Zum neuen "Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr" gab es ab 13. Juli einige Schnellkommentare und manche Schnellschüsse. Dann war Sommerpausen-Ruhe, in die Nizza, Türkei, München, Ansbach, Kabul ... hineinplatzten. Hier mein ggb. dem 13. Juli erheblich erweiterter Kommentar zum Weißbuch, vorrangig zum sicherheitsplitischen Teil 1.
Mehr Verantwortung – wofür und wie?
Kommentar zum Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik
und zur Zukunft der Bundeswehr
Winfried Nachtwei MdB a.D. (13. Juli/Anfang August 2016)
Dies ist die erweiterte Fassung meines Kommentars zum Weißbuch 2016 vom 13. Juli. Er konzentriert sich vorrangig auf den sicherheitspolitischen Teil I des Weißbuches (Teil II Zur Zukunft der Bundeswehr). Beiträge zum Start des Weißbuch-Prozesses im Februar 2015 unter www.nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1342 ; Kommentar „Buntbuch statt Weißbuch“ unter http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1361
Statt einer Vorbemerkung
Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler hielt auf dem Festakt der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) zum 70-jährigen Jubiläum der Vereinten Nationen am 21. Oktober 2015 in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche die Festrede vor ca. 500 Gästen. Es war eine nachdenkliche, selbstkritisch-ehrliche, ermutigende Rede an die Regierungen und Zivilgesellschaften, die Chancen der Vereinten Nationen endlich besser zu nutzen.
Im vergangenen Jahrzehnt hätten wir „eine Interventionspolitik gesehen, die einem angesichts ihrer Kurzsichtigkeit und, ja, Inkompetenz den Atemverschlägt. Die Leidtragenden sind jetzt Millionen Frauen, Männer und Kinder besonders im Nahen Osten – und natürlich muss die Suppe wieder vor allem die VN auslöffeln.“ Die Liste der globalen Herausforderungen, die sich um Staatsgrenzen nicht scheren, sei lang: Terrorismus, Ebola, Klimawandel, Migration … „All diese Themen rufen nach einer global governance, deren Ziel sich nicht mehr darauf beschränkt sicherzustellen, dass die nationalstaatlichen Boote nicht miteinander kollidieren, sondern welche die Weltpolitik in dem einen Boot koordiniert, in dem alle Völker längst sitzen. Diese Tatsache erfordert, den Begriff des nationalen Interesses neu zu denken, denn unsere Interessen sind längst so sehr miteinander verwoben, dass es tatsächlich so etwas wie ein globales Interesse, ein globales Gemeinwohl gibt.“ Die VN seien das „dickste aller Bretter, das es zu bohren gilt. Langsam und geduldig, an vielen Stellen gleichzeitig. (…) Es wäre (..) ein Fehler, die VN nur unter der Bedingung ernst zu nehmen, dass sie sich reformiert. Erst umgekehrt wird ein Schuh daraus: wenn die Mitgliedsstaaten den Multilateralismus und damit die Vereinten Nationen wieder ernst nehmen und echtes politisches Kapital investieren, dann wird es auch zu Reformen kommen können.“
Die Rede verdiente – so meine anschließende Reaktion - breiteste Beachtung, nicht zuletzt auch beim damals laufenden Weißbuchprozess des Verteidigungsministeriums.[1] (In den Tagesmedien erhielt sie null Beachtung!)
(1) Öffnung: Erstmalig entstand mit dem Weißbuch 2016 ein sicherheitspolitisches Grundlagendokument der Bundesregierung unter Mitberatung und Konsultation einer großen Zahl von sicherheits- und außenpolitischen Fachleuten. Das war ein wichtiger Fortschritt. Als Teilnehmer vieler Workshops erlebte ich diesen Prozess als anregend und Beitrag zu einer vertieften sicherheitspolitischen Debattenkultur. Eine Öffnung zu gegenüber militärischer Sicherheitspolitik fundamental ablehnenden Kreisen wurde meines Wissens nicht versucht.
(2) Fehlende Gesamtstrategie: Ein vielfach kritisierter fundamentaler Mangel war der Ansatz eines Ressortdokuments, wo – wie bei früheren Weißbüchern - die umfassende sicherheitspolitische Analyse nur in militärisch verengte Schlussfolgerungen für die Bundeswehr mündet. Damit kann einer Fehlwahrnehmung Vorschub geleistet werden, als solle jedwede Sicherheitsbedrohung militärisch beantwortet werden. Gefördert wird eine solche Fehlinterpretation durch die verbreitete Militärlastigkeit von öffentlicher Wahrnehmung und Debatte, wo zugleich politische und zivile Krisenbewältigung kaum Beachtung finden.
Wo aber grundsätzlich Konsens besteht über ein umfassendes Verständnis von kollektiver Sicherheitspolitik, wo staatliche und menschliche Sicherheit aufeinander angewiesen sind, wo der Primat bei der politischen Konfliktlösung liegt und Militär diese in bestimmten Fällen „nur“ absichern und unterstützen kann, müsste das zentrale Grundlagendokument zur deutschen Sicherheitspolitik eigentlich ein ressortgemeinsames unter Federführung des Auswärtigen Amtes oder des Kanzleramtes sein. (vgl. Positionspapier der Kommission „Europäische Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ am IFSH https://ifsh.de/file-IFSH/IFSH/pdf/aktivitaeten/BW-Kommission_Weissb%C3%BCcher.pdf )
Offenbar besteht aber in der Bundesregierung, insbesondere beim Kanzleramt, ein beharrlicher Unwille gegenüber einer solchen sicherheitspolitischen Gesamtstrategie. Wenn die Rahmenbedingungen so sind, wie sie sind, kann deshalb nicht die Alternative sein, ganz auf die Erarbeitung von Ressortdokumenten zu verzichten.
Allerdings: Indem das Weißbuch zum „obersten sicherheitspolitischen Grundlagendokument Deutschlands“ mit einer strategischen Standort- und Kursbestimmung erklärt wird und vom Kabinett verabschiedet wurde, ist das Weißbuch deutlich mehr als ein Ressortdokument. Das zeigt sich auch darin, dass das Auswärtig Amt wesentlich beim sicherheitspolitischen Teil I mitgeschrieben hat und der gesamtstaatliche Ansatz von Sicherheitspolitik so umfassend und konkretisiert betont wird wie nie zuvor.
(3) Deutschlands Rolle in der Welt und sicherheitspolitisches Selbstverständnis (S. 22 ff.)
„Deutschland ist bereit, sich früh, entschieden und substanziell als Impulsgeber in die internationale Debatte einzubringen, Verantwortung zu leben und Führung zu übernehmen.“
Wo die Welt vielfältig unsicherer ist, das relative Gewicht Deutschlands – und insbesondere die internationalen Erwartungen an die Bundesrepublik – und die Handlungsmöglichkeiten gewachsen sind, da ist die Übernahme von mehr Verantwortung in der internationalen Politik richtig und legitim. Die Überwindung einer oftmals nur reaktiven Haltung und eines Versteckens im Multilateralismus ist meines Erachtens schon länger überfällig.
Das Mehr an Verantwortung gilt für die Außen- und Sicherheitspolitik insgesamt, die an den Friedensauftrag des Grundgesetzes und das Völkerrecht gebunden ist. Falsch wäre es – und aus dem Weißbuchtext ist es auch nicht ableitbar -, dies mit einem Mehr an Militäreinsätzen, gar einem „Primat des Militärischen“ gleichzusetzen. Das Weißbuch betont mehrfach, dass die Bundeswehr Beiträge zur deutschen Sicherheitspolitik leiste – nicht mehr und nicht weniger. Gerade Bundeswehroffiziere drängen vor dem Hintergrund ihrer Einsatzerfahrungen seit Jahre darauf, dass der Primat der Politik strategischer und weniger oberflächlich und halbherzig wahrgenommen wird.
(4) Deutschlands Werte und sicherheitspolitische Interessen (S. 24 ff.)
Die Wertebindung deutscher Sicherheitspolitik (Präambel des Grundgesetzes, Friedensgebot nach Art. 26 GG, Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit; Völkerrecht, Schutz universaler Menschenrechte) wird kurz benannt. Widersprüche und Dilemmata, die bei dem hohen Anspruch einer so ausdrücklich wertegebundenen Politik immer wieder auftreten, werden nicht angesprochen, so dass der Wertebezug schnell als Sonntagsrede wahrgenommen und nicht ernst genommen werden kann.
Die ersten aufgeführten sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands (Schutz der eigenen BürgerInnen und der nationalen Souveränität und der Verbündeten, Aufrechterhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung auf Grundlage des Völkerrechts), sind legitim und gehören zu den staatlichen Grundpflichten. Sie sind komprimiert zusammengefasst im Amtseid der Mitglieder Bundesregierung.[2] Humanitäre und Nichtregierungsorganisationen sind demgegenüber nicht prioritär dem Schutz der eigenen Bürger, sondern dem Wohl (aller) bedürftigen Menschen verpflichtet.
Als weitere sicherheitspolitische Interessen werden genannt
- der Wohlstand der eigenen Bürgerinnen „durch Prosperität unserer Wirtschaft und freien sowie ungehinderten Welthandel“ (ohne den Zusatz von 2006 „und dabei die Kluft zwischen armen und reichen Weltregionen überwinden zu helfen“)
- „Förderung des verantwortungsvollen Umgangs mit begrenzten Ressourcen und knappen Gütern in der Welt“ (neu gegenüber 2006)
- „Vertiefung der europäischen Integration und Festigung der transatlantischen Partnerschaft.“
Die Anregung von Horst Köhler, angesichts der Verwobenheit elementarer nationaler Interesse auch auf ein globales Gemeinwohl hin zu orientieren (ähnlich die Bischöfliche Kommission „Justitia et Pax“), wurde nicht aufgenommen.
Die Verhütung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ethnischen Säuberungen und Kriegsverbrechen (die Tatbestände der Responsibility to Protect/RtoP, auf die die VN-Generalversammlung 2005 die Staaten verpflichtete) wird nicht als explizites nationales Sicherheitsinteresse Deutschlands genannt. Im Unterschied zum Weißbuch 2006 (S. 44) wird die RtoP heute nicht einmal mehr benannt – auch nicht bei den strategischen Prioritäten „Vorbeugen und Eindämmen von Krisen und Konflikten“ und „Engagement für die regelbasierte internationale Ordnung“.In Anbetracht der beanspruchten – und in Deutschland viel selbstbelobigten - „Lehren aus der Geschichte“ klafft hier eine eklatante Lücke der Verantwortung. Nach der internationalen und deutschen Diskussion über die RtoP in den letzten Jahren ist das eine Flucht aus der Verantwortung durch Wegsehen.
(5) Das sicherheitspolitische Umfeld (S. 28 ff.)
Es ist noch „komplexer, volatiler sowie dynamischer und damit immer schwieriger vorhersehbar geworden.“ Das heißt im Klartext: staatliche und Bürgersicherheit zu gewährleisten, Ursachen von Risiken und Bedrohungen zu bekämpfen, wird immer schwieriger. Angesichts des üblichen „Wir-schaffen-das“-Grundtenors von Regierungsdokumenten wird nicht einmal angedeutet, was seit geraumer Zeit mein Eindruck ist: Die sicherheitspolitischen Akteure und Verantwortlichen sind mit der Dichte, Dynamik und Komplexität der Krisenverwicklungen längst an der Grenze der Leistungsfähigkeit – bei aller Professionalität, mit der Einzellagen noch bewältigt werden.
Die Analyse der internationalen Ordnung im Umbruch (a) und der Herausforderungen für die deutsche Sicherheitspolitik (b) ist differenziert, realistisch – und ausgesprochen beunruhigend.
(a) Treiber des Umbruchs (Globalisierung, Digitalisierung, Kräfte der Antiglobalisierung, von oft radikalem Nationalismus, Extremismus, religiösem Fanatismus), Multipolarität und Machtdiffusion, Infragestellung der regelbasierten euro-atlantischen Friedens-und Stabilitätsordnung, Europäisches Projekt unter Druck;
(b) Internationaler Terrorismus, Herausforderungen aus dem Cyber- und Informationsraum, Renaissance zwischenstaatlicher Konflikte, fragile Staatlichkeit und schlechte Regierungsführung, weltweite Aufrüstung und Proliferation von Massenvernichtungswaffen, Gefährdung der Kommunikations- und Transportlinien und Sicherheit der Rohstoff- und Energieversorgung, Klimawandel, unkontrollierte und irreguläre Migration, Pandemien und Seuchen.
Dass hierbei allerdings der soziale und politische Sprengstoff der weltweit wachsenden Ungleichverteilung von Einkommen, Vermögen, Lebenschancen und Macht (Ungerechtigkeit treibt Unfrieden) nur in Einzelaspekten angetippt, aber insgesamt außer Acht gelassen wird, ist völlig unverständlich. Immerhin hatte Entwicklungsminister Müller den Sachverhalt bei zwei gemeinsamen Veranstaltungen mit der Verteidigungsminister[3] vehement angesprochen: Er fragte, ob es auf Dauer gut gehen könne, dass weltweit 10% 90% des Vermögens besitzen, dass 70 Personen so viel besitzen wie 3,5 Mrd., dass 20% der Weltbevölkerung 80% der Ressourcen verbrauchen, die namentlich aus den Entwicklungsländern kämen.
Nichtsdestoweniger verdient die Analyse des sicherheitspolitischen Umfeldes breite Wahrnehmung, Debatte und Bemühen um tragfähige Lösungsvorschläge. Allzu oft werden die genannten Herausforderungen aber noch verdrängt oder es bleibt bei ritualisierten „Antworten“.
Eine sicherheits- und friedenspolitische Analyse, die Ansätze für Prävention finden will, darf sich nicht mit der Erfassung von Risiken und Bedrohungen begnügen, sondern muss unbedingt auch Chancen, konstruktive Prozesse und Akteure identifizieren.
Zu einzelnen Herausforderungen:
- Russland, das die „europäische Friedensordnung offen in Frage“ stelle und die strategische Rivalität betone, sei eine „Herausforderung für die Sicherheit auf dem Kontinent“. Zugleich gebe es aber ein „breites Spektrum gemeinsamer Interessen und Beziehungen“. Nachhaltige Sicherheit in und für Europa gebe es „nicht ohne belastbare Kooperation mit Russland“. (Die Wahrnehmung der gegenwärtigen russischen Politik durch die Bundesregierung ist damit auffällig differenzierter als die Wahrnehmung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik in manchen Stellungnahmen aus der Friedensbewegung.[4])
- Zur „effektiven Bekämpfung des transnationalen Terrorismus“ werden ziemlich dieselben Empfehlungen gegeben, wie sie z.B. der Bundestag im November 2001 flankierend zum Enduring-Freedom-Mandat beschlossen hatte. Der „Schönheitsfehler“: Der „war on terror“, von dem sich die rot-grüne Koalition damals „positiv“ distanziert hatte, wurde strategisch wie menschlich ein Desaster. Der transnationale Terrorismus heute ist so umfangreich, stark und gefährlich wie nie zuvor! Nicht von ungefähr bezeichnete der VN-Sicherheitsrat IS am 20. November 2015 als eine „weltweite und beispiellose Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“.
- Fragile Staatlichkeit und schlechte Regierungsführung, Krisenbogen von Nordafrika über Sahelzone, Nahost bis Zentralasien: Die Stärkung legitimer staatlicher Strukturen entspricht dem strategischen Ansatzpunkt „Förderung verlässlicher Staatlichkeit“ im Aktionsplan Zivile Krisenprävention von 2004. Unerwähnt bleiben hier die Großprobleme, dass extern gestütztes Statebuilding begrenzt wirksam ist, sehr voraussetzungsreich ist und enorm Zeit braucht.
- Radikalisierungspotenziale als Folge mangelnder Entwicklungsperspektive in rasch wachsenden Gesellschaften (Kasten S. 44): Hier spricht das – BMZ im – Weißbuch sehr zu Recht das gigantische Problem der jungen, besonders armen Gesellschaften mit schwacher Staatlichkeit an, die ihrer Jugend kaum bis keine Perspektive bieten können, womit ein stark erhöhtes Konfliktrisiko vorprogrammiert ist. Verschiedene sinnvolle Projekte der deutschen EZ hierzu sind mir bekannt. Insgesamt liegen aber die Anstrengungen der Internationalen Gemeinschaft noch weit hinter dieser Herausforderung zurück.
- Ein blinder Fleck der Analyse sind die Großfehler, Krisentreiber, Unglaubwürdigkeiten, kontraproduktiven Wirkungen aus den „eigenen Reihen“ – von einem desaströsen „war on terror“ über Doppelmoral bis zu entwicklungsverhindernder Handelspolitik. Wie auch bei den „Fortschrittsberichten Afghanistan“ fehlt notorisch eine selbstreflexive, selbstkritische Dimension. Fehler machen „nur die anderen“.
(6) Deutschlands strategische Prioritäten
- Neu und sinnvoll ist die erste Priorität Gewährleistung gesamtstaatlicher Sicherheitsvorsorge, Stärkung von Resilienz und Robustheit ggb. Gefährdungen. Wo Gefährdungsursachen oft nur längerfristig oder gar nicht (weil in der Vergangenheit liegend) bekämpft werden können und Verwundbarkeiten von stark vernetzten Gesellschaften zunehmen, ist die Reduzierung von Verwundbarkeiten hier und heute von erheblicher Bedeutung.
- Unter Priorität 2 „Stärkung von Zusammenhalt und Handlungsfähigkeit in NATO und EU“ werden nur die altbekannten bündnispolitischen Glaubenssätze wiederholt. „Bündnissolidarität ist Teil deutscher Staatsräson“ hört sich stark an. Indem aber kein Wort zu den realen Herausforderungen für Bündnissolidarität heutzutage verloren wird (unterschiedliche Bedrohungswahrnehmungen, unterschiedliche Betroffenheiten durch bestimmte Krisenregionen, unterschiedliche Vorstellungen von zivilen und militärischen Komponenten der Sicherheitspolitik), klingt ein solcher Abschnitt eher wie ein Rufen im Walde.
- Einen im Vergleich zu 2006 deutlich höheren Stellenwert hat als Priorität 3 die ungehinderte Nutzung von Informations-, Kommunikations-, Versorgungs-, Transport- und Handelslinien sowie die Sicherheit der Rohstoff- und Energieversorgung. Die Sicherheits-, ja z.T. Systemrelevanz der internationalen Austauschwege ist unbestreitbar. Ihre ungehinderte Nutzung ist aber primär eine Frage internationaler kollektiver Ordnungs- und Sicherheitspolitik – und darf kein Einfallstor für „Kanonenbootpolitik“ für Partikularinteressen nach dem „Recht des Stärkeren“ sein. Eine solche Interpretation liegt nahe, wenn in Teilen der sicherheitspolitischen Community unterschiedslos von „Verteidigung deutscher Interessen mit militärischen Mitteln“ die Rede ist.
- Als vierte Priorität betont wird das frühzeitige Erkennen, Vorbeugen und Eindämmen von Krisen und Konflikten. Prävention habe grundsätzlich Vorrang. Nachhaltige Prävention und Stabilisierung gelinge nur auf der Grundlage lokaler Eigenverantwortung. Der krisenpräventive Ansatz hat gegenüber 2006 deutlich an Gewicht gewonnen. Zugleich wird er auch konditioniert: „Deutschland muss sich entsprechend seiner Betroffenheit und Möglichkeiten an der Prävention, Stabilisierung und Nachsorge von Krisen und Konflikten beteiligen.“ Das ist eine plausible Priorisierung. Eine unterschiedslose Beteiligung an jedweder Krisenbewältigung wäre weder sinnvoll noch leistbar. Wenn das aber hieße, Deutschland würde sich nur an der Vorbeugung und Verhinderung von Massengewalt und drohendem Völkermord beteiligen, wenn die eigenen sicherheitspolitischen Interessen betroffen sind, wäre das eine fundamentale Absage an einen Kern internationaler Verantwortung – und eine Missachtung einer zentralen Lehre aus der deutschen Völkermord-Geschichte.
Die Ertüchtigung von Partnern (Staaten wie Regionalorganisationen) und der Förderung legitimer und tragfähiger staatlicher Strukturen gilt als wichtiges Instrument der Krisenvorbeugung und –eindämmung (S. 52 ff.). Grundsätzlich richtig. Hierbei müssen aber die insgesamt ernüchternden Erfahrungen von Sicherheitssektorreformen mitbedacht werden. Bloßer Export von Polizei- und Militär“handwerk“ ohne politische Einbettung, ohne Orientierung auf Bürgersicherheit und legitime Staatlichkeit ist nicht nachhaltig und eher kontraproduktiv. Wer hier wirklich nachhaltig wirken will, braucht einen praktizierten ganzheitlichen Ansatz und langen Atem.
Hier hätten Internationale Polizei- und Rule-of-Law-Missionen besondere Erwähnung und Betonung verdient: wo der internationale Ruf deutscher Fachkräfte besonders gut, die Nachfrage nach ihnen hoch – die Entsendung aber ausgesprochen zurückhaltend ist. Trotz aller Akzeptanz von Polizeiaufbau- und Rechtsstaatshilfe in Bundesregierung und Bundestag ist das Interesse daran und erst recht der politische Wille dazu ausgesprochen schwach, geradezu schattenhaft. Die angekündigte Bund-Länder-Vereinbarung zu Internationalen Polizeimissionen dauert und dauert. Solange diese strategische Fähigkeitslücke im deutschen Krisenengagement nicht entschieden angegangen wird, bleiben die Aussichten auf eine nachhaltige Wirkung von Stabilisierungseinsätzen sehr beschränkt.[5]
- Priorität 5 ist das „Engagement für die regelbasierte internationale Ordnung“. Wer richtigerweise von dieser Priorität spricht, dürfte von der strukturellen wirtschaftlichen und sozialen Unordnung in der Welt nicht schweigen.
- Ein schwerer Mangel ist, dass die Stärkung der Vereinten Nationen für die Bundesregierung keine strategische Priorität besitzt – und erst im folgenden Kapitel bei den sicherheitspolitischen Handlungsfeldern Deutschlands auftaucht Das ist aus mehreren Gründen kurzsichtig und friedens- und sicherheitspolitisch unverantwortlich:
- Wenn „unser sicherheitspolitisches Selbstverständnis durch die Lehren aus unserer Geschichte geprägt ist“ (1. Zeile 1. Kapitel des Weißbuches), dann müsste bewusst sein, dass die Vereinten Nationen die erste und globale Konsequenz aus dem von Deutschland verbrochenen Weltkrieg und Völkermorden war und bleibt.
- Wo die globalen Sicherheitsherausforderungen enorm zunehmen und zugleich konfrontative Multipolarität um sich greift, da kommt es umso mehr auf die VN an, ihre Normen, ihre Erfahrungen, ihre Organisationen und Missionen. Wo sich vor allem die westlichen Staaten aus den VN-Missionen zurückgezogen haben – und damit ein Zweiklassen-Peacekeeping beförderten -, ist eine verstärkte Unterstützung der VN-Friedenssicherung mehr als überfällig.
Verschärfend kommt hier die ausdrückliche Öffnung zu Auslandseinsätzen im Rahmen von „Ad-hoc-Kooperationen“ außerhalb von Systemen kollektiver Sicherheit hinzu. (Kap. 8) Das könnte der klaren Norm der VN-Charta zuwiderlaufen, wonach Einsatz militärischer Gewalt außerhalb der Landes- und Bündnisverteidigung nur mit Mandat des VN-Sicherheitsrats zulässig ist. „Coalitions of the Willing“ ohne VN-Auftrag würden die VN und damit globale kollektive Sicherheit elementar schwächen.
Dass bisherige kritische Stellungnahmen zum Weißbuch, insbesondere aus dem friedensbewegten Spektrum, selbst die VN-Dimension deutscher Außen- und Sicherheitspolitik weitestgehend ignorieren, ist ein friedenspolitisches Armutszeugnis.
(7) Sicherheitspolitische Gestaltungsfelder (S. 55 ff.)
Für die nationale Ebene bringt das Weißbuch etliche weiterführende Innovationen:
Förderung der Strategiefähigkeit: seit Jahren im sicherheitspolitischen Diskurs gefordert, jetzt Vorschläge dazu (2006 kein Thema). Der Bundessicherheitsrat soll unter Wahrung des Ressortprinzips zu einem „strategischen Impulsgeber“ werden. Seine umstrittene Rolle bei Rüstungsexport-Entscheidungen ist meines Erachtens kein überzeugendes Gegenargument. Wo wäre sonst der geeignete Ort einer strategischen Erörterung in der Bundesregierung?
- „Ausbau und Verknüpfung der Kompetenzen in strategischer Vorausschau, Steuerung und Evaluierung“, durch „institutionalisiertes Lernen Handlungs- und Adaptionsfähigkeit erhöhen“: Für mich gehört die mangelnde institutionalisierte Lernfähigkeit und –bereitschaft auf der politischen und strategischen Ebene zu den ernüchterndsten Erfahrungen meiner Abgeordnetentätigkeit. Eine wichtige Ankündigung also.
- Förderung strategischer Kontinuität und Kohärenz durch regelmäßige Aktualisierung strategischer Dokumente, wo möglich versehen mitmessbaren Kriterien als Voraussetzung von Evaluierung, Nachfolgedokument zum Aktionsplan Zivile Krisenprävention von 2004.
Nachhaltige Gestaltung von Sicherheit bedeute, die „Sicherheit von Staaten, Menschen und nachfolgenden Generationen“, die „vielfältigen Zusammenhänge von Sicherheit und Entwicklung zu verknüpfen“.
- Wohl erstmalig in einem Weißbuch wird angekündigt, den Personalumfang und die Personalentwicklung „der mit außen- und sicherheitspolitischen Aufgaben betrauten Ressorts (…) strategisch anzulegen (…) und im Rahmen der zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen bedarfsgerecht nachhaltig zu finanzieren.“ (S. 58)“ Auch wenn die notorische Unausgewogenheit der diplomatischen, zivilen, militärischen und polizeilichen Kapazitäten bei früheren Krisenengagements nicht thematisiert wird – hiermit besteht ein Anknüpfungspunkt, den bisherigen Nachholbedarf gerade bei den nichtmilitärischen Fähigkeiten anzugehen.
Weiterentwicklung des vernetzten Ansatzes: die Informationen von Lagezentren auf strategischer und operativer Ebene zu vernetzten, zu teilen und für die Politik zu bündeln, gemeinsame Ausbildung und Übungen von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren für das Handeln im gesamten Krisenzyklus zu fördern, ist sinnvoll und wurde tendenziell auch in Stellungnahmen aus dem Beirat Zivile Krisenprävention gefordert. Voraussetzung einer produktiven, Vereinnahmung vermeidenden Vernetzung ist aber Zielklarheit, sind kompatible Ziele auf der operativen Ebene und die Respektierung unterschiedlicher Mandate und Organisationskulturen. Andernfalls wird das erhebliche Gefälle zwischen Anspruch und Praxis des vernetzten Ansatzes fortbestehen.[6]
Im Abschnitt zu den Leitprinzipien für die Bundeswehr der Zukunft wird die Einbindung der Bundeswehr in ein koordiniertes gemeinsames Krisenmanagement und ihre Beiträge dazu in allen Krisen- und Konfliktphasen betont. (S. 99)
Sicherheitsvorsorge und der Verantwortung für Stabilität und Sicherheit des internationalen Umfeldes (einschließlich menschliche Sicherheit):
„Mit frühzeitigem und umfassendem Handeln wirkt Deutschland auf internationaler Ebene darauf hin, Konfliktursachen zu beseitigen sowie den Aufbau von tragfähigen Institutionen und Strukturen zur friedlichen Konfliktaustragung zu fördern.“
Auch hier wird der Vorrang präventiver Problemlösung betont und dass sich zivile und militärische Instrumente ergänzen. Von einem ausdrücklichen Vorrang ziviler Mittel – und dem Einsatz militärischer Gewalt als äußerstem und schärfstem Mittel (der problematische Begriff der „ultima ratio“) - ist keine Rede. Im Gegenteil: Auch in Zukunft werde es „immer wieder Situationen geben, in denen erst ein robustes, völkerrechtlich legitimiertes militärisches Eingreifen der Diplomatie den Weg zu akzeptablen politischen Lösungen freimacht.“ (S. 61) Hierzu gibt es erheblichen Streit- und Klärungsbedarf: Vor dem Hintergrund der VN-Charta und historischer Erfahrungen sind solche Situationen in der Tat nicht auszuschließen und möglich. Zugleich ändert das nichts daran, dass immer zuerst und hartnäckig an und für diplomatische Lösungen gearbeitet werden muss, dass Militärinterventionen in Bürgerkriege und/oder gegen Aufstandsbewegungen ein hohes Risiko des Scheiterns, ja der Konfliktverschärfung beinhalten, dass die allermeisten robust mandatierten VN-Friedensmissionen nach einer – insbesondere über VN-Vermittler – erreichten Verständigung zwischen Konfliktparteien zum Einsatz kamen. Etliche VN-Missionen sind aber inzwischen in der prekären Situation von „weder Krieg noch Frieden“, wo es realiter keinen Frieden zu sichern gibt, sondern ein Rückfall in den Großkrieg zu verhindern und Frieden mühsam zu gewinnen gilt.
Bei der Stabilisierung des internationalen Umfelds seien der „Aufbau legitimer und tragfähiger staatlicher und gesellschaftlicher Strukturen“, die „Gewährleistung menschlicher Sicherheit sowie die Möglichkeit selbstbestimmter und nachhaltiger Entwicklung gleichrangige Ziele“. Auch hier wird die Notwendigkeit ausreichender außen-, entwicklungspolitischer und polizeilicher Mittel betont.
Angekündigt wird die Aufstellung ziviler Expertenteams, „die frühzeitig und mit kurzem zeitlichen Vorlauf in Krisengebiete entsandt werden können und somit unsere Reaktions- und Deeskalationsfähigkeit erhöhen.“ Diese Maßnahme ist zentral und überfällig und soll der „Verfügbarkeitsfalle“ entgegenwirken, wo bisher in akuten Krisenfällen außer THW in erster Linie Bundeswehrkräfte schnell und flexibel verfügbar waren. Hier könnten sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für Kräfte eines zivilen Peacekeeping bestehen.[7]
Bei den internationalen Gestaltungsfeldern werden als erstes die Vereinten Nationen (auf eineinhalb Seiten, mit einem Foto vom Abrüstungsdenkmal der VN: dem verknotete Revolverlauf) thematisiert. (S. 62 f.) Vorrangiges Ziel deutscher Politik sei, das System der VN durchsetzungsfähiger zu machen, die VN weiter zu stärken und zur effizienteren Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu befähigen.“ Etwas konkreter als im Weißbuch 2006 sind die deutschen Beiträge zur VN-Unterstützung beschrieben:
- Stärkung der materiellen und personellen Beiträge und Übernahme von Führungsverant-wortung in VN-Missionen,
- Übernahme zusätzlicher Verantwortung im Rahmen politischer Prozesse, z.B. durch Mediatoren, Beiträge zur Prävention und zum Krisenmanagement,
- im Rahmen der VN-SR-Resolution 1325 Verbesserung der Partizipation von Frauen in allen Phasen des Konfliktzyklus.
Weit in den Schatten gestellt wird das VN-Kapitel dann aber durch die Kapitel zu NATO und EU. (S. 64-77)
Das „einzigartige sicherheitspolitische Konsultations-, Kooperations- und Verhandlungsform“ der OSZE und ihre zentrale Rolle bei er Lösung des Ukraine-Konflikts werden besonders herausgestellt sowie wichtige Maßnahmen zu ihrer Stärkung genannt. (S. 77-79). Weitere internationale Gestaltungsfelder sind bi- und multilaterale Partnerschaften und Ad-hoc-Kooperationen (s.o.) sowie Rüstungskontrolle, Abrüstung, Nichtverbreitung (S. 82). (Anm.: Mangels Kapazitäten hierzu keine Kommentierung)
Faktisch nicht angesprochen wird das zentrale sicherheitspolitische „Gestaltungsfeld“ der letzten mehr als 20 Jahre – die deutsche Beteiligung an internationalen Kriseneinsätzen.
Im NATO-Kapitel begnügt sich das Weißbuch mit den Feststellungen:
„Die Stabilisierungseinsätze der Allianz zum Beispiel in Afghanistan und auf dem Balkan zeigen, dass Eindämmung und Bewältigung von Konflikten in einem komplexen Sicherheitsumfeld ein langfristiges und verlässliches Engagement erfordern, um Stabilisierungsfortschritte zu erhalten und zu verstetigen.“ (S. 65) Und im Fazit:
„Die Einsätze, insbesondere in Afghanistan, wurden zunehmend robuster und verlangten eine Priorisierung der Aufwendungen für ein angemessene Ausstattung der eingesetzten Truppe. Die Bundeswehr wurde zur Armee im Einsatz.“ (S. 137)
Das ist tatsächlich alles!
Vor dem Hintergrund der vielfältigen, in der breiteren Öffentlichkeit kaum bekannten Einsatzerfahrungen wäre es möglich gewesen, konkreter darzulegen, was mit dem Einsatz von Streitkräften, was mit dem Einsatz militärischer Gewalt im VN-Auftrag (nicht) geleistet werden kann, was die Möglichkeiten, Kosten, Risiken, ggfs. Tücken sind. Diese Basisinformation wird nicht erbracht.[8]
Während in Bosnien nach dem Vertrag von Dayton ein ausgesprochen gewaltarmer Stabilisierungseinsatz militärisch erfolgreich zu Ende ging (Verhütung neuer Kriegsgewalt), geriet der ISAF-Stabilisierungseinsatz zu Aufstandsbekämpfung, waren Bundeswehrsoldaten erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik mit einem opferreichen Terror- und Guerillakrieg konfrontiert. Die gerade in den letzten Jahren ständig steigende Zahl von Zivilopfern im Kontext des bewaffneten Konflikts in Afghanistan führen vor Augen, dass ISAF kein sicheres Umfeld hinterließ. Die 15 Jahre des Afghanistaneinsatzes waren voller Erfahrungen und schmerzhafter Lehren, Teilfortschritten wie auch herben Ernüchterungen – z.B. im Hinblick auf das kollektive politische Führungsversagen bei diesem Einsatz. Sicher ist in das Weißbuch einiges von diesen Erfahrungen eingeflossen. Dass die Erfahrungen der letzten zehn Jahre militärisch-zivil-polizeilicher Kriseneinsätze aber nicht explizit ausgeführt werden (das Weißbuch 2006 brachte zumindest noch drei Seiten zu den Auslandseinsätzen), ist eine strategische Lücke und ein Fall von Lernverweigerung. Wie will man verantwortlich das vielbeschworene Mehr an Verantwortung schultern, wenn man sich nicht klar mit den Leistungen, Schwächen und Fehlern der Sicherheitspolitik der letzten zehn Jahre auseinandersetzt? Wie kommt das bei den Tausenden Frauen und Männer an, die von Bundesregierung und Bundestag in belastende und z.T. hoch riskante Einsätze entsandt wurden?
Die Tatsache, dass beim Review-2014-Prozess des Auswärtigen Amtes die Auslandseinsätze, für die das AA immerhin die Federführung hat, weitgehend ausgeklammert wurden, ist kein Grund, dass auf Seiten des Verteidigungsministeriums ähnlich zu machen.
(8) Chance zu weiterer Debatte und Kursbestimmung
Jahrelang beklagten außen-, friedens- und sicherheitspolitische Kreise das Fehlen einer breiteren Debatte und Verständigung zur internationalen Politik und Verantwortung Deutschlands.
Das Weißbuch bietet reichlich Denk- und Streitstoff und damit Anstöße zu einer gründlicheren Debatte. Zeitlich günstig trifft sich das mit dem Debattenprozess „PeaceLab2016 – Krisenprävention weiter denken“ zu den geplanten Leitlinien „Krisenengagement und Friedensförderung der Bundesregierung“, die das Bundeskabinett im nächsten Frühjahr beschließen soll. [9]
Die Häufung näher rückender Krisen und Kriege, die zunehmende Gefährdung des friedlichen und demokratischen Zusammenlebens in Deutschland und Europa durch rechtspopulistische Grundströmungen, transnationalen Terrorismus etc. erfordert dringend eine ernsthaftere, selbstkritischere und ergebnisorientierte Form der politischen Auseinandersetzung, mehr Ringen um demokratischen Dialog und Verständigung, zumindest Klärung.
Ritualisierte Formen des (partei)politischen Schlagabtausches, Pflege überkommener Weltbilder, einfache Antworten und Alleinvertretungsansprüche machen wohl „Sinn“, um in unübersichtlichen Zeiten Orientierung zu behalten. Wo Frieden zunehmend verloren geht und seine Voraussetzungen bröckeln, wo die Zukunft von Demokratie in Europa nicht mehr sicher ist, sind solche Verhaltensweisen völlig kontraproduktiv.
Unter der ersten Welle der Stellungnahmen zum Weißbuch waren etliche „Schnellschüsse“.
Die schnell in der Sommerpause verebbte Debatte könnte dann noch aufleben und produktiv werden,
- wenn alle Beteiligten sich um genaueres Hinsehen, Hinhören und Dialogfähigkeit bemühen und mehr nach Problemlösungen suchen würden,
- wenn im PeaceLab-Debattenprozess Lücken und Fragwürdigkeiten des Weißbuches thematisiert würden,
- wenn ca. ein halbes Jahr nach Veröffentlichung des Weißbuches bei einer größeren Veranstaltung (ggfs. mit einer begleitenden Publikation) eine öffentliche Bilanz des Weißbuchprozesses gezogen würde.
[1]http://www.dgvn.de/fileadmin/user_upload/DOKUMENTE/Vortraege/Festakt_K%C3%B6hler/Festakt_70_Jahre-RedeK%C3%B6hler.pdf
[2] Art. 56 GG: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“
[3] An 8. September 2015 beim Weißbuch-Kolloquium zu Entwicklung und Sicherheit, am 6. Juni 2016 bei der Konferenz „Entwicklung, Sicherheit, Frieden“ im BMZ.
[4] Kooperation für den Frieden, Antwort auf das Weißbuch, 13. Juli 2016 http://www.koop-frieden.de/fileadmin/Pressemitteilungen/Erklaerungen_2016/Weissbuch_Final.pdf ;
[5] Vgl. Winfried Nachtwei, Internationale Polizeimissionen als Element deutscher Außen- und Sicherheitspolitik, in: Siller/Stierle/Wehe, Handbuch Polizeimanagement (erscheint Ende 2016); ders., Mehr deutsche Polizei in UN-Friedenseinsätzen, in: Vereinte Nationen 2/2015, http://www.dgvn.de/veroeffentlichungen/publikation/einzel/mehr-deutsche-polizei-in-un-friedenseinsaetzen/
[6] Winfried Nachtwei, Die Bundeswehr, der Comprehensive Approach und die öffentliche Kommunikation in Deutschland, Thesenpapier zum Expertengespräch „ISAF Lessons Learned“ am 21. Juni 2016 im Deutschen Bundestag, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1412
[7] Christine Schweitzer, Vorrang für gewaltfreie Intervention: Das zivile Peacekeeping stärker nutzen, http://www.peacelab2016.de/peacelab2016/debatte/friedenseinsaetze/article/vorrang-fuer-gewaltfreie-intervention-das-zivile-peacekeeping-staerker-nutzen/
[8] Winfried Nachtwei, Lehren aus 20 Jahren deutscher Beteiligung an internationalen Interventionen, http://nachtwei.de/index.php?module=articles&func=display&aid=1312
[9] Blog zum Debattenprozess: http://www.peacelab2016.de/peacelab2016/ , weitere Infos auf www.nachtwei.de
Ende 1941/Anfang 1942 rollten Deportationszüge aus Deutschland und Österreich nach Riga.
1989 stieß ich auf die Spuren der verschleppten jüdischen Frauen, Männer und Kinder.
Mit meinem bebilderten Vortrag "Nachbarn von nebenan - verschollen in Riga" stehe ich gern für Erinnerungsveranstaltungen und Schulen zur Verfügung. (Anlage)
Von der zivilen Krisenprävention bis zum Peacebuilding: Die 53-seitige Broschüre stellt kompakt und klar auf jeweils einer Themenseite Prinzipien, Akteure und Instrumente des Krisenmanagements vor. Bei einem Kolloquium im Bundestag in Berlin wurde die Schrift einem Fachpublikum vorgestellt. Erstellt von AutorInnen des Zentrums Internationale Friedenseinsätze ZIF und der Stiftung Wissenschaft und Politik SWP ist die "Toolbox" ein wichtiger Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Grundbildung auf einem Politikfeld, wo die Analphabetenrate in der Gesellschaft, aber auch in Medien und Politik sehr hoch ist. ... www.zif-berlin.de
Auf dem Foto überreicht W. Nachtwei den AutorInnen seine 2008 erschienene Broschüre zur Zivilen Krisenprävention und Friedensförderung.
Mehr zur Rolle zivilgesellschaftlicher Akteure bei der zivilen Konfliktbearbeitung u.a.: