Der letzte Redner des heutigen Tages ist Winfried Nachtwei, Bündnis 90/Die Grünen.
Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor genau sechs Monaten haben Sie, Herr Präsident, hier in den Räumen des Bundestages die Ausstellung „ExplosiÂves Erbe des Krieges - Erfolge und Herausforderungen - Zwischenbilanz der Kampagne gegen Landminen und Streumunition" eröffnet. Dies geschah anlässlich des zehnten Jahrestages des Ottawa-Abkommens gegen AnÂtipersonenminen. Bei dieser Ausstellung wurde wieÂderum sehr deutlich, wie grausam diese Streumunition für die Zivilbevölkerung ist. Es wurde deutlich, wie breit inzwischen die gesellschaftliche Ablehnung dieser WafÂfengattung ist. Außerdem wurde deutlich hervorgehoÂben, welcher enorme historische Erfolg das Verbot der Antipersonenminen war. Zum ersten Mal in der GeÂschichte wurde wirklich durch zivilgesellschaftliche AnÂstrengungen unter Beihilfe williger Staaten eine ganze Waffengattung geächtet. Das hat es vorher noch nie geÂgeben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD])
Zum damaligen Zeitpunkt - das weiß ich noch sehr genau - war die Haltung der Bundesregierung widerÂsprüchlich. Bei ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage ein paar Monate zuvor hieß es:
Ein umfassendes Verbot von Streumunition, verÂgleichbar der Ächtung von Antipersonenminen durch das Ottawa-Ãœbereinkommen, hat derzeit keine Aussicht auf Zustimmung einer Mehrheit der Staatengemeinschaft, vor allem der Staaten, die über Streumunition verfügen.
Das war eine sehr skeptische Beurteilung.
Der Acht-Punkte-Beschluss der Großen Koalition hat bei dieser Problematik sehr große Schlupflöcher - eher Tore - offen gelassen. Jetzt haben wir in Dublin den VerÂtrag zum Verbot von Streumunition abgeschlossen. Er ist - da sind wir uns alle einig - eindeutig ein großer humaÂnitärer Abrüstungserfolg, weil eine große Masse der reaÂlen Bestände - einschränkend muss man sagen: bei den Vertragsstaaten - vernichtet werden muss. Die von der Bundesregierung bis kurz vor Vertragsschluss geforderÂten Ãœbergangsfristen gibt es nun doch nicht; es muss soÂfort mit der Vernichtung begonnen werden. Schließlich gibt es erstmalig - das war bei keinem bisherigen RüsÂtungsabkommen der Fall - Regelungen zu umfassender und präziser Hilfe für die Opfer. Das sind die äußerst positiven Aspekte.
Zugleich sind die Defizite unübersehbar. Kollege Schäfer hat bereits die vom Vertrag ausgenommenen Waffentypen angesprochen. Es steht weiterhin der VerÂdacht im Raum, den die beiden lobenswerten Kollegen Weigel und zu Guttenberg in ihrem Brief an die BundesÂregierung angesprochen haben. Es besteht der Verdacht, dass Rücksicht auf bestimmte rüstungsindustrielle InteÂressen genommen wird. Behauptet wird, dass die ausgeÂnommenen Waffentypen punktgenau und ohne Schäden für die Zivilbevölkerung wirken. Solange aber nicht transparent ist, wie diese Waffen tatsächlich wirken, kann man diesen Verdacht nicht ausräumen. Es wurde auch schon die Vertragsklausel angesprochen, die OpeÂrationen mit Nichtvertragsstaaten, die weiterhin StreuÂmunition verwenden, erlaubt.
Zuallererst ist dieser Vertrag aber wiederum ein ErÂfolg einer zivilgesellschaftlichen Bewegung. Vor knapp sechs Jahren hat die Antistreumunitionskoalition zu wirÂken begonnen. Hier in der Bundesrepublik sind besonÂders das Aktionsbündnis Landmine.de mit Thomas Küchenmeister und Handicap International mit François de Keersmaeker zu nennen. Ihnen ist ausdrücklich zu danken.
(Beifall im ganzen Hause)
Es gab viel Hör- und Sehbereitschaft hier im ParlaÂment, und der damalige Bundestagspräsident Thierse ist 2003 mit gutem Beispiel vorangegangen, als Sie sich, Herr Präsident, zu diesem Thema deutlich erklärt haben. Dies war ein im Ergebnis gutes Zusammenwirken.
Befremdlich ist die jetzige Darstellung der BundesÂregierung. Es ist richtig, dass sie sich für das Verbot insgesamt stark gemacht hat. Aber de facto war sie zwiÂschendurch immer wieder in einer gewissen BremserÂrolle. Die Süddeutsche Zeitung stellt angesichts der gestÂrigen Äußerungen heute fest, dass da etwas Heuchelei im Spiel sei.
Es ist von verschiedenen Seiten schon gesagt worden, dass die Angelegenheit jetzt nicht erledigt ist. Jetzt geht es vor allem darum, Druck auf die bedeutenden StreuÂmunitionsbesitzer und -produzenten auszuüben. Es ist in der Tat die Frage, ob sich aus Art. 1 des Vertrages nicht ergibt, dass zum Beispiel die USA ihre großen StreumuÂnitionsbestände in der Bundesrepublik nicht weiter unÂterhalten dürfen, dass diese beseitigt werden müssen.
Es sind einige Experten aus dem Bereich RüstungsÂkontrolle und Abrüstung anwesend. Unsere Erfahrungen in den letzten Jahren waren fast durchweg deprimierend. Es gibt kaum einen anderen Politikbereich, der so depriÂmierend ist, wo man jeden Mut und jede Motivation verÂlieren kann. Der Vertrag, der jetzt unterzeichnet wird, ist von enormer Bedeutung, weil er wirklich Mut macht, Mut in einem entscheidenden Bereich von Friedens- und Sicherheitspolitik und in der Tat Mut für die weiteren notwendigen Schritte.
Danke schön, auch dafür, dass Sie mir Ihre zwei MiÂnuten Redezeit gegeben haben.
(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP soÂwie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
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