Rede von Winfried Nachtwei zum Haushalt des Bundesministeriums für Verteidigung

Von: Webmaster amMi, 28 November 2007 23:50:54 +02:00

In seiner Rede zum Einzelplan 14 im Rahmen der Haushaltsdebatte befasste sich Winfried Nachtwei unter anderem mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Hier seine Rede:



Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Winfried Nachtwei, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Winfried Nachtwei (BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann direkt an die Ausführungen des Kollegen Arnold anschließen und mit dem weitermachen, was heute ansteht: Nach zwei Jahren sollte man versuchen, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Ich will allerdings keine Insiderdiskussion führen, auch wenn die Versuchung sehr groß ist.

Es bleibt dabei - ich habe das vor Ort auf dem Balkan, in Afghanistan, vor der Küste Libanons und anderswo erfahren -, dass die Bundeswehrangehörigen professionell und wirksam zur Eindämmung großer Gewalt beitragen. Sie tun das im Auftrag der Vereinten Nationen und im Auftrag dieses Bundestages. Dafür ist ihnen und ihren Angehörigen, die indirekt beteiligt sind, ausdrücklich zu danken.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Zugleich können wir aber feststellen - das gilt vor allem seit dem letzten Jahr -, dass die Auslandseinsätze der Bundeswehr zunehmend an Akzeptanz verlieren. Vor einigen Wochen hat das Institut für Demoskopie Allensbach Zahlen veröffentlicht, nach denen der Anteil der Bevölkerung, der diese Auslandseinsätze ablehnt, von 2005 bis 2007 von 34 auf 50 Prozent gestiegen ist. Die Bevölkerungsumfrage des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr kommt zu etwas niedrigeren Werten und äußert sich etwas zurückhaltender, es stellt aber eine ähnliche Tendenz fest. Diese Tendenz spüren wir, die Mitglieder der verschiedenen Parteien, auch in unseren Wahlkreisen.

Herr Minister, was ist Ihre Reaktion darauf? Wie verhalten Sie sich angesichts dieses objektiv vorhandenen Vertrauensverlustes gegenüber der Politik und der Bundesregierung? Sie haben uns einen Brief geschrieben, Ihre Zwischenbilanz nach zwei Jahren Politik im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich. Dort steht im Hinblick auf dieses Problem der folgende Satz: „Deshalb werbe ich für einen breiten Dialog." Persönlich, sozusagen bilateral, kaufe ich Ihnen das ab. Die Frage ist nur, ob es tatsächlich einen politischen Dialog gibt.

Seit 2006 können wir feststellen - das gilt für die Mitglieder der verschiedenen Fraktionen ebenso wie für andere -, dass über die Wirksamkeit von Auslandseinsätzen, die Kriterien für Auslandseinsätze und die Probleme im Zusammenhang mit den großen, komplizierten State-Building-Projekten auf multinationaler Ebene insgesamt immer stärker diskutiert wird. Vorschläge hinsichtlich der Kriterien kamen vom Kollegen Schockenhoff, von der CSU-Landesgruppe und von Volker Perthes, also von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Auch im Friedensgutachten der fünf Friedensforschungsinstitute wurden Vorschläge geäußert.

Vor wenigen Wochen hat die Evangelische Kirche in Deutschland eine Friedensdenkschrift vorgelegt, in der sie, ausgehend vom Verständnis eines gerechten Friedens, eine Ethik rechtserhaltender Gewalt entwickelt. Diese Friedensdenkschrift markiert Grenzen des Rechts auf Selbstverteidigung. Es wäre sehr interessant gewesen, wenn das Parlament diesen Aspekt in der Diskussion über die Fortsetzung der Operation Enduring Freedom stärker berücksichtigt hätte. Diese Operation - wir gehen in das siebte Jahr - bezieht sich ja ausdrücklich auf ein geradezu endlos definiertes Selbstverteidigungsrecht.

In dieser Denkschrift wird auch die ethische Fragwürdigkeit - das ist zu bescheiden formuliert -, die ethische Illegitimität des Drohens mit Atomwaffen festgestellt. Was bedeutet das für die fortgesetzte nukleare Teilhabe der Bundesrepublik Deutschland? Was bedeutet das angesichts der Tatsache, dass Sie, Herr Minister, weiterhin von Tornadobesatzungen verlangen, dass nukleare Einsätze geübt werden?

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)

Das ist endgültig nicht mehr zumutbar.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN)

Wie steht es nun um das spannende Angebot eines konstruktiven Dialogs? Ich habe den Eindruck, dass Sie und Ihr Haus nur Monologe, aber keinen politischen Dialog führen.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

 


Sie haben den umfassenden Ansatz und die vernetzte Sicherheitspolitik mit dem Weißbuch mehr in den Mittelpunkt gestellt. Das ist ausdrücklich zu befürworten; das ist notwendig. Sehen wir uns aber einmal an: Das auf der NATO-Ebene in verschiedenen Komitees zu verankern ist das eine. Das ist natürlich notwendig. Aber wie sieht es am Boden aus? Wie sieht da die Umsetzung aus? Ich will ein Beispiel dazu nennen: Sicherheitssektorreform, Polizeireform. Wir mussten in der vorherigen Woche in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lesen, was Ihr Kollege Innenminister Schäuble dazu gesagt hat. Ich zitiere:

Mehr deutsche Polizisten zur Ausbildung der afghanischen Kollegen lehnte er indes ab - was die Anforderungen an die Polizisten betreffe, seien die Amerikaner dazu besser in der Lage.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich!)

Solche Worte - das muss ich sagen - sind eine ausdrückliche Kapitulation vor dem, was gerade in Afghanistan notwendig ist.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sie sabotieren ausdrücklich den umfassenden Ansatz, der wohl insgesamt von der Bundesregierung vor sich hergetragen wird. Ich muss sagen: Dieser umfassende Ansatz muss im Kabinett anfangen, damit er nicht nur Schall und Rauch bleibt.

Danke schön.

(Beifall beim BÃœNDNIS 90/DIE GRÃœNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)