100 Jahre Parlamentsbeteiligung meinerseits? "Der alte Mann und das Mandat"

Von: Nachtwei amSo, 02 November 2014 18:59:55 +01:00

4. November 2008, Rede zu einem besonders ernsten Thema im Bundestag (Verlängerung des OEF-Mandats). Am Schluss komme ich mit einer Enthüllung, die für unernste Unruhe im Plenum sorgt und ARD-Korrepondent Christian Thiels zu einem Kommentar veranlasst. Hier zu Wort und Bild.



Der alte Mann und das Mandat

4. November 2008, auf dem Blog von Christian Thiels

(SWR-Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio)

 

„Ein bisschen sieht er aus, wie eine Mischung aus Ernest Hemingway und Santa Claus- schon wegen des weißen Bartes. Den hat sich Winfried Nachtwei von den Grünen auch deshalb wachsen lassen, weil er bei Gesprächen in Afghanistan dann respektvoller behandelt werde - schließlich umgebe so ein Bart seinen Träger mit einer weisen Aura, witzelt Nachtwei gerne. Kollegen hätten ihn gar schon als “Mullah Winnie” angesprochen. Nötig hätte Nachtwei das Weisheits-Accessoire sicher nicht, denn er gehört zu den kenntnisreichsten Verteidigungspolitikern im Deutschen Bundestag und seine Liebe gilt vor allem dem Land am Hindukusch, das er schon rund ein Dutzend Mal besucht hat. Mit dem Bart wuchs aber offenkundig auch Nachtweis Lebensalter. Denn bei der heutigen Debatte im Bundestag (über die Verlängerung des Mandates für die deutsche Beteiligung am umstrittenen Anti-Terror-Einsatz “Enduring Freedom”) sagte der grüne Verteidigungsexperte, er habe alle Mandatsdiskussionen “seit 1914″ mitbekommen. Dass der Grünen-Politiker kein ganz junger Hüpfer mehr ist, wussten wir ja, aber dass er schon seit 94 Jahren im Parlament durchhält - Respekt.

Auf der Homepage von Winfried Nachtwei findet sich leider kein Hinweis auf seine berühmt gewordene Rede gegen die “Stabilisierungs-Mission” der kaiserlichen Armee in Deutsch-Südwestafrika. Schon 1908 hatte er dort einen Strategiewechsel gefordert. Nachtwei gehörte außerdem zu den stärksten Unterstützern einer afghanischen Unabhängigkeit von britischem Kolonialjoch und soll unbestätigten Quellen zufolge ein enger Berater von Amanullah Kahn gewesen und maßgeblich an der Formulierung des Vertrages von Rawalpindi beteiligt gewesen sein. All’ das findet sich leider nicht im Nachrichten-Archiv seiner Homepage. Genau wie die vehemente Ablehnung Nachtweis für die Kriegskredite dort nicht ausreichend dokumentiert ist. Allerdings ist dies schon deshalb zu verschmerzen, weil Winfried Nachtwei sich natürlich nur versprochen und auch gleich korrigiert hat. Er sitzt seit 1994 im Bundestag.“

 

Meine Rede im Bundestag zur Mandatsverlängerung der deutschen Beteiligung an der Operation Enduring Freedom am 4. November 2008

(www.nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&catid=29&aid=775 )

Die Schlusspassage laut Videoaufzeichung http://dbtg.tv/fvid/185576

Seit 1914 – ooah, ogottogott, seit 1994, seit 1994 habe ich hier im Bundestag alle Mandatsentscheidungen mitbekommen. (Unruhe, Gelächter) Was ist denn jetzt los? Ich fange noch mal an. Das gilt nicht, das wird zurückgestellt.(…)“

 

Die im Bundestagsprotokoll korrigierte Passage:

„Ich komme zum Schluss. Ich habe alle Mandatsentscheidungen, die im Bundestag seit 1994 getroffen wurden, mitbekommen. Als alter Oppositioneller war ich immer wieder überrascht, wie sorgfältig diese Diskussionen geführt wurden. Allerdings muss ich sagen: Die Diskussionen der letzten Jahre über Enduring Freedom waren Tiefpunkte der parlamentarischen Beratung und in Sachen Parlamentsbeteiligung. Herr Minister Steinmeier, ich habe heute von Staatsminister Erler Antworten auf die von mir gestellten Fragen zur Wirksamkeit von OEF usw. erhalten. Ich kann sie Ihnen gleich einmal geben. Diese Antworten sind eine Frechheit. Ich glaube, Sie werden sich für diese Antworten schämen. So geht das nicht weiter. (…)“  

(Fotos unter www.facebook.com/Winfried.Nachtwei )