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Mord an einem Helfer: Beileidschreiben an Minister und Mitarbeiter

Veröffentlicht von: Webmaster am 26. Dezember 2010 15:50:53 +01:00 (71178 Aufrufe)

Heiligabend wurde in Nordafghanistan ein deutscher Entwicklungsexperte in seinem Fahrzeug zusammen mit drei Afghanen beschossen. Der deutsche Ingenieur starb an seinen Verletzungen. Winfried Nachtwei schrieb an Entwicklungsminister Niebel und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort.

Winfried Nachtwei

Mitglied des Bundestages

1994 - 2009

Mitglied im Beirat „Zivile Krisen-prävention" des AA, „Innere Führung" des BMVg

 

 

Nordhornstr. 51

48161 Münster

Tel. 0251/8 65 30

Fax 0251/86 11 65

Mobil 0170/314 87 79

winfried@nachtwei.de

www.nachtwei.de

26. Dezember 2010

Minister für
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Herr Dirk Niebel
Dahlmannstr. 4

53113 Bonn

per Fax 0228-991 0535-3500

per E-Mail

Sehr geehrter Herr Minister, lieber Herr Niebel,

mit äußerster Bestürzung erfuhr ich von der Ermordung des deutschen Entwicklungsexperten beim Straßenbauprojekt Khulm-Kunduz am 24. Dezember.

Ich trauere und fühle mit den Angehörigen des Ingenieurs, die ihren Liebsten verloren haben. Ich trauere und fühle mit seinen afghanischen und deutschen Kolleginnen und Kollegen vor Ort, in Balkh, in Nordafghanistan, die einen sehr erfahrenen Kollegen verloren haben.

Ich trauere und fühle mit Ihnen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Afghanistan-Pakistan-Referats, die einen Pionier der Entwicklungszusammenarbeit in Nordafghanistan verloren haben.

Bitte richten Sie den Angehörigen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meine tiefe Anteilnahme und mein Beileid aus.

Dem verletzten afghanischen Mitarbeiter wünsche ich baldige und vollständige Genesung.

Vor vier Monaten, am 31. August, hatte ich noch die Gelegenheit, mehrere Entwicklungsprojekte in Khulm zu besuchen, darunter auch das Straßenbauprojekt zusammen mit dem Ermordeten. Ich erlebte ihn als einen gestandenen, sehr erfahrenen Entwicklungsexperten, der im so ruhig erscheinenden Khulm lebte, sich bestens auskannte und frei bewegte. Das Straßenprojekt war eine große Entwicklungschance für die Region. Die Straßenverbindung von Mazar nach Kunduz soll dadurch um ein Drittel auf 160 km abgekürzt und zugleich sicherer werden. Wir sahen den Weltenunterschied zwischen der tief zerfurchten bisherigen „Straße", die den Khulm-Fluss an einer Furt querte, und dem glatten Band der neuen Straße. Wir besuchten einen Brunnen, der auf dem öffentlichen Gelände einer Moschee errichtet täglich 5-10.000 Liter sauberes Trinkwasser für 1.000 Menschen fördert. Bisher hatten die Menschen ihr „Trinkwasser" aus Gräben schöpfen müssen. Wir besuchten eine eingefasste Quelle in der Schlucht des Khulm-Flusses an der Ringstraße, wodurch der Fluss ganzjährig Wasser bekommt. „Wasser ist hier immer der erste Wunsch!" sagte der Ingenieur.

Einen solchen Menschen zu erschießen, ist besonders heimtückisch und menschenverachtend. Es ist zugleich ein Terrorangriff auf die Menschen in Afghanistan, die Kinder, Frauen und Männer in ihren menschlichen Grundbedürfnissen nach sauberem Wasser, nach wirtschaftlichem Auskommen, nach Bildung.

Die „Rechtfertigung" eines Sprechers der Aufständischen, der Ermordete habe mit dem internationalen Militär zusammengearbeitet, ist verlogen und vorgeschoben. Die Entwicklungsexperten vor Ort arbeiten im Einverständnis und im Interesse der afghanischen Regierung wie der örtlichen Bevölkerung. Sie wissen, dass das Fundament ihrer Arbeit das Vertrauen der einheimischen Bevölkerung ist.

Absicht der Attentäter ist, die zivilen Helfer zum Rückzug in ihre Wagenburgen zu zwingen, die Distanz zur Bevölkerung zu vergrößern, Vertrauen durch Misstrauen zu zerstören.

Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort - ich habe Ihre Gesichter und Ihre Namen vor Augen - wünsche ich die Kraft und Klugheit, angemessen mit der Eskalation der Gewalt dort umzugehen, wo bisher noch keine „kriegsähnlichen Zustände" herrschten.

Seit Jahren wird in Deutschland kaum wahrgenommen, was Frauen und Männer im Rahmen deutscher Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan leisten: mit hohem Einsatz und erhebliche Belastungen, mit Kompetenz und Respekt vor den Einheimischen, mit bemerkenswerten Ergebnissen. Es sind zzt. über 200 internationale bzw. deutsche und über 1.000 afghanische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie machen einiges gut in Afghanistan!

Sie verdienen Aufmerksamkeit, Dank und Anerkennung!

Zu wünschen ist, dass dies zumindest nach dem jetzigen schrecklichen Ereignis erkannt wird.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viel Kraft und gegenseitige Unterstützung.

In tiefer Verbundenheit

Ihr

gez. Winfried Nachtwei


Publikationsliste
Vortragsangebot zu Riga-Deportationen, Ghetto Riga + Dt. Riga-Komitee

Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.

1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.

Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)

Vorstellung der "Toolbox Krisenmanagement"

Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de

zif
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.

Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.:

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