Meine 17. Afghanistanreise: Es gibt Chancen! (Kurzbericht)

Von: Nachtwei amDo, 10 Mai 2012 11:12:39 +01:00

17. AFG-Reise In der ersten Maiwoche besuchte ich gemeinsam mit den Grünen MdB Tabea Rößner und Dr. Tobias Lindner sowie Mitarbeiter Steffen Buchsteiner Kunduz und Mazar-e Sharif. Grüne Flecken am Marmal-Gebirge, blühender Klatschmohn in Kunduz waren nicht die einzigen Lichtblicke. Hier mein Kurzbericht:



17. Afghanistanreise: Es gibt Chancen!

Bei meinem inzwischen 17. Afghanistanreise besuchte ich in Mazar-e Sharif und Kunduz deutsche und afghanische Soldaten, Polizisten, Aufbauhelfer und Diplomaten.

Der militärische Rückzug läuft an

Zusammen mit den Grünen-MdB Dr. Tobias Lindner (Haushalt, Wirtschaft) und Tabea Rößner (Kultur, Medien) bekam ich im ISAF-Regionalhauptquartier einige Einblicke in die Vorbereitungen des militärischen Rückzuges. Es ist ein so gigantisches wie komplexes Unterfangen, behaftet mit erheblichen Risiken und Kosten. Bis Ende des Jahres zieht sich ISAF sowohl aus den östlichen wie aus den westlichen Provinzen der Nordregion praktisch zurück und konzentriert die schrumpfenden Kräfte im Zentrum. Da die Nachschubroute über Pakistan weiter geschlossen ist, wird die Masse der ISAF-Ausrüstung der großen Regionalkommandos Südwest, Süd und Ost über die Nordroute gehen. Auf die Bundesrepublik als Lead-Nation im Norden und Hauptverantwortliche für die Logistik-Drehscheibe Camp Marmal/Mazar kommen damit besondere Herausforderungen zu. Wie das bewältigen und gleichzeitig noch den UN-Auftrag (Förderung eines sicheren Umfeldes) erfüllen, ist das große Rätsel!

Expandierende Polizeiausbildung

Im Sommer 2008 erlebte ich die Grundsteinlegung zum Police Training Center direkt neben Camp Marmal bei Mazar-e Sharif und die ersten Baufortschritte. Inzwischen ist das Trainings Center enorm gewachsen und beherbergt auch die Nebenstelle der Kabuler Police Academy. Im Rahmen des German Police Project Teams arbeiten hier allein knapp 90 deutsche Polizistinnen (6) und Polizisten, inzwischen vor allem als Mentoren und Berater. Bemerkenswert: Die Bewerberlage für den Einsatz hier gilt als ausgezeichnet!

Mit dem Hubschrauber-Shuttle geht's in acht Minuten zum Camp Mike Spann westlich von Mazar. Nach einem Gespräch mit dem Kommandierenden General des 209. ANA-Korps, General Weza, bekomme ich Einblicke in die Arbeit der deutschen OMLT und ihre Erfahrungen mit den Fähigkeiten und Begrenzungen der afghanischen Armee. Seit 2008 traf ich jedes Jahr mit den deutschen Militärberatern zusammen: Unüberhörbar hat sich seitdem erheblich was getan.

Bildung, Bildung, Bildung

Als VIP-Besucher bewegt man sich fast nur innerhalb der militärischen Feldlager. Für den Besuch einzelner, von Deutschland unterstützter Aufbauprojekte komme ich raus aus dem ISAF-Raumschiff, näher ran an das alltägliche Afghanistan. Mazar boomt weiter. Im abenteuerlichen Straßenverkehr gibt's alle paar Minuten Überholmanöver, die bei uns verboten und schweißtreibend wären. Ein ISAF-Fahrzeug sehe ich in der ganzen Zeit kein einziges.

Afghanische Mitarbeiter der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) informierten über ihr Alphabetisierungsprogramm für Polizisten der ganzen Nordregion, in dem über 300 einheimische ehemalige Polizisten und Militärs sowie Zivile als Lehrkräfte arbeiten. Stolz überreichten sie mir das erste, von Innenministerium und GIZ herausgegebene Handbuch für Polizeirecht sowie eine Lehrbroschüre für Polizeischüler in einfacher Sprache. Zum vierten Mal besuche ich das mit deutschen Mitteln errichtete Teacher Training College, das inzwischen von 4000 Studierenden besucht wird. Hier erlebe ich wie bei den vorherigen Besuchen bei meinen jüngeren Kollegen eine enorme Motivation für ihren Beruf. Vor einer Klasse mit ca. 30 jungen Frauen und Männern bekräftige ich, dass das Abzugsjahr 2014 nicht falsch verstanden werden darf. Es gilt für die Masse der internationalen Truppen. Die Aufbauhilfe soll und muss bleiben!

Wo schlechte Regierungsführung ein Kernübel ist, braucht bessere Staatlichkeit dringend Menschen mit administrativen Fähigkeiten. Mit Hilfe eines GIZ-Programms starteten gerade an drei Unis Studiengänge in Verwaltungswissenschaften, in Mazar mit 200, in Herat mit 400 und in Kabul mit 100 Studierenden.

Gute Nachricht - wer hört sie?

Im Vorbeifahren sehe ich noch das große Gebäude des Regional Hospital Mazar-e Sharif, dem Rückgrat des Gesundheitssystems der ganzen Nordregion. Das u.a. mit 13 Mio. Euro des AA nach einem Brand 2006 wieder aufgebaute und erweiterte Hospital wird am 12. Mai feierlich eingeweiht. Ich bin gespannt ob diese, für die afghanische Bevölkerung wichtige und hoffnungsvolle Nachricht in deutschen Medien auftaucht - oder mehr oder weniger übergangen wird. Es wäre ja keine bad news.

Wer weiß eigentlich in Deutschland, dass im Rahmen deutscher Entwicklungszusammenarbeit 1.830 Frauen und Männer in Afghanistan arbeiten, davon 325 internationale und 1.500 einheimische Kräfte.

Der ausführliche Reisebericht (Nr. 14) folgt.