluss der Taliban und der afghanischen Worlords entstehen, ihnen allen wird in unterschiedlichem Umfang die Beteiligung an Kriegsverbrechen vorgeworden. Für Präsident Ghani und dessen zunehmend korruptre und auroritäre Regierung wäre es das politische Ende. Aber was dann käme, könnte für die Afghanen noch schlimmer werden. Fraglich ist auch, ob ein Friedensabkommen ohne Truppenüberwachung halten wird.“ 

TOLONEWS, 17.03.2021, SIGAR vor US-Kongress-Ausschüssen: „The Taliban have not significantly changed their high levels of violence, or military and political objectives. (…) Terrorist groups in Afghanistan like Daesh and al-Qaeda, although reduced, remain in the country. (…)

He said that Afghanistan remains exceptionally reliant upon foreign assistance, creating both an opportunity for donors to influence events there as foreign troops depart, adding that “and risks to a potential peace if they reduce assistance too much, too fast, or insist on conditions that cannot be achieved by the parties to the conflict.”

He added that the UN Development Programme estimates that poverty in Afghanistan, defined as income of 2,064 afghanis per person per month (around $1 a day), has increased to 68% from its pre-pandemic level of 55%.“

TOLONEWS, 16.03.2021, „5 civilians, including four women – one of them pregnant – and a child, were killed in an explosion in downtown Kabul that targeted a bus carrying low-ranking employees of two government ministries on Monday afternoon.“

Ihr Bus, der Angehörige des Ministeriums für Telekomunikation und IT transportierte, wurde am Montagnachmittag von einer Minenexplosion  getroffen. Die getöteten Frauen waren Beschäftigte der Ministerien für Erziehung und Information und Kultur sowie der Afghanischen Post, die dem Ministerium für Telekommunikation und IT untersteht. Weitere 15 Zivilpersonen wurden verletzt. Am Vortag waren in Kabul bei zwei Explosionen innerhalb einer Stunde fünf Zivilpersonen getötet und 16 verletzt worden.

Süddeutsche Zeitung, 15.03.2021, „Kabul nimmt Singverbot zurück“, https://www.sueddeutsche.de/politik/afghanistan-taliban-singverbot-1.5234965

LOS ANGELES TIMES, 14.03.2021: Leaving Afghanistan under Trump deal could spur chaos, U.S. commanders say Fighting in Afghanistan will intensify sharply and Taliban militants could threaten major cities unless a Biden administration diplomatic push to end the 20-year conflict yields results in the next two months, according to two senior U.S. commanders. https://www.latimes.com/politics/story/2021-03-14/us-troops-afghanistan-taliban-peace

“If we withdraw and no deal was made with the Taliban, I think the government of Afghanistan is going to be in for a very stiff fight to retain possession” of towns and cities, Gen. Kenneth F. McKenzie Jr., the top U.S. commander in the Middle East, said in an interview Saturday after talks in Kabul. The danger that Afghanistan could rapidly descend into deeper violence and chaos that would allow Al Qaeda to reemerge has led Biden to try to pull off a diplomatic breakthrough, though neither the Afghan government nor the Taliban seems eager to reach a deal.

Army Gen. Austin “Scott” Miller, the top American commander in Kabul, warned that a U.S. withdrawal would leave the Afghan armed forces without vital support, especially for its fledgling air force, which relies on contractors to maintain its planes and helicopters.

“When you start talking about removing our presence … certain things like air, air support and maintenance of that air support becomes more and more problematic,” Miller said in an interview.

All U.S. military personnel and thousands of contractors who help maintain equipment and supply Afghan troops would have to leave the country under the deal former President Trump made with the Taliban. An additional 6,500 military personnel in Afghanistan from NATO and other allies would also probably depart.

Among Afghan soldiers, there is growing resignation that they may have to fight on alone, even with the new U.S. administration seeking to jump start peace talks.

“To me, the Americans have already left. Fighting the enemy is now our own responsibility and we will continue to persevere,” said Mohammad Sediq, 30, the commander of an Afghan army outpost in the eastern province of Laghman.

The base that sits in a broad valley known as Levano Dara was in an area once patrolled by American troops. Now it is defended by 20 Afghan troops and flanked by mountains held by Taliban fighters, who plant bombs on the roads at night.

The road leading from Kabul to the province has become more dangerous, with insurgents high up in the mountains attacking vehicles driving through the valley. Five people in a United Nations convoy were killed when it was attacked on the road in February. (…)

TOLONEWS, 13.03.2021, 11 Sicherheitskräfte in Kunduz und Balkh getötet: Sechs Sicherheitskräfte bei einem Talibanangriff auf einen Außenposten im Distrikt Khan Abad in der Provinz Kunduz getötet, fünf weitere als Geiseln genommen. Im Distrikt Sholgara /Balkh fünf Soldaten getötet und zwei verwundet.

TOLONEWS, 12.03.2021, UN-geleitetes Treffen zu Afghanistan soll im April in Istanbul stattfinden.

TOLONEWS, 12.03.2021, „Prosecutor Killed in Gunmen Attack in Paktia“: Mohammad Hassanyar in seinem Heimatdorf in Gardez in der Provinz Gardez. Bisher keine Bekenner-meldung.   

CSIS, 11.03.2021, Afghanistan: Another Peace to End All Peace? Anthony Cordesman, https://www.csis.org/analysis/afghanistan-another-peace-end-all-peace

Das Erbe der Trump Administration und ein Vergleich mit den Rahmenbedingungen des US-Abzuges aus Südvietnam: Das südvietnamesische Militär sei weit effektiver gewesen als die afghanischen Streitkräfte; seine Regierung sei – trotz aller Schwäche und Korruption – viel effektiver gewesen als der Morast von internen Widersprüchen, Power Brokers und korrupten Führern in der Zentralregierung von Afghanistan. Wenn es eine historische Parallele gebe zwischen der Trump-Politik und früheren Friedensbemühungen, dann sei das wohl das (Münchener) Abkommen zwischen Chamberlain und Hitler zur Tschechoslowakeit vom September 1938. Die Friedensvorschläge von Außenminister Blinken seien eine 180°-Wende gegenüber dem Chamberlain-Ansatz.

Die potentiell fatalen Herausforderungen für einen wirklichen Frieden, wie sie jüngste Berichte des Special Inspector General for Afghhanistan Reconstruction (SIGAR), des Lead Inspector General of the Department of Defense (LIG), der Weltbank, Transparency International, des Long War Journal und vieler NGO`s und Medien belegen. Die Berichte zeigen:

  • „The Taliban is winning in the countryside and are still active in major population centers, including Kabul. It can win the equivalent of guerrilla warfare in the countryside; increase control lines of communication and roads, local courts, and actual governance; and exploit the fact that only a small portion of the Afghan National Army is really effective while the majority is now badly overburdened and can only succeed with U.S. contractors and air support. It has already lost much of its elite air support and drone capabilities.
  • The Afghan forces would have lost major battles in 2019 and 2020 except for the support of U.S. combat advisors and personnel as well as the massive combat air strikes and intelligence support. Many of the forces and facilities involved are now gone, but no unclassified data explain the scale of such cuts.
  • The Taliban not only have kept fighting Afghan government forces, they still have links to Al Qaeda, elements of the Pakistani Army, and even ISIS.
  • The Afghan Army cannot survive without extensive U.S. combat air support, intelligence support, contractor support, and some $3.6 billion a year in outside aid.
  • Reform plans have not ended serious corruption and waste in the armed forces.
  • Figures like 2,500 remaining troops are little more than dishonest nonsense. For all the public affairs statement about the drawdown of troops to 2,500, the ANA cannot function without some 18,000 contractors – 14,000 of which will leave if the U.S. meets the May deadline. The ANA can only maintain 20% of its own equipment in spite of its goal of 80%. The Air Forces depends on contractors for 94% of its maintenance.
  • Serious issues exist about equipment losses and possible transfers to Taliban forces.
  • Real world efforts to create an effective Afghan National Police that can function in contested areas have nearly collapsed as corruption and exploitation are endemic, and the police cannot function without outside contract support. They now maintain only 12% of their equipment and their goal is only 35%. Efforts to create effective local forces that are not corrupt, exploit the population, and/or are dominated by local factions and power brokers have continued to fail.
  • There are no real world indications that the Afghan forces can operate independently by 2024 or at any other predictable time in the future even if the U.S. stays in some form.
  • The Afghan central government is actually a mix of rival power brokers at both the national and regional levels. It requires some $3.3 billion in annual aid to survive, much of which is stolen or wasted.
  • Some data on poverty rates indicate that they have risen from a low of some 38% at the peak levels of international aid to over 68% by the end of 2020. The World Bank has estimated that even with a real peace and with international aid paying for some 80% of government security and civil operations, Afghanistan would need some $5.3 billion more in civil aid to put its economy back on the path to stable development. However, this figure depends on an honest and unified Afghan government pursuing an idealized development plan.
  • Corruption is critical, as are divisions at the provincial, ethnic, and sectarian levels. There are no public data on who really rules in given population centers. Data no longer are reported on the actual level of governance by district, and many districts supposedly under government control only seem to have a limited presence – sometimes not extending beyond the District capital.
  • Official and Taliban links to narcotics trading are also critical – the one real Afghan source of international trade income in a nation with a massive trade imbalance.
  • Foreign aid is often wasted or stolen. A SIGAR study of civil aid contracts shows that less than 20% of spending resulted in effective facilities.
  • The real-world level of medical aid, progress in education, and women’s rights is not publicly quantified and is far more limited than some public reporting suggests.

Strategic Triage: Other Humanitarian and Strategic Priorities Seem to Dominate

These data only cover part of the problems involved, but they provide two grim warnings:

First, no U.S. peace efforts may now be able to succeed because the Taliban has reason to believe that they are winning and that they can transform any peace effort into the equivalent of a military victory by other means.

Second, any U.S. effort to salvage the situation will simply throw good money (and lives) after bad, wasting resources that could be far more effective in dealing with other countries that pose at least as great of a potential threat to the U.S., its allies, and the world as Afghanistan does.

Here, it is critical to remember that the U.S. not only has its own domestic needs, but it faces a far more troubled world – with far more civil conflicts and states that desperately need aid – than it did when it invaded Afghanistan in 2001. Real-world U.S. foreign policy must not be based on pursuing failed crusades. The issue is not how many people will suffer in a given country if the U.S. shifts policy, but rather how many more people will receive credible benefit if the U.S. shifts its resources to more honest and effective regimes that will use its aid effectively.

It is equally critical to remember what the strategic priorities are in terms of U.S. national interests. Here, to be blunt, Afghanistan is not the “graveyard of empires,” it is the graveyard of Afghans. If the U.S. does leave after what should be its last peace efforts and a failed Afghan response, there are many countries that are far more important to the U.S. and that now pose their own threat of extremism or ties to key competitors and threats. The U.S. needs to exercise “strategic triage” – both to serve real world humanitarian interest and its own strategic interests.

Given these realities, the U.S. should pursue the peace plan it has advanced, but it must do so on precisely the conditional level that Secretary Blinken raised in his cover letter to President Ghani. Either the Afghan Central Government now makes a full effort, or the U.S. should leave and end it role in Afghanistan as well as its aid. The U.S. should make it openly clear that the key failures were caused by the Afghan government, and that U.S. aid to other countries and regimes will be strictly conditional in the future. The U.S. made a massive effort. It had its failures, but no outside power can help a government that will not or cannot help itself.

Second, the U.S. should make it clear that regional powers must now try to deal with their neighbor and take on their own responsibilities. There are worse approaches than shifting the burden from whatever emerges in Afghanistan to China, Russia, Iran. and Pakistan.“

(Es folgt der Text des „Afghanistan Peace Agreement“, den Außenminister Blinken der afghanischen Regierung un den Taliban übersandte.)

SPECIAL INSPECTOR GENERAL FOR AFGHANISTAN RECONSTRUCTION SIGAR, Februar 2021,2021 High Risk List(„CONCLUSION: RISKS HAVE NEVER BEEN HIGHER“), https://www.sigar.mil/pdf/spotlight/2021-High-Risk-List.pdf

„However, the path forward for reconstruc-tion—whatever the outcome of current peace negotiations between the Taliban insurgents and the Afghan government—has never been more fraught with risk. The Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) is issuing this High-Risk List3 to bring to the attention of the 117th Congress and the new Administration the following major sources of risk that expose Afghanistan reconstruction efforts to waste, fraud, abuse, mismanagement, or mission failure:

•Increasing Insecurity: Taliban attacks on Afghan security forces have intensified, while Afghan military and civilian casualties remain high, Afghan security forces face critical capability gaps requiring long-term international support, and the NATO Resolute Support train, advise, and assist mission has reduced contact with Afghan security ministries and their forces due to U.S. troop reductions and the COVID-19 pandemic.

•Uncertain Funding for a Post-Peace Settlement: International donors’ aid pledges have declined, and the level of future years’ funding may fall—possibly to levels threatening the viability of the Afghan state—if donor conditions are not met.

•The Need to Reintegrate Ex-Combatants: An Afghan peace agreement could entail massive economic, social, political, and security disruptions as the Afghan government reintegrates ex-combatants from both sides into civil society. Its success will be critical for Afghanistan to achieve lasting peace and stability.

•Endemic Corruption: Afghanistan has long been perceived as one of the world’s most corrupt states, and the government’s anticorruption efforts have suffered from vague strategies and insufficient actions.

•Lagging Economic Growth and Social Development: Afghanistan is poor and suffers from illiteracy, inadequate infrastructure, weak governance, and now heavy impacts from the COVID-19 pandemic.

•Illicit Narcotics Trade: Narcotics production and trade remain at high levels, little impeded by government, fostering corruption and crime while providing significant revenue for insurgents.

•Threats to Women’s Rights: Afghan women and girls have made progress in health, education, legal protections, and participation in public life, but persistent discrimination and possible policy changes by whatever form of government might follow an Afghan peace agreement to undermine their gains.

•Inadequate Oversight: A reduced U.S. civilian and military presence in Afghanistan amid a deteriorating security environment could create new challenges for conducting effective oversight of U.S.-funded programs, grants, and contracts for reconstruction work.“

TOLONEWS, 11.03.2021, „Ghani, Afghan Politicians Divided on Peace Process: Sources - President Ashraf Ghani held a meeting at the Presidential Palace with key Afghan political leaders on Wednesday to discuss the peace process, particularly focusing on the latest peace plan proposed by the US. Sources who attended the meeting said on Thursday there was no broad agreement on a way forward.

According to the sources, consultation between the Afghan political leaders and President Ghani over the peace process will continue, particularly about a potential conference in Turkey. The proposed UN-led conference on Afghan peace in Turkey may take place on March 27, sources close to the Taliban told TOLOnews on Wednesday, but US sources have not confirmed this date. The Afghan government has also not commented on the Turkey conference. (…) https://tolonews.com/afghanistan-170611

TOLONNEWS, 11.03.2021, „AIHRC Reacts to Ban on Schoolgirls' Public Singing“,

Afghanistan Independent Human Rights Commission (AIHRC) in a statement on Thursday said that “the right to education, freedom of expression and access to artistic skills are fundamental rights of all children, without discrimination based on age or gender," reacting to a decision by the Ministry of Education to ban public singing for schoolgirls.

“All boys and girls can exercise their rights equally and freely within the law,” the statement said, adding that “any restriction on the rights and freedoms of children is against the general principles of human rights, the Convention on the rights of the children and the national laws of Afghanistan, in particular the Constitution and the law on the protection of the rights of the children.”

“It is expected that any decision of the Ministry of Education to refuse to allow children to participate in public meetings and programs, to celebrate and welcoming in order to support the principles of freedom, equality and protection of the highest interests of children and not to promote gender discrimination,” it added.

On Wednesday, a decision by the Afghan Ministry of Education to ban girls 12 years old and up from singing the national anthem--or other group songs--in mixed company has been met with a strong backlash from social media users and other critics. The ban would apply to all government and private schools.

Najiba Arian, a spokesperson for the Ministry of Education, confirmed the ban.

Arian said the decision was made following complaints by families over the high burden of studies on the shoulders of the students in high school and middle school.

Based on the decision, girls who are over the age of 12 are only allowed to sing the anthem and other cultural songs at gatherings of women, not in mixed company.

However, critics have described the move as imposing limitations on the civil liberties of women and girls.“ https://tolonews.com/index.php/afghanistan-170602

TOLONEWS, 09.03.2021, „20 Sicherheitskräfte getötet, verwundet in 24 Stunden“: Der Polizeichef des Distrikt Deh Yak in der Provinz Ghazni getötet durch eine Mine; vier Sicherheitskräfte getötet und zwei verwundet bei einem Talibanangriff in der Provinz Daikundi; drei ANA-Soldaten getötet bei einem Feuergefecht mit den Taliban in der Provinz Badakhshan; zehn Sicherheitskräfte wurden in der Provinz Khost getötet und verwundet.

TOLONEWS, 08.03.2021, 18% Decline in Female Media Workers: Watchdog

There has been an 18% reduction in the number of women in Afghan media over the last six months due to security threats, the Journalists’ Safety Committee says, adding that the figures are concerning and signals a worsening situation for journalists in Afghanistan.

There were 1,678 women in the media in the first six months of the solar year 1399 that started in March 2020, and now it has been reduced to 1,377 women.

The committee reported that based on its survey, over 300 women journalists and media workers have said that they have left their jobs over security threats, particularly recent targeted attacks, financial problems in media outlets due to COVID-19 and low salaries.

The committee says that of the 1,377 women in the media, 321 are journalists and others are working in different departments of media outlets such as producers and in administrative sections.

According to the findings, most of woman media workers are in Kabul, followed by Herat then Balkh. Logar has only one woman working in the media. There are no women reporters in nine provinces, including Ghor, Nimroz, Sar-e-Pul, Laghman, Parwan, Kapisa, Uruzgan, Wardak and Ghor, the committee said, while women are working in other departments of media outlets.  The findings of the committee show there is no women media worker in five provinces, including Nuristan, Kunar, Paktia, Paktika and Zabul.

The committee says that four women reporters and two media workers have been killed in direct attacks during the current solar year that coincides with March 2020 to end of March 2021. This has had a negative impact on journalistic activities of women across Afghanistan, the committee says. https://tolonews.com/afghanistan/attack-mediajournalists-170534

FAZ, 08.03.2021, „In Washington wächst die Ungeduld mit Ashraf Ghani - Bidens Regierung will den Friedensprozess für Afghanistan beschleunigen und fordert Präsident Ghani unmissverständlich zur Kooperation auf. Kabul empört sich über den „diktierten Frieden“, von Christian Meier, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/afghanistan-friedensprozess-ungeduld-in-den-usa-mit-ghani-17233966.html , und „Eine undiplomatische Ermahnung“ von Nikolaus Busse,  FAZ 08.03.

TOLONEWS, 07.03.2021, „Blinken Proposes New Steps to Peace, Keeps May 1st Pullout Option“, https://tolonews.com/afghanistan-170509

„US Secretary of State Antony Blinken in a letter to President Ashraf Ghani seen by TOLOnews put forth suggestions to the Afghan government to accelerate the peace process, including convening a UN-facilitated conference with international stakeholders, proposals to facilitate discussion between the two sides to form a negotiated settlement and ceasefire, a meeting in Turkey between both sides to finalize a peace agreement, and a revised proposal for a 90-day reduction in violence.  However, along with these proposals, Blinken made clear that the United States is considering all options regarding Afghanistan, including the May 1st deadline for full withdrawal.

This letter is reportedly similar to one shared with the chairman of the High Council for National Reconciliation, Abdullah Abdullah.

First, Blinken suggests that the UN should convene a meeting of foreign ministers and envoys from Russia, China, Pakistan, Iran, India and the US to discuss a unified approach to supporting peace in Afghanistan.

Second, US envoy Zalmay Khalilzad should share with President Ghani and the Taliban leaders written proposals “aimed at accelerating discussions on a negotiated settlement and ceasefire. “These proposals reflect some of the ideas included in the roadmap for the peace process,” Blinken wrote. On this point, Blinken elaborated: “In sharing these documents, we do not intend to dictate terms to the parties…. Rather the documents will enable the Islamic Republic and the Taliban to move urgently to the tasks of developing a) the foundational principles that will guide Afghanistan’s future constitutional and governing arrangements b) a roadmap to a new, inclusive government and c) the terms of a permanent and comprehensive ceasefire.”

Third, Blinken says Turkey will be asked to host a senior-level meeting of both sides in the coming weeks to finalize a peace agreement. Blinken urges Ghani or his “authoritative designees” to attend the meeting.

Blinken, in his fourth point, says the US has prepared a revised proposal for a 90-day reduction in violence, “which is intended to prevent a spring offensive by the Taliban and to coincide with our diplomatic efforts to support a political settlement between the two parties.” He asked President Ghani to “positively consider” the proposal for the reduction in violence.

Following his outline of these suggested steps, President Ghani said in the letter that the United States has not ruled out any option regarding Afghanistan:

“I must also make clear to you Mr. President, that as our policy process continues in Washington, The United States has not ruled out any option. We are considering the full withdrawal of our forces by May 1st, as we consider other options,” he writes.

Further, Blinken writes that even with the continuation of the US financial assistance to Afghan forces after an American withdrawal, he is "concerned that the security situation will worsen and that the Taliban could make rapid territorial gains” and that he shares this so that President Ghani “understands the urgency of my tone regarding the collective work outlined in this letter."

TOLONEWS, 07.03.2021, 8 Security Forces Members Killed in Balkh Clashes: Police, https://tolonews.com/afghanistan-170511

„Eight security force members were killed and six more were wounded in an attack by the Taliban in Nahr-e-Shahi district in Balkh province on Saturday night, the provincial police said. The police said that five Taliban were also killed and seven more were wounded in the fighting.

“The Taliban launched a big attack. Last night, the cloudy weather affected our air support. This caused the casualties,” Balkh police spokesman Adil Shah Adil said.

Some relatives of the soldiers claimed that the casualty rate is higher than that stated by local officials.

“The base was under siege. They did not have weapons. They fought with one Kalashnikov rifle until all were martyred. Even rockets. The police chief knows this,” said the brother of Adam Khan, an army officer who was killed in the attack.

“My brother has been martyred. Three people have been wounded. Other bodies are not available. Two of the 16 people were wounded, the others were killed. The reinforcements arrived at 7 am after the base fell (to the militants),” said Nematullah, a police officer in Balkh.

Those who were killed were between 22 and 48 years old, according to relatives.

Bashir Khanjar, 22, who was killed in the attack, was married a year ago.

“He went to the base two days ago,” said Abdul Shakoor, Bashir’s cousin.

“It is less than a week since my uncle was killed on the same base. It was his funeral the other day. Today, my second uncle was martyred along with 14 other people. Half of them have been burned and their bodies are not recognizable,” said Abdul Musawir, a Balkh resident.

This comes as seven security force members were killed in an attack by the Taliban in Chimtal district, Balkh province.“

Deutscher Bundestag, Plenardebatte zur Fortsetzung der deutschen Beteiligung an Resolute Support, 1. Lesung, am 04.03.2021, und Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der AfD „Ergebnisse der deutschen Aufbau- und Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan 2002 bis 2018, Drs. 19/16274, und des Antrags der AfD „Deutschland wird nicht am Hindukusch verteidigt – Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan zeitnah einleiten“, Drs. 19/27199, S. 27120 ff., https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19215.pdf :

LONGWAR JOURNAL, 03.03.2021: Afghan security forces withdrawing from checkpoints, bases. Nearly forty percent of the police checkpoints have been shut down and policemen have been relocated elsewhere, the Ministry of the Interior confirmed.

“We have reduced the presence of police in more than 6,000 checkpoints to 113 bases and 3,700 checkpoints—the move was aimed to reduce the role of police in war and instead to transfer the war responsibilities to the Ministry of Defense,” Massoud Andarabi, the Minister of the Interior said, according to TOLONews.

The Taliban is now manning checkpoints on the Kunduz – Takhar highway, as well as the Pul-i-Khumri – Mazar-i-Sharif highways, TOLONews reported.

The Afghan military confirmed that a military base in Bala Murghab was abandoned “to avoid threats” from the Taliban. The district center fell to the Taliban on May 27, 2019, and the Taliban has had effective control of the district since then. Afghan military forces have been besieged at the base. (Video der verlassenen Basis von der Taliban-Website)

https://www.longwarjournal.org/archives/2021/03/afghan-security-forces-withdrawing-from-checkpoints-bases.php

TOLONEWS, 02.03.2021, „3 Female Media Workers Shot to Death in Nangarhar“: Mursal Habibi, Saadia and Shahnaz, three female employees of Enikass TV, were killed by unidentified gunmen in two separate attacks in Nangarhar province on Tuesday, said Zalmay Latifi, the head of the TV and radio network.

The first incident took place about 4pm local time in Jalalabad city’s PD1 as Saadia and Shahnaz were on their way home, according to Latifi.

The second incident happened a few minutes later when a gunman attacked Mursal Habibi in PD4 of Jalalabad city, he said.(…)

In the meantime, two other women who were passing by the area were also wounded in the shooting and were transferred to Jalalabad hospital, according to health officials.

No group has claimed responsibility for the attack and the Taliban has denied any involvement.

On December 10,  2020, Malalai Maiwand, a journalist at the same TV station in Nangarhar, was killed with her driver in an attack by gunmen on their vehicle in Jalalabad.

Maiwand was also an activist in the province.“ https://tolonews.com/afghanistan/attack-mediajournalists-170399

THOMAS RUTTIG, 24.02.2021, „Wieder Friedensgespräche  und viele zivile Kriegstote“ (https://thruttig.wordpress.com/2021/02/24/wieder-friedensgesprache-und-viele-zivile-kriegsopfer-taz-nd-24-2-hr-19-2-2021/ ): Nach monatelangem Stocken ist wieder Bewegung in die sogenannten intraafghanischen Gespräche in Katars Hauptstadt Doha gekommen. Überraschend trafen sich dort am Montagabend erstmals seit Dezember wieder die Chefunterhändler der beiden afghanischen Kriegsparteien in einem Luxushotel, um zu versuchen, den seit 41 Jahren andauernden Krieg zu beenden: Massum Stanaksai, der Beauftragte des afghanischen Präsidenten Aschraf Ghani und ehemaliger Geheimdienstchef, sowie Taleban-Quasiaußenminister Abdul Hakim, ein Geistlicher, der als enger Vertrauter von Taleban-Chef Hebatullah Achunsada gilt. Taleban-Sprecher Muhammad Naim, der die Nachricht zuerst per Twitter verbreitete, teilte mit, man habe Arbeitsgruppen beauftragt, eine Tagesordnung für die weiteren Verhandlungen zu erarbeiten.(…)

Wegen des Ausbleibens von Anschlägen mit hohen Opferzahlen verzeichnet der am Dienstag in Kabul von der UNO veröffentlichte Zivilopferjahresbericht für 2020 mit 3035 getöteten und 5785 verletzten Zivilist:innen die niedrigste Zahl seit 2013 und einen Rückgang von 15 Prozent gegenüber 2019 (AAN-Analyse des Berichts hier).

Unterdessen leiden die afghanischen Städte unter einer Welle gezielter Mordanschläge mit Hilfe selbstgebaute Sprengsätze und Haftminen sowie gezielten Erschießungen von vorbeifahrenden Motorrädern aus. So wurden Mitte Januar in Kabul zum Beispiel zwei Richterinnen umgebracht, als sie auf dem Weg zur Arbeit in ein Auto stiegen. Unabhängige Sicherheitsanalysten verzeichneten 2020 in Kabul-Stadt 138 solcher gezielter Anschläge, 72 Prozent mehr als 2019 und fast 20 pro Monat. Der Unabhängigen Menschenrechts-kommission Afghanistans (AIHRC) zufolge, die Ende Januar ihren eigenen Jahresbericht 2020 vorstellte, wurden dabei landesweit 1078 Zivilisten getötet und 1172 weitere verletzt. Die Hauptstadt Kabul liegt dabei sowie bei Zivilopfern insgesamt landesweit an der Spitze. (…)

Vor allem aber haben diese Anschläge eine demoralisierende Wirkung auf die bewaffneten Kräfte und zivilen Mitarbeiter der Regierung, auf Zivilgesellschaft und Medien, die ebenfalls regelmäßig unter den Opfern sind. AIHRC-Chefin Shaharzad Akbar tweetete Ende Januar: „Jede Woche verlässt jemand, den ich kenne, Afghanistan. Das sind diejenigen, die blieben, nachdem friedliche Proteste in die Luft gesprengt, Universitäten angegriffen und Krankenhäuser angegriffen wurden. Einige haben selbst eine oder mehrere Anschläge überlebt. Aber jetzt, wo der Friedensprozess neue Hoffnung bringen sollte, werden sie bedroht und gezwungen, das Land zu verlassen.“ Die von Akbar Genannten sind auch jene, die sich vor der „neuen islamischen Regierung“ fürchten. Ein Friedensschluss ohne eine Machtteilung mit den Taleban ist aber kaum vorstellbar.

Afghanistan: Trend zu individuellem Terror

Jahresberichte der UN und der Menschenrechtskommission in Kabul unterstreichen vor allem die Zunahme an gezielten Mordanschlägen

Am Sonntag ging in den sozialen Medien in Afghanistan das verstörende Video einer verletzt und bewusstlos am Straßenrand liegenden Frau und zweier daneben stehender, schreiender Kinder im Vorschulalter mit Splitterwunden im Gesicht viral. Wie sich herausstellte, handelte es sich um die Großmutter der beiden Kinder, die mit ihnen unterwegs war, als neben ihnen ein Sprengsatz explodierte. Er galt offenbar einem vorbeifahrenden Polizeifahrzeug. Zwei dessen Insassen wurden getötet, zwei weitere Menschen verletzt, so ein Sprecher des Innenministeriums in Kabul. Die Frau und die beiden Geschwister, ein Junge und ein Mädchen, überlebten. Die Kinder waren offenbar nur leicht verletzt. Aber das Trauma dieses Erlebnisses dürfte bleiben.

Am gleichen Tag wurden bei einem ähnlichen Anschlag in Laschkargah, Hauptstadt der Südprovinz Helmand, ein Mensch getötet und 14 weitere verletzt, „darunter Zivilisten“, wie die örtlichen Behörden verlautbarten. Das ist ein Hinweis darauf, dass auch dieser Angriff den Sicherheitskräften galt. Am Montag wurde in Kabul ein Straßenjunge getötet, als ein Sprengsatz in einem weiteren Polizeifahrzeug hochging. Auch drei Polizisten verloren dabei ihr Leben.

Mitarbeiter des unabhängigen Forschungsorganisation Afghanistan Analysts Network in Kabul zählten in der Woche davor 16 Tote sowie 13 Verletzte bei ähnlichen Anschlägen. Eine Woche früher waren es 8 Tote und 10 Verletzte. Vor allem in Kabul sind solche Anschläge inzwischen an der Tagesordnung. Das bestätigt auch der am Dienstag in Kabul von der Afghanistan-Mission der Vereinten Nationen (UNAMA) veröffentlichte Jahresbericht über den „Schutz von Zivilisten in bewaffnetem Konflikt“ – vulgo Zivilopferbericht – für 2020 (AAN-Analyse des Berichts hier).

In der Provinz Kabul, zu der neben der Hauptstadt 15 ländliche Distrikte gehören, seien „gezielte Tötungen“ im vorigen Jahr die Hauptursache für zivile Kriegsopfer gewesen. Kabul war mit 871 Toten und Verletzten auch die Provinz mit den meisten Zivilopfern. Der Unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans (AIHCR) zufolge, die bereits Ende Januar ihren eigenen Jahresbericht 2020 https://www.aihrc.org.af/home/thematic-reports/9057 vorstellte, wurden im Vorjahr bei gezielten Mordanschlägen landesweit 1078 Zivilisten getötet und 1172 weitere verletzt. Das seien 26 Prozent aller Zivilopfer und ein Anstieg um 169% gegenüber 2019 gewesen.

Hauptmittel solcher Anschläge sind selbstgebaute Sprengsätze, die in Fahrzeuge geschmuggelt werden, zunehmend auch Haftminen. Solch eine Magnetmine tötete Anfang Februar vier Mitarbeiter des Ministeriums für Dorfentwicklung, als sie morgens gemeinsam mit dem Auto zur Arbeit fahren wollten. Unabhängige Sicherheitsanalysten verzeichneten 2020 in Kabul-Stadt 138 solcher gezielter Sprengstoffanschläge, 72 Prozent mehr als 2019 und drei Viertel davon gegen Sicherheitskräfte oder zivile Regierungsangestellte. Das waren fast 20 pro Monat. Angesichts der Zahlen von Januar und Februar könnte es im laufenden Jahr noch schlimmer kommen. Es gibt auch gezielte Erschießungen von einem vorbeifahrenden Motorrad aus. Auf diese Weise wurden Mitte Januar zwei Richterinnen umgebracht, ebenfalls als sie am Morgen in ein Auto stiegen.

Gleichzeitig behaupten die Taliban, sie seien für diese sich Anschläge nicht verantwortlich. In ihrem eigenen Jahresbericht über Zivilopfer nennen sie sich selbst generell nicht als Verursacher von Zivilopfern. Das ist unglaubhaft, denn sie haben sich in der Vergangenheit durchaus zu Anschlägen bekannt. Sie haben auch ein Interesse daran, Andersdenkende vor ihrer zu erwartenden Rückkehr an die Macht einzuschüchtern und haben das verschiedentlich auch offen gesagt. Das schließt nicht aus, dass einige dieser Anschläge auf das Konto des afghanischen Ablegers des Islamischen Staates oder des CIA-geförderten afghanischen Geheimdienstes gehen.

Der Trend zu individuellem Terror hat auf den ersten Blick paradoxe Auswirkungen. UNAMA verzeichnete für 2020 mit 8820 Zivilopfern (3035 Tote und 5785 Verletzte) nämlich die niedrigste Zahl an zivilen Toten seit 2013 und einen Rückgang gegenüber 2019 von 15 Prozent. Das ist ein Ergebnis des Truppenabzugsabkommens zwischen den USA und den Taliban vom Februar 2020. Dort hatten sich die Taliban nach eigener Aussage verpflichtet, neben den ausländischen Truppen auch keine Städte mehr anzugreifen. (Im Abkommen selbst ist das schriftlich nicht festgehalten.) In der Tat gab es seither keine großen Autobombenanschläge oder Angriffe von Selbstmordkommandos auf Regierungseinrichtungen mehr. Dass es nun keine Anschläge mit massenhaften Opferzahlen mehr gibt, beeinflusste deren Gesamthöhe.

Das bedeutet nicht, dass der Krieg weniger intensiv geführt würde. Die Kampfhandlungen haben sich in die ländlichen Gebiete verlagert, die selbst für afghanische Medien oft nicht erreichbar sind, so dass Berichte ausbleiben. Insgesamt wurden laut UN seit Jahresbeginn durch Kämpfe fast 10.000 Menschen vertrieben; 2020 waren es insgesamt 400.000.

Da die afghanische Regierung die eigenen Verluste für geheim erklärt hat, und sicherlich nicht weil sie geringer geworden sind, kann man davon ausgehen, dass Afghanistan 2020 wie in den beiden Vorjahren wieder der folgenschwerste Krieg weltweit war. Laut Global Peace Index des Institute for Economics & Peace (https://www.visionofhumanity.org/maps/#/) verzeichnete das Land nach den letzten vorliegenden Daten 30 Prozent aller Kriegsopfer weltweit. Die materiellen Kriegsschäden betrugen demzufolge 51 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Der Autor ist Ko-Direktor des Afghanistan Analysts Network (Kabul/Berlin)

TOLONEWS 19.02.2021: 51 Menschen in Kabul bei Sicherheitsvorfällen und Kriminalfällen innerhalb eines Monats getötet:

Laut TN gab es in Kabul zwischen 20. Januar und 18. Februar 66 Sicherheitsvorfälle (39 IED-Explosionen, acht Attentate und bewaffnete Angriffe) und 20 Kriminalfälle, bei denen 51 Menschen getötet und 70 verletzt wurden. Die letzten Opfer waren am Vortag zwei Uni-Dozenten, die durch eine Magnet-IED nahe der Kabul Uni getötet wurden.

NEW YORK TIMES, 15.02.2021: The Taliban Close In on Afghan Cities, Pushing the Country to the Brink. The Taliban have positioned themselves around several major population centers, including the capital of Kandahar Province, as the Biden administration weighs whether to withdraw or to stay. (https://www.nytimes.com/2021/02/15/world/asia/taliban-afghanistan.html )

The Taliban have been encroaching on key cities around Afghanistan for months, threatening to drive the country to its breaking point and push the Biden administration into a no-win situation just as the United States’ longest war is supposed to be coming to an end.

Around the northern city of Kunduz, despite the winter’s fierce cold, the Taliban have taken outposts and military bases, using small armed drones to terrorize Afghan troops. In neighboring Pul-i-Khumri, they have seized important highways in a stranglehold of the city, threatening main lifelines to Kabul, the country’s capital.

And in the city of Kandahar, a bedrock of historic and political importance and an economic hub for the country’s south, Taliban fighters have pummeled the surrounding districts, and moved closer to taking the provincial capital than they have in more than a decade. (…)

The deteriorating situation in Kandahar is a broader reflection of security around the country. The Taliban have spent the past months capturing military bases and police outposts and installing highway checkpoints near capital cities in provinces such as Helmand and Uruzgan in the south, and Kunduz and Baghlan in the north. (…)

Afghan security forces are also contending with portions of a populace that have more faith in the Taliban than in the government. In capturing new territory, the Taliban installed their own administrative services, explained Lal Mohammad, 23, a wheat and grape farmer who now lives behind the Taliban’s front line in Panjwai.

Insurgent fighters have smashed smartphones and banned music, imposed a curfew, dug defensive tunnels between people’s homes and used empty rooms in them as fighting positions. Roadside bombs are everywhere, he said. But land disputes and petty crime are well managed, compared to the Afghan government’s corrupt bureaucracy, said Mr. Mohammad.

“People like it,” Mr. Mohammad said, adding that he just wants someone to take over Kandahar so people can get back to their lives.

These sentiments are common in more rural areas of Afghanistan. But the Afghan government’s incompetence and widespread corruption have brought that attitude to the doorstep of one of the country’s most populated cities.

“The government,” Mr. Mohammad said, “has failed.”


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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