Afghanistan: Wuchernde Fluchtursachen, einzelne Hoffnungsträger - Zur Lagebeurteilung des AA und zur deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit AFG unter Bedrohung

Von: Nachtwei amSo, 10 September 2017 12:28:11 +02:00

Nach der Ausschaltung der deutschen Botschaft in Kabul durch den Lkw-Anschlag am 31. Mai verfasste das AA eine Lagebeurteilung der Sicherheitslage für Asylverfahren. Hierzu als Ergänzung meines Vortrags in Lemgo mein kritischer Kommentar und Nachrichten zum prekären Stand der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. 



Afghanistan: Wuchernde Fluchtursachen,

einzelne Hoffnungsträger – Zur Lagebeurteilung des AA und zur deutschen Zusammenarbeit mit Afghanistan unter Bedrohung

Winfried Nachtwei, MdB a.D. (10.09.2017)

Der Saal des Cafe Vielfalt in Lemgo war am 4. September proppenvoll bei der  Veranstaltung „Afghanistan – Flucht und Hoffnung“. Eingeladen hatten die örtlichen Grünen.

Moderiert von Ute Koczy, Bundestagskandidatin in Lippe 1, ehemalige Kollegin und  entwicklungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, hielt ich zunächst einen bebilderten Vortrag: Die ersten Jahre des deutschen und internationalen Afghanistaneinsatzes, die Rückkehr des Krieges ab 2008, das Schicksal der in der ersten Hälfte 2017 aus Deutschland nach Afghanistan Abgeschobenen, die aktuelle Situation.

Anschließend schilderte Dieter Bökemeier, Landespfarrer für Flucht und Migration der Lippischen Landeskirche, die zunehmend restriktivere Politik gegenüber afghanischen Flüchtlingen. Bei den engagierten Ehrenamtlichen wachse das Unverständnis gegenüber der offiziellen Flüchtlingspolitik, wo die Anerkennungsquote – offenbar politisch gewollt – immer mehr sinke. Mit Abschiebungen von afghanischen Flüchtlingen wolle man sich nicht abfinden. Vorgestellt wird die „Aktion Wachbleiben“.

An der folgenden lebhaften Aussprache beteiligten sich auch junge afghanische Flüchtlinge wie auch ältere Lemgoer afghanischer Herkunft. Stark war, wie der junge, noch nicht lange in Deutschland lebende  Umaid Sultani unser Deutsch in Dari übersetzte.

Hier einige Ergänzungen zu meinem Vortrag:

(1) Zur jüngsten Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017

(2) Zu deutscher Entwicklungszusammenarbeit und Aufbauhilfe

(3) Meine aktualisierte Liste „Abschiebungen aus Afghanistan: Wichtigste aktuelle Berichte zur Sicherheitslage dort und zur Situation Abgeschobener“, 1. Mai/4. September 2017 ( http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1464 )

1. Zur jüngsten Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes(Stand Juli 2017)

(Zum AA-Papier nehme ich Stellung vor dem Hintergrund meiner fast 16-jährigen Beschäftigung mit der Sicherheitslage in Afghanistan. Da seitens der Bundesregierung die Unterrichtungen des Parlaments und der Öffentlichkeit zur Sicherheitslage Afghanistans jahrelang unzureichend und selbstbezogen waren, verfasste ich ab Sommer 2007 „Materialien zur Sicherheitslage Afghanistans“, in denen ich alle mir zugänglichen Quellen auswertete. Diese Materialien sollen jahrelang in Deutschland singulär gewesen sein. (http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=993  ).

Vgl. die Kommentare von Thomas Ruttig zur AA-Lagebeurteilung Sicheres Herkunftsland Afghanistan: Krasse Fehleinschätzung, 15. August 2017, https://thruttig.wordpress.com/2017/08/15/auswartiges-amt-findet-afghanistan-fur-afghanische-zivilisten-ziemlich-sicher-fortsetzung/ .

1.1 Berichtslage zu Afghanistan generell: Afghanistan ist – unabhängig vom ISAF-Abzug 2014 - immer noch ein Schwerpunktland des deutschen und internationalen Krisenengagements und der EZ. Die Unterrichtung von Parlament und Öffentlichkeit durch die Bundesregierung war relativ am sorgfältigsten und informativsten zwischen Ende 2010 und 2014, als halbjährlich „Fortschrittsberichte Afghanistan“ vorgelegt wurden.  Seit 2015 gibt es im Wesentlichen nur noch die wöchentlichen „Unterrichtungen des Parlaments“ zu Ereignissen in den Einsatzgebieten. Sie sind eingestuft als Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ (niedrigste Geheimhaltungsstufe).

Die Lagebeurteilung ergänzt den Bericht des Auswärtigen Amtes „über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan“, Stand September 2016.

Der Lkw-Anschlag am 31. Mai in unmittelbarer Nähe der Botschaft schränkte ihre Arbeitsfähigkeit massivst ein. Die Lagebeurteilung stützt sich im Wesentlichen auf  Berichte von internationalen Organisationen (z.B. UNAMA, EASO).und NGO`s.

1.2 Die Passagen zur militärischen Lage machen deutlich: Afghanistan ist insgesamt konfrontiert mit einem Gemenge von Terror- und Guerillakrieg sowie Aufstandsbekämpfung. Die krassen Verlustraten der afghanischen Sicherheitskräfte in 2016 (8.146 Gefallene, davon 3.534 Polizisten, 14.278 Verwundete) machen das überaus deutlich.

Fragwürdig ist die angebliche NATO-Einschätzung, wonach in militärischer Hinsicht ein Patt bestehe. Nicht zur Sprache kommen kritische Feststellungen aus Berichten der US-Regierung:

- Mit zwanzig in der Region Afghanistan-Pakistan operierenden Aufständischen- und Terrornetzwerken sei das die höchste Konzentration extremistischer und terroristischer Gruppen weltweit! (US Department of Defence, Enhancing Security and Stability in Afghanistan, Report to Congress (01.12.2016-31.05.2017), June 2017, S. 22; https://www.defense.gov/Portals/1/Documents/pubs/June_2017_1225_Report_to_Congress.pdf

- General Nicholson, Kommandeur von Resolute Support und USFOR-A, bewertete die Ausnutzung der unregierten Rückzugräume in Pakistan durch Terroristen und afghanische Aufständische als den größten einzelnen externen Faktor, der den Einsatz der Koalition zum Scheitern bringen könne. (Pentagon-Report , S. 18)

- Das letzte Berichtsquartal (1. März bis 31. Mai 2017) hatte die höchste Zahl an Sicherheitsvorfällen gegenüber den Vergleichszeiträumen der Vorjahre mit 6.252 Vorfällen, d.h. 69,5 pro Tag. (Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR), 35. Quarterly Report to the US Congress, 30.07.2017, S. 83, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2017-07-30qr.pdf 

- Laut SIGAR schieden im Jahr 2016 35% der Soldaten und Polizisten aus verschiedenen Gründen aus Armee und Polizei aus.

1.3 Prioritäre Ziele der Aufständischen sind laut AA ausländische Truppen und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündete geltenden afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) und Regierungsvertreter. Deren Bedrohung und die der MitarbeiterInnen von VN und Hilfsorganisationen unterscheide sich regional, nach einzelnen Gruppen und fluktuiere.

Das AA nennt

- 16 Provinzen mit konkreten Hinweisen auf bevorstehende Angriffe (Helmand, Kandahar, Khost, Kunar, Logar, Nangarhar, Paktiya, Uruzgan, Zabul und Teile von Badakhshan, Ghazni, Ghor, Kunduz, Paktika, Sar-e Pul, Wardak),

- 17 Provinzen, wo in naher Zukunft mit Angriffen zu rechnen sei (Kapisa, Kunduz,  Laghman, Nuristan, und in Teilen von Badakhshan, Badghis, Daikundi, Farah, Faryab, Ghor, Herat, Kunduz, Nimroz, Paktika, Parwan, Sar-e Pul, Hauptstadt Kabul),

- acht Provinzen, wo es allgemeine Hinweise auf drohende Angriffe gebe (Badghis, Daikundi, Faryab, Ghazni, Herat, Nimroz, Parwan),

- und 12 Provinzen, wo es keine Anzeichen für – grundsätzlich mögliche – Angriffe gebe (Baghlan, Balkh, Bamyan, Jowzjan, Panshir, Samangan, Talhar und in Teilen von Daikundi, Farah, Ghazni, Ghor, Wardak).

Dass zur letzten, sicherer erscheinenden  Gruppe z.B. die Provinz Baghlan (südlich Kunduz) gezählt wird, stimmt mit der realen Sicherheitslage dieser Provinz nicht überein und weckt Zweifel an der Seriösität dieser Zuordnungen. Thomas Ruttig widerspricht auch der „Sicherer“-Bewertung von Teilen der Provinzen Ghor, Farah, Ghazni und Wardak. (15.08.2017)

1.4 Bedrohungslage für afghanische Zivilisten: Die aus den Zahlen des UNAMA-Berichts zu Zivilopfern abgeleitete Feststellung, die Bedrohungslage habe sich „für afghanische Zivilisten seit Ende der ISAF-Mission nicht wesentlich verändert“, ist durch die Wahl des Vergleichsjahres 2015 irreführend und sachlich falsch. Der faktische ISAF-Abzug fand im Laufe des Jahres 2014 statt. In 2014 erhöhte sich die Zahl der afghanischen Zivilopfer um 22% auf 10.548, davon 3.699 Tote, und blieb seitdem auf diesem Extremniveau. (http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1484 )

Das AA konstatiert: „Im Vergleich zu den Sicherheitskräften, Vertretern der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft wird daher die unmittelbare militante Bedrohung für die afghanische Bevölkerung – selbst in den Gebieten unter Taliban-Kontrolle – als niedrig bewertet. Allerdings zeigen die letzten Jahre, dass die Taliban zivile Opfer immer wieder in Kauf nehmen. Einer erhöhten Gefährdung ist zudem jener Personenkreis ausgesetzt, der öffentlich gegen Taliban Position besieht wie zum Beispiel Journalisten oder erkennbar von ihrer islamistischen Ideologie abweicht wie zum Beispiel Konvertiten oder Angehörige sexueller Minderheiten.“

Die Behauptung einer vergleichsweise niedrigen militanten Bedrohung der Bevölkerung ist selbstbezogen, realitätsfern und beschönigend:

Nicht unterschieden werden

-         Politisch prioritäre Zielgruppen und -personen, für die es abgestuft besondere Schutzmaßnahmen gibt,

-         Faktische Opfergruppen, die zum großen Teil ungeschützt sind (angefangen bei Polizisten in schwachen Checkpoints) und durch unterschiedslos wirkende IED`s, Selbstmordattentäter und komplexe Angriffe als „Kollateralopfer“ verwundet oder getötet werden.

Hinzu kommt neben der physischen die psychische Wirkung von terroristischen Gewalttaten, viele davon regelrechte Massaker-Angriffe, deren Primärzwecke Verbreitung von Ohnmacht, Angst und Schrecken, Zerstörung von Vertrauen,  Polarisierung, Konfessionalisierung, Destabilisierung sind.

Schließlich leiden Zivilopfer in der Normalbevölkerung unter den Bedingungen eines mangelhaften Gesundheits- und Sozialsystems viel mehr an den Folgen ihrer Verletzungen, sind ihre Heilungschancen nach Explosionsverletzungen viel geringer.

Der letzte UNAMA-Bericht „Zivilopfer“ für das erste Halbjahr 2017 fasst zusammen:

Der bewaffnete Konflikt durchdringt inzwischenalle vorstellbaren Alltagssituationen: “Reflecting the extent to which the armed conflict invaded the lives of Afghans countrywide

during the first half of the year, violence killed and maimed civilians in nearly every conceivable setting of day to day life. Civilians lost their lives, limbs, sight or suffered harm

while inside of their own homes, travelling on public roads, attending classes, praying in

mosques, purchasing food, playing outside, working in offices, laboring in agricultural fields, visiting the bank, and lying in hospital beds.” (S. 7)

Angesichts der komplexen Wirkungen von Gewaltkonflikten und Terroranschlägen Bedrohungslagen mit der Relation Zivilopfer auf 10.000 Einwohner zu bewerten (z.B. drei auf 10.000 Einwohner in Kabul), ist realitäts- und menschenfern.

 

1.5 Binnenvertriebene: Das AA zitiert UNHCR, wonach seit Januar 2017 rund 150.000 Menschen ihren afghanischen Wohnort wegen der Gewaltkonflikte verlassen haben. 2016 waren ca. 670.000 Personen vertrieben worden, vor allem aus umkämpften Provinzen: Kunduz (186.300 Personen), Helmand (84.500).

(Laut Tolonews gab es 2017 bis zum 31. August 224.000 Binnenvertriebene, über 90.000 (40%) in der Nord- und Nordostregion, dem früheren deutschen Verantwortungsgebiet.)

Zusammengefasst: Bei den Binnenvertriebenen in Afghanistan sind Krieg und Gewalt die Fluchttreiber Nr. 1.

1.6 Aufnahmefähigkeit: Zu den vielen Binnenvertriebenen kommen die zurückkehrenden Flüchtlinge und Migranten aus Pakistan und Irak, 2016 waren es über 1 Million. Seit Jahresbeginn kamen 108.000 aus Pakistan und 172.000 aus Iran ins Land. „Trotz internationaler Hilfe übersteigt der derzeitige Versorgungsbedarf allerdings das vorhandene Maß an Unterstützungsmaßnahmen seitens der Regierung.“ Deutsch-Afghanen in unserem „Villigst-Kreis“ berichten nach Besuchen in Afghanistan von katastrophalen Lebensbedingungen der Flüchtlinge. Nach 40 Jahren (!) Krieg sind laut Thomas Ruttig die „Möglichkeiten und oft auch der Wille örtlicher Bevölkerungen, sich ethnisch Verwandten gegenüber solidarisch zu zeigen, völlig ausgelaugt.“

1.7 Individuelle Bedrohung: Lt. AA gebe es in Afghanistan keine systematisch staatlich organisierte Gewalt gegen die eigene Bevölkerung. Allerdings könne die Regierung häufig nicht ihre Schutzpflicht effektiv wahrnehmen.

Die Lebensbedingungen des Einzelnen hängen von seiner Stellung im örtlich herrschenden Machtgefüge und Verhältnis zu den beteiligten Gruppierungen ab und werden von der Stabilität der örtlichen Machtverhältnisse beeinflusst. Seine Bedrohung kann nur unter Berücksichtigung regionaler und lokaler Gegebenheiten und „unter Einbeziehung sämtlicher individueller Aspekte des Einzelfalls“ (UNHCR) wie Ethnie, Stamm, Konfession, Geschlecht, Familienstand, und Herkunft beurteilt werden.“

1.8 Zusammengefasst: Die Lagebeurteilung des AA lässt die viel beschworenen „innerstaatlichen Fluchtalternativen“ kaum erkennen. Und wo die Lage wie in Bamyan oder Panshir tatsächlich vergleichsweise ruhig ist, sind die Aufnahmekapazitäten kaum gegeben.

Das AA stellt mit UNHCR fest, dass bewaffnete Kämpfe Hauptursache der Binnenvertreibungen sind. Die Bundeskanzlerin u.a. erweckten in Äußerungen der letzten Zeit demgegenüber den Eindruck, als seien die afghanischen Flüchtlinge nur wirtschaftlich motiviert, als spielten Krieg und Gewalt als Fluchttreiber keine Rolle.

Deutlich wird in der Lagebeurteilung das Ausmaß des flukturierenden und opferreichen Gewaltkonfliktes sowie die Unübersichtlichkeit und Unberechenbarkeit der Gewalteskalationen.

Pauschal verharmlost wird die physisch-psychische Bedrohungslage der Zivilbevölkerung. Diese Schlüsselpassage ist eine typische Beurteilung „nach Aktenlage“, abweichend von Sicherheitsbeurteilungen der UN und der US-Regierung, fehlerhaft in Bezug auf etliche Provinzen und ohne jede Empathie.

Insgesamt ist die Lagebeurteilung für Asylverfahren nicht seriös brauchbar.

Sie setzt eine Traditionslinie der regierungsoffiziellen Afghanistan-Lagebeurteilungen fort, wo der Fokus vorwiegend auf die „eigene Sicherheit“ (weniger auf die Sicherheit der afghanischen Bevölkerung) gerichtet und die immer wieder von Schönrednerei geprägt war.

2. Aufbau und Entwicklungszusammenarbeit trotz alledem

Schlechte Nachrichten dominieren notorisch die Medienberichterstattung und Wahrnehmung, zumal von Konfliktländern. Deren Wirklichkeit ist in der Regel nicht homogen, sondern buntscheckig, ein fluktuierendes Gemenge von Kriegsflecken und mehr oder weniger fragilen Friedensinseln.

Bei meinen inzwischen 19 Afghanistanbesuchen habe ich auch regelmäßig Ausschau gehalten nach solchen Friedensinseln, konstruktiven Akteuren und Prozessen Inzwischen ist es immer schwerer, an solche ranzukommen. Aber es gibt sie noch.

2.1 Engeneering College bei Mazar: Im Februar 2015 besuchte ich den im Bau befindlichen Technical and Vocational (Berufsausbildung) Education and Training (TVET) Campus Takhta Pul bei Mazar-e Sharif.

Das Agicultural Veterinary Institute für 720 Studierende und die Technical Teacher Training Academy (Berufsschullehrerakademie) für 500 Studierende nahmen 2016 ihren Betrieb auf. (An den beiden Landwirtschaftsschulen in Mazar und der Agricultural High School Kunduz lernen insgesamt 2.000 junge Leute.)

Am 7. Mai 2017 wurde nun auch das Engeneering College für 720 Studierende feierlich eingeweiht. Als nächstes soll eine Turnhalle und ein Kindergarten gebaut werden.

Der TVET-Campus ist Teil eines breiten Berufsausbildungsprogramms der afghanisch-deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Bau und Infrastruktur finanzierte die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW Entwicklungsbank). Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist für Capacity Development verantwortlich.

Das TVET ist ein zentraler Eckstein für Aufbau und Arbeitsbeschaffung in Afghanistan, wo es einen akuten Bedarf an ausgebildeten Arbeitskräften gibt.

- PEM CONSULT zur Eröffnung des Engeneering College https://www.pem-consult.de/news/inauguration-of-the-engineering-college-for-720-students-in-balkh-afghanistan.html

- Pressemitteilung German Cooperation with Afghanistan http://www.germancooperation-afghanistan.de/en/news/new-engineering-college-720-students-balkh

2.2 Zwei Schulen, ein Teacher Training College und ein Bewässerungskanal

Mit deutscher Hilfe entstanden in den Provinzen Badakhshan, Balkh, Kunduz, Sar-e Pul und Takhar fünf Teacher Training Colleges mit 2012 27 Außenstellen und 39 Partnerschulen. 2013 beendeten mehr als 4.000 Frauen und Männer erfolgreich ihre Lehrerausbildung. 2014 erprobten diese fünf TTC`s das neue Curriculum Peace Education, das vom Teacher Education Direktorate mit Unterstützung von GIZ und UNESCO entwickelt worden war. Im Februar 2015 wurde das Curriculum landesweit in allen TTC`s eingeführt. Hierfür wurden 45.000 Textbücher gedruckt.

In der südlich Kunduz liegenden Provinz Baghlan – in Deutschland fast nur wegen des Bundeswehreinsatzes im Highway Triangle und um den OP North - wurde am 10. Juli 2017 das sechste mit deutscher Hilfe errichtete Teacher Training College übergeben. Hier sollen über 160 künftige Lehrer in zwei Jahren auf ihren Beruf vorbereitet werden.

Am selben Tag übergab die Afghanisch-Deutsche Zusammenarbeit zwei neu errichtete Schulen im Distrikt Deah Salah für 580 Jungen und 530 Mädchen sowie einen neuen Bewässerungskanal, der 5.600 Familien zu Gute kommt. Die Projekte waren von den District Development Assemblies und dem Provincial Department of Education gemeinsam beschlossen worden. Die Finanzierung lief über das deutsche Stabilisierungsprogramm für Nordafghanistan und die KfW, die Umsetzung leistete die Agha Khan Foundation zusammen mit der NGO Mercy Corps und der französischen Agency for Technical Cooperation und Development (ACTED).

http://www.ez-afghanistan.de/de/news/two-schools-teacher-training-college-and-irrigation-canal-inaugurated-baghlan

2.3 Deutsche Zusammenarbeit mit Afghanistan

Detaillierte Informationen zur Deutschen Zusammenarbeit mit Afghanistan auf Ebene der Bundesregierung und ihrer Durchführungsorganisationen

- in Form von Pressemitteilungen, Geschichten, Fotos + Videos nach

- Schwerpunkten (Gute Regierungsführung, Energie, Wasser, Humanitäre Hilfe & Stabilisierung, Bildung, Flucht & Migration, Wirtschaftswachstum)

- Provinzen (Badakhshan, Baghlan, Balkh, Kundut, Takhar, Samangan, Kabul, landesweit),

- Zeiträumen unter http://www.ez-afghanistan.de/de/news?&&field_ez_news_date_value%5Bvalue%5D%5Byear%5D=2016&&page=1&lang=de

Eine Kurzübersicht zur Arbeit deutscher Hilfs- und Nichtregierungsorganisationen in Afghanistan in meinem Reisebericht vom November 2016 (http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1441 )

Auf einen Blick: Datasheet (Stand November 2016)

Seit 2009

- über 3,17 Mrd. Euro Gesamtinvestitionen von BMZ und AA (ohne 333 Mio. Euro Fördermittel für NGO`s),

- mehr als 500 Vorhaben

- in 305 Distrikten in allen 34 Provinzen

- 98 Umsetzungsorganisationen,

- 60 afghanische Partnerorganisationen,

Im Oktober 2016 arbeiteten etwa 1.900 Frauen und Männer, darunter fast 160 deutsche und internationale ExpertInnen, für die Durchführungsorganisationen GIZ und KfW Entwicklungsbank in Afghanistan.

 http://www.ez-afghanistan.de/sites/default/files/Datasheet%20-%20German%20Cooperation%20with%20Afghanistan%20-%20German_0.pdf

2.4 Nach den Angriffen auf das Generalkonsulat in Mazar (November 2016) und die Botschaft (31. Mai 2017)

Die Anschläge haben die deutsche Aufbauhilfe und Entwicklungszusammenarbeit ins Mark getroffen. Die deutschen und internationalen MitarbeiterInnen wurden praktisch alle abgezogen. Wieweit die bisherigen Ortskräfte noch zur Verfügung stehen oder sich vielleicht zurückziehen, weiß ich nicht.

Über „Fernsteuerung“ und mit Hilfe verlässlicher Ortskräfte, anderer Umsetzungs- und   Partnerorganisationen lässt sich manches eine Weile überbrücken. Auf die Dauer kann aber die Afghanisch-Deutsche Zusammenarbeit ohne gewisse Präsenzen vor Ort und direkte Kommunikation und Einblicke vor Ort nicht funktionieren.

Im jüngsten SIGAR-Report vom 31. Juli ist der Umgang mit Risiken in Afghanistan Thema des ersten Kapitels: Etliche US-Diplomaten und -Zivilbeschäftige sähen das Afghanistan außerhalb der internationalen Zone nur beim Hubschrauberflug zwischen Botschaft und Internationalem Flughafen. Bei seinem letzten Besuch war die allgemeine Klage des Botschaftspersonals, man sei nicht in der Lage rauszugehen, um seinen Job zu machen. Extreme Risikovermeidung schmälere die Erfolgsaussichten einer Mission. Diplomatie, Aufbau und Übersicht seien nicht per Telefon oder Telearbeit von zuhause aus zu leisten – sie müssten persönlich und im Feld getan werden. Essentiell sei eine kluge Akzeptanz von Risiken: Risiken mildern, aber die Leute ihren Job machen lassen!

( https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2017-07-30qr.pdf )

Der Zielkonflikt und das Abwägen zwischen Auftrag und Selbstschutz/Risikoreduzierung ist für Militärs ein Berufsthema. Im politischen Umgang mit Einsätzen wird dieser Zielkonflikt eher verdrängt – oder klammheimlich in dem Sinne „geklärt“, dass z.B. Ausbildungshilfe nur im Camp und ohne Partnering geleistet wird,  dass zu bestimmten Zeiten Verluste „nicht passieren durften“.

Über die sukzessive Verschärfung der Sicherheitslage in Afghanistan wird dieser Zielkonflikt auch für das polizeiliche und EZ-Engagement in Konfliktländern zu einem Thema, das nicht länger tabuisiert werden dürfte. Das ist viel leichter gesagt als getan, weil hier die Skandalisierungsmöglichkeiten und –interessen erheblich sind. Wenn es aber um wirksame Krisenbewältigung, Friedenssicherung und –förderung geht, kommt man um die Frage des notwendigen und verantwortlichen Umgangs mit Risiken nicht herum.